Chapter 1: aka das fake dating au, das kein mensch wollte
Summary:
Draco macht Harry ein Angebot, das dieser definitiv ablehnen kann.
Notes:
Und er kennt seine Grenzen und geht trotzdem zu weit
Kein Glück in der Ferne, nach dem er nicht greift
+_265CN: Alkohol
Chapter Text
»Harry, Du musst mir helfen!«, ruft Draco aus, kaum dass er die Tür zu Harrys Zimmer aufgerissen hat. Mit ihm stürzt das warme Licht aus dem Flur in den Raum und fällt Harry direkt in die erschrocken aufgerissenen Augen. Draco lässt sich neben dem Bett auf den Boden sinken und starrt Harry, der sich mit zusammengekniffenen Augen versucht, an die Helligkeit zu gewöhnen, einen langen, langen Moment einfach nur an.
Der Geruch nach Bier und Zigarettenrauch geht von Draco aus und füllt Harry bald bis in den letzten Winkel; seine blonden Haare sind durchwühlt, seine Wangen und seine Nase gerötet. Harry versucht, seine Müdigkeit und auch die Helligkeit weg zu blinzeln und zu verarbeiten, dass es gerade (Blick auf die Digitalanzeige) vier Uhr achtundvierzig ist und Draco betrunken vor seinem Bett hockt. Und dass es wohl an ihm ist, das Gespräch voranzutreiben: »Und womit muss ich Dir helfen?«
»Meine Eltern wollen, dass ich beim nächsten Familienzusammenkommen ein nettes, respektables Mädchen mitbringe!« Dracos Stimme schwankt ein bisschen, man könnte es beinahe als Lallen bezeichnen; seine rechte Hand liegt auf Harrys Bettdecke, der kleine Finger zuckt ungeduldig, als wisse er nicht, ob er nach Harry greifen oder auf dem Stoff herumtrommel sollte, sein Kopf ist nach links geneigt und er starrt immer noch, als hoffte er, Harry damit hypnotisieren zu können, um auszusprechen, was Draco noch nicht gesagt hat, oder um eine Frage beantwortet zu bekommen, die Draco nicht gestellt hat.
»Dann musst Du wohl das nächste Mal ein nettes, respektables Mädchen mitbringen«, erwidert Harry langsam, bevor er sich erneut unter seine Bettdecke schiebt und sogar versucht, sie sich über den Kopf zu ziehen – was mit größter Wahrscheinlichkeit geklappt hätte, wenn Draco nicht mit nervös-kalten Fingern die Decke wieder zurückgezogen hätte.
»Harry!« Draco scheint sich nicht entscheiden zu können, ob er seine Lautstärke der Uhrzeit angemessen oder seiner Gemütsverfassung entsprechend wählen soll, was das Flüsterschreien aus seinem Mund noch ein wenig verzweifelter klingen lässt. »Woher soll ich bis nächste Woche ein Mädchen herkriegen? Vor allem eins, das respektabel ist?« Harry rührt sich nicht, sondern kneift demonstrativ seine Augen noch fester zusammen. »Harry, ich mein‘s ernst!« Harry zieht seine Brauen zusammen, sodass sich eine steile Falte zwischen ihnen bildet. »Ich will gar kein Mädchen kennenlernen!« Seine Stimme überschlägt sich und vielleicht öffnet Harry eins seiner Augen. (Aber nur ein klitzekleines bisschen, um Dracos Gesichtsausdruck beurteilen zu können, nicht weil er jetzt schon das Bedürfnis hat, nachzugeben. Sicher nicht deswegen.) »Ich meine, stell‘ Dir das mal vor! Wenn ich da nächste Woche auftauche und – ba-bämm – sexy arm candy ist kein Trophäenweibchen, wie sich mein Dad das gerade vorstellt, sondern – ba-bämm – ein netter, respektabler angehender Polizist mit hervorragenden Manieren und einem ausgezeichneten moralischen Kompass, der ihn stets zu Hilfsbereitschaft und Mitgefühl verleitet. Das wäre doch nett!«
Harry dreht sich genervt stöhnend auf den Rücken, die Augen wieder fest geschlossen, und antwortet: »Vergiss‘ es.«
»Harry«, quengelig zieht er beide Silben in die Länge, als ob Harry das eher dazu überreden würde, ja zu sagen, »mein Kumpel, mein Freund, mein Lebensretter, mein Sonnenstrahl an einem trüben Tag, komm‘ schon. Tu‘s für mich!« Er zieht das I von mich auseinander wie frisch gekauten Kaugummi, bis ihm fast die Luft ausgeht.
»Wenn ich Dir sage, dass ich es mir überlege … gehst Du dann?«, fragt Harry, obwohl er sich ganz und gar nicht geschlagen geben will. Aber er hat die kleine Hoffnung, dass Draco sich von seinem unüberlegten und vollkommen überstürzten Plan abbringen lässt, wenn er erst einmal wieder nüchtern ist.
(Harry darf das niemals aussprechen, weil er weiß, dass es nur zu Ärger führen würde, aber … Draco und Ron sind sich schrecklich ähnlich, wenn sie betrunken sind. Und das hat ihn niemals in gute Situationen gebracht, obwohl es schrecklich komisch ist, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig hochschaukeln und ein ums andere Mal fast über Tische, Stühle und Tresen gesprungen wären, um Aggressionen auszuleben, die gar nicht existieren würden, wenn sie nüchtern geblieben wären. – Der große Unterschied zwischen ihnen beiden ist wohl, dass man Draco erst anmerkt, wie betrunken er ist, wenn es schon zu spät ist.)
»Lügst Du mich an?«, fragt Draco und lenkt Harrys Aufmerksamkeit wieder darauf, dass er bis eben keine Antwort von seinem Mitbewohner erhalten hat. »Harry, ich weiß, wie das ist, wenn Du lügst. Du willst mich nur loswerden.«
»Ist das denn wichtig?«, will Harry wissen, während er stark zu verdrängen versucht, dass er in nicht einmal einer Stunde aufstehen muss, weswegen es sich kaum lohnt, tatsächlich die Augen noch einmal zu schließen und sich seinem wohl verdienten und nötig gebrauchten Schlaf hinzugeben.
Draco gibt ein aufopferungsvoll klingendes Geräusch von sich, steht auf und beginnt, sich aus seinen nach Zigarettenqualm und Bier stinkenden Kleidungsstücken zu schälen, bis er nur noch in seinen Boxershorts neben Harrys Bett steht. Im nächsten Moment schiebt er seine kalten Knie unter Harrys Decke und sagt: »Du wirst Dich daran gewöhnen müssen, wenn wir nächstes Wochenende bei meinen Eltern sind. Da werden wir uns auch ein Zimmer teilen.«
»Draco, ich mach‘ das nicht.« Harry weicht unwillkürlich zurück und räumt Draco damit genug Platz auf der Matratze ein, dass er ganz in die Wärme eintauchen kann, die Harry hinterlassen hat.
»Doch«, entgegnet Draco, als ob er tatsächlich die letzte Entscheidungsgewalt in der Angelegenheit hätte. »Aber wir müssen vorher schauen, ob wir Dir was Anzuziehen besorgen oder ob Dir vielleicht auch was von mir passt. Wir wollen schließlich nur meinem Vater eins auswischen. Nicht meiner Mum.«
Harry öffnet den Mund, um Draco nochmals zu versichern, dass er mit Sicherheit nicht bei dieser Aktion partizipieren wird und dass (hallo?) seine Kleidung nicht annähernd so schlimm aussieht, wie Draco gerne behauptet, als Dracos Arm sich über seinen Bauch legt und ihn näher zieht und er seinen Kopf in Harrys Halsbeuge legt. Dann schließt er ihn wieder, denn ganz ehrlich? Die letzten dreiundvierzig Minuten, die noch vergehen müssen, bis sein Wecker klingelt, sind ihm wichtiger, als ein aussichtsloses Gespräch mit Draco zu führen. Das kann er auch morgen machen. (Das wird er morgen machen.)
Chapter 2: aka das fake dating-au, auf das draco nur hoffen konnte
Summary:
Draco rechtfertigt seine Eskapaden vom Vortag vor sich selbst und muss Tonks Nachrichten über Remus ertragen. (Es ist phantastisch.)
Chapter Text
Draco erinnert sich, vor ein paar Stunden nach einem Wecker geschlagen zu haben. Er erinnert sich auch, wie sich neben ihm jemand aus den Laken gekämpft hat. Allerdings erinnert er sich nicht mehr, wie die Person gegangen ist, oder warum sie es für eine gute Idee gehalten hat, auch für Draco einen Wecker zu stellen. (Und diesen dann außer Reichweite zu deponieren??)
Das laute Piepsen, das aus der hinteren Tasche seiner Hose kommt, veranlasst ihn nicht dazu, sich zu bewegen. Er lässt es piepsen und wartet. Zwei ganze Minuten. Als es dann aber auch einfach nicht aufhören möchte, blinzelt er die Müdigkeit aus seinen Augen (was eher semioptimal funktioniert) und starrt auf seine schwarze Röhrenjeans, die sich herrenlos beinahe in Reichweite befindet. Er streckt seinen Arm danach aus, lehnt sich ein wenig über die Bettkante und kramt mit seiner Hand in den Stofflagen herum, bis er die linke hintere Hosentasche findet und sein Handy herausziehen kann.
Nachdem er den Wecker ausgeschaltet und das Handy neben sich auf die Matratze geworfen hat (da sind neue Nachrichten! sein Kater ist viel zu groß, als dass er die jetzt lesen könnte!), zieht er die Decke über seinen Kopf und seufzt. Langsam zählt er von zehn herunter, bevor er sich wieder unter dem Stoff hervorkämpft und nach seinem Handy greift.
Eine Email von seiner Mutter, in der sie ihm noch einmal die genauen Daten zu der kurzfristig angekündigten Festivität (es ist die Hochzeit einer entfernten Verwandten, die Draco nur von Photos und aus Erzählungen über all ihre Erfolge und Errungenschaften, aber auch die kleinen Skandale, in die sie verwickelt war und die außerhalb ihrer Familie niemanden interessieren, kennt) darlegt; mit der Erinnerung, nicht wieder zu vergessen, dass er eingeladen sei und zugesagt habe. – Draco verdreht die Augen. Als ob er einfach vergessen würde, dass er zu irgendwelchen Veranstaltungseinladungen Ja gesagt hat.
Eine Nachricht von Tonks, seiner Cousine, die nur aus einer sinnlosen Buchstabenkombination besteht, die von acht erschrocken dreinblickenden Smileys abgeschlossen wird. Er schickt ihr ein Fragezeichen zurück und wendet sich der nächsten Nachricht zu.
Blaise hatte ihm wohl um halb sechs eine SMS geschickt, um sich zu erkundigen, ob er gut daheim angekommen sei. Mit etwas, das beinahe an ein schlechtes Gewissen erinnern, aber auch einfach nur sein Kater sein könnte, tippt Draco Ja. Entschuldigung. Ich habe bereits geschlafen, als Du mir geschrieben hast. und schickt es ab.
Die letzten beiden Nachrichten sind von Crabbe und Goyle, die ihm unabhängig voneinander denselben Link zu einem Tumblr-Post über Kühe mit Blumenkränzen und einem von Kühen in hohem Gras geschickt haben. Er klickt sie nicht an, sondern schwingt stattdessen seine Beine aus dem Bett und genießt das Gefühl des flauschigen Teppichs vor Harrys Bett.
Auf dem Nachtschränkchen steht kein Glas mit Wasser und auch keine Aspirin (der Halunke?! Draco hat bessere Behandlung verdient nach so einer Nacht?), Harry hat ihm keine kuscheligen Socken und keine Jogginghose neben das Bett gelegt, damit er nicht noch einmal in seine dreckigen Kleider von gestern steigen muss (er dachte, sie seien Freunde?! Hallo?!) und Harry hat ihm noch nicht einmal den Gefallen getan, das Fenster zu öffnen, damit er nicht in demselben Übelkeit erregenden Gemisch aus von Alkohol und Zigarettenrauch geschwängerter Luft und dem Geschmack in seinem Mund aufstehen muss (egoistischer Schurke).
Draco steht auf, wirft seine Boxer zu seinen restlichen Klamotten, die er dann aufsammelt und im Badezimmer in den Wäschekorb pfeffert. Dann geht er zurück in Harrys Zimmer und sucht sich Harrys weichste Jogginghose und seine molligsten Socken heraus, bevor er sich im Bad unter die Dusche stellt und sich kaltes Wasser über den Rücken laufen lässt, das graduell wärmer wird, bis sich seine Ohren und seine Schultern rot verfärben.
Das Wasser vertreibt die Anspannung in seinem Nacken und den Schmerz in seinem Kopf ein bisschen, sodass er in der Lage dazu ist, mit etwas klareren Gedanken abzuwägen, wie sinnvoll der Plan ist, den er sich in einem stockbesoffenen Moment geistiger Umnachtung ersonnen hat.
Die Hochzeit absagen kann er nicht. Das würde ihm weder seine Mutter noch sein Stolz erlauben. Allein würde er mit absoluter Sicherheit auch nicht hingehen. Das wäre wie ein Eingeständnis seiner Unfähigkeit. (Warum muss er überhaupt jemanden mitbringen? Er erinnert sich nicht einmal daran, zugesagt zu haben? Geschweige denn, plus Eins angekreuzt zu haben?!)
In einer Woche würde er es nie und nimmer schaffen, jemanden zu finden, dem er genügend Vertrauen entgegenbringen könnte. Draco wäre die meiste Zeit damit beschäftigt, sich Sorgen zu machen, dass seine Begleitung seine Eltern nicht händeln könnte, oder dass etwas schieflaufen und seine Lüge auffliegen würde. Und das ist keine Option.
Es bleibt nur Harry. (Er würde ja Blaise fragen, aber der ist ein altbekanntes Gesicht im Hause Malfoy, das seit ihrer gemeinsamen Grundschulzeit ein- und ausgeht, wie es gerade passt. Und auch ansonsten muss Draco zugeben, wenn er gerade schon gezwungen ist, darüber nachzudenken, dass all seine Freunde nicht gerade eine sonderlich gute Wahl wären. – Vielleicht ist es an der Zeit, sich neue Freunde zu suchen. Aber darüber kann er nachdenken, wenn er sein nun doch etwas akuteres Problem gelöst hat.)
Draco stellt das Wasser aus und trocknet sich ab, bevor er in die Jogginghose und die Socken schlüpft, dann holt er sich aus Harrys Zimmer noch ein T-Shirt (weil er es einfach nicht darauf beruhen lassen kann).
Langsam trottet er in die Küche, während er eine Nachricht von Tonks liest, in der sie panisch berichtet, dass Andromeda, ihre Mutter, ihr am Abend eine SMS geschickt hat, um sie an die Hochzeit zu erinnern, auf die auch sie eingeladen ist. Draco grinst. Das passt zu Tonks. (Zu Tonks, nicht zu ihm, okay.)
Er drückt gerade auf Senden, um ihr zu sagen, dass sie sich nicht so anstellen soll (nicht in diesen Worten, selbstverständlich, er wurde schließlich mit Anstand erzogen), als sein Blick auf eine Schüssel fällt, die auf der Anrichte steht. Daneben liegt ein Zettel, auf dem ohne jeden Zweifel Harrys Handschrift zu erkennen ist. Draco greift danach.
Ich werde nicht mit Dir zu dieser Sache gehen. Vergiss‘ es. Im Kühlschrank steht Milch, der Rest für Porridge ist im Topf auf der rechten Herdplatte. Trink‘ viel. – Harry.
Draco grinst und holt gleichzeitig die Hirsemilch aus dem Kühlschrank, die Harry immer kauft, wenn er plant, Porridge zu machen. Er misst dreihundert Milliliter ab und gießt sie in den Topf, bevor er die Herdplatte anschaltet. Dann setzt er sich an den Tisch, tauscht im Warten ein paar Nachrichten mit Tonks und Blaise aus und überlegt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Harry tatsächlich ein definites Nein zu der Hochzeit abgegeben hat.
Während er sich in die Schüssel schöpft, die Harry ihm hingestellt hat, und anschließend Granola auf dem dampfenden Brei verteilt, entscheidet er, dass die Wahrscheinlichkeit ziemlich niedrig ist, weil Harry eigentlich gar keinen richtigen Grund hat, Nein zu sagen. Offensichtlich.
Nachdem er sich wieder gesetzt hat, öffnet er Snapchat und macht ein Photo von sich, wie er den Porridge in die Kamera hält und auf dem man deutlich Harrys rotes ausgeblichenes Star Wars-Shirt, den Bund seiner dunkelgrauen Jogginghose und die rot-gelb gestreifte Ferse seiner rechten Socke erkennen kann. Draco setzt den Text vom neuen freundfreund verwöhnt werden ♡ darüber und schickt das Bild an Harry. (Er tut es fast nicht, weil es überhaupt nicht seinem Naturell entspricht, süße Nachrichten zu verschicken, vor allem, wenn sie an Harry gehen sollen. – Draco weiß, dass er sehr körperlich werden kann, wenn er getrunken hat. Das geht in jede Richtung. Manchmal prügelt er sich fast mit Weasley und manchmal legt er seinen Kopf in Harrys Schoß und macht so lange leidende Geräusche, bis Harry sich erbarmt und ihm sanft den Hinterkopf oder den Nacken krault. – Er weiß auch, dass er emotional werden kann, wenn er getrunken hat. Das kann mit Liebe bekundenden Nachrichten an Blaise beginnen, in denen er unsinnige Vergleiche für seine Zuneigung anstellt, die ihm von jedem anderen wahrscheinlich vorgehalten werden würden, sobald er wieder nüchtern ist. Aber es kann auch in melodramatischen Nachrichten an Pansy und Hermione übergehen, in denen er über alles und nichts (eigentlich mehr nichts) schreibt, bis sie ihn ins Bett schicken oder er einfach einschläft, wo er sich gerade befindet. Aber an ganz besonders guten Abenden kann es auch in anzüglichen Nachrichten an Harry enden, die der nur mit einem Ist okay, Draco, gute Nacht beantwortet. – Aber eins weiß Draco auch mit Sicherheit: Dass er es nüchtern nicht ist. Weder emotional noch körperlich. Und es fühlt sich verflixt seltsam an, dass er es nun doch versucht.)
Harry ist der einzige, der Porridge wirklich gut macht, denkt Draco sehnsüchtig, während er den Brei mit seinem Löffel aus der Schüssel schabt. Ein Blick auf die Uhr verrät ihm, dass es schon fünf vor zwölf ist und Harry dementsprechend bald Mittagspause haben dürfte, was es ihm möglich machen sollte, den Snap auch zu sehen, den Draco ihm geschickt hat. Wahrscheinlich wird es noch einmal ein verhandelbares, nicht wirklich ernst gemeintes Nein sein, das Draco nicht davon abhalten wird, weiter darauf zu beharren, dass nächstes Wochenende viel zu schnell kommt und sie bald ein schönes Hemd für Harry kaufen müssen, damit er auf der Feier nicht zu sehr heraussticht.
Nach ein paar weiteren Nachrichten an Tonks, die noch panischer als zuvor festgestellt hat, dass scheiße noch mal Remus Lupin wahrscheinlich mit ihrem Cousin Sirius kommen wird, obwohl er sich normalerweise nicht auf irgendwelchen Familienangelegenheiten blicken lässt, spült Draco das benutzte Geschirr ab, lüftet die kleine Wohnung, die er seit zwei Jahren zusammen mit Harry bewohnt, und überzieht Harrys Bett neu, weil es zu sehr nach durchzechter Nacht in einer Kneipe riecht, als dass Draco akzeptieren könnte, dass Harry sich wieder hineinlegen muss. Schließlich startet er die Waschmaschine und legt sich längs auf das Sofa, das in ihrer Küche steht und irgendwie ihr Wohnzimmer darstellen soll. (Er kann sich noch daran erinnern, wie er das erste Mal die Wohnung betreten hat, als Harrys alter Mitbewohner ausgezogen war, und er felsenfest davon überzeugt gewesen ist, niemals irgendwohin zu ziehen, wo es kein eigenständiges Wohnzimmer gibt. Aber irgendwie ist er trotzdem hier gelandet. Und inzwischen kann er den Reiz daran verstehen, seine Freizeit in der Küche zu verbringen. Es ist heimelig. Das kennt er von daheim nicht.)
Ich glaube, Sirius und Remus sind, Tonks Nachricht endet mit zwei kleinen Herzen und einer regenbogenfarbener Flagge, aber bevor Draco antworten kann, schickt sie hinterher: wäre Remus nur nicht so, ein Flammen-Emoticon und zweimal die dicke, rote unterstrichene Hundert, die Tonks gerne benutzt, wenn sie nicht in Worte fassen kann, wie sehr sie von etwas angetan ist. Glaub‘ mir, mein Leben wäre viel besser.
Er lacht leise und beginnt zu tippen: Woher willst Du wissen, dass die beiden zusammen sind? (Immer, wenn er mit Tonks schreibt, zuckt sein Finger in Richtung der Smileys und Emoticons, aber nüchtern hat er bisher immer darauf verzichtet, tatsächlich einmal eins zu nutzen. Wenn er betrunken ist, dann sieht das anders aus, das gibt er zu. Das schlimmste war, als er zu einer 8, zwei Gleichsetzungszeichen, einem großen D und dem Tropfen-Emoticon aufgewacht ist, das er stockbesoffen nachts gleich mehrfach an Harry geschickt hat. Harry hatte nicht einmal auf die Nachrichten geantwortet, wahrscheinlich weil er am nächsten Tag früh aus dem Bett musste, bis er schließlich ohne irgendwelche Smileys Anzeige ist raus. antwortete. Draco schämt sich bis heute tief ins Mark, dass das passiert ist.)
Ich wäre mit Remus zusammen, wenn ich Sirius wäre, schreibt sie, hast Du sein Gesicht gesehen? Und?? seine?? Hände??? Sie schickt jeden Teilsatz als einzelne Nachricht und beendet ihre Flut mit einem einzelnen Paar zum Himmel gereckter Hände.
Okay. Zu viel Information. Behalt‘ Deinen Handfetisch für Dich, erwidert er und überlegt, ob er auch nur ein einziges Paar Hände kennt, die zumindest einen Kink rechtfertigen würden. Naja … Harry hat schöne Hände, aber das ist kein Wunder, weil alles an ihm irgendwie schön ist. Noch ein Grund mehr, Harry mitzunehmen und keine zweite Wahl zu akzeptieren.
Ja. Ja. Ich weiß, dass Du ein zartes Pflänzchen bist. Draco verdreht die Augen, nachdem er die Nachricht geöffnet und gelesen hat. Darauf kann er später eine Antwort finden.
Chapter 3: aka das fake dating au, das harry immer fürchtete
Summary:
Harry berät sich mit Ron, Percy hat ein Cameo und Draco leitet Phase 1 seines Planes ein.
Notes:
love is knocking on your door
[#_2965]CN: Essen
Chapter Text
Es ist ein entspannter Tag bisher, auch wenn Harry sich seit dem Aufstehen so fühlt, als würde er im Sitzen gleich wieder einschlafen. Den Vormittag haben sie im Hörsaal verbracht, haben ihrem Ausbilder zugehört und Harry hat mit seiner Müdigkeit gekämpft, bis es an der Zeit war, in die Mittagspause zu gehen. Harry tritt in den Sonnenschein vor dem Gebäude und atmet einmal tief durch, bevor Ron ihn mit dem Ellenbogen spielerisch in die Seite schlägt und ihm auffällt, dass alle anderen die Distanz zum Mittagessen sehr viel mehr verringert haben als er.
»Wo bist Du mit Deinen Gedanken, Alter?«, fragt Ron und verschränkt die Hände in seinem Nacken, während er Harry besorgt von oben bis unten ansieht. »Du siehst schon den ganzen Morgen abgelenkt aus.« Harry zuckt mit den Schultern.
»Draco möchte«, beginnt er und überlegt für einen klitzekleinen Moment, ob er Ron überhaupt davon erzählen sollte (unmittelbar setzt sein schlechtes Gewissen ein), »naja, er möchte, dass ich ihn auf irgend so eine Familiengeschichte begleite und so tue, als wären wir zusammen.« Er zuckt nochmal mit den Achseln und verzieht das Gesicht ein kleines bisschen leidend. »Ich überlege, ob ich vielleicht doch ja sagen soll. Er sah ein bisschen verzweifelt aus.«
Rons Augenbrauen ziehen sich wie Gewitterwolken zusammen und seine Ohren färben sich rosa. Das passiert oft, wenn sie über Draco und eine seine schrecklich planlosen Ideen reden. Oder wenn Dracos Name fällt. Oder wenn er in der Nähe ist. Dabei ist es noch nicht einmal so, als ob Ron und Draco sich nicht ausstehen könnten. (Obwohl … am Anfang, die ersten paar Monate, nachdem Draco bei Harry eingezogen war, konnten sie sich wirklich nicht leiden. Aber Harry hatte eigentlich den Eindruck bekommen, dass sich das größtenteils geändert hätte.)
»Du kannst nicht immer nachgeben«, sagt Ron nach ein paar Augenblicken absoluten Schweigens. »Bleib‘ standhaft. Den Stress ist es nicht wert.« Rons Mund bleibt noch einen Moment geöffnet, als ob er etwas hinterherschieben wollen würde; aber dann schließt er seinen Mund doch wieder und greift nach Harrys Arm, um ihn in Richtung Cafeteria zu ziehen. Harry lässt es einfach geschehen, aber hört nicht wirklich zu, als Ron beginnt, über den Film zu sprechen, den er gestern mit Lavender gesehen hat. (Nun, den er versucht hat, mit Lavender zu schauen würde es eher treffen, weil sie mit Sicherheit letztendlich durch ihre eigene Rumknutscherei zu abgelenkt gewesen sein werden, um tatsächlich mitzubekommen, worum es in dem Film eigentlich geht. Harry kennt deswegen von mindestens drei Dutzend Filmen den Anfang, ein paar Brocken aus der Mitte und manchmal noch die Bonus-Szene, die nach dem Abspann oft noch gezeigt wird.)
Sie haben sich gebackene Zucchini mit Wildreis und Mango-Chutney an der Theke geholt und sich dann zu ein paar Menschen aus ihrem Ausbildungsjahr gesetzt. Harry hat die Hälfte aufgegessen und seinen Teller dann zu Ron geschoben, der sich mit einem Grinsen seinem neuen Teller widmet.
Unauffällig zieht Harry sein Handy aus der Hosentasche, weil er es eigentlich sehr unhöflich findet, damit herumzuhantieren, während andere Leute noch essen, aber er weiß, dass es in fünfzehn Minuten weitergeht, also gönnt er sich das kleine bisschen Freizeit, das er bis heute Abend noch hat.
Es sind nicht viele Benachrichtigungen seit heute Morgen, aber doch genügend, dass er ein paar Minuten brauchen wird, um angemessen auf alle zu antworten.
Die erste Nachricht, die Harry angezeigt wird, ist von Oliver Wood, seinem ehemaligen Fußball-Kapitän, mit dem er immer noch ab und zu schreibt, wenn Weltmeisterschaft ist oder einer von ihnen eine besonders gute oder schlechte Nachricht über ihren Lieblingsverein, die Falmouth Falcons, an der Hand hat. Es ist ein Photo, unter dem Schau mal, wen Cedric & ich getroffen haben!!!!!!!!!!!!!! gekrönt von ein paar Feier-Emoticons steht, die Oliver niemals selber gefunden haben kann, weswegen Harry sich denkt, dass Cedric sie unter Olivers wild fuchtelnden Anweisungen eingefügt haben muss. Harry öffnet das Photo und sofort begrüßen ihn die grinsenden Gesichter von Oliver Wood, Cedric Diggory, Roger Davies und … Percy Weasley?
»Hey, Ron?«, versucht Harry die Aufmerksamkeit seines besten Freundes auf sich zu ziehen. Er wartet, bis Ron seinen Satz beendet und sich fragend zu ihm umgedreht hat, bevor er weiterspricht: »Was macht Percy eigentlich momentan?« Er sieht Verwirrung über Rons Gesicht huschen, dann antwortet er mit schräg gelegtem Kopf: »Er arbeitet an seiner Dissertation, warum?«
»Nein, ich meine, was macht er jetzt gerade so?«, spezifiziert Harry, was Ron noch verwirrter aussehen lässt und ihm ein »Ich weiß nicht so genau? In irgendeiner Bibliothek sitzen? Sicher nicht beim Mittagessen sein?« Er lacht leise. »Warum fragst Du?«
»Weil ich so ein dumpfes Gefühl habe, dass ich weiß, wo er ist«, erwidert Harry, bevor er sein Handy nach oben hält und Ron das Photo zeigt, das noch immer auf seinem Bildschirm zu erkennen ist. Für einen Moment ist es still zwischen ihnen – Harry kann ein paar Gesprächsfetzen von anderen Tischen lauschen – dann schnappt Ron nach Luft.
»Ist das Roger Davies?!?«, schreit er und reißt Harry das Handy beinahe aus der Hand. »Ist das Roger Davies?!?« Er kneift die Augen zusammen, als ob es das Bild irgendwie verändern würde. »Neben meinem Bruder?!« Ron stößt ein ungläubiges Lachen aus.
»Ich wusste nicht einmal, dass Percy und Oliver sich kennen«, stellt Harry fest, bevor er einen Schluck aus seinem Wasserglas nimmt.
»Ich auch nicht«, entgegnet Ron, dann ziehen sich seine Augenbrauen wieder zusammen. »Obwohl …« Er wendet seinen Blick noch immer nicht von dem Photo ab und Harry lehnt sich so an ihn, dass er erneut darauf schauen kann. Es ist ein schönes Bild. Cedric ist ganz rechts und hat seinen rechten Arm um Roger gelegt, seine Hand berührt beinahe Olivers Schulter, der zu Rogers Rechten steht. Auch er hat einen Arm um Roger gelegt. Sie grinsen. Und obwohl Percy, der rechts neben Oliver steht und dessen Arm halb auf der Schulter liegen hat, etwas reservierter aussieht als die anderen, merkt man doch, wie wohl sich die vier fühlen. Harry freut sich für Oliver, wie auch immer dieses Bild zustande gekommen ist. »Weißt Du, ich glaube, Oliver war in Percys Klasse. Ich hätte nicht gedacht, dass die beiden befreundet sind.«
»Ich auch nicht«, bestätigt Harry noch einmal, bevor er sich sein Handy zurückstiehlt. Ron wendet sich wieder den kalt gewordenen Resten zu, die sich noch auf seinem Teller befinden, und Harry öffnet eine Nachricht von Hermione, die wissen möchte, ob er nächsten Freitag mit ihr zu einem Poetry Slam gehen möchte. Er fühlt sich ein großes bisschen schlecht, als er die Nachricht als ungelesen markiert, weil sich etwas in ihm sträubt, ihr zuzusagen, wenn er die Sache mit Draco noch nicht endgültig aus der Welt geschafft hat.
Als nächstes liest er eine Email von Dean Thomas, der ihn über ein anstehendes Klassentreffen informieren möchte, er beantwortet sie gewissenhaft und löscht anschließend ein paar Spam-Mails.
Die letzte unbeantwortete Benachrichtigung ist ein Snap von Draco, den Harry öffnet, während er aufsteht und gleichzeitig die beiden aufeinander gestapelten Tabletts, auf denen Rons und sein Teller stehen, vom Tisch nimmt.
Das Bild trifft ihn kalt und schwer und unerwartet. Und die Zeit läuft ab, bevor er überhaupt dazu kommt, den Text zu lesen, den Draco darüber gesetzt hat. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, überrumpelt zu sein und auf seine Socken und seine Jogginghose und sein Star Wars-Shirt zu starren. Draco mag Star Wars gar nicht. Das hat er mit Absicht gemacht, einfach nur, weil er weiß, wie sehr Harry Star Wars liebt. (Vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen mehr als Herr der Ringe. Nichts für Ungut, Elijah.)
Mit vorsichtigen Schritten geht Harry in Richtung des Tablettwagens, während er versucht, den Snap zu wiederholen, um diesmal tatsächlich zu lesen, was Draco geschrieben hat. Er packt die Tabletts hin, wo sie hingehören, und verlässt die Cafeteria, ohne den Blick einmal von seinem Handy abzuwenden. Draußen angekommen sieht er, dass Ron noch in ein Gespräch mit Mad Eye Moody, einem ihrer Ausbilder, verwickelt ist, weswegen er es wagt, den Snap noch einmal anzutippen, und es schafft, mehr wahrzunehmen, als heilige Scheiße Draco in seinen Klamotten. Er liest den Text und macht einen Screenshot von dem Bild, das er in eine neue Nachricht an Draco packt. Für einen kurzen Moment überlegt er, einfach nur Wirklich? darunter zu schreiben, bevor er sich eines besseren besinnt und eine zweite Nachricht hinterherschickt: Das wird mich nicht umstimmen.
Aber er kann auch nicht das Lächeln abschütteln, das sich unwillkürlich auf seine Lippen gelegt hat. Schließlich hat er das Photo nur gespeichert, um es Draco vorzuhalten. Sicherlich ist ihm nicht das Herz in den Magen gefallen. Warum auch?
Er beschließt, nicht nochmal auf sein Handy zu sehen.
Chapter 4: aka das fake dating au, das ron an den rand der verzweiflung brachte
Summary:
Harry ist ein Desaster, Draco leitet Phase 2 ein.
Notes:
you sent flowers but i wish i didn't receive them
all your lies i wish i didn't believe them
[#_3277]
CN: Essen
Chapter Text
WhatsApp
7 neue Nachrichten in 3 Chats
Ginny: ????
Tonks: Sorry, falscher Chat!!!
Tonks: Minchen-Bienchen, ich brauch Deine Hilf…
Draco: Ich hoffe, Dir gefallen die anderen auch <3
Ginny: Harry??
Ginny: Steht das heute Abend noch?
Draco: Bist Du Dir sicher?
Snapchat
Draco (6), Hermione, Luna (2)
1 entgangener Anruf
Ginny Weasley
[ Zurückrufen ][ Nummer anzeigen ]
Harry starrt auf seinen Sperrbildschirm und weiß nicht, worauf er als erstes eingehen soll. Er versucht, Ginny zurückzurufen, aber sie hebt nicht ab, weswegen er ihr eine Nachricht schreibt: Sorry, Ginny! Ich war bis eben im Unterricht. Willst Du Dich noch treffen? (Er hat nicht vergessen, dass sie sich um achtzehn Uhr treffen wollten, um in die Sneak Preview zu gehen, aber er hat es auch nicht unbedingt auf dem Schirm gehabt, wenn er ehrlich ist.)
Er liest Tonks panische Nachricht an Hermione und sagt ihr, dass alles in Ordnung sei, das könne ja passieren. Dann sieht er sich Dracos Nachrichten an und zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen, bis er sich daran erinnert, dass Draco ihm neue Snaps geschickt hat. Obwohl er schnellstmöglich herausfinden möchte, was Draco gemeint hat, öffnet er zuerst den Snap von Hermione, der sie und Tonks zeigt, wie sie vor einem Café sitzen und große Tassen Kaffees vor sich stehen haben. Dann öffnet er die beiden von Luna. Auf dem einen erkennt er blau lumineszierende Quallen, die vielleicht halb so groß sind wie seine Handfläche. Auf dem zweiten sieht er die Darstellung eines Bärtierchens in weiß auf schwarzem Grund.
Und dann bleiben nur noch die sechs (sechs!) Bilder, die Draco ihm geschickt hat. (Harry atmet tief durch und verflucht sich fast sofort dafür. Aber wenigstens hat es keiner mitbekommen. Es ist nur Draco, okay.)
Das erste zeigt Draco, wie er auf dem Bett liegt (ist das Harrys Bett??) und nur zur Hälfte unter dem grünen Einband des dritten Herr der Ringe Buchs hervorlugt. Quer über seiner Hand schwebt der Schriftzug: der freundfreund liest nur langweilige sachen )):
Harry sollte genervt sein und das Gesicht verziehen, weil sein verzogener Mitbewohner auf seinem Bett liegt, sein Lieblingsbuch beleidigt und noch immer sein Star Wars-Shirt trägt. Stattdessen erwischt er sich dabei, wie er schmunzelt und noch einen Screenshot macht.
Der zweite Snap ist ein weiteres Selfie, auf dem Draco eine Wollmütze trägt und scheinbar gerade einen Spaziergang durch den winterlich kahlen Wald macht. Seine Nase und Wangen sind genauso rot wie in der Nacht zuvor und Harry kann sich nur allzu gut vorstellen, wie seine Finger aussehen müssen, weil er für das Photo seine warmen Handschuhe wird ausgezogen haben müssen.
Auf dem Bild prangt der Schriftzug was fehlt: der freundfreund, es versteht sich also von selbst, dass Harry ganz automatisch einen Screenshot macht, bevor das Bild wieder verschwindet.
Der dritte Snap ist ebenfalls ein Selbstbild (Harry geht davon aus, dass die restlichen drei ebenfalls Bilder von Draco sein werden … und es stört ihn weniger als es vielleicht sollte). Draco hat für dieses Photo einen der Filter ausgewählt, der ihm gelbe Sterne über den Kopf zaubert. Mit der freien Hand formt er ein halbes Herz, das er mit gold-gelber Farbe vervollständigt hat. (Screenshot.)
Der vierte Snap dauert genauso wie die drei davor zehn Sekunden. Zehn Sekunden, von denen Harry erst einmal zwei damit verschwendet, in Dracos blaue Augen zu starren. Dann sieht er das weich aussehende, graue Ohr und die braun-grünen Augen seiner Katze. (Harry hat Leander aus dem Tierheim geholt, kaum dass er den Mietvertrag zu seiner Wohnung unterschrieben hatte. Er ist achtzehn gewesen, wohnte zum ersten Mal allein und besaß eine Katze statt einem Bettkasten. – Leander ist eine Mischlingskatze, aber die riesigen Pfoten, die buschigen Ohren und das graue, lange Fell deutet stark daraufhin, dass eine Maine Coon mit in ihm stecken muss.)
Leanders Augen sind zur Hälfte geschlossen und Harry kann sein motorbootartiges Schnurren fast in seinen Fingern spüren.
dfw ihr den liebsten menschen vermisst, steht in weißen, kleinen Buchstaben in einem schwarz-durchsichtigen Band zur Hälfte über Dracos Hand und zur Hälfte über Leanders weißem Brustfell.
Harry macht einen Screenshot. (Wie könnte er auch anders?)
Der fünfte Snap kann noch nicht allzu lange her sein. Es ist recht dunkel bis auf die drei Stumpenkerzen, die auf der Mitte ihres Küchentisches brennen. Harry kann das gute Porzellan erkennen, das Draco nie aus dem Schrank holt, weil er nicht findet, dass irgendjemand sein gutes Porzellan verdient hat. (Dracos Eltern hätten es vielleicht verdient, aber die haben ihn noch nie in der Wohnung besucht, seit er eingezogen ist, also hat Harry nie die Möglichkeit bekommen, seine Theorie zu bestätigen. Eine eventuelle Flamme, mit der etwas Ernsteres laufen könnte, wäre vielleicht auch noch gut genug, aber eigentlich hat Harry auch solch ein Szenario nie miterlebt.)
Neben den Tellern stehen zwei der bauchigen Rotweingläser, die Draco ihm normalerweise nicht anvertraut, weil er sie ja kaputt machen könnte. Die Tischdecke ist mit kleinen beinahe durchsichtigen Steinchen und ein paar Blümchen dekoriert. Es sieht nett aus.
In der rechten oberen Ecke kann Harry das untere Ende einer Weinflasche ausmachen, am unteren Rand lugen Dracos besockte Zehenspitzen hervor. (Und er trägt noch immer Harrys rot-gelb gestreiften Socken. Und wahrscheinlich auch seine Jogginghose.)
Auf dem Bild ist keine kitschige Überschrift, aber Harry macht auch von diesem einen Screenshot. (Man weiß schließlich nie, wofür man es mal gebrauchen könnte, okay? Vielleicht braucht Harry selbst einmal Inspiration für ein Rendezvous? Oder vielleicht muss er irgendwann einmal etwas gegen Draco in der Hinterhand haben?? Es wird ihm mit Sicherheit nützlich sein.)
Der sechste und letzte Snap zeigt noch einmal Draco. Das Gesicht im Halbschatten, nur vom warmen Licht der Kerzen illuminiert. Das rote Star Wars-Shirt wirkt warm und weich und einladend. Er trägt die beigefarbene Kochschürze mit den zarten roten Herzen, für die er Harry jedes Mal veralbert, wenn der sie trägt. (Das macht er mit Absicht. Natürlich tut er das. Der Mistkerl.)
Das archaische Lächeln auf seinen Lippen schwebt knapp über dem Satz: warten auf den freundfreund ♡
Harry schließt die Augen, aber erwischt sich im selben Moment bei einem neuen Screenshot. Verdammt.
Er schlingt sich die Tasche über die Schulter und verabschiedet sich von Ron, dann schickt er Draco eine letzte Nachricht, bevor er zur U-Bahn-Station läuft: Du weißt, dass ich das absolut gegen Dich verwenden werde?
Chapter 5: aka das fake dating au, das exakt 3 jahre lang pausierte oops
Summary:
Draco führt die nächste Stufe seines Plans aus, die Narration ist bissi wonky perspektivenmäßig, aber Draco zeigt deutlich, dass er der perfekte (fake) Freund wäre.
Notes:
pour a glass of wine for two while i get you in the mood
+_321CN: Alkohol, Essen; Erwähnung von Inzest, Krankheit, Tod
checkt die endnotes für mehr informationen zu den content warnings
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Draco liegt wieder auf dem Sofa in der Küche, die Beine an der Lehne abgestützt und mit dem Kopf nach unten hängend. Ihm läuft das Blut aus den Füßen direkt ins Gesicht und er fühlt sich, als würde er bereits drei Jahre hier liegen und warten.
Wahrscheinlich sollte er sich dafür schämen, doch dass Harry jeden einzelnen Snap gespeichert hat, den er ihm geschickt hat, streichelt ihm das Ego. – Draco sieht gut aus. Draco weiß, dass er gut aussieht. Aber es von jemandem bestätigt zu bekommen, ist trotzdem nett. Nicht notwendig, aber nichtsdestotrotz wertgeschätzt.
Bevor er es sich anders überlegen kann, schließt er Snapchat, um nicht mehr auf ihren Chatverlauf zu starren, in dem sechs Mal Harry hat einen Screenshot gemacht! steht. Tonks hat ihm nicht mehr geschrieben, seit sie sich mit Hermione getroffen hat. Blaise ist auf einer seiner wöchentlichen Tanzveranstaltungen. Oder im Chor. (Woher soll Draco das auch so genau wissen? Er kann nicht jedermenschs Zeitplan in- und auswendig, okay?) Draco hat also keine einzige Möglichkeit, sich davon abzulenken, dass Harry in den nächsten Minuten heimkommen dürfte. Er kann nur nervös darauf hoffen, dass die unangenehmen, teils peinlichen Photos, die er im Laufe des Tages gemacht hat, Harry davon überzeugen, dass eine vorgetäuschte Beziehung mit ihm mehr Vor- als Nachteile bringt … ach was! Nur Vorteile, keine Nachteile!
Nachdem er ihr gemeinsames Abendessen vorbereitet, eine Flasche Rotwein in eine Karaffe gefüllt (Draco, der Wein muss atmen!) und sich umgezogen hat, langweilt er sich ein bisschen. Harry ist im Normalfall pünktlich, aber öffentliche Verkehrsmittel sind noch nie der Wartenden Freunde gewesen, warum sollte es also ausgerechnet heute so sein?
Es vergehen keine fünfzehn Minuten zwischen Harrys letzter Nachricht und dem Geräusch eines Schlüssels in der Tür. Draco springt auf, ignoriert für fast einen halben Schritt seine eingeschlafenen Beine und seinen hochroten Kopf, dann stolpert er gegen die Anrichte und versucht, sein schwindelndes Gehirn unter Kontrolle zu bringen. Seine Beine kribbeln schrecklich, sein Kopf dreht sich und ihm wird ein wenig schwarz vor Augen, weil er sich zu schnell bewegt hat. (Da soll nochmal jemensch behaupten, Draco würde nicht alles riskieren!)
»Ein paar Photos werden mich nicht umstimmen«, ertönt Harrys Stimme noch aus dem Wohnungsflur. Schritte von schuhlosen Füßen kommen näher und Draco versucht, seinen Körper wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. »Ich denke, dass ich durchaus deutlich gemacht habe, dass ich nicht mitkommen werde.« Harry steht in der Tür, lehnt sich leicht mit der Schulter an den weiß lackierten Holzrahmen an; unter seinen Augen liegen Schatten (Junge, schon ein bisschen übertrieben. Draco hat ihn gerade mal zwanzig Minuten lang wachgehalten!) und sein Haar ist feucht vom sanften Schneetreiben draußen.
»Aber Harry!« Wieder zerteilt Draco den Namen in zwei Silben und zieht den Halbvokal am Schluss künstlich in die Länge. »Du musst doch keine endgültige Entscheidung treffen! Komm, setz Dich! Wir essen erst.« Er zieht den Stuhl zurück, der Harry am nächsten ist, zwinkert ihm zu und wartet dann, bis Harry sich tatsächlich bewegt und sich langsam auf die Sitzfläche sinken lässt. Dann gießt er ein gutes Achtele seines Mittags gekauften Burgunderweins in Harrys Glas und legt dann vorsichtig seine Finger auf Harrys Nacken. (Es beleidigt ihn, ehrlich gesagt, schon ein bisschen tödlich, dass Harry zusammenzuckt und alles an ihm sich erst einmal verspannt, bis Draco gemächlich anfängt, die Knoten aus Harrys Muskeln zu reiben.)
»Wie war Dein Tag?«, fragt er, immer wieder einen Blick auf den Herd werfend, auf dem der erste Gang auf niedriger Stufe warmgehalten wird. (Natürlich möchte er seinen Tag nicht vor dem Abend loben, aber er hat jede freie Minute damit verbracht, dieses Abendessen vorzubereiten und sich einen Schlachtplan für die kommende Woche zu überlegen, falls Harry dreister Weise einfiele, nach diesem phantastischen Dinner noch immer nicht weinend vor Dankbarkeit ob dieser Möglichkeit, Draco zu helfen, Nein zu sagen.)
Harry antwortet nicht; sein nach vorne kippender Kopf und der tief entspannt klingende Atem geben Draco allerdings Grund zur Annahme, dass seine Überredungsarbeiten bald Früchte tragen werden. (Harry ist ohnehin viel zu nett. Höchstwahrscheinlich müsste Draco sich nicht einmal halb so viel Mühe geben; möglicherweise nicht einmal ein Viertel so viel. – Aber er macht es trotzdem, weil Harry so was wie sein bester Freund ist (wenn auch nicht so am besten wie Blaise) und er es schäbig fände, einfach nur so lange auf Harrys Zimmerboden oder der Couch zu liegen, leidende Geräusche von sich gebend und Lamentos erhebend, bis Harry nachgäbe.)
Es vergehen ungefähr sechseinhalb Minuten, in denen Dracos Daumen in festen, kreisenden Bewegungen über Harrys Haut fahren und sich jedes einzelnen Knotens annehmen, die sie finden können, bevor Draco einmal sanft durch Harrys Haare fährt und sich dann umdreht, um zwei Suppenteller aus dem Schrank über der Spüle zu holen , die er mit ein paar Löffeln Champignoncremesuppe füllt. Zum Schluss streut er zur Dekoration ein paar knusprige Shiitake-Chips auf die glatte Oberfläche. Mit vorsichtigen Bewegungen, um nur ja nichts zu verschütten oder die dekorative Petersilie zu verlieren, trägt er die Teller zum Tisch und setzt einen vor Harry ab, bevor er sich mit seinem eigenen hinsetzt.
»Bestechung ist kein legitimes Verhandlungsmittel«, sagt Harry leise, nachdem er die Vorspeise und den dazu passenden Wein ausgiebig studiert hat. Über die cremefarbenen Stumpenkerzen und ihr sanftes, warmes Licht hinweg wirkt Harrys Gesicht wie weichgezeichnet. Die Falten, die sich zwischen seinen Augenbrauen an seiner Nasenwurzel in die Haut fressen, erscheinen weniger hart; das Grün seiner Augen ist grau und ein wenig wässrig, schlammig beinahe; seine Wangenknochen sind weniger prominent und er sieht aus, als wäre er noch einen ganzen Steinwurf von der Volljährigkeit entfernt. Die Ringe unter seinen Augen könnten für bloße flackernde Schatten der Kerzen gehalten werden; Draco könnte sich ein bisschen weniger schlecht fühlen, weil er Harry wachgehalten hat. (Und vielleicht verwischt das gelbe Licht auch ein wenig die Grenze zwischen ihnen beiden.)
»In der Verhandlungsphase gibt es so etwas wie Bestechung nicht«, erwidert Draco nach einem Moment, als hätte er lediglich über Harrys Aussage nachdenken müssen und wäre nicht für einen Augenblick in Harrys lehmbrauner Haut verloren gegangen. »Überleg' doch mal, Harry. Du musst Dich nur ein oder zwei Tage mit meiner schrecklichen Verwandtschaft herumschlagen, bekommst aber im Austausch dafür anderthalb Wochen den perfekten Freund. Ich meine, nichts für ungut, aber vermutlich wirst Du's niemals wieder so gut treffen wie mit mir. Eigentlich solltest Du mir dankbar sein, dass ich Dich in den Genuss einer vorgetäuschten Beziehung mit mir kommen lassen will. Du kannst noch so viel von mir lernen, junger Potterwan. Du verkaufst Dich immer unter Wert, nach anderthalb Wochen mit mir wirst Du wissen, wie Deine zukünftige selbsternannte Seelenverwandte Dich behandeln sollte.« Draco schweigt für einen Moment und schiebt sich einen Löffel Champignoncremesuppe in den Mund, ohne die Temperatur vorher noch einmal zu überprüfen, weswegen er sich augenblicklich die Zunge und den Gaumen verbrennt. Sich so wenig wie möglich anmerken lassend lächelt er Harry auffordernd zu, bevor er weiterspricht. »Ich meine, was soll schon schiefgehen? Wir müssen keiner Menschenseele was davon erzählen. Na ja, außer Tonks, weil die gezwungenermaßen auch zur Hochzeit kommt, aber die ist voraussichtlich mehr damit beschäftigt Remus Lupin anzustarren, um herauszufinden, ob der und Sirius tatsächlich was miteinander am Laufen haben.« Harry öffnet seinen Mund, um etwas einzuwerfen, aber Draco lässt ihn noch nicht zu Wort kommen. »Ich persönlich kann zwar nicht nachvollziehen, warum sie sich lieber mottenzerfressene Strickjacken ansehen würde als das schönste Gesicht, das die Feier zu bieten haben wird, aber ist es an mir, das zu verurteilen?« Trotz des dumpfen Lichts kann Draco sehen, dass Harrys Wangen sich rot verfärbt haben. »Ach, lass Dir das nur nicht zu Kopf steigen. Natur gegeben bin ich selbstverständlich das schönste Gesicht der Feier, aber wir sind kein viktorianisches Adelsgeschlecht. Inzest ist nicht mehr en vogue.«
»Du isst ja gar nicht«, stellt Draco fest, nachdem sich Harry nach seinem Monolog doch nicht gerührt oder zu Wort gemeldet hat. »Jetzt, da wir das geklärt hätten: Wie war Dein Tag, Liebling?«
»Weißt Du, Lieb-ling«, es ist offensichtlich, dass Harry das Kosewort in so viele Einzelteile wie möglich zerlegen möchte, aber gleichzeitig äußerst enttäuscht davon ist, dass es nur zwei Silben hat, »ich war ziemlich müde heute.«
»Oh nein, mein Herz, wie konnte so etwas nur geschehen?«, fragt Draco Unschuld vorgaukelnd. »Hast Du etwa schlecht geschlafen?«
»Kalte, knubbelige Knie und mitleiderregende Mitbewohner, mein Herz«, antwortet Harry, die Augen zusammengekniffen, aber nicht mehr ganz so feindselig wie zuvor. Dann, endlich, probiert er sich an der Suppe, die vermutlich inzwischen fast kalt geworden ist. Für ein paar Minuten herrscht Schweigen, während sie die Suppe löffeln und sich immer wieder verstohlene Blicke zuwerfen, in der Hoffnung, dass einer vielleicht die Stille unter- und die Spannung aufbricht.
Nachdem Harry den letzten Rest seiner Suppe mit seinem Löffel aus dem guten Porzellan gekratzt hat, wagt Draco es doch noch einmal, einen oben drauf zu setzen: »Ich verspreche Dir, Dich ab jetzt nur noch in Notfällen nachts zu wecken, ich lasse die Finger von Deinen Sachen und ich werde die nächsten drei Mal, die ich mit Ronald in einem Raum bin, so zuvorkommend und angenehm sein, dass er die Stelle seines besten Freundes vermutlich neu besetzen möchte – Entschuldigung dafür im Voraus, aber ich kann nichts für meinen Charme. Der wurde mir mit meinem guten Aussehen in die Wiege gelegt.«
Als Harry nach einer gefühlten Ewigkeit (auch wenn es vermutlich keine Minute angedauert hat) noch immer nichts gesagt hat, fügt Draco leise (und manche würden sagen weniger selbstbewusst) hinzu: »Komm schon, Harry … Ich stehe ewig in Deiner Schuld, sag mir einfach, was Du willst.«
»Was für Notfälle?«, fragt Harry stattdessen, als hätte er Dracos leise Verzweiflung nicht an seinem Ärmel zupfen gespürt. »Letztes Jahr bist Du nachts um drei in mein Zimmer und hast mich geweckt, weil Dir Deine Kuchengabel ins Gurkenglas gefallen ist und Du nicht wolltest, dass Deine Finger nach Essig riechen, aber – ich zitiere – 'bei Deinen Fingern ist sowieso Hopfen und Malz verloren, Harry.'« Den Mund schon echauffiert geöffnet, möchte Draco ihm antworten, weil er ganz und gar nicht okay ist mit dem affektierten Tonfall, den Harry für sein Zitat angeschlagen hat, aber Harry ist noch nicht fertig. »Vor zwei Wochen hast Du Dir nicht mal die Mühe gemacht, mich zu wecken, Du hast Dich einfach um halb zwei blindlings auf mich geworfen und hast angefangen eine Trauerrede für die Gesichtsmaske zu halten, die Du die Woche zuvor aufgebraucht, aber nicht wieder aufgefüllt hast.« Mit übermäßiger Beherrschung legt Draco seinen Löffel in seinen leeren Teller und die Worte in seinem Mund zurecht, doch Harry lässt ihn nicht zu Wort kommen. »Und heute Nacht bist Du in mein Zimmer getrampelt, schreiend wohlbemerkt, um mich von einer vorgetäuschten Beziehung zu überzeugen, als wären wir ein unromantisches Reboot von The Wedding Date. Nur dass ich nicht einmal dafür bezahlt werden soll.«
»Zuallererst einmal«, unterbricht Draco Harry nun in seinen Ausführungen, »danke ich Dir, dass Du die Filme, die ich aussuche, aufmerksam genug schaust, um solche Sachen sagen zu können, auch wenn ich mir verbitte, dass irgendetwas, das mit mir und einer Hochzeit zu tun hat, in irgendeiner Weise unromantisch sein könnte. Zweitens waren das alles Situationen, in denen ich mit bestem Wissen und Gewissen abgewogen habe, ob es zwingend notwendig wäre, Dich zu wecken, wobei ich jedes einzelne Mal zu der Konklusion kam, dass: Ja, es ist zwingend notwendig, Dich zu wecken, um mein Seelenheil zu bewahren. Und zum anderen ließe ich natürlich mit mir diskutieren, was einen Notfall denn nun genau umfasse.« Als ob er seinen Worten damit Nachdruck verleihen wollte, steht Draco auf, nimmt Harrys und dann seinen Teller, stellt sie ihn die Spüle und holt zwei neue Teller aus dem Hängeschrank vor sich. Er tut ihnen beiden Kartoffelbrei und Pilz Bourguignon auf, dann stellt er Harry und sich jeweils einen Teller hin und setzt sich wieder auf seinen Platz gegenüber von Harry.
»Notfälle umfassen: Feuer, Wasserschäden, Sterbende oder Krankende, ernstzunehmende Schäden an Hausrat, Wohnung, deiner Gesundheit oder dem Leibeswohl befreundeter Menschen«, zählt Harry auf, die Finger an seiner Hand zählen bei jedem wichtigen Substantiv mit, sodass er Draco zum Schluss neun Finger präsentiert. Draco langt über die Tischplatte hinweg nach Harrys zehntem Finger und drückt ihn vorsichtig nach oben, bevor er sagt: »Wenn etwas ganz, ganz Schlimmes passiert.« Harry kneift die Augen zusammen. Er erwidert: »Nach Gurkenwasser riechende Fingerspitzen sind keine Tragödie.«
»Nein, aber ein Drama.« Dracos Gesicht ist so nah an der Flamme der einen Kerze, dass ihm ganz warm wird, und er bemerkt, dass seine Hand noch immer auf Harrys liegt, obwohl er längst keine Kraft mehr darauf verwenden muss, Harrys Finger oben zu halten. »Und Du weißt, was ich von Drama halte.«
»Du liebst es, solange es nicht Dein Drama ist«, paraphrasiert Harry Dracos Worte in einem gelangweilten und nicht überzeugt klingenden Singsang. »Aber weißt Du, Draco. Mir geht es nicht so. Ich liebe anderer Leute Drama nicht. Ich liebe Dein Drama nicht. Eigentlich wäre ich sogar ganz glücklich, wenn ich mich so weit wie möglich davon fernhalten könnte. Weswegen ich es auch begrüßen würde, nichts mit Deiner Familienfeierlichkeit am Hut haben zu müssen.« Demonstrativ spießt Harry mit seiner Gabel einen Champignon auf und schiebt ihn sich in den Mund.
Für den Bruchteil einer Sekunde schweigen sie beide, während Harry auf dem Champignon herumkaut und Draco seine Optionen abwägt. Natürlich kann er versuchen, weiter auf Harry einzureden, bis der irgendwann einknickt und klein beigibt und Draco zu der Hochzeit begleitet (was er definitiv würde, so wie all die anderen Male, die bisher so abgelaufen sind), aber irgendetwas in Draco sträubt sich, Harry weiter zu bedrängen. Vielleicht sind es die tiefen Ringe, die sich unter Harrys Augen in seine Haut gefressen haben und, nach eingehender Betrachtung, durch das sanfte Kerzenlicht nicht ganz so weichgezeichnet werden wie der Rest seines Gesichtes. Vielleicht sind es die komfortable Jogginghose und das bereits leicht ausgeblichene Star Wars-T-Shirt, eigentlich die gesamte Garderobe, die Draco sich aus Harrys Schrank gestohlen hat und die ihn den gesamten Tag warmgehalten und liebevoll an Harry haben denken lassen. Vielleicht sind es Harrys Knöchel, die sich irgendwann im Laufe ihres hitzigen Gespräches um seine Knöchel gehakt haben, als wollte Harry ihm durch eine bloße Berührung vermitteln, dass sie keinen ernsthaften Disput haben, sondern sich weiterhin auf sicherem Terrain befinden. Vielleicht aber ist es auch die leise Stimme eines schlechten Gewissens, das sich kaum vernehmbar meldet und ihm zuflüstert, dass Harry nicht Sorge zu tragen hat, dass Draco ungeschoren aus seinen Fehlern herauskommt (nicht, dass das hier ein selbstverschuldeter Fehler sei), und dass Harry immer und immer wieder Dracos Launen erduldet, ohne jemals müde zu werden oder zu viel von Draco zu haben.
Draco seufzt.
»Hör zu, Harry«, sagt Draco und er hört selbst, dass sich seine Stimme verändert hat, dass sie ruhig und voller Ernst klingt, »ich werde Dich nicht zwingen, mit mir zu einer Festivität zu gehen, zu der nicht einmal ich gehen möchte. Ich kann Dich ja zu gar nichts zwingen. Allerhöchstens kann ich Dich darum bitten, es Dir zumindest durch den Kopf gehen zu lassen und mir nicht sofort abzusagen.« Vorsichtig, als wollte er Harry nicht verschrecken, der tatsächlich mit zusammengezogenen Augenbrauen dasitzt und ihn mustert, als wäre er durch eine verzweifelte Replika ersetzt worden, greift Draco nach der Gabel in Harrys Hand, um sie am Tellerrand abzulegen, und dann nach Harrys Händen, um sie liebevoll mit seinen eigenen zu umschließen. »Hiermit bitte ich, Draco Lucius Malfoy, Dich, Harry James Potter, darum, mit mir auf die Hochzeit meiner entfernten Verwandten zu gehen, die entfernt genug ist, um ihren Namen aus dem Stegreif nicht kennen zu müssen, aber nicht entfernt genug, um bei ihrer Vermählung zu fehlen, ohne unhöflich zu erscheinen und ungefähr fünfzig Verwandte persönlich zu beleidigen. Besonders glücklich würdest Du mich machen, würdest Du Dich als mein fester Freund ausgeben, um meinem Vater eins auszuwischen. Aber selbst, wenn Du mich einfach nur begleitest, um mich davon abzuhalten, meinen Kopf in die Punschschüssel zu halten und wie ein Ochse einfach nur zu trinken und zu trinken, bis es die sozialen Gepflogenheiten erlauben, das Weite zu suchen, wäre das schon mehr als genug.« Er drückt Harrys Hände sanft, aber bestimmt. Die ganze Zeit über hat keiner von ihnen den Blick abgewandt. Sie starren sich einfach über die Kerzenflamme hinweg an. »Sag mir Donnerstag Bescheid. In acht Tagen. Nächste Woche am Donnerstag.« Er drückt Harrys Hände noch einmal kurz fest, dann lässt er sie los. »Und jetzt iss, bevor es kalt wird.«
Ohne darauf zu achten, dass Harry sich nicht bewegt hat, außer seine Hände auf den Tisch sinken zu lassen, spießt Draco ein paar kleinere Pilze auf und beginnt mit dem Essen, als habe nie ein Gespräch zwischen ihnen stattgefunden; als hätten sie sich eben erst hingesetzt, um miteinander zu essen.
Es dauert noch kurz, doch dann greift Harry ebenfalls nach seiner Gabel und setzt sein Mahl fort.
»Remus Lupin also«, stellt Harry fest, nachdem sie beide ihre Teller geleert haben, als Draco gerade aufsteht, um die Teller in die Spüle zu legen und das Dessert aus dem Kühlschrank zu holen.
Es verstreichen ein paar Sekunden, bis Draco begreift, dass Harry sich auf Tonks Schwärmerei bezieht, aber er versteckt seine Ratlosigkeit hinter der Kühlschranktür, und als er sich wieder an den Küchentisch setzt, nachdem er ein Glas Mousse au Chocolat vor Harry abgestellt hat, antwortet er: »Sie schlägt nach ihrer Mutter, also sind wir alle nicht darüber verwundert. Ich bin nur froh, dass sie noch an keine Photos von ihm oder seinen Händen gekommen ist, sonst hätte ich vermutlich keinen Speicherplatz mehr auf dem Handy, weil sie mir so viele Detailaufnahmen schicken würde.« Ein Stutzen. »Sie würde mir ein Bild schicken. Und dann fünfzig Ausschnitte aus demselben Bild. Jedes einzelne mit absolut sinnbefreitem Kommentar.« Den Löffel in sein Mousse stechend verstellt er seine Stimme in einer grauenhaften Imitation seiner Cousine: »Seine! Hände! Draco! Ich bin Emotion Punkt Com! Tonks.exe wurde beendet! Ich muss neugestartet werden und Du weißt genau, wessen fähige Hände die einzigen sind, die das bewerkstelligen können!«
Harry lacht. Tief aus seinem Bauch heraus, die Schultern zuckend und die Hand vor den Mund geschlagen. Seine Augen sind ganz klein und zusammengekniffen, sein freier Arm liegt über seinem Bauch, als müsse er ihn festhalten. Seine Wangen färben sich langsam aber sicher rot. Zwischen mehreren Lachsalven presst er hervor: »Du solltest so etwas nicht sagen! Remus ist so was wie mein Onkel. Er ist fast so alt wie Dein Vater!«
»Sag das nicht mir«, erwidert Draco nüchtern. »Glaub mir, wenn ich vergessen könnte, was Tonks mir so alles erzählt, ich würde es tun. Aber zugegebenermaßen kannst Du nur so oft Schwärmereien über eine Person hören, bevor Du Dich fragst, ob Du vielleicht einfach das letzte Telegram nicht bekommen hast und Deine Geschmacksknospen eine Fehlfunktion haben. Und dann starrst Du so lange auf das Photo eines Mannes mittleren Alters, bis Dir wieder einfällt, dass Dein einziger Anspruch an Männer nicht ist, dass sie sanft wie Lämmer sind.« Eine kurze Pause, um Harry wieder zu Atem kommen zu lassen. Dann fügt er etwas ernsthafter hinzu: »Wobei ich ja glaube, dass Remus Lupin mehr Wolf im Schafspelz ist. Der kann einem mit Sicherheit übel mitspielen. Ich hab mal den Blick in seinen Augen gesehen, als er von seinem Mittagsschläfchen aufgeweckt wurde.« Bei der Erinnerung schüttelt es ihn vor Unwohlsein und Harry vor Lachen.
»Mo-moment mal«, stößt Harry aus. Er wischt sich über die Augen. »Spul mal zurück. Das letzte Telegramm? Welches Jahr haben wir? 1840?« Vermutlich ist nicht der richtige Zeitpunkt, Harry zu sagen, dass er von der örtlichen Telegram-Gruppe gesprochen hat, in der unter anderem Blaise, Tonks und er über all die schönen Menschen sprechen. – Nur dass Tonks noch nie über Remus Lupin eine Meinung eingeholt hat. Bei Remus Lupin hat sich Tonks gesamte Schwärmerei auf Draco konzentriert, als fürchte sie, nicht ernstgenommen zu werden. (Als ob gerade Draco die richtige Anlaufstelle wäre, um sich über Lachfalten und Dreitagebärte und rauhe, nachdenkliche Stimmen zu ergehen. Als ob er auch nur ein sauberes Haar an Tonks gelassen hätte.)
»Hätten wir 1840, hätte ich wohl von einer telegraphischen Depesche gesprochen«, erwidert Draco, als wäre er gerade in Gedanken nicht die Namen aller Menschen durchgegangen, die jemals in der Gruppe angesprochen wurden, und unter denen sich zwar Remus Lupin nicht befindet, Harry Potter hingegen schon. »Und wie oft muss ich Dir noch sagen, dass Du essen sollst.«
»Willst Du mir erzählen, dass Schokoladencreme aus dem Kühlschrank kalt werden kann?«, fragt Harry amüsiert und Draco antwortet: »Natürlich nicht, aber ich hab mir so viel Mühe gegeben und ich bin bereit, Komplimente entgegenzunehmen.«
Nach ein, zwei weiteren Löffeln fügt er hinzu: »Große und kreative Komplimente. Denk gut und lange darüber nach. Gib Dir mindestens so viel Mühe wie ich mir mit dem Dessert.«
Harry zieht eine Augenbraue nach oben. (Er hat definitiv zu viel Zeit mit Draco verbracht.) Die Laffe seines Löffels liegt auf seiner Unterlippe auf; seine Finger, ohne Druck auszuüben, auf dem Glas vor ihm. Er sagt: »Du hast alles hier allein gemacht?« Die Laffe zeigt anklagend auf Draco, dann verschwindet sie im Mousse und zwischen Harrys Lippen. Draco nickt; gerade so als wäre es kein großes Ding gewesen, schließlich weiß Harry nicht, wie kurz davor Draco beim Kochen eigentlich stand, alles hinzuschmeißen und sich davon zu überzeugen, wie schön Panama wirklich ist.
Sie schweigen, bis der letzte Löffel aus ihren Gläsern gekratzt worden ist. Aber keiner von ihnen steht auf, als sie fertig sind. Sie bleiben sitzen, die Knöchel noch immer ineinander verhakt, die Hände beschäftigungslos auf der Tischplatte, die Augen überall nur nicht auf ihrem Gegenüber.
Irgendwann bricht Harry die Stille zwischen ihnen auf: »Du hast phantastisch gekocht, Draco. Und nachdem ich jetzt weiß, dass Du nicht annähernd so nutzlos in der Küche bist, wie Du sonst immer so gern von Dir behauptest, wirst Du in Zukunft fürs Abendessen zuständig sein.«
»Ich kann nicht glauben, dass Du es sofort gegen mich verwendest, wenn ich einmal nett zu Dir bin.« Draco schnappt gespielt entrüstet nach Luft. »Und dass Du denkst, ich könnte bei irgendetwas nutzlos sein, ist beleidigend.« Eine wegwerfende Handbewegung. » Aber ich werde darüber nachdenken.« Seine Hand greift über den Tisch nach Harrys Glas. »Ich lasse Dich den Film aussuchen. Ausnahmsweise.« Er fügt nicht hinzu, dass er die Küche währenddessen auf Vordermann bringen wird, und Harry spürt wahrscheinlich, dass, würde er es ansprechen, Draco aus Prinzip nicht fortfahren würde, denn: Eine gute Tat am Tag hat nun wirklich zu reichen.
Ihre Knöchel trennen sich, als Draco aufsteht, und Harry wirft ihm noch einen letzten unergründlichen Blick zu, bevor er die Küche verlässt und sich aufmacht, in sein Zimmer zu gehen.
Notes:
- Draco & Harry essen zusammen zu Abend, das Essen wird relativ viel beschrieben; währenddessen trinken sie ein Glas Rotwein
- Draco ist sehr dramatisch und macht überdramatische Witze (die aber nicht nach unten treten sollten)
Chapter 6: aka das fake dating au, das vielleicht wieder 3 jahre lang pausieren wird lmao
Summary:
Das Kapitel, in dem Draco und Harry nur im Bett liegen. (aka das Kapitel, in dem Harry versucht, sich emotional aus der Affäre zu ziehen, aber Draco einfach zu vereinnahmend ist.)
Notes:
ich erinnere mich an genau (2) dinge, die in dieser fic noch passieren sollten, also ... wir werden sehen, wann ich wieder update (liest das hier überhaupt noch ein mensch? lol)
»I’m falling deeper and deeper«
[#_2977]CN: Essen (erwähnt), Tod (idiomatisch)
Chapter Text
Noch zwanzig Minuten, bis sein Wecker klingelt. Noch einmal einschlafen kann er aber nicht, das versucht er schon lange genug. Nicht mit den blonden Haaren, die seine Nase kitzeln. Nicht mit dem Kopf, der schwer auf seiner Brust liegt. Und schon gar nicht mit den Beinen, die irgendwann in der Nacht ihren Weg über und unter und zwischen seine gefunden haben. Harry starrt an die Decke und versucht, seinen Herzschlag zur Ruhe zu zwingen. Er versucht, nicht daran zu denken, dass Draco Malfoy die zweite Nacht in Folge in seinem Bett verbracht hat, obwohl sie doch gerade einmal befreundet sind; mit viel Spielraum vielleicht gut, aber mit Sicherheit nicht am besten. Auch wenn Harry zum ersten Mal wirklich realisiert, wie oft er schon aufgewacht ist, Draco um ihn herumgewickelt wie eine Brezel. Und eventuell bedeutet das ja, dass sie doch ein bisschen besser befreundet sind als gut.
Harry lässt den Abend zuvor Revue passieren. Er denkt daran, wie er den Laptop auf das Nachttischchen gestellt hatte. Er wollte in seine Jogginghose schlüpfen, doch als er sich daran erinnerte, dass Draco sie bis vor ein paar Stunden getragen hatte, hatte er sie stattdessen ans Fußende des Bettes gelegt und eine zweite aus dem Schrank geholt. Er wechselte seine Jeans gegen die Jogginghose, tauschte sein einfarbiges Shirt gegen ein weiches, ausgewaschenes, frisch nach Waschmittel riechendes Herr der Ringe-Shirt ein. Mit einigen wenigen Handgriffen hat er die DVD in das Laufwerk und anschließend sich auf das Bett gelegt. Er warf seinen Arm über die Augen und es vergingen keine zehn Minuten, bis Draco das Zimmer betrat, still die nächste Folge auswählte und sich neben Harry ins Bett legte. Seinen Kopf auf Harrys Bauch, seinen Arm über Harrys Hüftknochen drapiert, die Hand auf der anderen Seite unter seinen Rücken schiebend. Als das Intro verklungen war, murmelte Draco: »Dirk Gently ist kein Film.«
»Ich darf aussuchen, hast Du gesagt.« Harrys freie Hand fand ihren Weg in Dracos viel zu weiches Haar. (Eine Sache, die er häufig tut, wie ihm auffällt. Fast immer eigentlich, wenn sie zusammen in einem ihrer Betten liegen und Filme schauen oder Serien. Manchmal auch, wenn er auf dem Sofa in ihrer Küche sitzt, um zu lernen, und Draco mit einem Buch in der Hand zu ihm kommt und seinen Kopf in Harrys Schoß legt.)
Leises Tapsen erklang aus dem Flur und Leander streckte sein graues Näschen durch den Türrahmen und schnupperte, bevor er das Zimmer betrat und am Fußende aufs Bett sprang. Er rollte sich neben Dracos Waden zusammen und schnurrte leise.
»Ich hab Dir auch gesagt, Dir täte eine neue Brille gut. Da hast Du Dich auch dazu entschlossen, nicht auf mich zu hören«, erwiderte Draco, ein Gähnen unterdrückend. Die Hand, die nicht unter Harrys Rücken geschoben war, bewegte sich zu Harrys Gesicht und tatschte ein paar Mal bestimmt herum, wobei sie nur auf Harrys Nase und Harrys Unterarm traf. Dann nahm er sie wieder zurück. Das alles, ohne den Blick je vom kleinen Laptopbildschirm abzuwenden. »Du weißt, wie ungern ich irgendwas mit Elijah Wood schaue.«
Harry antwortete nicht. Teilweise, weil er wusste, dass er keine Antwort darauf erhalten würde, was genau Draco an Elijah Wood nicht mochte (schließlich hatte er es oft genug versucht), und zum Teil, weil er müde war und die Wärme und das Gewicht von Draco ihn sanft in den Schlaf zu lullen versuchten.
Ihm war bewusst, dass er aufstehen und seine Zähne putzen sollte, doch dann hätte er Draco von sich schubsen und aufstehen müssen. Und dafür war Harry nicht bereit gewesen. (Vermutlich rührte sein Bedürfnis nach menschlichem Kontakt daher, dass er die meiste Zeit mit seiner Ausbildung beschäftigt war und kaum Zeit für Menschen in seinem Leben hatte – außer Draco, mit dem er schließlich auch zusammenlebte. Er war schon lange solo und das letzte Mal, dass er geküsst worden war, war Monate her. Vielleicht auch schon ein paar Jahre. Neunzehn oder knapp zwanzig müsste er gewesen sein, als Susan Bones ihn auf einer Feier geküsst hatte – und er sie vielleicht ein bisschen zurück. – Was auch immer es gewesen ist, was ihn davon abgehalten hat, Draco die Grenzen ihrer Freundschaft aufzuzeigen, die bestimmt irgendwo existieren müssen, es ist am heutigen Morgen nicht verschwunden.)
Irgendwann in der Nacht wachte er auf. Der Titelbildschirm der DVD wiederholte sich in einem endlosen Lauf. Draco atmete tief und ebenmäßig. Er rührte sich erst, als Harry versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Leise und schlaftrunken murmelte er: »Wohin gehst Du?«
»Zähne putzen«, antwortete Harry, dann machte er ein Shhh-Geräusch, wie es Madame Pince in der Schulbibliothek immer getan hatte, wenn er sich zu laut mit Hermione und Ron unterhalten hatte. Oder besser: Wie es Madame Pince und Hermione gemacht hatten, wenn Harry und Ron sich zu laut unterhalten hatten. Obwohl Harry vermutlich sehr viel sanfter klang als die beiden es zustande bringen würden. »Du solltest vermutlich auch ins Bett.«
Aufgrund seiner bloßen Füße dachte Harry beim Zähneputzen nicht weiter über irgendetwas nach außer der Kälte, die sich langsam in ihm breitmachte und ihn hoffen ließ, dass er bald wieder in sein vorgewärmtes Bett flüchten konnte.
Als er zurück in sein Zimmer kam und das Licht im Flur löschte, lag Draco noch immer in seinem Bett. Er hatte die Jogginghose ausgezogen und neben dem Bett auf den Teppich geworfen, dann war er auf die andere Bettseite gerutscht, sodass Harry sich theoretisch nur noch auf die Bettkante setzen und umfallen musste.
»Ich meinte nicht mein Bett«, sagte Harry ohne jegliche Kraft dahinter, denn er hatte es nicht in sich, Draco aus seinem Bett zu werfen. Also legte er sich zu Draco und während er es sich noch bequem machte (darauf achtend, Leander nicht aus Versehen zu treten), hörte er Draco leise entgegnen: »Keine kalten, knubbeligen Knie heute. Ich versprech‘s.«
Und natürlich hielt er sein Versprechen nicht, sondern bohrte Harry seine knubbeligen Knie in die Schenkel, aber irgendwie, um ganz ehrlich zu sein, störte es Harry gar nicht so sehr, nachdem er sich erst einmal an den Druck gewöhnt hatte. Und das Gefühl eines anderen Körpers an seinem brachte ihn schnell dazu einzuschlafen.
Noch zehn Minuten, bis sein Wecker klingelt. Jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen, ab dem es sich nicht mehr lohnt, einzuschlafen. Er wird nur gereizt und erschöpft sein, wenn er wieder aufwacht. Aber eigentlich ist er auch gar nicht mehr wirklich müde. Höchstens ein bisschen schläfrig durch die Wärme unter der Decke.
Wenn er jetzt aufsteht, hätte er ein wenig mehr Zeit für seinen schwarzen Tee oder die Dusche nach seiner morgendlichen Joggingrunde. Oder beides. – Stattdessen könnte er aber auch liegen bleiben, die Wärme genießen und seine Nachrichten checken. Die letzte Nachricht, die er gelesen hat, stammt von Ron, der ihm zur Abendessenszeit lediglich Bleib stark, tu‘s nicht geschrieben hat, als ob er gespürt hätte, dass Harry kurz davor gewesen ist, einzuknicken. Hätte Draco nicht eingelenkt und ihm noch weitere acht Tage geboten, hätte Harry vermutlich Ja gesagt. (Dabei hat es Harrys verräterischem Herzen bereits ausgereicht, als Draco seinen vollen Namen aussprach, als würde sein mittlerer Name einen ganz anderen Menschen aus ihm machen.)
Unwillig tastet er nach seiner Brille und setzt sie auf, bevor er auf sein Handy schaut. Auf seinem Sperrbildschirm sind, seitdem er das Handy weggelegt hat, viel zu viele Nachrichten aufgetaucht. Ginny hat ihm geschrieben, dass es in Ordnung wäre, sie wäre kurzfristig aufgehalten worden, sie hätte ihm also sowieso absagen müssen. Er schreibt ihr Draco hat sich verausgabt und gekocht (frag nicht), ich wurde also mehr oder minder gut unterhalten. Hoffe, es war nichts Schlimmes?
Er schreibt Hermione eine Nachricht, in der er sie um ein Treffen bittet. Wenn es auch nur einen einzigen Menschen auf diesem Planeten gibt, der den genauen Durchblick hat und unabhängig von den persönlichen Gefühlen Entscheidungen treffen kann, dann ist es Hermione; und wenn sie ihm nicht sagen kann, ob es ein fataler Fehler wäre, Draco zu helfen, dann kann es auch kein anderer Mensch. (Ron ist voreingenommen und hartnäckig. Harry kann das auch sein, das weiß er. Aber in diesem Falle sieht er nicht dieselbe Gefahr, die Ron ihm in kräftigsten Farben ausmalt. Er sieht nicht Draco, der versucht, ihm auf der Nase herumzutanzen und das Äußerste auszureizen. Er sieht nicht, wie Draco sich egoistisch nimmt, was er will, ohne Rücksicht auf Harrys Wünsche und Bedürfnisse zu nehmen. Ehrlicher Weise besteht viel ihrer Beziehung daraus, dass Draco sich nimmt und Harry bereitwillig gibt und gibt und gibt. Aber die Sache ist doch, dass Harry sich keineswegs ausgenutzt oder überansprucht fühlt. Eigentlich hat Draco sogar ein recht gutes Gespür dafür, was er von Harry verlangen kann, mehr denn weniger direkt auf der Linie balancierend, die in Ordnung von zu viel abgrenzt, ohne sie tatsächlich zu übertreten. Aus unerfindlichen Gründen scheint Draco zu spüren, wie weit er wann gehen kann, um Harry höchstens zu nerven, aber nicht zu erzürnen. (Seine nächtlichen Eskapaden sind auf einem anderen Niveau, aber kann Harry sich wirklich längerfristig grämen, wenn er morgens mit dem Geruch nach Apfel und Zimt von Dracos Weihnachtsshampoo in der Nase aufwacht, der ihn nachts von behaglichen Wintermorgen träumen lässt?))
Bedächtig legt Harry sein Handy wieder auf seinen Nachttisch und er lässt seinen Kopf zurück auf sein Kissen fallen.
Draco ist ein warmes und festes Gewicht auf Harrys Brust und als er seinen Kopf zur Seite dreht, trifft sein Atem immer wieder warm und ein wenig feucht auf Harrys Halsschlagader. Harrys Blick fällt auf den sanften Schwung von Dracos Nase und den kleinen Leberfleck direkt neben der Spitze. (Manchmal, wenn Harry nicht nachdenkt, erwischt er sich dabei, wie er die Hand ausstrecken möchte, um den Leberfleck wegzuwischen, bevor er sich daran erinnert, dass Draco und er nicht diese Art von Beziehung zueinander haben, und dass es, nun ja, ein inhärenter Part von Dracos Haut ist.)
Ein Räuspern, um den Schlaf aus seiner Kehle zu vertreiben, dann flüstert Harry: »Ich muss aufstehen.«
Aber Draco rührt sich nicht, nur eine kleine Unregelmäßigkeit in seinem Atemmuster deutet darauf hin, dass er Harry gehört und davon aufgewacht ist. Draco jedoch wäre nicht Draco, wenn er sich davon beirren ließe und Harrys indirekten Wunsch direkt erfüllen würde, ohne sich vorher noch zu einem Ärgernis zu machen. (Nicht wirklich, weil Harry sich ärgert oder belästigt fühlt, sondern weil er Verpflichtungen einzuhalten hat und Draco den Wunsch in ihm weckt, verantwortungslos und schwelgerisch zu sein; ein Mensch, der seine Laufrunde ausfallen lässt, um die sanften Atembewegungen einer anderen Person an seinem Brustkorb zu genießen und zu beobachten, wie sich die Schatten unter Dracos Wimpern verändern, wenn die Sonne über den Himmel kriecht; ein Mensch, der sich keine Gedanken um die Zahlen auf seiner Uhr macht und stattdessen die Augen noch einmal schließt und wartet, bis Draco wieder eingeschlafen ist und sanft zu schnarchen beginnt.)
»Nein, wirklich«, sagt Harry, statt seinem Bedürfnis nachzugeben. »Ich muss echt aufstehen.«
Immer noch kein Wort von sich gebend langt Draco nach oben und klatscht seine Hand in Harrys Gesicht, vermutlich um etwaige weitere Worte im Keim zu ersticken, aber er bedeckt mehr Harrys Nase und Brille, weswegen Harry sich nachher tatsächlich die Mühe machen muss, seine Brille zu putzen, damit kein Mensch die Fingerabrücke sehen kann, die Draco hinterlassen hat. Und damit er selbst vielleicht auch etwas sehen kann, wenn er nachher im Hörsaal sitzt.
»Draco«, nuschelt Harry in Dracos Handfläche hinein. »Rutsch rüber.«
Die Hand in Harrys Gesicht übt mehr Druck auf seine Nasenspitze aus und presst das Metallgestell seiner Brille fester in seinen Nasenrücken hinein. Harry seufzt und Draco murmelt: »Fünf Minuten noch, Babe.«
Harry, der gerade die Hand gehoben hat, um Draco von sich herunterzuschieben, hält mitten in der Bewegung inne. Welcher schwelgerische Teil in ihm auch immer dafür verantwortlich ist, Draco immer wieder in sein Bett zu lassen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit derselbe, der Harry jetzt erstarren lässt im Angesicht eines einzigen, nichtsbedeutenden Wortes.
Vorsichtig fragt er, die Hand noch immer Zentimeter von Dracos Schulter entfernt schwebend: »Was?«
»Fünf Mi-nu-ten«, antwortet Draco und bei ihm klingt es mehr wie die pointierte Ansage eines Uhrzeitentelephons; die fünf zerteilt in zwei Silben, die Harry sagen sollen, dass er sich ganz lächerlich anstellt gerade; als ob es nicht Draco wäre, der ganz abstruse Dinge sagt.
»Das ist nicht, was ich meine«, sagt Harry. Seine Hand fällt neben ihm auf das Laken zurück, während seine Stimme nach hintenraus immer leiser wird. (Vielleicht ist das eine ganz schlechte Idee gewesen, vielleicht hätte er einfach darüber hinwegsehen müssen. Schließlich ist Draco vermutlich so müde wie Harry und hat gar nicht darüber nachgedacht, wie er Harry genannt hat.)
Die Linie von Dracos Schultern spannt sich minimal an, nur ganz kurz, dann wird er wieder ganz schwer und entspannt, als hätte es den Moment nicht gegeben. Er sagt viel zu leise, beinahe zaghaft schon: »Oh. Babe?« Seine Stimme in einer Mischung aus Verwunderung und der Sanftheit der Erkenntnis, dass Harry sich wieder verspannt hat, und seine Nase in Falten geworfen, als unterdrücke er ein Lachen.
»Babe«, wiederholt Draco und Harry kann das Grinsen, das sich nun doch auf Dracos Lippen ausbreitet, an der empfindlichen Haut seines Halses spüren. »Wie soll ich meinen Morgen gebührend einleiten, wenn mein Freund aufsteht, bevor ich richtig wach bin?
»Dein Freund«, wiederholt Harry und es ist ein absolutes Wunder, dass es nicht vollkommen tonlos geschieht. Er ist sich nicht sicher, ob Fassungslosigkeit oder Verwirrung überwiegt. (Was er absolut ignoriert, ist die Wärme, die sich unter seinem Zwerchfell ausbreitet, und etwas, das er in einem wagemutigeren Moment vielleicht als Genugtuung bezeichnen würde.)
Draco seufzt. »Für die nächsten zwei Wochen. Hörst Du mir denn nie zu, wenn ich Dir meine elaborierten Pläne darlege, Dich zu meinem fake Date zu machen?« Er dreht seinen Kopf minimal und seine Nase stößt gegen Harrys Kieferknochen. »Babe, Du musst anfangen, mir richtig zuzuhören, wenn ich Dir wichtige Dinge erkläre.«
»Nonstop?«, fragt Harry.
Die Art und Weise, in der Dracos Finger sich in Harrys Shirt graben und sein linkes Bein sich noch weiter um Harrys rechtes windet, entscheidet bereits, dass Harry sich so bald nicht aus dem Bett bewegen wird. Oder, wenn es nach Draco geht, überhaupt nicht.
»Natürlich nonstop«, antwortet Draco irritiert. »Warum sollte ich wollen, dass Du mir nur die Hälfte der Zeit zuhörst?«
»Nein, ich meine: Du willst das mit der fake Beziehung durchziehen — nonstop?« Harry starrt an die Decke, vielleicht weil ihm alle Worte fehlen, weiterzumachen. Vielleicht weil er einfach aufgibt.
»Ja, natürlich«, erwidert Draco. »Bis zur Hochzeit bekommst Du die Boyfriend Experience. Nichts zu danken.«
Es gibt wirklich nichts zu danken.
»Was umfasst die Boyfriend Experience? Ich hab Dich noch nie in einer Beziehung erlebt.« Harry versucht, sein eines Bein unter Draco hervorzuziehen, weil Dracos Ferse ihm langsam aber sicher das Blut abschnürt und sich bereits die ersten Einschlaferscheinungen in seiner Wade breitmachen.
Draco scheint sein Herumrutschen mehr als Fluchtversuch zu interpretieren, weswegen er sich noch ein wenig enger um Harry windet; Efeu in Eschenborke mäßig. Der Arm, der nicht zu der Hand gehört, die sich noch immer in Harrys Shirt verkrallt hat, windet sich um Harrys Taille und plötzlich hat Harry eine zweite Hand im Shirt. (Vielleicht sollte Harry sich einfach glücklich schätzen, dass die Hand über seinem Shirt ist. Es sind die kleinen Erfolge im Leben.)
»Nun«, Draco zieht das Wort in die Länge, als wäre es das verspielte Oh einer Ballade, »siehst Du, das ist vollkommen personen- und situationsabhängig.«
»Ich denke, eine ungefähre Einschätzung meiner Person und unserer Situation wäre genügend«, erwidert Harry, aber er kann sich auch nicht davon abhalten, dass sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen schleicht. Draco ist so unfassbar ... unfassbar.
Einen Augenblick herrscht Schweigen, als müsse Draco sich erst seiner eigenen Gedanken klarwerden, aber vermutlich legt er sich nur gerade eine Geschichte zurecht, um auf Harrys Frage zu antworten. Er sagt: »Für Dich und die Situation, in der wir uns befinden? Kosenamen, reichlich sogar, Darling. Das ist mein Bett, falls Du es noch nicht bemerkt hast. Vielleicht koch ich mehr für Dich. Vielleicht massier ich Deine Schultern. Sehr unwahrscheinlich, aber ich halte Dich nicht vom Träumen ab. Träume sind gut für Deine Poren.« Harry gibt ein Schnauben von sich. »Nein, wirklich. Jedes Mal, wenn ein Traum stirbt, reinigt das Salz der daraus resultierenden Tränen Deine Haut. Schlag’s nach, Darling, das ist pure Wissenschaft.«
»Manchmal mach ich mir Sorgen um Dich«, sagt Harry leise, aber Draco winkt ab.
»Ach was, ich lerne in meinem Studium eben lebensnahe und -wichtige Dinge. Die reine Haut hab ich von Natur aus, keine Tränen im Schaffensprozess involviert.« Joviale Worte aus einem Mund, der immer noch viel zu nah an Harrys Halsschlagader schwebt. »Vielleicht wirst Du Dich einfach überraschen lassen müssen, was die Boyfriend Experience umfasst.«
»Das klingt weder vielversprechend noch wie ein guter Deal«, erwidert Harry.
»Es ist ein grandioser Deal, phantastisch, absolut hanebüchen, dass ich Dir das anbiete, und dafür im Gegenzug nur eine einzige Familienfeier verlange«, antwortet Draco verschmitzt. »Und jetzt bleib liegen und lass mich weiterschlafen.«
Obwohl sein Wecker gleich wieder klingeln wird und er bald losmuss, findet Harry einen Moment später seine Hand in Dracos Nacken und seine Finger irgendwo zwischen Dracos Haarsträhnen vergraben.
Harry stellt fest: »Du schläfst überhaupt nicht mehr.«
»Nein«, gibt Draco unumwunden zu, »aber ich genieße und was den nachherigen Erholungsgrad angeht, kommt das weiterschlafen doch durchaus sehr nah. – Also lass mich Dich genießen, schöner Mann.«
Und es ist nicht so, als hätte Harry noch irgendetwas gebraucht, um ihm den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen, aber diese Wortkombination versetzt ihm den endgültigen Schlag. (Er kann sich nicht daran erinnern, jemals solche Worte von irgendeinem Menschen an einen anderen gehört zu haben. Und Draco sagt sie so selbstsicher und -verständlich, dass Harry sich fragt, wie es wäre, wenn Draco es ernst meinen würde. Wie viel von wem, was Draco sagt, lediglich eine Darbietung ist, die er nur für Harrys Augen und Ohren inszeniert, und wie viel Ernst in jedem Sentiment steckt.)
Als Harrys Wecker klingelt, fasst Harry bloß nach seinem Handy, um es auszuschalten und einen Wecker zu stellen, der ihm gerade noch so erlauben wird, ein Frühstück auf dem Weg nach draußen zu schnappen, bevor er sich auf den Weg machen muss, um halbwegs pünktlich zu kommen. (Vielleicht genießt er auch.)
Chapter 7: aka das fake dating au, in dem ich incredibly gay für pansy bin
Summary:
Draco versucht maßgeblich zu prokrastinieren (wie ich tbh), aber bekommt stattdessen den Kopf von Pansy gewaschen, wie es sich gehört. In diesem Haus lieben und respektieren wir (meine Interpretation von) Pansy Parkinson.
Dies ist wlw/mlm-Solidarität in Reinform.
Notes:
ich wollte eigentlich nur bissi planen und meinen big bang prokrastinieren, aber dann hab ich ein kapitel geschrieben?
(ich: "ich poste das nicht fünf minuten nach dem schreiben, ohne korrektur zu lesen"
auch ich: [tut genau dies])last but not least: pls don't @ me weger dialekt, es ist 2021, wir legen die oppressiven fesseln der hochdeutschen diktatur ab und heißen sprachvielfalt mit offenen armen willkommen
»It's as if you know me better than I ever knew myself
I love how you can tell all the pieces of me«
[#_2789]CN: Essen (erwähnt), Sex (diskutiert), Tod (idiomatisch)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Vier Stunden. Es sind vier ganze, langweilige, leere Wohnungsstille gefüllte Stunden vergangen, seit Harry gegangen ist, um etwas für seine Ausbildung zu tun oder zu lernen oder alten Damen über die Straße zu helfen oder was auch immer Harry macht, wenn er das Haus verlässt. Eigentlich, wenn es nach Draco geht, ist es vollkommen egal, was Harry tut, es ist nur wichtig, dass er es nicht in Dracos Nähe tut. Zum einen, weil Draco dann keine Ausrede hat, die Vorarbeit für seine Kurse am Montag einfach nicht zu leisten, und zum anderen, weil Dracos Zwölfstufenplan ein wenig darauf baut, dass Harry tatsächlich anwesend ist. (Es sind nicht wirklich zwölf Stufen, mehr eine grobe Leitlinie. Erstens: Frag Harry, Dein Date für die Hochzeit zu sein. Zweitens: ??? Drittens: Profit. – Es hat wie ein narrensicherer Plan geklungen, als er ihn sich überlegt hat. Könnte aber auch an seinem Trunkenheitslevel gelegen haben.)
Draco lässt seinen Kopf auf die Tischplatte sinken und gibt ein melodramatisches Stöhnen von sich, bis ihm auffällt, dass der einzige, der ihn hören kann, Leander ist, der sich von seinen Bemühungen, besonders leidend zu wirken, nicht sonderlich beeindruckt zeigt.
»Du bist nutzlos«, wirft Draco dem Kater entgegen, der auf seinem Kissen liegt und nicht einmal den Kopf hebt, um anzuerkennen, dass Draco mit ihm gesprochen hat. »Absolut nutzlos!« Leanders Ohr zuckt im Schlaf und Draco fühlt sich ein wenig im Stich gelassen.
»Wärst Du ein Hund oder zumindest ein empathischeres Exemplar Deiner Spezies, dann würdest Du meine Not spüren und könntest Dich nicht so aus der Affäre ziehen«, stellt Draco fest, aber es steckt keine wirkliche Härte in den Worten. Stattdessen hat sich Aufgebrachtheit in seine Stimme geschlichen, weil ihm aufgefallen ist, dass er tatsächlich an dem Punkt angekommen ist, an dem er mit der Katze seines Mitbewohners spricht.
Draco zeigt anklagend auf Leander. »Das ist Deine Schuld.« Leander dreht den Kopf, sodass die Hälfte seines Unterkiefers sichtbar wird, während er sich in seine eigene Pfote kuschelt, und Draco fragt sich, ob er jetzt schon von Katzen gefoppt wird. Reicht es nicht, dass Harry seine Lamentos von heute Morgen nicht erhört hat?
Vielleicht fehlt ihm einfach sozialer Kontakt, der nicht aus Harry und einer verdammten Katze besteht.
Dracos Blick fällt auf die Uhr – fünf vor Zwölf, welch Ironie – und dann auf die Aufgaben, die vor ihm auf dem Tisch liegen und ihn förmlich anschreien, sich endlich mit etwas zu beschäftigen, das nicht sein leicht zu beseitigendes Elend ist. Aber Draco ist nicht gut darin, sich nicht auf sein eigenes Unwohlbefinden zu versteifen, wenn er erst einmal bemerkt, dass es da ist, weshalb er mit einem Seufzen nach seinem Handy greift und, bevor er die Entscheidung noch einmal infrage stellen kann, das kleine Kamerasymbol in seinem Chat mit Pansy antippt. (Sein Nachrichtenverlauf mit ihr informiert ihn pflichtbeflissen, dass er seit fast zwei Wochen nicht mehr mit ihr geschrieben hat, was, wenn Draco gefragt würde, Hochverrat gleichkommt. Er hat Aufmerksamkeit von Pansy verdient. Im Generellen, aber auch im Speziellen, weil sie es für nötig gehalten hat, nach Harvard zu gehen für ein Semester, und das alles auch noch, ohne Draco vorher zu fragen, ob er denn okay damit wäre, dass sie sich einfach so aus seinem Leben herausnimmt. Pansy ist eine schlechte Freundin, hier hört ihr es zuerst.)
Es klingelt nur ein paar Sekunden lang, bevor Pansy seinen Anruf entgegennimmt und ihn aus schlafverkrusteten, kleinen Augen anblickt, als hätte er ihr direkt vor die Füße gespuckt. Auf ihrer Wange zeichnen sich Spuren ihres Kissens ab und ihre Haare stehen von ihrem Kopf als, als hätte sie sich in die Mitte eines kleinen Sturmes gestellt. Irgendwo in seinem Hinterkopf zaubert er die Information hervor, dass es kurz vor sieben für sie sein muss; an einem Donnerstag wohlgemerkt, weswegen er nicht im Geringsten nachvollziehen kann, warum sie noch nicht auf den Beinen ist. (Egal, dass er selbst erst um kurz nach acht aufgestanden ist, was zugegebenermaßen sogar recht früh für seine Verhältnisse ist.)
»Guten Morgen, Pansy Parkinson«, flötet er mit einem zuckertriefenden Lächeln auf den Lippen. »Ich hoffe, mein Anruf kommt nicht ungelegen.«
Sein Anruf kommt absolut ungelegen, wenn ihrem ausdruckslosen, vielleicht sogar einen Ticken mörderischen Gesicht Glauben geschenkt werden darf. Aber letztendlich ist sie selbst schuld, wenn sie ihr Handy auf laut stellt, wenn sie schlafen geht. Ein lautes Handy bei Nacht schreit doch förmlich: Ruf mich an, und wer wäre Draco, diesem Wunsch nicht entgegenzukommen? Er ist nichts, wenn nicht zuvorkommend.
»Draco Malfoy«, sagt sie und Draco ist sich absolut sicher, dass unter ihrem genervten Tonfall irgendwo Zuneigung schlummert; er könnte sie herauskitzeln, wenn er wollte, aber er hat eine Mission hier und die lautet nicht Beschwichtige Pansy, sondern Aufmerksamkeit. »Was zur Hölle willst Du?«
»Ist das eine Art und Weise seinen besten Freund zu begrüßen?«, fragt Draco mit gespielter Entrüstung in der Stimme. »Solltest Du nicht eher besorgt fragen, was mich Dich so früh aus den Federn treiben lässt? Vielleicht habe ich einen Notfall an der Hand, den nur Du beseitigen kannst. Hast Du daran schon einmal gedacht?«
Sie rollt mit den Augen, während sie sich gescheit aufsetzt und bevor sie sich mit dem Handballen den Schlaf aus dem Gesicht reibt, und steht dann auf, um sich auf die Suche nach dem Kaffeepulver in ihrem Hängeschrank zu machen, weil Pansy natürlich eine Kaffeemaschine in ihrem Wohnheimzimmer hat, was auch sonst.
»Nachdem Du weder weinst noch defensiv am Zicken bist, geh ich davon aus, dass Du angerufen hast, um mir auf die Nerven zu gehen, wofür es einfach viel zu früh ist«, erwidert Pansy barsch und weil Draco einfach der beste und gütigste Mensch auf diesem Planeten ist, lässt er ihr den Tonfall durchgehen, schließlich hatte sie noch keinen einzigen Tropfen braune Bohnenbrühe.
Aber so sehr er sie auch liebt, er kann ihr nicht alles durchgehen lassen, was sie ihm da entgegenpfeffert, weil er einerseits einen Ruf zu wahren hat und andererseits extreme Langeweilenfrustration, die es abzubauen gilt. Also täuscht er ein entrüstetes nach Luft Schnappen vor und schießt zurück: »Ich weine nicht, wenn die Situation es nicht zwingend verlangt, und niemals in meinem Leben habe ich defensiv gezickt, ich hab absolut keine Ahnung, was Du damit überhaupt meinst. Jegliche Abwehrhaltung meinerseits ist gerechtfertigt, immer. Hast Du überlegt, ob Du vielleicht einfach eine schlechte Freundin bist, wenn Dich mein wunderschönes Gesicht am Morgen nicht glücklich macht?«
»Du hast mich ertappt«, stellt sie resigniert, aber auch mit einem halben Lächeln auf den Lippen, fest, während sie eine unmenschliche Menge Kaffeepulver in den Filter schaufelt. »Ich bin eine schrecklich schlechte Freundin und Du solltest unbedingt den Kontakt zu mir abbrechen, weil Du so viel Besseres verdient hast als mich.« Sie nickt, als müsse sie ihre eigenen Worte bestätigen. »Am besten beginnst Du gleich jetzt damit und machst Dir ein Tinderprofil oder was auch immer die Jugend heutzutage macht, um Freundschaften zu knüpfen.«
»Tinder ist nicht für Freundschaften?!« Draco versucht wirklich, sein Grinsen unter Kontrolle zu halten, aber jetzt, da er Pansys Stimme hört und ihr Gesicht dabei sieht, wie sie geistesabwesend an ihrer Augenbraue kratzt, kann er die zärtlichen Gefühle nicht unterdrücken, die sich in seinem Brustkorb ausbreiten wie Efeuranken.
Sie seufzt kaum hörbar über das einsetzende Kaffeekochwasser. »Draco, muss ich Dir alles immer erklären? Du machst Dir ein Tinderprofil, Du stellst den Suchradius nur auf Frauen, Du schreibst in Dein Profil, dass Du schwul bist. Tada, Du findest eine neue beste Freundin, die Du um sechs Uhr morgens anrufen kannst, um ihr zu sagen, wie sehr sie Dich im Stich lässt.« Sie hält inne. »Vielleicht stellst Du Männer und Frauen ein, dann kannst Du gleich alle Deine Bedürfnisse auf einmal befriedigen.«
Auch wenn Draco es nicht laut zugeben würde, aber das ist nicht der fürchterlichste Plan, den er je gehört hat. Eigentlich könnte das sogar funktionieren. Schade, dass er nicht auf der Suche nach neuen Kontakten ist, sondern lediglich damit kämpft, seine bisherigen nicht zu verlieren.
»Hmm«, macht Draco, während er Pansy dabei zusieht, wie sie halb in die Knie geht, das Handy inzwischen an ihren Schminkspiegel auf dem Schreibtisch gelehnt, und mit nur einer Sache im Kopf dem Kaffee dabei zusieht, wie er in die Kanne tropft. »Weißt Du, mein Freund könnte unzufrieden damit sein, wenn ich mir ein Tinderprofil mache, um nette Jungs kennenzulernen. Oder nicht so nette, je nachdem.«
Pansys Blick reißt sich mit einem Mal von ihrem Kaffee fort und sie starrt unterhalb der kleinen Frontkamera direkt in Dracos Gesicht, als ob sie sich verhört oder Draco verkündet hätte, dass er jetzt sein Studium abbricht, um als Schafhirte in Island zu leben.
»Dein Freund??«, stößt sie ungläubig aus und greift hektisch nach ihrem Handy, um es näher an ihr Gesicht zu bringen, als würden sich Dracos Worte ändern, wenn sie sein Gesicht nur intensiv genug mit ihren Augen abtastet. »Ist das, warum Du anrufst? Du hast endlich einen Freund und Deine Strähne sexuellen Misserfolges endet und ich darf endlich wieder in Frieden über meine Techtelmechtel sprechen, ohne dass Du woe is me mäßig in Tränen ausbrichst und es dann stundenlang nur noch um Dein Leid geht?«
Für einen kleinen Moment ist Draco tatsächlich sprachlos, weil das ganze doch nur als witziger Aufhänger für sein eigentliches Gesprächsthema hätte dienen sollen; ein beiläufiger Kommentar, um ihr Interesse zu wecken und – noch ein bisschen wichtiger als das – auszutesten, wie es sich anfühlt, Harry als seinen Freund zu bezeichnen, wenn es nicht Harry und Harry allein ist, mit dem Draco gerade redet. Ein Testen des Wortes auf seiner Zunge, um zu sehen, ob er es seinen Eltern gegenüber glaubhaft behaupten können wird. (Er denkt, die Chancen stehen gut, wenn er Pansy dazu gebracht hat, seine Worte für wahr zu halten, die ihn tatsächlich kennt und die er nicht unbedingt gerne anlügt.)
»Zuallererst einmal: Was fällt Dir ein?« Er kann nicht verhindern, dass seine Stimme ein wenig bricht, während seine Augenbrauen nach oben schießen und sich Röte auf seinen Wangen ausbreitet, die absolut kein Recht hat, sich dort wiederzufinden. »Wann habe ich jemals Deine ein-nächtigen sexuellen Eskapaden als Sprungbrett für wehleidiges Jammern genutzt?« Außer halt jedes Mal, er weiß es doch, erinnert sich an jedes einzelne mit erschreckender Klarheit, und fühlt sich jetzt im Nachhinein ein wenig schuldig, verdammtes Gewissen. »Das ist Rufmord. Was Du gleich mit um die Ecke bringst ist mein Sinn für Diskretion, denn, nur weil ich Dir nicht von allem erzähle, was sich in meinem Schlafzimmer abspielt, heißt das nicht, dass ich sexuellen Misserfolg habe.«
Er schnaubt unzufrieden.
»Mein Fehler«, stimmt Pansy sarkastisch zu, bevor sie sich räuspert und in einer erschreckend guten Imitation seines Tonfalles fortfährt: »Pansy, Du kannst Dir nicht vorstellen, ich sage das nicht leichtherzig, der Typ hatte den schönsten—«
»Okay! Okay! Ich hab’s ja verstanden!«, unterbricht er sie, bevor sie ein ganzes Ding draus machen kann. »Eins zu Null für Pansy, Du machst das ganz phantastisch, Du Landplage.«
»Ich bin eine Weltplage, die Du so schrecklich vermisst, dass Du mich sogar aus dem Schlaf reißt«, korrigiert sie ihn und er stimmt ihr nicht zu, aber er widerspricht ihr auch nicht. Und sie versteht, weil Pansy ihn schon immer am besten verstanden hat, und die Falten auf ihrer Stirn glätten sich, als ihr Gesicht weicher und nachgiebiger wird. »Du hast jetzt also einen Freund.«
Sie gibt ihm einen Ausweg, damit sie nicht in emotionales Territorium eindringen müssen, das ihre Nerven für den Rest des Tages dünnreiben und seine schlechte Laune um sechzig Prozent hochschrauben würde. (Er ist ihr so dankbar, dass sie genauso wenig Wert auf Sentimentalitäten legt wie er; dass sie ihn nicht versucht, zum Gespräch zu überreden. Harry könnte niemals.)
»Na ja«, räumt Draco also ein, um das Gespräch in die richtige Bahn zu lenken, »nicht so ganz. Ich hab einen fake Freund für eine Familienfeier. Vielleicht, vermutlich. Ich weiß doch auch nicht.«
Normalerweise würde er nicht so schnell zugeben, dass er ein wenig überfordert mit der Situation mit Harry ist, aber das ist Pansy und sie ist so viele tausende Meilen entfernt, dass er Trost in der Tatsache findet, dass er, falls sie ihm etwas sagt, was er nicht hören möchte, einfach auflegen kann, ohne dass er sie je wiedersehen muss. Tinder existiert auch noch in ein paar Minuten.
Die Filtermaschine brodelt leise und verkündet damit laut und deutlich, dass es kein Wasser zum Brühen mehr gibt. Während Pansy also blindlings nach dem Kippschalter greift, um die Maschine auszuschalten, gesteht sie ein, als würde es ihr größte Schmerzen bereiten: »Ich bin raus aus dem Gespräch.«
»Mutter beharrt darauf, dass ich Plus Eins angekreuzt habe auf einer Hochzeitseinladung«, erklärt Draco mit unbeteiligter Stimme, »und weil ich mir die Blöße nicht geben kann, dort nun allein aufzutauchen, versuche ich momentan, Harry zu vergattern, mit mir dorthin zu gehen. Vorzugsweise als mein Freund. Welch bessere Chance, sich ein für alle Mal vor der gesamten Verwandtschaft zu outen, Du kennst das ja.«
Sie sie ihn unbeeindruckt an.
»Er hat beinahe ja gesagt«, fährt Draco defensiv fort, als klar wird, dass Pansy nicht vorhat, auf seine Ausführung einzugehen. »Du wärst auch überzeugt davon, dass er mitmacht, wenn Du sein Gesicht gesehen hättest, als ich ihm erklärt habe, was es alles für Vorzüge hat, mich fake zu daten.«
Sie sieht nicht unbedingt beeindruckter aus als vorher und in Draco breitet sich ein gewisser Trotz aus, weil sie ihm das Gefühl gibt, dass er die undurchdachteste und schlechteste Entscheidung seines Lebens getroffen hat. (Und das ist nun einfach nicht wahr, denn die hat er definitiv mit achtzehn mit Theo getroffen, worüber sie nicht mehr sprechen, also kann sie sich diesen Blick bitte sparen?)
»Hör zu, Pansy«, sagt Draco und es klingt für einen Moment zumindest so, als hätte er vor, einzulenken, was er natürlich nicht hat, »Du kannst mich bös anschauen, wie Du willst, aber das macht meine Entscheidung nicht rückgängig und meine Situation nicht weniger vertrackt. Es macht nur, dass ich Dich unausstehlich finde und auflegen will.«
»Vielleicht solltest Du auflegen«, erwidert sie, dann sieht Draco, wie sie ihre zweite Hand ans Handy anlegt und anfängt, auf dem Bildschirm herumzutippen, die Augen hin und her zuckend, als hätte sie angefangen, quer zu lesen. »Ich bin nämlich kurz davor, Deine Mutter anzurufen. Oder vielleicht halte ich Dir den Vortrag, dass Du der nutzloseste Mensch dieses Planeten bist, einfach selbst.« Er öffnet den Mund, um ihr zu widersprechen, aber sie peitscht einfach weiter voran. »Draco, denkst Du auch nur einmal nach in Deinem Leben.« Sie lässt ihn nicht zu Wort kommen. »Das war keine Frage, tust Du nämlich nicht. Niemals. Du bist so kurzsichtig und schaust Dir nie das große Ganze an, bevor Du Entscheidungen triffst, die vielleicht Dein ganzes Leben beeinflussen. Weißt Du, was Du getan hast?«
Ihre Finger halten endlich still und ihr Blick fokussiert auf ihn, statt den Bildschirm weiter abzusuchen. Sie scheint gefunden zu haben, wonach sie sucht, und diesmal wagt er nicht, ihr irgendetwas Bockiges zu antworten, weil sie so in Fahrt ist, dass er nicht sicher ist, dass er sehen möchte, was sie erst über die Lippen bringt, wenn er sie etwas zu sehr anspornt.
»Du hast Deinen großen schwulen Schwarm gefragt, ob er auf engstem Raum viel Körperkontakt mit Dir hat und Deine Hand durch Dein Outing hinweg hält, damit Du nicht kneifst, wenn Dein Vater das nächste Mal fragt, wann Du endlich Erben in die Welt setzt«, wirft sie ihm vor und Draco wünscht sich, er hätte sie nicht vor ihrem ersten Kaffee angerufen, weil sie dann vielleicht etwas sanfter mit ihm wäre. Er ist doch so ein zartes Pflänzchen, okay. »Du dachtest, es wäre wirklich, wirklich clever, Deinen großen, fetten, astronomisch sichtbaren schwulen Schwarm zu fragen, ob ihr Speichel austauschen wollt bei dem romantischsten Event, das die christlich-konservative Welt kennt. Das hast Du getan, Draco, und Du bist auch noch richtig, richtig stolz darauf, weil Du nicht nachdenkst.«
In Ordnung. Ja. Okay. Fair. Soweit hat Draco tatsächlich nicht gedacht. Also, nicht, dass es einen Schwarm gäbe, worüber er nachdenken müsste, weil er schließlich nicht auf Harry steht – Gott bewahre –, aber dass er seinen besten Freund gefragt hat, ob der ihn an einem absolut romantischen Ort küssen wollen würde … das ist in Dracos Überlegungen bisher nicht vorgekommen. Eigentlich hat er nicht einmal wirklich in Betracht gezogen, dass er Harry vielleicht küssen muss, damit er glaubhaft vortäuschen kann, dass sie ein unfassbar verliebtes Pärchen sind.
»Ih, pfui, bäh«, ruft Draco aus, weil er seine Prioritäten richtig sortiert hat und genau weiß, worauf er sich als erstes konzentrieren sollte. »Ich steh doch nicht auf Harry! Und warum musst Du das so sagen, was ist denn falsch mit Dir?«
»Ich bin ‘ne Lesbe, die keinen Bock mehr hat, Nachrichten von Dir zu bekommen, in denen drinsteht—« ihr Blick fällt wieder auf was auch immer sie neben seinem Videofensterchen offen hat »—Wusstest Du, dass Harry, wenn er konzentriert ist, seine Zunge über seine Oberlippe legt?? Es ist so?? Süß??—« sie wirft ihren Kopf dramatisch in ihren Nacken, zeigt ihm für einen Moment ihre Kehle »—S.O.S.! Harry ist mit dem Kopf in meinem Schoß eingeschlafen, kann ihn nicht runterschubsen, schlimmer als die Katze!!—« sie verzieht ihr Gesicht zu einer misslaunigen Grimasse »—WTF!! Ich stand eben unter der Dusche und denke mir nichts Böses und Harry kommt einfach rein, um auf die Toilette zu gehen?? Ist der im Wald aufgewachsen, was ist los mit ihm?? Und dann kommt er noch nicht mal unter die Dusche zu mir?? Die Dreistigkeit!«
»Okay!«, fällt Draco ihr ins Wort, weil sie offensichtlich nicht vorhat, so bald aufzuhören. Seine Wangen sind inzwischen so rot und heiß, dass es keinen Zweifel mehr daran gibt, dass Pansy es genau sehen kann. »Ich hab’s verstanden! Ich gebe auf! Da ist eventuell, vielleicht eine minimale Anziehung da. Ich bin nur ein Mensch, Pansy, mit der Fähigkeit, Schönheit zu erkennen. Das kannst Du mir doch nicht nachtragen!«
Für einen Moment schließt sie die Augen und atmet tief durch, als müsste sie alle Kraft aufwenden, nicht einfach aufzulegen, wie unhöflich.
»Draco, bei allem, was mir heilig ist«, sagt sie dann stattdessen, Stimme wieder ruhiger, aber immer noch ohne Zweifel entnervt, »ich liebe Dich, aber Du musst Dir dringend Verstand zulegen. Schau nach, ob Tesco das im Angebot hat, falls nicht, gehe ich heute Nachmittag gleich zu 7-11 und schick dir Express ‘nen Vorrat, weil ich es bei Gott nicht mehr ertrage, Dir weiter zuzuhören.«
Er schnappt nach Luft, diesmal überhaupt nicht vorgetäuscht, und wirft ihr vor: »Du bist so gemein?! Was hat Dich so verbittert gemacht, reicht Dein sexueller Erfolg nicht bis nach Amerika?«
Mit einem: »Doch und ich könnte gerade dabei sein, noch erfolgreicher zu sein, stattdessen höre ich mir Deine Schnapsideen an«, dreht sie ihre Kamera so, dass er einen Blick auf ihr Bett erhaschen kann, wo tatsächlich eine schläfrig dreinblickende Blondine liegt, die Hand vorsichtig zum Winken erhoben, offensichtlich peinlich berührt davon, plötzlich ins Gespräch miteingebunden zu werden.
»Du möchtest also, dass ich Dir dankbar dafür bin, dass Du mir den Arsch aufreißt?«, stößt Draco empört aus, statt sich darauf zu konzentrieren, dass er sein Herz nicht nur vor Pansy blank gelegt hat, wie er es eigentlich geplant hatte. (Nicht, dass er irgendwas hieran geplant hätte. Eigentlich hatte er nur ein paar süße Rendezvousideen von ihr abstauben wollen. Nicht das hier, was auch immer es ist.)
Pansy sieht in die Kamera, als wäre sie bei The Office, und Draco wird unangenehm bewusst, dass gerade exakt das passiert ist, was sie ihm zuvor vorgeworfen hat: Dass sie ihm von einem Techtelmechtel erzählen möchte und er das Ruder herumreißt und sein eigenes Unwohlsein in den Vordergrund drängt. Also räuspert er sich, weil er schließlich kein schlechter Mensch und Freund ist, und sagt mit gezwungen ruhiger Stimme (sie können es alle hören): »Oh, Pansy, welch freudiges Ereignis! Möchtest Du uns nicht bekanntmachen?«
»Nein«, erwidert Pansy und ihr Tonfall macht klar, dass das eine endgültige Entscheidung ist, er ist in Ungnade gefallen und muss erst wieder auf gutem Fuß mit ihr stehen, bevor sie ihm von sich erzählt. Ihm soll’s recht sein. (Ist es ihm aber nicht. Er kommt überhaupt nicht damit klar, wenn Pansy unzufrieden mit ihm ist. Es frisst ihn innen drinnen auf.)
»Was muss ich tun, dass Du verstehst, dass es meine einzige Möglichkeit war und ich sehr wohl sehr gut darüber nachgedacht habe, was ich da tue?«, fragt Draco, um das Gespräch weg von der Unannehmlichkeit der Situation zu lenken. Sie wird sich schon wieder einkriegen. Oder sie wird erkennen, dass er Recht hat und sie wird ihre Unzufriedenheit vergessen; vielleicht wird sie sogar bereuen, dass sie ihm so viel Schlechtes unterstellt hat. Das geschähe ihr gerade recht.
»Weißt Du was«, lenkt sie ein, genauso willig, das Thema für den Moment hinter sich zu lassen, »gönn mir. Warum denkst Du, könnte es eine kluge Entscheidung gewesen sein, Deinen großen schwulen Schwarm zu fragen, ob er Dich fake datet?«
Er verdreht die Augen. »Hör auf, es so zu nennen. Gut, ich finde, dass Harry schön anzuschauen ist, verklag mich doch. Das heißt nicht, dass ich ihm mein Herz schenken will oder was für einen romantischen Unfug Du Dir auch immer dabei gedacht hast. Harry ist die sinnvollste Lösung für mein Problem. Ich will mich endlich endgültig outen, meine Mutter erwartet sowieso, dass ich ein Anhängsel mitbringe, und Harry ist ein netter Kerl, der mich nicht im Stich lassen wird.« Es kostet ihn alle seine Kraft, nicht mit seiner kühlen Hand über seine erhitzten Wangen zu fahren, weil Pansy sonst sofort denken würde, dass irgendwas im Argen liegt. »Ich hab überlegt, irgendwen anders zu fragen, glaub mir. Aber fast alle Leute, die ich kenne, haben meine Eltern bereits kennengelernt, kein Mensch würde mir glauben, dass ich Blaise date. Und dem Rest würde ich unter keinen Umständen zutrauen, meiner Familie glaubhaft vorzuspielen, dass wir ein Paar sind.«
Etwas leiser, als wäre es nur ein beiläufiger Nebengedanke und nicht der Haupthaken an der ganzen Geschichte, fügt Draco hinzu: »Außerdem kennst Du meine Familie. Das will ich keinem zumuten, der es nicht vertragen kann.«
Plötzlich breitet sich Verständnis auf Pansys Gesicht aus und ihr scheint endlich klarzuwerden, dass Draco vielleicht nicht über die Problematik seines berührungshungrigen Herzens und einer liebevollen Hand daran nachgedacht hat, aber sehr wohl über die seiner aristokratisch-versnobbten Familie und seines progressiv-linken Freundeskreises.
»Ach, Liebherz«, seufzt Pansy ergeben und das erste Mal, seit sie angefangen haben, miteinander zu videotelephonieren, ist keine Spur trotzigen Kampfes mehr in ihrer Stimme zu finden. Stattdessen nur Resignation und das kleinste bisschen Mitleid. Draco hasst Mitleid so sehr. Aber Pansy tut das auch, was sie offensichtlich dazu motiviert, in eine andere Richtung als zu erwarten wäre zu gehen. »Kein Mensch würde glauben, dass Blaise Dich daten würde. Du könntest Dich niemals so hoch schlafen. Blaise spielt in einer ganz anderen Liga als Du.«
Ihr Kopf verschwindet kurz aus dem Bild, während sie den Hängeschrank öffnet und zwei Tassen hervorholt, die verdächtig nach einem Set hässlicher Tassen aussehen, die er ihr nach einem Streit zum Geburtstag geschenkt hat, weil er ihr schlecht nichts schenken konnte, aber auch nicht wollte, dass sie tatsächlich etwas bekam, worüber sie sich freuen würde. (Anscheinend ist seine Mission wirklich erfolgreich gewesen, wenn sie es für nötig gehalten hatte, die Tassen ans andere Ende der Welt mitzunehmen.)
»Hase«, sagt sie, während sie Kaffee, Zucker und Kaffeeweißer in die Tassen packt, ohne ihre Bettgenossin zu fragen, wie die ihre Tasse zubereitet haben wollen würde. (Draco packt diese Information zur Seite, verstaut sie griffbereit, weil er gerade nicht die Energie hat, ihre Heuchelei anzuprangern, aber es definitiv zu einem späteren Zeitpunkt tun wird.) »Ich werde Dir nicht sagen, dass Du Harry in Ruhe lassen sollst, weil Du, ehrlich gesagt, ganz okaye Gründe hast, ihn in Dein Drama mitreinzuziehen, aber ich möchte auch, dass Du wirklich, wirklich weißt, dass ich es Dir vorher gesagt habe.«
»Du bist so nutzlos«, erwidert er, aber sein leicht liebevoller Ton verrät seine harsche Wortwahl und gibt seine wahren Gefühle preis. »Das nächste Mal, wenn ich emotionalen Beistand und hilfreichen Rat brauche, gehe ich zu Blaise.«
Das kitzelt tatsächlich ein Lachen aus ihr heraus, das er zwar nur halb sieht, weil sie in ihrer einen Hand zwei Tassen an deren Henkeln festhält und ihre andere Hand mehr achtlos das Handy hinterherträgt, während sie ins Bett zurückkehrt, aber es füllt ihn mit einer absoluten Wärme. Er hat Pansy so gern, es ist ekelhaft.
»Blaise würde Dich so sehr verurteilen, wenn er wüsste, dass Du darüber nachdenkst, Harry fake zu daten. Oder irgendwen fake zu daten«, erwidert Pansy leichthin, als sie die eine Tasse weitergegeben und sich mit der anderen in der Hand gegen die Wand am Kopfende gelehnt hat. (Draco glaubt, am Rand des Bildes blonde Haare zu erkennen, die ihren Weg auf Pansys Arm finden. Gerade so, als würde ein Mensch sich an sie schmiegen und seinen Kopf an ihre Brust legen. – Der Gedanke, dass Pansy mit irgendeinem Menschen auf diese Art und Weise Zeit verbringt, ist widerwärtig heimelig und häuslich und versetzt Draco einen so seltsam sehnsüchtigen Stich, dass er sich schnell wieder auf Pansys Gesicht konzentriert, statt weiter darüber nachzudenken.)
»Ich werde Harry fake daten«, erwidert Draco missfällig.
Aber Pansy ist nicht so unaufmerksam am frühen Morgen wie Draco es wäre, und sie hat ganz genau gehört, was er vorhin noch zu ihr gesagt hat, also fragt sie: »Ich dachte Du hast vielleicht, eventuell eine vorgetäuschte Beziehung. Hast Du nicht gesagt, dass er beinahe schon ja gesagt hat?«
Er zuckt umständlich mit den Schultern und erwidert leise, aber trotzig: »Irgendwie sowas.«
»Er hat also noch nicht mal zugestimmt und Du verkündest schon lauthals, dass ihr quasi phantastisch falsche Freunde seid, okay.« Sie nimmt einen großen Schluck aus ihrer Tasse und legt für einen Moment ihre Stirn nachdenklich in Falten. »Warum sollte er Dir zustimmen? Also, ich meine, wenn er jetzt noch nicht eingewilligt hat, was sollte ihn dann dazu bringen, seine Meinung zu ändern?«
Draco schnaubt und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, die Arme abwehrend vor dem Körper verschränkt, plötzlich der Tatsache bewusst werdend, wie zusammengekauert er eigentlich dagesessen hat. Dann sagt er, um der tatsächlichen Antwort vielleicht noch aus dem Weg gehen zu können: »Du redest wie ein Valley Girl, hat Dir das schon mal wer gesagt? Du bist in Massachusetts, Du kannst Dir quasi den Uptalk sparen?«
Obwohl es eine schreckliche Imitation ist, die Intonation am Ende zu hoch, um als Halbfrage durchzugehen, japst Pansy empört nach Luft, als hätte er sie aufs schlimmste beleidigt. Er lächelt sie zuckersüß an, als sie den Mund öffnet, ohne Zweifel vom Thema abgebracht, um ihm die Leviten zu lesen, als eine undeutliche Stimme neben ihrem Handy ertönt, die Draco akustisch nicht verstehen kann, egal wie er sich darauf konzentriert. – Pansy hingegen hört genau, was ihre Bettgenossin zu ihr sagt, und fällt in sich zusammen, als die Irritation aus ihr entweicht, bevor sie leise sagt: »Ja, ich weiß, schlimm, oder?«
Dann wendet sie sich Draco wieder zu und wirft ihm vor: »Du elender Themenwechsler! Ich werde das nie wieder aus meinem Kopf rausbekommen, nur damit Du’s weißt. Wenn wir uns wiedersehen, box ich Dir auf die Nase.«
Gerade will er den Mund aufmachen, um Viel Glück, mich zu finden zu sagen, als sie schon fortfährt: »Schau mal, Draco. Du hast mich angerufen, okay? Du wirst das ja wohl nicht nur getan haben, um mich zu informieren, dass Du Harry fake daten möchtest. Also spuck aus, was Du willst, damit wir diese lausige Entschuldigung eines Gesprächs dorthin bringen können, wo sie eigentlich hingehört.«
»Reg Dich ab.« Seine Hände fallen aus ihrer Überkreuzung in seinen Schoß und er muss tatsächlich seinen Blick abwenden, weil Pansy ihn so durchdringend ansieht, dass ihm ein wenig dormelig davon wird. »Es ist nur …« Er blickt nach oben an die Decke, um einmal tief Luft zu holen, und fixiert dann einen Punkt überhalb seines Handys, damit Pansy mit viel Glück denkt, er würde sie tatsächlich ansehen, während er spricht. »Ich hab Harry gefragt, ob er mit mir zu der Hochzeit geht, und er war erstaunlicherweise – und ich kann das wirklich nicht nachvollziehen – nicht sofort an Bord, sondern hat eher gezögert, zuzusagen. Also hab ich ihm, weil ich ja nun wirklich nicht so bin, die Möglichkeit eingeräumt, noch darüber nachzudenken—«
»Bevor er endgültig absagt«, wirft Pansy wissend ein.
»—und natürlich dacht‘ ich – ja, natürlich, dass er nicht sofort absagt –, auf jeden Fall dachte ich, dass ich ihm einen, nun, Anreiz gebe, mich tatsächlich zu begleiten«, fährt Draco fort, die Nase in Gereiztheit krausgezogen. »Ich hab ihm ein ganzes Abendessen gekocht, mit Kerzenscheinromantik und all dem, hab ihn gefragt, wie sein Tag so war, der ganze Kladderadatsch. Hab ihm sogar angeboten, dass ich ihn nicht mehr aus dem Schlaf reiße, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, auch wenn ich nicht glaube, dass sich an unserem bisherigen Verhalten etwas ändern wird, weil ich ihn schließlich nur in Notlagen wecke.«
Ehrlich gesagt nimmt er Anstoß an der Art und Weise, wie Pansy ein Lachen in ihrer eigenen Schulter versteckt, aber, bevor er sich wieder ablenken lässt, fährt er einfach fort: »Letztendlich hab ich ihn aussuchen lassen, was wir vor dem Schlafengehen anschauen. Pansy, es war schrecklich, der Mann gönnt mir keine Ruhe.«
Sie starren sich einen Moment lang an, oder eher: Pansy versucht fünf ganze Herzschläge, Dracos Blick aufzufangen, aber Draco sieht weiterhin auf den Punkt überhalb seines Handys. Und als sie sich auch danach einfach weigert, auf seine Ausführungen zu reagieren, wenn er ihr vorher nicht ins Gesicht blickt, stolpern die nächsten Worte so atemlos und schnell aus seinem Mund, dass er sich nicht sicher ist, ob Pansy sie überhaupt verstehen kann: »Ich hab ihm vielleicht angeboten, dass wir einfach bis zur Feier schon fake daten, damit er sich an den Gedanken und die Kosenamen gewöhnen kann, weil schließlich alles natürlich und normal wirken muss, wenn wir dann da sind, und er ist doch so ein schrecklicher Gutmensch, dem sofort die Ohren glühen, wenn er lügen muss. Aber irgendwie gerat ich jetzt ins Schwimmen und, oh, große Pansy Parkinson, hilf mir.«
Ein Blinzeln, vielleicht fassungslos. Ein weiteres Blinzeln, vielleicht sprachlos. Dann: »Was habt ihr geschaut?«, und Dracos Blick schnappt doch endlich nach unten in Pansys Gesicht, damit er nicht nur ihre vagen Gesichtsausdrücke sehen kann, sondern das ganze Paket. Aber ihr Blick verrät nicht wirklich, was sie denkt, und Draco zieht seine Augenbrauen in Unzufriedenheit zusammen.
Er fragt: »Dirk Gently, warum?«
»Das ist das mit Elijah Wood, oder?« Sie weiß ganz genau, dass es das mit Elijah Wood ist. Es ist eine absolut unnötige Frage und Draco fühlt Genervtheit in sich aufwallen, weil er keine Ahnung hat, in welche Richtung Pansy argumentieren möchte. – Er nickt trotzdem. Oder vielleicht gerade deswegen. »Du hast also mit Harry was mit Elijah Wood geschaut, nachdem Du Dich hundertmal darüber ergangen hast, dass das niemals passieren würde, weil – und ich zitiere—« oh, Gott, er wünschte, sie würde es nicht »—Harry sieht im Prinzip aus wie Elijah Wood und ich kann doch nicht dasitzen und hinter Elijah herlechzen, wenn Harry direkt neben mir sitzt. So viel Stärke hab ich nicht in mir, Pansy!«
»Ich hasse manchmal, dass Du mir zuhörst, wenn ich rede«, stöhnt Draco widerwillig auf. »Aber ich hasse es immer, wenn Du irgendwas gegen mich verwendest, was ich Dir unter vier Augen und streng vertraulich erzählt habe.«
»Dann hör entweder auf, mir Dinge zu erzählen, oder hör auf, beschämende Dinge zu tun, von denen Du mir anschließend sofort erzählst«, schlägt Pansy grinsend vor. »So oder so muss ich nachher erstmal fünf Stunden darüber weinen, was für ein unfähiges Subjekt Du bist. Ich kann hier nicht sitzen und Dir bei so viel Unsinn zuhören, und ich kann auch nicht nachvollziehen, wie Du in Deinem eigenen Kopf existieren kannst. Du musst doch absolut erschöpft sein von diesem konstanten Faktenzurechtbiegen und Fisimatentensuchen. Nicht-wahrhaben-Wolle webt nur dünne Decken, Draco.«
Wieder wendet er seinen Blick ab, saugt seine Lippen zwischen die Zähne und presst sie anschließend in einer Grimasse dagegen, weil Pansy der schlimmste Mensch überhaupt ist und er vielleicht etwas schrecklich Unüberlegtes sagen könnte, wenn er sich jetzt nicht auf die Zunge beißt.
»Was«, fragt er also ausdruckslos, nur dass es nicht wirklich eine Frage ist.
»Fadenscheinigen Stoff, Draco«, erwidert sie. »Löchrig, kurzlebig und nicht besonders reißfest.«
Und anscheinend ist das der richtige Moment für Pansys Bettgenossin, um sich ebenfalls zu Wort zu melden. Diesmal sogar laut genug, dass Draco hören kann, wie sie sagt: »Verdrängung gibt es nicht nur im Schiffbau.«
»Hallo, ich lass mich doch nicht von wem rügen, der mir nicht mal seinen Namen verraten hat«, stellt Draco fassungslos klar, aber bevor Draco fortfahren oder die Fremde antworten kann, fällt Pansy ihm ins Wort: »Du hast ihren Namen auch nicht verdient.«
»Ja, ja, wir haben alle verstanden, dass ich unter Deinem Pantoffel stehe, mein Leben in Deinen Händen liegt, Du darüber entscheiden kannst, ob ich erfolgreich bin in meinen täglichen Herausforderungen oder doch versage«, winkt Draco ab. »Also, phantastische und majestätische Pansy, reichst Du mir einen Strohhalm oder schubst Du mich weg von der Boje?«
Zuneigung deutlich in den Augen, rollt sie mit eben diesen, und hält für ihn nochmal fest: »Wenn Du es doch verstanden hast, warum diskutieren wir dann andauernd darüber? Hasse außerdem Deine Schwimmmetapher. Bisschen prätentiös, findest Du nicht?«
In einer Darbietung absoluter Verärgerung langt Draco nach vorne, um offensiv und dramatisch auf den großen, roten Knopf in der Mitte seines Bildschirms zu drücken und aufzulegen, aber Pansy hebt ihre Tasse in beschwichtigender Abwehr und er hält in seiner Bewegung inne.
»Reiß Dich mal«, sagt sie, seinen Zustand endlich ein wenig ernster nehmend, »ich seh Dich so wenig, lass mich Dich doch ein bisschen foppen. Quid pro quo quasi.«
Er beschließt, sie nicht darüber aufzuklären, dass sie keine Ahnung hat, was sie da für Worte aneinanderreiht, in der Hoffnung, dass sie es vor einem Professor noch einmal sagt und sich fürchterlich blamiert. Das wird ihr zeigen, es sich mit ihm zu verscherzen.
Dann macht sie ein nachdenkliches Geräusch und scheint sich zum ersten Mal tatsächlich durch den Kopf gehen zu lassen, was er ihr im Verlauf ihres Gespräches bisher erzählt hat. Während er ihr den Raum gibt, zu überlegen, nimmt er seine Hand wieder zurück in seinen Schoß und zupft mit seinen Fingerspitzen an der Naht seiner Jogginghose herum, nicht vorhandene Flusen entfernend. Mit jeder verstreichenden Sekunde wird er unruhiger, seine Chancen, wirklich echten Rat von ihr zu erhalten, jedoch größter. Also schweigt er. Es ist eine Heraklesaufgabe.
»So wie ich das sehe«, bricht Pansy schließlich das Schweigen nach einem weiteren Schluck aus ihrer Tasse, »hast Du Dich schon so weit reingeritten, dass Du Dich eh nicht mehr elegant aus der Affäre ziehen könntest, selbst wenn Du wolltest. So sehr es mich auch schmerzt, es aussprechen zu müssen: Ich denke, Du solltest weitermachen.«
Sie macht eine Kunstpause und es kostet ihn all seine Willenskraft, sie nicht dafür zu nutzen, ihr zu sagen, dass es immer außer Frage gestanden hat, jetzt nochmal zurückzutreten und die Aktion abzublasen. Dafür hat er emotional schon viel zu viel zu viel investiert.
»Sei gut zu ihm, er ist doch so ein Bambi«, fährt sie schließlich fort, als würde es tatsächlich zur Debatte stehen, dass er nicht nett zu Harry ist; als wäre Draco jemals nicht nett zu Harry gewesen. »Du kennst den Wald und Harry ist nur ein guter Ally, der Dir unter die Arme greifen möchte, falls er zusagt. Kudos übrigens, falls er tatsächlich zusagt.«
»Er wird zusagen, dafür entwirfst Du schließlich jetzt einen Plan mit mir«, sagt Draco jetzt doch, weil er sich immer noch ein bisschen an den Pranger gestellt fühlt. »Ich hab mir schon ein paar Sachen selbst überlegt, aber Du bist besser mit diesem ganzen Herzensangelegenheitenkram.«
Diesmal starren sie sich tatsächlich an, beide offensichtlich darum bemüht, ihre Contenance zu wahren, aber es dauert nicht lang, bis sie gemeinsam in Lachen ausbrechen, weil der bloße Gedanke, dass Pansy etwas mit Herzensangelegenheiten anfangen kann, so lächerlich ist.
»Okay«, stößt Pansy zwischen zwei Lachern heraus, »ich gewähre Dir Einblicke in meine unfassbaren Liebeskünste, kleiner Draco, wenn Du dieses einfache Fünfzig-Schritte-Programm anwendest, wird Harry wie Wachs in Deinen Händen schmelzen, seine Sexualität überdenken und Dir einen Heiratsantrag machen, bevor die Woche zu Ende ist.«
Übertreibung beiseite ist Draco so schrecklich glücklich, mit Pansy befreundet zu sein, nachdem es in der Oberstufe lange so ausgesehen hat, dass sie nach ihrem desaströsen Schlussmachen, weil sie erstaunlich un-hetero waren, je wieder miteinander sprechen würden.
»Letztendlich bist Du auf einem guten Weg«, gesteht Pansy ihm zu. »Das wichtigste ist, ihm viel Aufmerksamkeit und Zuwendung zu schenken. Ich weiß, das fällt Dir manchmal schwer, weil Du so viel interessanter bist als alle anderen, aber warum soll er sich um Dein Leid scheren, wenn Du nicht mal fünf Minuten dafür aufbringen kannst, ihm zuzuhören.«
Ein wenig missmutig widerspricht Draco: »Ich höre Harry dauernd zu.«
»Ja, ja, Du bist ein Heiliger. Aber das ungefähr hundert Stufen hochzudrehen, kann nicht schaden. Was Harry Dir erzählt, ist das wichtigste, was es überhaupt gibt«, winkt sie seinen Einwurf ab und er traut sich nicht, ihr zu sagen, dass alles, was Harry ihm erzählt, wirklich das wichtigste ist. Draco ist vielleicht nicht der beste Zuhörer und es hapert auch immer wieder an seinen Erwiderungen, weil er einfach nicht gut darin ist, auszudrücken, dass er sich auf der Gefühlsebene längst in die andere Person verstrickt hat.
»Stell ihm Fragen. Viele, viele Fragen, weil Männer so unglaublich gern über sich selbst reden.«
Er überlegt einzuwerfen, dass mitnichten nur Männer gern über sich selbst sprechen, was allein durch Pansy Parkinsons höchsteigene Existenz evident sein sollte, die nie aufhören würde, über sich selbst zu reden, wenn Draco sich nicht gewaltvoll in ihr Narrativ zwängen würde. (Sie wirft ihm immer vor, dass er jedes Gespräch an sich reißt und dazu bringt, sich um ihn zu drehen, aber wenn er nicht genau das tun würde, dann würde er nie auch nur ein einziges Wort reinbekommen, das sich nicht um sie dreht. Was in Ordnung ist, wenn sie die Selbstreflexion besäße, sich einzugestehen, dass sie nicht besser ist als er, statt ihm ihr eigenes Verhalten vorzuwerfen. Sie sollten keine gute Kombination sein mit ihren Sonnensystempersönlichkeiten, aber irgendwie machen sie, dass es funktioniert. Sie sind einfach beide schrecklich beeindruckende Menschen.)
»Frag ihn auch, was er tun möchte. Natürlich kannst Du Dir Aktivitäten überlegen wie Schlittschuhfahren oder Rodeln, ihr könntet auf den Weihnachtsmarkt gehen oder für einen Nachmittag raus aus der Stadt, aber letztendlich willst Du, dass er sich gesehen und gehört fühlt, also lässt Du ihm immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, umzuschwenken oder komplett abzusagen«, sagt sie nachdenklich. »Ganz viel sind Kleinigkeiten. Du willst ihm zeigen: Hey, ich respektiere auch Deine kleinen und unbedeutenden Grenzen, ich bin vertrauenswürdig, wenn Du ein bisschen platonisch küssen willst auf der Hochzeit – no homo –, dann stell ich immer sicher, dass Du sicher bist.«
Er blinzelt ihr ein paar Mal entgegen, während er ihre Worte verarbeitet. Es ergibt so viel Sinn, was sie sagt.
»Gesetz der Übertragung oder was auch immer«, fasst sie zusammen, ohne das kleine Kichern zu unterdrücken, das sich zwischen ihre Worte schleicht. »Wie soll er Dir glauben, dass Du auf der Hochzeit nicht plötzlich Dinge von ihm verlangst, auf die ihr euch vorher nicht geeinigt habt, weil der soziale Druck herrscht, dass er eher nachgibt, was er vielleicht unter normalen Umständen nicht tun würde? Wenn Du rücksichts- und verständnisvoll bei Kleinem bist, dann weiß er, ist Großes ebenfalls gut bei Dir aufgehoben.«
»Ich fühle mich, als würde mir ein Pick-up Artist einen Vortrag über Konsens halten«, murmelt Draco. Jedoch nicht leise genug, um nicht von Pansy gehört zu werden, die daraufhin schon wieder lacht.
Als sie sich beruhigt hat, antwortet sie schelmisch: »Ich präferiere die Bezeichnung Consent Artist. Wir etablieren schließlich keinen konsensuellen Rahmen, der dann am Ende gebrochen wird, wenn wir erreicht haben, was wir wollen. Ich bin vielleicht ‘ne selbstgefällige Zicke, aber ich bin kein übergriffiges Arschloch.«
Vielleicht steckt da doch einiges mehr an Selbstreflexion in Pansy, als Draco bis eben für möglich gehalten hätte. Vor allem, weil sie mit breiter Brust verkündet, während ihre Bettgenossin noch immer direkt an sie drangeschmiegt liegt. Entweder haben die beiden eine wirklich offene und ehrliche Beziehung zueinander, die Blondine hat weniger Selbstbewusstsein, als Draco angenommen hätte, oder sie schläft in seliger Ungewissheit, ohne ein Wort von dem mitzubekommen, was Pansy und Draco gerade miteinander besprechen.
»Eigentlich ist das wichtigste das hier: Magst Du Harry?« Sie macht eine auffordernde Kopfbewegung und Draco realisiert, dass es keine rhetorische Frage gewesen ist, weswegen er hektisch nickt. »Und Du willst mit ihm befreundet bleiben, wenn die Sache rum ist, ja?« Er nickt noch einmal. »Dann behandle ihn, wie Du mich in dieser Situation behandeln würdest – respektvoll und Draco-untypisch zuvorkommend –, kommunizier ehrlich mit ihm über Deine und seine Bedürfnisse, auch wenn es Dir schwerfällt, respektiere ein Nein, wenn Du es hörst, auch wenn es Dir nicht gefällt, und Du bist gucci. Streu noch ‘ne Nackenmassage mit rein, da bist Du nicht vollends hoffnungslos.«
Er lässt ihre Worte für einen Moment auf sich wirken, wiegt die Bedeutungsschwere ab und atmet kontrolliert durch die Nase ein und aus, während ihre Augen sein Gesicht absuchen.
»Ich denke, das hättest Du auch in weniger Worten sagen können«, schließt er das Thema ab und sie beide wissen, dass er nicht viel näher an ein Danke herankommen kann, vor allem nicht, wenn er Gefahr läuft, von irgendwem gehört zu werden, der nicht Pansy ist. Aber das ist Pansy, also versteht sie, was er ihr sagen will.
Mit einem kleinen Kopfschütteln sagt sie: »Okay, kein Problem. Quintessenz: Vögelt nicht, Du bist ein hoffnungsloser Romantiker, der seinen Kopf verlieren würde, sein Herz und vermutlich sein Portemonnaie auf dem Weg.«
»Du bist eine elendige Landplage!«, wirft er ihr vor, weil er wirklich nicht weiß, was er dazu sagen soll; wie er jemals in die Situation kommen könnte, mit Harry irgendetwas vage entfernt Sexuelles zu tun. Harry ist wie Welpen in Regenbogenschleifen verpackt, Harry ist ungefähr so sehr ein sexuelles Wesen für Draco wie eine Lampe. Was für ein unsinniger Schluss für dieses Gespräch.
»Weltplage, Hase, ich plage nicht mehr nur England«, verbessert sie ihn honigsüß, bevor sie ihm zuzwinkert und einfach auflegt.
Für einen Moment starrt er auf seinen Nachrichtendienst, der ihn darum bittet, seine Gesprächsqualität in Sternen zu messen, bevor er das Pop-Up-Fensterchen zur Seite wischt und versucht, Pansy zurückzurufen, um sie zu fragen, was zur Hölle ihr Problem ist, aber sein Anruf klingelt einfach durch, ohne Zeichen dafür oder dagegen, dass sie noch einmal abheben wird.
Hektisch legt er wieder auf, als auch zwei Minuten später immer noch nur das Wartezeichen ertönt, und tippt in ihr Nachrichtenfenster: Sehr erwachsen, Pansy. Du kannst Dich nicht darüber auslassen, dass ich mich nicht für Dich interessiere, aber dann auflegen, bevor ich die Chance habe, Dich tatsächlich zu fragen, wie es Dir geht. Du bist ein heuchlerisches, heuchlerisches Biest.
Aber neben seiner Sprechblase taucht nur ein einzelner Haken auf und plötzlich glaubt Draco ganz genau zu wissen, warum Pansy ihre Unterhaltung an der Stelle abgewürgt hat, an der es gerade noch so funktioniert hat, bevor er sie in ein weiteres, vermutlich noch viel längeres Gespräch verwickelt hätte.
Du hättest mir wenigstens noch einen Screenshot von unserem Telephonat zugestehen können, damit ich nicht vergesse, wie Dein schreckliches Gesicht aussieht, schickt er noch hinterher, aber an der Hakenanzahl ändert sich nichts, weswegen er den Nachrichtendienst verlässt und für ein paar Sekunden unschlüssig auf seiner Startseite hin und her wischt, bevor er doch nachgibt und Snapchat öffnet, um Harry ein leidendes Selbstbildnis zu schicken, auf dem er eine Unmenge an Blättern hochhält, um sie der Kamera zu präsentieren, weil es definitiv einfacher ist, sich bei Harry über seine Arbeit zu beschweren, als sie tatsächlich zu erledigen, damit er so etwas ähnliches wie verdiente Freizeit hat.
Er spielt ein wenig mit den Filtern herum, entscheidet sich dann aber, dass er naturgegeben eben doch am schönsten ist, klatscht eine kitschige Nachricht auf das Bild und schickt alles ab, bevor er es sich noch einmal anders überlegen kann.
Nachdem er sein Handy gesperrt und für einen langen Moment auf seine Arbeitsmaterialien gestarrt hat, greift er wieder nach seinem Handy und hämmert seine Passphrase ein, damit er Snapchat wieder öffnen kann, wo ihm der unangesehene Snap in seiner roten Quadratigkeit entgegenstarrt, als wollte er ihn tadeln für sein Versäumnis, nach Harry zu fragen. Was er gerade vorhat, nur fürs Protokoll.
Deswegen steht Draco auf, bewegt sich von seinem Schreibtisch rüber zu seinem Bett und macht ein Photo von Leander, der noch immer tief und fest und unbekümmert schläft, ohne sich auch nur im geringsten von Draco stören zu lassen. Er fügt ein Banner hinzu, auf dem weiß auf durchscheinend schwarz steht: was die liebe meines lebens wohl gerade macht?
Draco hat nie gesagt, dass er zum subtilen Schlag Mensch gehört, denn das wäre eine große, fette Lüge, die er nicht mehr zurücknehmen könnte und die jeder andere sofort durchblicken würde, weil sie so offensichtlich nicht stimmt. Draco ist in keiner Art und Weise subtil oder hält mit seinen Bedürfnissen hinterm Berg, und auch wenn er sich aufgrund seiner limitierten Erfahrungen nicht hundertprozentig sicher ist, glaubt er doch zu wissen, dass er in Beziehungen nicht weniger offensiv wäre.
Sich ein Papier vom Tisch schnappend und einen Stift gleich mit, wirft Draco sein Handy ans eine Ende des Bettes und sich (wenn auch sanfter) ans andere. Leander schreckt aus seinem Schlaf auf, aber beruhigt sich gleich wieder, kaum dass er bemerkt, dass es nur Draco ist, der seine Ruhe stört. Stattdessen erhebt sich ein Schnurren, das absolut unangemessen dafür ist, dass Draco mindestens zehn Zentimeter entfernt von dem Motorboot auf Beinchen liegt.
»Du bist schrecklich«, stellt Draco leise fest und weil sonst kein anderer Mensch in der Nähe ist, unterdrückt er noch nicht einmal den sanften Tonfall seiner Stimme. Dann streckt er seine Hand vorsichtig aus, um Leanders Kopf mit seiner Fingerspitze zu berühren, bevor er sich halb in der Decke vergräbt, die auf seinem Bett liegt, und mit dem Stift auf seinem Papier herumtrommelt, als könnte er seine Gedanken dadurch etwas besser ordnen.
Es ist Zeit, seinen Plan festzuhalten, damit er nicht die eine Hälfte der Schritte vergisst, während er noch dabei ist, die andere umzusetzen. Und, auch wenn er es nicht gern zugibt, Pansy hat ihm doch einiges mit an die Hand gegeben, das er näher überdenken sollte, bevor er noch mehr halbgare Ideen und semigeformte Gedanken auf Harry wirft, der ja jetzt schon mehr überfordert als willig wirkt, wenn Draco ehrlich ist. (Er will Harry nicht zwingen, mit ihm mitzukommen. Er will nur nicht allein sein und das ist doch definitiv ein Ziel, auf das sie zusammen hinarbeiten können, oder nicht?)
Draco beginnt, zu schreiben, und er ignoriert dabei geflissentlich, dass die meisten Dinge, die er aufschreibt, ohnehin Dinge sind, die er gern mit Harry unternommen hätte. Das ist nämlich ziemlich unwichtig.
Notes:
fetten dank an das leo.org-forum für die unfassbar guten übersetzungsvorschläge für "denial isn't just a river in egypt"
Chapter 8: aka das fake dating-au, in dem ich hermione absolut ooc mache i'm sorry
Summary:
Hermione verspricht Harry einen Poetry Slam, was er dafür bekommt, ist ein bisschen den Kopf gewaschen.
Notes:
korrektur gelesen? haha, nein. charakterkonsistenz? fuck you (oocs your hermione). aber wisst ihr, das nächste kapitel ist schon fertig, wir werden sehen, wann ich es poste. (uni ist bös zu mir atm)
das hier ist für vati marx, der gestern geburtstag hatte (und für den ich das eigentlich fertigkriegen wollte, aber dann wollte harry nicht die klappe halten) ♡
Hard to sit here and be close to you, and not kiss you.
[#_2842]CN: Essen (erwähnt), Tod (idiomatisch)
Chapter Text
Ich kann nicht glauben, dass du mich versetzt, leuchtet Harry anklagend von seinem Handy aus entgegen und er seufzt. – Es ist nicht so, als hätte er nicht darüber nachgedacht, wie Draco sich fühlen könnte, wenn Harry ihn für den Abend alleinlässt, aber … um ganz ehrlich zu sein, hat er nicht einmal in Erwägung gezogen, darüber nachzudenken, weil es doch bisher auch kein Ding gewesen ist, wenn Harry sich für einen oder zwei Tage komplett verkrümelt hat. – Entweder ist Draco momentan ganz besonders aufmerksamkeitsbedürftig, er hat sich irgendeine Schnapsidee einfallen lassen, mit der er Harry dazu überreden möchte, zu der Hochzeit zu gehen, und Harry hat ihm gewaltig einen Strich durch die Rechnung gemacht, oder Draco verhält sich der Boyfriend Experience entsprechend, wie er es als fester Freund täte, und ist einfach nur schrecklich anhänglich. So oder so ist es gut, dass Harry ein wenig aus seiner gewohnten Umgebung herauskommt, um vielleicht Rat bei Hermione zu suchen, die ihr Handy demonstrativ in ihre Tasche gesteckt hat, kaum dass sie die Halle betreten und sich Plätze an der Seite gesucht haben.
Aber Harry denkt, dass es noch ein bisschen hin ist, bis der Slam anfängt, weswegen er die Zeit auch genauso noch nutzen kann, Draco abzuwimmeln, bevor er nachher sein Handy aus der Tasche zieht und fünfundfünfzig neue Nachrichten hat, in denen Draco sich bei ihm darüber beschwert, dass er wagt, ein Privatleben zu haben. Also schreibt er: Ich habe noch ein Leben außerhalb der Wohnung, weißt Du.
Es dauert keine zwanzig Sekunden, bis sein Handy mit einer Antwort vibriert: Dass Du das Leben aber nicht mit mir teilst??, was Harry vielleicht etwas zu sehr zum Lachen und deswegen einen kalkulierenden Blick von Hermione einbringt.
»Was ist so witzig?«, fragt sie, aber im Gegensatz zu Ron lehnt sie sich nicht über seine Schulter, um unaufgefordert und unerlaubt selbst nachzulesen, was da auf seinem Handy steht. »Du bist schon die ganze Zeit ein bisschen abgelenkt.«
»Ich bin gar nicht abgelenkt«, erwidert Harry, aber sein Handy straft ihn Lügen, als es noch einmal vibriert, nur weil Harry nicht sofort geantwortet hat. Peinlich berührt aktiviert er die Bildschirmsperre und schiebt das Handy in seine Hosentasche, bevor er sich Hermione zuwendet. »Sorry.«
Sie sagt: »Ist schon gut«, bevor sie zu seiner Tasche nickt und etwas vorsichtiger, aber noch immer bestimmt, fragt: »War das Draco?«
Die Stirn in Falten legend nickt Harry langsam und, ohne dass er sich davon abhalten könnte, legt seine Hand sich über das Mobiltelephon, als könnte er es so vor Hermiones forschendem Blick beschützen, aber vermutlich macht er sich dadurch am Ende noch ein wenig verdächtiger. Er antwortet: »Ja«, und er spürt bereits, wie sich all die Zweifel und Fragen in ihm aufstauen, die Hermione vermutlich als Einzige sezieren und auf ihre grundsätzlichen Bestandteile herunterbrechen kann, bevor sie Lösungsansätze für seine Probleme und Maßstäbe und Regeln aus seinem Verhalten ableiten wird.
»Ich wusste nicht, dass ihr so eng seid«, stellt Hermione fest, während sie ihre Beine überschlägt und die Arme verkreuzt. Bei den meisten Menschen würde Harry eine generelle Ablehnung seiner Person oder des Gegenstands der Unterhaltung vermuten, aber Hermione hat diesen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den sie meistens zur Schau stellt, wenn sie vor einem ganz besonders interessanten Exemplar penizillinresistenter Bakterienstämme steht. »Ron hat mir erzählt, dass er Dich gefragt hab, ob Du sein Date bei einer Hochzeit sein willst.« Sie macht eine kurze Pause, die vermutlich mehr für Effekt ist, als dass sie wirklich einen gedankensammlerischen Zweck erfüllt. »Und dass Du nein gesagt hast.«
Harry schnaubt wie ein Pferd und der Mensch vor ihm dreht sich irritiert (und vielleicht ein wenig angeekelt) halb zu ihm um, damit er ihm einen unzufriedenen Blick zuwerfen kann, aber Harry lässt sich (wenn auch peinlich berührt) nicht aus dem Konzept bringen. Er korrigiert: »Das stimmt so gar nicht. Er hat mich gefragt, ob ich sein fake Date sein will und ich hab gesagt: Ich überlege es mir. Ron will nur einfach, dass ich ablehne.«
»Oh«, macht Hermione und sie zieht es in die Länge, als würde jedes weitere O die Anschaulichkeit des Grades ihrer Erkenntnis verbessern. »Ich sehe, ja, okay. Ron ist so ein Clown.«
»Ron ist doch kein Clown«, widerspricht Harry, aber Hermione schüttelt den Kopf.
»Natürlich ist Ron ein Clown, aber in Deinem Zirkus ist er ja ganz gut aufgehoben«, stellt Hermione klar und mit dem Tonfall, den sie anschlägt, will er auch nicht unbedingt mit ihr diskutieren. Wenn sie in diesen Ton verfällt, dann hat er eh keine Chance mehr, ihr irgendetwas entgegenzuhalten. Aber statt ihn mit ihrer fertig gebildeten Meinung zu überfallen, fragt sie: »Was will er denn?«
»Na, er will, dass ich ihn auf eine Hochzeit nächste Woche begleite«, antwortet Harry verwirrt, weil er das doch gerade schon einmal gesagt hat. »Vorzugsweise als sein vorgetäuscht romantisches Plus Eins.«
Hermione seufzt. »Nein, ich meine, was will er jetzt gerade.«
Mit spitzen Fingern fischt Harry sein Handy wieder hervor, tippt einhändig seine Passphrase ein und reicht dann Hermione das Gerät, ohne selbst nachzusehen, was Draco ihm als Letztes geschickt hat. Es wird vermutlich auf demselben Level sein mit dem, was er die letzten Stunden (oder Tage) in Harrys Inbox gelassen hat. Und er weiß ganz genau, was Hermione erwartet, wenn sie die Pop-up-Benachrichtigung anklickt. Eine Litanei aus Wo bleibst Dus und Ich vermiss Dichs und Unterhalte mich, ich sterbe vor Langeweiles. Es ist charmant auf Dracos eigenwillige Art und Weise, die vielleicht überbordend und -wältigend wäre, wenn es nicht Draco wäre, wenn das irgendeinen Sinn ergibt?
(Harry befürchtet, dass es keinen Sinn ergibt, aber er weiß auch nicht wirklich, wie er es sinnvoller machen kann. – Wenn Harry all diese Nachrichten liest, dann hört er Dracos Stimme in seinem Ohr, die diese quengelnd-sarkastische Qualität hat, die außer Draco kein Mensch zustande bringen zu können scheint. Wenn Harry diese Nachrichten liest, dann sieht er Dracos Gesicht vor seinen Augen, über das sich selbstgefällig und beinah schon kokett ein Grinsen ausbreitet, das Harry ganz unruhig werden lässt. Wenn Harry diese Nachrichten liest, dann kann er beinahe Dracos Atem auf der empfindlichen Haut unterhalb seines Ohres und direkt an seinem Lymphknoten fühlen – ein Szenario so anders von den restlichen, dass es ihn jedes Mal aufs Neue ein bisschen kalt erwischt.)
Nach ein paar Sekunden voll fruchtbaren Scrollens sieht Hermione auf von Harrys Handy und schenkt ihm stattdessen einen sowohl kalkulierenden als auch unbeeindruckten Blick.
»Ich dachte, Du hättest nichts mit Draco gehabt«, sagt sie, während sie abwesend mit kleinen Bewegungen ihres Daumens den Bildschirm davon abhält, dunkel zu werden. Ihre eine Augenbraue trifft beinahe ihren Haaransatz und er ist sich nicht sicher, ob sie mehr skeptisch ist oder ihn dafür verurteilt, dass er ihr vermeintlicher Weise nicht davon erzählt haben könnte, dass er was mit seinem Mitbewohner anfängt. (Wer tut denn sowas? Mit dem Mitbewohner anbändeln? Das ist doch ein Pulverfass, das nur darauf wartet, dass zu sehr die Funken sprühen. Nicht für Harry, nein, Danke.)
Harry klappt der Mund auf. »Ich hab nichts mit Draco gehabt?! Wie kommst Du denn darauf?«
»Licht meiner Augen, Feuer meiner Lenden, mit welchem Mahl möchtest Du den heutigen Tag beenden?«, zitiert Hermione und Harry glaubt in ihrer Stimme und auf ihrem Gesicht zu erkennen, dass sie ein hartes Lachen unterdrückt. Dann sperrt sie sein Handy und hält es ihm entgegen, aber auf eine Art und Weise. – Es ist, wie sie ihr Handgelenk hält, abgeknickt und weg von ihrem Körper, was vermutlich nonchalant wirken soll, aber irgendwie doch eher als verurteilend rüberkommt.
Aber er kann sie auch verstehen, wenn er ehrlich ist. So aus dem Zusammenhang gerissen klingt ihr Gesprächsverlauf vermutlich tatsächlich verdammend wie feste Freunde. Es ist nur Teil der Boyfriend Experience, Harry weiß das, weil er den ganzen Tag nichts Anderes mehr zu erleben weiß.
»Er meint das nicht ernst«, sagt Harry also, während er das Handy aus ihrer Hand schnappt und es mit beiden Händen fest umklammert, als könnte es ihm jeden Moment aus den Fingern springen und davonlaufen. »Es ist sein Versuch, mich zu überreden.«
»Indem er … was genau tut?« Hermione verschränkt ihre Arme vor der Brust und sieht ihn eindringlich an. Er scheint ihr ein Puzzle gegeben zu haben, das sie lösen möchte, aber offensichtlich noch nicht kann. »Ich bin sehr verwirrt, was genau hier eigentlich passiert.«
Harry seufzt, dann sagt er: »Anscheinend hat Draco sich in den Kopf gesetzt, dass, wenn er seinen Charme einsetzt und mir zeigt, was für ein phantastischer fake Freund er wäre, dann hätte ich keine Chance mehr, die Einladung auszuschlagen.«
»Das ist so witzig«, sagt Hermione, aber sie lacht nicht, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, ihre Stirn in Nachdenklichkeit krauszuziehen. Der Zeigefinger ihrer rechten Hand beginnt, gegen ihren Oberarm zu trommeln. »Und das geht wie lange bisher?«
Mit einem Blick auf die nackte Haut seines Handgelenkes, als befände sich dort eine Armbanduhr, erwidert Harry: »Zwei Tage.«
»Ich weine«, sagt Hermione, aber sie weint nicht, weil sie jetzt anscheinend Überspitzungen in ihr Sprachrepertoire aufgenommen hat, was in Harry den Verdacht erweckt, dass sie in letzter Zeit zu viel mit Lavender rumgehangen hat, wie auch immer das passiert sein soll. »Weißt Du«, sie schluckt ein Lachen herunter, »Draco ist so witzig. Du füllst Deinen Zirkus nur mit exzellenten Clowns, Du machst das so gut.«
»Du bist keine sonderliche Hilfe, Hermione.« Sein Daumen drückt gegen den schwarzen Bildschirm seines Handys und es kostet ihn alle Kraft, den Blick nicht abzuwenden und das Thema zu wechseln.
Hermione löst ihre linke Hand aus ihrer Verschränkung und legt sie auf Harrys Knie, bevor sie in einer sanfteren Stimme fortfährt: »Entschuldigung, ich wollte Dich nicht vor den Kopf stoßen. Das ist nur das absolut Witzigste, das mir seit Ewigkeiten untergekommen ist. Draco ist eine Naturkatastrophe und wenn Du nicht selbst involviert bist, dann ist es einfach—«, sie schnaubt, als müsste sie sich so sehr anstrengen, ein Lachen zu unterdrücken, nur um dann daran zu scheitern, »—wirklich, wirklich grandios.«
»Ich sehe«, stellt Harry trocken fest. »Hilfst Du mir nun? Oder willst Du lieber noch ein bisschen über mich lachen?«
»Ich kann beides gleichzeitig tun, meiner Multitaskingfähigkeit sind keine Grenzen gesetzt«, antwortet Hermione glucksend, ihre Hand noch immer ein erdendes Gewicht auf seinem Knie. »So, gerade bin ich ehrlich gesagt noch ein bisschen verwirrt, was das Problem genau ist.« Er will seinen Mund öffnen, um ihr zu antworten, aber sie scheint in seinem Gesicht etwas zu sehen, was sie dazu animiert, einfach weiterzusprechen. »Was ich meine, ist: Ist das Problem, dass Du mit ihm dort nicht hingehen willst, aber er Dich weiter belästigt? Weil, wenn das der Fall ist, dann kann ich heute Abend mit Dir heimkommen und ihn in seine Schranken weisen.«
»Nein, das ist nicht das Problem«, seufzt Harry, aber er kichert auch ein bisschen über die Hand, die sie zur Faust geballt in seine Richtung streckt und ein wenig schüttelt, um ihrer Ankündigung mehr Ernsthaftigkeit zu verleihen. Es sieht ein bisschen arg lächerlich aus, wenn sie das tut. »Ich weiß noch gar nicht, ob ich gehen will oder nicht?«
Hermione sieht nicht allzu beeindruckt aus. »Warum ist das das Problem?« Es klingt, als müsse etwas ganz Anderes das Problem darstellen. – Harry versteht nicht, worauf sie hinaus möchte.
»Solange ich nicht zu dem festen Entschluss gekommen bin, dass ich nicht mitgehe, kann ich nicht absagen«, erklärt Harry also. »Draco spürt das. Er ist ein Günstige Gelegenheitenschnüffler, als würde ein Hai Blut lecken, verstehst Du?«
Ein Schulterzucken. »Dann geh doch mit.«
»Mann, Hermione, ich bin hierhergekommen, damit Du mir das ausredest«, sagt er, obwohl sie beide wissen, dass das so nicht stimmt. Harry kann sich ganz gut selbst einen Kopf um Dinge machen.
»Warum sollte ich das tun? Entweder hast Du Lust drauf oder Du lässt es bleiben. Ich sehe das Problem, ehrlich gesagt, immer noch nicht«, erwidert Hermione, aber es klingt, als wüsste sie ganz genau, wo das Problem liegt. (Und es wäre, ehrlich gesagt, echt nett, wenn sie Harry einweihen würde. Er kann nämlich ganz und gar nicht verstehen, warum seine imminente Ablehnung angefangen hat, sich wegschwemmen zu lassen, aber auch nicht komplett abgetragen wird.)
Harry beißt sich auf die Zunge, um nicht schnippisch zu werden, weil ja schließlich er etwas von Hermione möchte und nicht andersrum. Als er seinen Stimmbändern wieder genug vertraut, dass sie auch das an Worten produzieren werden, das er sagen möchte, sagt er: »Ich wollte am Anfang nicht, als er mich gefragt hat. So, genau in dem Moment. Aber dann hat Ron gesagt, dass ich es nicht machen soll, also … wollte ich es irgendwie schon machen?« Harry stockt der Atem, weil er den nächsten Teil eigentlich gar nicht zugeben mag. »Aber dann war er so—so nett. Draco, meine ich. Und für einen kurzen Moment – oder vielleicht auch einen ganzen Tag – war ich kurz davor, einfach sofort ja zu sagen, weil: Wo ist der Schaden, weißt Du? Aber ich konnte nicht. Ich mein, mein Kopf sagt weiterhin: Wo ist der Schaden?, aber mein Magen sagt: Da ist der Schaden, und ich kann ihn aber nicht sehen, weißt Du, wie ich mein?«
Kurz, aber kräftig, drückt Hermione ihm das Knie, bevor sie mit ihrem Daumen direkt hinter dem Gelenkknorren kleine, beruhigende Kreise in den Stoff seiner Jeans reibt. Sie nickt und sagt: »Ich weiß absolut, wie Du meinst.«
Er fühlt sich verarscht von ihr.
»Mir ist das ernst, Hermione«, sagt er und er schubst sie ein klitzekleines bisschen, damit sie ins Schwanken kommt, aber nicht der Person neben sich auf den Schoß fällt. (Wobei es ihr recht geschähe.) »Ich kann halt nicht aufhören, zu denken, dass es eine furchtbare Idee ist, aber ich weiß nicht, warum.«
»Würdest Du mit mir gehen?«, fragt Hermione.
Harry antwortet voller Überzeugung: »Natürlich würde ich mit Dir gehen, was für eine Frage.«
Plötzlich liegen Hermiones Hände auf seinen Wangen – so schnell, dass er noch nicht einmal realisiert hat, dass die eine nicht mehr auf seinem Knie liegt – und sie zieht ihn so nah heran, dass ihre Nasenspitze sanft gegen seine stößt und ihr Atem warm auf seine Lippen trifft. Sie ist ihm auf einmal so nah, dass er, wenn es heller wäre, vermutlich jeden Fleck ihrer Iris sehen könnte. (Ihm stolpert das Herz in der Brust.)
»Ist das seltsam?«, fragt sie ganz leise, sodass sogar er beinahe Schwierigkeiten hat, sie zu verstehen, obwohl sie ihm immer noch so nah ist. »Darf ich Dich küssen?«
»Warum?«, fragt Harry höchst verdattert. (Er fragt sich, ob er genauso sehr wie ein Reh im Scheinwerferlicht aussieht, wie er sich gerade fühlt.)
»Ich will Dir was zeigen«, antwortet sie nonchalant und weil sie ihm so nah ist, kann er nur noch nicken, weil er sich nicht sicher ist, ob ihm seine Stimme nicht versagt, wenn er das Wort an sie richtet.
Und dann liegen Hermiones Lippen plötzlich auf seinen, ihre Nasenspitze stößt gegen seine Wange und er kann für einen Moment nichts Anderes riechen als Hermione. Ihre Augen sind geschlossen und er kann jede einzelne Wimper erkennen, ihre ungezupften Augenbrauen und den Leberfleck, der fast direkt neben ihrem Tränenkanal liegt. Dann erinnert er sich daran, dass er vielleicht auch die Augen schließen sollte.
Es ist ein trockener Kuss, geschlossene Lippen und auch nur ein paar Atemzüge lang, dann zieht Hermione sich zurück, die Hände von seinem Gesicht direkt zurück in seinen Schoß nehmend. Harry weiß nicht, wo er jetzt hinsehen soll.
»Okay, sorry, das war eventuell doch«, sagt Hermione, bevor sie hörbar schluckt und sich selbst unterbricht, »etwas nah. Vielleicht ist es doch komisch?«
»Was—«, Harry räuspert sich, »—was war der Punkt, den Du machen wolltest, bitte?«
Röte breitet sich auf Hermiones Wangen aus und sie wirkt beinahe verlegen, wie sie nach oben greift und sich den Nacken reibt. Ihre Stimme zeigt dieselbe Verlegenheit: »Ich dachte, wenn ich Dir zeige, dass es absolut nicht komisch ist, wenn wir uns küssen, dass Du dann aufhörst, darüber nachzudenken, dass es komisch sein könnte, Draco zu küssen. Ergibt das Sinn?«
Bevor Harry die Chance bekommt, auch nur den Mund aufzumachen, um ihr zu antworten, fährt sie nervös fort: »Ich hab beim Ausgehen schon so oft Freund*innen alibimäßig geküsst. Um entweder selbst aus einer unangenehmen Situation rauszukommen, wenn mich ein schleimiger Typ angräbt, oder ihnen zu helfen, einen anderen schleimigen Typen abzuwimmeln. Das war nie komisch, irgendwie. Aber das hier gerade? Das war komisch.«
Sie legt ihre Stirn in Falten und starrt ihn an, als müsste sie herausfinden, warum Harry sich von all den anderen Menschen (wie viele das auch immer gewesen sein mögen) unterscheidet. Harry zuckt die Achseln.
»Ich meine, ja, es war schon komisch«, stimmt Harry nachdenklich zu. »Aber Du bist ja auch quasi meine Schwester, natürlich ist das komisch. Ich glaube, Du hast Deinen Punkt trotzdem gemacht. Draco und ich stehen uns nicht ansatzweise nah genug, dass das komisch werden könnte.«
»Aber ihr seid schon Freunde, oder? Ich meine, so von Dir aus. Sein Standpunkt ist ja klar«, hakt Hermione nach, weil sie nicht wirklich überzeugt von Harrys Aussage aussieht, und Harry kann schlecht widersprechen. Er traut sich noch nicht mal zu sagen: So gut befreundet sind wir gar nicht, obwohl es seine Theorie noch weiter bestätigen würde und er kann noch nicht einmal genau sagen, warum alles in ihm sich sträubt, sie kleinlich zu korrigieren. »Na, dann. Wenn Du denkst, dass es nicht so wird, wie das gerade eben, geh hin, hab Spaß und ergreif die Kontrolle über die Möglichkeiten zur kostenlosen Verköstigung.«
»Ich soll mich durchmarxen«, stellt Harry trocken fest.
Hermione nickt. »Marx Dich quer durch die Bourgeoisie.«
»Ich hasse, dass ich jedes Wort verstehe, dass Du zu mir sagst«, seufzt Harry und Hermione erwidert mit dem Stolz einer Mutter in der Stimme: »Du bist nicht lernresistent! Es gibt doch noch Hoffnung für Dich.«
Als er ein zweites Mal versucht, sie zu schubsen, fängt sie seine Hände in der Luft ab und lacht schelmisch auf, bevor sie sagt: »Es sind nur noch zehn Minuten, dann geht es los. Bist Du zufrieden?«
Er zuckt mit den Schultern und gibt ein vages Geräusch von sich, das wohl als Zustimmung ausgelegt werden könnte und von ihr auch so aufgenommen wird. Sie legt seine Hände vorsichtig auf seinen Schoß zurück und dreht sich in Richtung der Bühne, als müsste sie die letzten zehn Minuten in absolutem Schweigen verbringen, um den Slam Poetry Gottheiten Ehre zu erweisen und sie nicht zu erzürnen.
Aber Harry ist noch nicht bereit, sich komplett von dem Thema abzuwenden. Natürlich, sie hat ihm genügend zum Denken gegeben, und er wird sich ihre Worte so lange durch den Kopf gehen lassen, bis er selbstbewusst und reuelos eine Entscheidung treffen kann. – Eine Sache ist da jedoch, die ihm irgendwie noch unter den Fingernägeln brennt.
»Du hast den Nachrichtenverlauf doch gerade gesehen«, beginnt Harry also von Neuem, woraufhin Hermione zumindest ihren Kopf in seine Richtung dreht, um ihm zu signalisieren, dass sie ihm zuhört. »Das geht ja seit zwei Tagen Nonstop so und, ich weiß auch nicht, glaubst Du—«
Er unterbricht sich selbst und Hermione macht eine auffordernde Geste mit ihrer Hand, um ihn zum Weitersprechen zu bewegen.
»Glaubst Du«, setzt Harry also erneut an und er weiß selbst nicht, warum sich Unsicherheit in seiner Magengegend breitmacht, weshalb er sie, so gut es geht, herunterschluckt und mit festerer Stimme fortfährt, »dass Draco in einer Beziehung wirklich so wäre?«
Hermione zuckt mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ich hab ihn nie in einer Beziehung erlebt.«
»Ich auch nicht«, sagt Harry leise, maßgeblich um überhaupt irgendetwas gesagt zu haben. Egal, wie sehr Harry auch seinen Kopf darüber zerfurcht, ihm will ja noch nicht einmal ein Moment einfallen, in dem Draco so etwas Ähnliches wie Interesse an irgendeinem Menschen gezeigt hat, der nicht er selbst ist. Keine Anmachsprüche in Bars, kein süffisant grinsendes Nummern auf Servietten schreiben, keine dramatische Nachstellung von schicksalshaften Zusammenstößen in den Straßen Londons oder in den Hörsälen der Universität. Noch nicht einmal einen einzigen langatmigen und -anhaltenden Monolog über den Mangel an adäquatem Verabredungsmaterial hat er in all der Zeit, die sie zusammenwohnen, gehalten. – Jetzt, da Harry tatsächlich darüber nachdenkt, erscheint ihm die Sache so seltsam. Draco ist keine Person, die mit irgendetwas hinterm Berg hält, und dass er noch nie über so etwas gesprochen hat, kann wohl nur bedeuten, dass er nicht interessiert ist, oder?
Anscheinend geht Harrys innerer Zwiespalt nicht so unbemerkt an Hermione vorbei, wie Harry erwartet hätte, und sie hakt nach: »Warum fragst Du?«
»Nur so Gedanke«, antwortet Harry ausweichend. »Es wirkt wie zu viel, findest Du nicht? Kein Mensch ist so in einer Beziehung.«
»Vielleicht Draco schon«, erwidert Hermione. »Mit Dir ist er ja auch immer sehr … vereinnahmend.«
Harry zieht seine Stirn kraus. »Ich weiß nicht, was Du meinst.«
Die Augen gen Decke drehend und ein leises Seufzen ausstoßend, atmet Hermione ein paar Mal pointiert ein und aus, während Harry nur darauf warten kann, dass sie weiterspricht. Ihre Antwort fällt unbefriedigend aus: »Mir ist absolut bewusst, dass Du das nicht weißt.«
»Und Du kannst mir nicht einfach sagen, was Du meinst?«, fragt Harry, langsam vielleicht doch etwas die Nerven verlierend.
»Ich meine«, sagt Hermione langsam, »dass Draco Dich einfach gern in Beschlag nimmt. Er hat Dir vorher auch schon viel geschrieben und Dich überallhin eingeladen, Du sagst nur meistens nicht zu, weil Du schon anderweitige Pläne hast. Und er sitzt immer neben Dir, ist Dir das aufgefallen? Mir ist es aufgefallen.«
Harrys Zunge legt sich von außen gegen seine oberen Schneidezähne und presst dagegen, so wie das manchmal passiert, wenn er sich ganz dringend an etwas erinnern möchte. Sitzt Draco wirklich immer neben ihm? Das muss Zufall sein – oder vermutlich noch eher, weil sie meistens mit Harrys Freund*innen abhängen und Harry der einzige aus ihrer Gruppe ist, mit dem Draco so wirklich etwas zu tun hat, wenn auch nur, weil sie Mitbewohner sind. Und natürlich schreibt Draco ihm oft – maßgeblich, um ihn daran zu erinnern, noch irgendetwas auf dem Weg bei Tescos aufzugabeln oder an seine Zahnarztbesuche. Und ja, okay, Draco lädt ihn weitaus häufiger zu Treffen ein, als Harry ihn einlädt – aber das liegt doch auch nur daran, dass Harry ganz gut mit Blaise, Pansy und Crabbe und Goyle auskommt, weil er die Hälfte von denen nur mit derselben müden Nachsicht behandeln muss wie Draco, damit sie sich in einen besänftigten Zustand friedlicher Co-Existenz schmeicheln lassen. (Wir erinnern uns: Wenn Draco in seinem Freundeskreis unterwegs ist, ist es nicht unmöglich, dass die Fetzen fliegen.)
»Aber«, wehrt Harry dann ab, weil das alles offensichtlich fadenscheinige Argumente sind, die Hermione da vorbringt, »er redet nicht so mit mir sonst. Diese ganze … Weichheit. Das macht er nicht.«
Hermione zuckt wieder mit den Schultern. »Macht er schon mit anderen. Manchmal.« Sie grinst ihn an. »Vielleicht staut er das alles für eine romantische Partnerschaft auf und Du hast da ein Ventil geöffnet, das sich jetzt nicht mehr schließen lässt.«
»Oh, Gott.« Allein der Gedanke macht, dass es ihm ein bisschen anders wird. »Ich glaube, ich bin wortwörtlich nicht dazu ausgestattet, mit Draco umzugehen, wenn er sich so benimmt. Mein Körper würde einfach den Geist aufgeben, weil er überansprucht wurde. Draco ist so pflegeintensiv.«
Mit offensichtlicher Skepsis fragt Hermione: »Was will er denn von Dir?«
»Morgen zum Beispiel will er ein Hemd mit mir kaufen gehen, was vermutlich hundert Läden und zwanzigtausend Hemden umfasst«, stöhnt Harry, was ihm einen weiteren unzufriedenen Blick von der Person vor ihm einbringt, obwohl der Slam noch nicht einmal begonnen hat und Harry jedes Recht hat, noch in ein Gespräch vertieft zu sein. Es sind noch fünf Minuten, fremder Mensch, beruhig Dich.
»Obwohl Du noch nicht einmal fest zugesagt hast?«, fragt Hermione mit einem unterdrückten Lachen in der Stimme.
Harry zuckt mit den Schultern und schlägt Dracos Tonfall an: »Mach Dich nicht lächerlich, Harry. Ein gutes Hemd kann immer gebraucht werden. Das ist doch kein Einmal-und-nie-wieder-Kleidungsstück.«
»Na, wo er recht hat«, räumt Hermione ein, aber Harry will davon eigentlich gar nichts wissen, also fragt er: »Soll ich ihm sagen, dass Du auf seiner Seite bist?«
»Was? Nein! Sonst muss ich ihm wieder auf die Nase boxen«, winkt Hermione ab.
Harry lacht. »Davon tagträume ich manchmal immer noch.« (Es sind nicht immer gute Tagträume, aber das muss Hermione ja nicht wissen.)
Bevor sich das Gespräch noch in eine andere Richtung entwickeln kann (und Dank sei allen Gottheiten, bevor Harry noch einmal auf Draco zu sprechen kommen kann, weil er anscheinend nichts Anderes mehr tun kann, als über Draco zu sprechen und über ihn nachzudenken), dimmt das Licht und ein Mensch betritt die Bühne, locker und entspannt den Weg zum Mikrophon in der Mitte antretend. Also lehnt Hermione sich in ihrem Stuhl wieder zurück und verschränkt ihre Arme, vermutlich, um sich davon abzuhalten, mit ihrem Finger auf ihrem Oberschenkel herumzutrommeln, was sie oft macht, wenn sie sich nur auf eine Sache gleichzeitig konzentriert – und was die meisten Menschen in ihrer Gegend beinahe rasend macht.
Die moderierende Person begrüßt das Publikum und hält eine kleine Einstimmungsrede, während sie die Vortragenden des Abends ankündigt und ein paar Titel der einzelnen Beiträge in die Runde wirft, die sehr viel mehr nach Wissenschaft und Lernen klingen als alles, was Harry bei einem Poetry Slam je gehört hätte. Kein einziger Beitrag enthält auch nur so etwas Ähnliches wie eine Hamsterradmetapher. Höchst uncharakteristisch.
»Hermione«, flüstert Harry und die Art und Weise, wie sie sich zur Seite zu ihm lehnt und leise Hmm summt, zeigt ihm, dass sie ihm geistesabwesend zuhört, auch wenn sie den Blick nicht von der Bühne abwendet. »Du hast gesagt, das hier wäre ein Poetry Slam.«
»Ist doch Jacke wie Hose«, winkt sie irritiert ab und Harry kann für einen Moment nichts Anderes tun, als sie fassungslos anzustarren. Hat sie ihn doch wirklich in einen Science Slam getrickst, was für ein Biest.
Unauffällig angelt Harry sein Handy aus der Tasche und dreht die Helligkeit so weit herunter, dass er (hoffentlich unbemerkt von zumindest Hermione) neben seinem Oberschenkel, halb von seinem Mantel verdeckt, eine Nachricht schicken kann: Du hättest keinen Spaß hier, Hermione hat mich zu einem Science Slam mitgenommen.
Es dauert keine halbe Minute, bis sein Handy in seiner Hand vibriert und er es hektisch in den lautlosen Modus schaltet, damit Hermione nicht darauf aufmerksam wird, dass er der Bühne überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkt. Draco schreibt: Ich dachte, ihr wolltet Spaß haben.
Ja, das dachte ich auch, antwortet Harry, während sich vor seinem inneren Auge das Bild von Dracos amüsiertem Gesicht ausbreitet. (Es sollte ihn vielleicht beunruhigen, dass er Draco inzwischen so gut kennt, dass er zu jeder seiner Nachrichten ohne Probleme Dracos passenden Gesichtsausdruck heraufbeschwören kann, aber vielleichte bedeutet das auch nur, dass Draco sich nur einfach doch nicht so sehr von Harrys anderen Freund*innen, bei denen er es schließlich ebenfalls könnte, unterscheidet.)
Kurz bevor sein Handy den Bildschirm von selbst ausschaltet, leuchtet ihm eine neue Nachricht von Draco entgegen: Hättest Du mich mitgenommen, könnte ich Dich anderweitig unterhalten, wenn Du weißt, was ich meine.
Und bevor Harry eine Antwort darauf formulieren kann, taucht eine zweite auf: Stattdessen sitze ich hier und muss mich mit ~Studieren~ zufriedengeben. »Ist das ionisch?« Es ist mir egal, Lockhart.
Was studierst Du bitte?, fragt Harry zurück, ein Lachen unterdrückend.
Das Einzige, was er zurückbekommt, ist: haha lol ja, oder?
Chapter 9: aka das fake dating au, das nach fast 30k endlich mehr drunk draco verdient
Summary:
CN: Alkohol |
Draco sagt betrunken noch ein paar mehr Dinge, die Harry nüchtern nicht vertragen kann.
Notes:
irgendwer (ich) meinte, es gäbe zu wenig drunk draco, dafür, dass die kb damit so hausieren geht, habt also dieses ungeplante intermezzo, von dem vermis gesagt hat, ich solle jetzt schon posten, vielleicht weil sie nicht weiß, dass es nicht das hemdenkapitel ist; also hier bin ich
(tbh das ist die fic, mit der ich mich momentan von 12-14h unikram am tag entspanne, updates bleiben weiter unregelmäßig)Even your name makes my heart flutter
[#_2975]CN: Alkohol, Tod (idiomatisch referenziert)
Chapter Text
Eine Sache steht für Draco fest: Nachts um Drei nach Hause zu wanken ist gleich sehr viel weniger schön, wenn es nicht auf Blaise‘ Schulter gelehnt geschieht. Draco vermisst die Wärme und die Stabilität, die Blaise ihm immer gibt, wenn der Asphalt unter seinen Füßen herauszurutschen droht – und die Treppenstufen und der Flurboden direkt vor ihrer Haustür. Wenn Blaise nur hier wäre, er würde Draco die Schlüssel direkt aus der Hand nehmen und sie ins Schloss stecken, damit sie nicht wieder um wieder aus seinen Fingern gleiten und mit einem lauten Klirren auf dem Linoleum aufschlagen. Versuch Nummer Fünf (oder Acht? oder vielleicht auch Zwei, wer zählt denn schon, wenn der Kopf neben dem Türknauf am Rahmen lehnt?) und endlich kann Draco den Flurboden seiner eigenen Wohnung küssen. (Im übertragenen Sinne natürlich, er weiß schließlich, dass Harry viel zu oft mit Straßenschuhen in die Wohnung stiefelt. Aber die glatte, kühle Oberfläche fühlt sich so gut auf der erhitzten Haut seiner Stirn an.)
Vorsichtig legt er seine Handflächen neben seinem Kopf auf den Boden und versucht, sich aufzustemmen, aber sein ganzer Körper ist so unglaublich schwer, dass er nicht weiß, wie er es bewerkstelligen soll. Also dreht er nur seinen Kopf zur Seite und ruft schwach: „Harry!“, während sich ein Steinchen in seine Wange drückt und ihm das Herz heftig gegen die Rippen klopft.
Aber entweder wird seine Stimme nicht bis in Harrys Schlafzimmer getragen oder Harry ist erbarmungslos und kaltherzig und ganz und komplett ein furchtbarer Mensch, was Draco nicht glauben möchte, weswegen er ihm zumindest eine zweite Chance einräumen will: „Harry!“
Immer noch reaktionsbedürftige Stille – und Draco erkennt, dass er sich selbst ganz allein aus dieser misslichen Lage befreien muss. Das ist das schlimmste, was Draco jemals passiert ist, er ist sich absolut sicher.
Die Welt dreht sich viel zu schnell, als Draco versucht, sich wieder in eine stehende Position zu bringen. So sehr sogar, dass er – noch halb übergebeugt – über seine eigenen Füße stolpert, mit dem Ellenbogen gegen die Kommode stößt und einen Bilderrahmen von der Oberfläche wischt, den er selbst vor ein paar Tagen erst dorthin gestellt hat. Das Geräusch des nach unten fallenden Holzrahmens kommt ihm von der hohen Decke wieder entgegen und—ist das klirrendes Glas? Hat er das Glas zerbrochen?
Während er sich mit der einen Hand auf dem Möbel abstützt und sich mit der anderen den schmerzenden Ellenbogen reibt, späht er über die Kommodenkante nach unten, aber das Einzige, das er erkennen kann, sind Dunkelheit und tanzende Schatten. Oh, das ist wohl ein Problem für Zukunftsdraco, wie gut.
Aber, dass Harry nicht gekommen ist, um ihm zu helfen, ist ein Problem für Gegenwartsdraco. Denn Draco steht hier, sein gesamtes Gewicht noch immer auf die Kommode abgestützt und die Wohnung nie zum Stillstand kommend, und Harry ist nicht da.
Wo ist Harry?
Träge kippt Dracos Kopf auf seine Schulter und drehender Welt glaubt er, die schemenhaften Umrisse der Tür zu Harrys Zimmer zu erkennen. Da muss er jetzt hin, oder? Wenn er zu Harry kommen will, dann muss er all diese ganzen schlimmen Meter überwinden, ohne noch einmal hinzufallen. Und dann kann er in Harrys Bett fallen, was eh ein viel besseres Fallen ist.
Einen Fuß vor den anderen, denkt Draco, während er mehr eine Ferse vor die andere setzt. Wie gut, dass er keine Rollen an den Schuhen hat, sonst würde das—oh, er hat noch Schuhe an, wie peinlich, beinahe wäre er direkt damit in Harrys Zimmer gelaufen.
Sein Kopf rollt träge wieder zurück, aber die Garderobe mitsamt Schuhregal ist so weit weg. Den Weg schafft er nicht in eine Richtung und schon gar nicht wieder in die andere; doppelt obendrein gleich nicht, wenn er sicher und heil im Bett landen will. – Also, sorry, Harry, aber da liegen nachher wohl Schuhe in Deinem Zimmer.
Dracos Fingerspitzen treffen auf den Holzrahmen und kurz danach sein gesamtes Gewicht gegen die Tür selbst, bevor er sich daran erinnert, dass er vielleicht auch die Klinke betätigen sollte, wenn er nach drinnen möchte. Und dann stolpert er auch schon in Harrys Zimmer, während er allen Gottheiten da oben dankt, dass der Weg zu Harrys Bett frei zu sein scheint.
Er plumpst auf die Matratze – er weiß nicht mal, wie er hierhergekommen ist, war er nicht gerade noch an der Tür?
„Draco?“, ertönt Harrys schläfrige Stimme vom Kissen aus und Draco dreht sich zu ihm, um ihm mit der Hand ins Gesicht zu patschen und „psch! Psch! Psch!“ zu machen. Harrys Erwiderung wird von Dracos Hand erstickt.
„Du weckst noch Harry!“, flüsterruft Draco, bevor ein Lachen aus ihm herausbricht. „Wir müssen leise sein.“
Zwei schlafwarme Hände legen sich um Dracos Gelenk und drücken Dracos Handfläche weg von Mund und Nase. Draco leistet auch keinerlei Widerstand, gerade ist er sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt könnte, wenn er wollte.
„Harry ist wach“, brummt Harry und Draco nickt bestätigend mit dem Kopf und den Schultern und beinahe seinem ganzen Oberkörper, bevor er erwidert: „Dann musst Du ihn geweckt haben“, weil Harry Draco schließlich verboten hat, ihn nachts aufzuwecken und Draco würde niemals wagen, Harrys Wünsche nicht zu respektieren, ist klar.
„Du bist so ein Vogel“, stöhnt Harry auf. „Mach Dich fertig, geh ins Bett, ich bin müde.“
Nochmal nickt Draco, während sich sein Kopf hin und her bewegt, als wäre er ein Wackeldackel auf der Kofferraumablage. Dann zieht er sein Bein unter größter Anstrengung nach oben, um sich langsam, aber schlangenartig unter die Bettdecke zu schieben, nur um mit seiner beschuhten Ferse gegen seine Wade zu stoßen und sich daran zu erinnern, dass er ja noch Schuhe anhat, weil das Regal dafür so weit weg gewesen ist.
„Harry, ich kann nicht“, stellt Draco fest, seine Stimme wackelnd und wippend und weinend. Seine Finger machen sich an seinen Schnürsenkeln zu schaffen, aber er rutscht immer wieder am Doppelknoten ab und wenn er doch mal eine Schlaufe richtig zu fassen kriegt, scheint er sie eher weiter zuzuziehen, statt sie zu lockern und zu öffnen. „Oh, Jesus Maria, ich muss für immer wach bleiben.“
Er findet, dass er das recht nüchtern festgestellt hat, dafür, dass er so betrunken ist, dass Yves Klein eine ganze Leinwand mit ihm füllen könnte.
„Was ist Dein Problem?“, fragt Harry und wenn Draco es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass Harry unzufrieden mit ihm klingt. (Was ja aber nicht sein kann, schließlich hat Draco ihn nicht geweckt, das hat Harry ganz allein gemacht, und wenn er ihn doch geweckt hätte, dann wäre es immerhin gerade ein Notfall, was absolut im Rahmen der Dinge ist, die sie miteinander verabredet haben.)
Draco streckt seine Beine vor sich aus, sodass er in der Dunkelheit kaum noch seine Schuhspitzen erkennen kann, und sagt: „Meine Schuhe hängen an mir.“
Kurz ist es ganz still zwischen ihnen, während Draco sich fragt, ob er, wenn er einfach nur sein Hemd auszieht, sich vielleicht nur zur Seite fallen lassen und halb vom Bett herunterhängend schlafen können würde. Es wäre nicht unbedingt würdevoll oder besonders bequem, aber dann hätte er zumindest nicht das Problem, seine dreckigen Straßenschuhe mit ins Bett zu nehmen.
Aber dann bewegt sich etwas hinter ihm – es muss wohl Harry sein – und ein schlafwarmer Körper schiebt sich an ihm vorbei, um sich mit einem melodramatischen Ächzen und Stöhnen vor ihm auf den Boden zu befördern. (Ist das nicht Dracos Job? Draco hat das vage Gefühl, dass ihm hier gerade die Krone streitig gemacht wird. Absolut schrecklich.)
Dann greifen Hände nach seinem Knöchel und nüchterne Finger machen sich erst am Knoten seines einen Schuhes und schließlich an dem seines anderen Schuhes zu schaffen, bevor ihm mit einer unsanften Bewegung beide von den Füßen gezogen werden.
„Brauchst Du auch noch Hilfe mit der Hose oder kann ich mich endlich wieder schlafen legen?“, fragt Harry, als Draco keine Anstalten macht, sich zu bewegen.
Er grinst Harry schelmisch an: „Ich weiß nicht, sie hat einen Knopf, ob ich das hinkriege hier im Dunkeln?“
Trotz der Lichtverhältnisse kann Draco genau sehen, wie Harry seinen Kopf schüttelt, bevor er sagt: „Du bist unmöglich, zieh Dich endlich aus.“
„Die meisten Leute klingen begeisterter, wenn sie solche Dinge zu mir sagen“, stellt Draco fest, aber anscheinend hat er nicht das richtige Publikum für solcherlei Humor, weil Harry nur zurückschießt: „Welche anderen Leute? Müsstest Du dafür nicht erstmal das Haus verlassen?“
„Ach, Harry“, seufzt Draco, während er sich an seinem Hosenknopf zu schaffen macht, der ihm ein ums andere Mal aus den Fingerspitzen gleitet, bevor er ihn endlich durch das Loch hindurchgepuhlt bekommt. „Du musst nicht eifersüchtig sein, Du weißt doch, dass ich nur Augen für Dich habe.“ Sein Zwinkern wird vermutlich von der Dunkelheit geschluckt, was seiner Aussage einen viel zu ernsthaften Charakter verleiht. Aber durch die warme Schwammigkeit seiner eigenen Gedanken, kann er sich auch nicht dazu bringen, verbal zurückzurudern und das Gewicht aus seinen Worten zu nehmen.
(Jetzt, wo Harry da ist, wo er hingehört – an Dracos Seite, nicht vor ihm kniend, auch wenn Draco nicht umhinkommt, einzugestehen, dass ihm der Anblick aus künstlerischer Sicht sehr zusagt –, fühlt Draco sich viel zu leicht, als dass er sich groß ins Gedankenkarussell stürzen könnte.)
Nachdem er sich die Hose von den Waden gekratzt und das Hemd über den Kopf gezogen hat, stützt er sich mit den Ellenbogen hinter sich auf der Matratze ab und versucht, Harry mit seinem Blick zu fixieren, aber es ist wie Perlen durch einen bauchigen Flaschenboden sortieren – nichts ist dort, wo er es erwarten würde.
„Willst Du nicht wieder ins Bett kommen?“, fragt Draco also, weil, wenn er Harry schon nicht ansehen kann, ohne dass ihm seine eigenen Augen davonlaufen, dann kann er sich doch wenigstens um ihn herumwickeln, um sicherzustellen, dass Harry auch wirklich da ist.
(Es fühlt sich ein wenig an wie sein einziger Existenzgrund in diesem Moment; wie die einzige Sache, die er jetzt noch tun kann, bevor ihm die Realität wieder ein bisschen mehr entgleitet; wie das Einzige, das zählt.)
„Ich kann eh nicht mehr schlafen“, antwortet Harry, der irgendwann zwischen den Schuhen und der Hemdausziehaktion Dracos Füße in seinem Schoß gesammelt hat, die er jetzt lose an den Knöcheln festhält, als müsste er sich vom Wegdriften abhalten. „Das ist Deine Schuld, das weißt Du, oder?“
„Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, antwortet Draco, aber sein S-Laut ist so scharf, dass er komplett vom Thema abkommt und sich die Zunge zwischen die Zähne steckt, um zischend alle Luft aus seiner Lunge auszuatmen.
Harry lacht fassungslos, bevor er leise feststellt: „Du bist absolut blau, kann das sein?“
„International Klein Blue sogar“, antwortet Draco, weil er so unfassbar witzig ist und keiner mitbekommen hat, dass er sogar noch ein wenig witziger ist, wenn er betrunken ist.
„Ich nehme an, das ist ziemlich blau?“, fragt Harry und Draco nickt übertrieben deutlich und antwortet: „Das blaueste“, obwohl Farben doch gar nicht steigerbar sind. – Darf er Farben steigern? Es fühlt sich so an, als sollte er eine Sondergenehmigung bekommen, unsteigerbare Adjektive noch weiter steigern zu dürfen. Wer sich feste Grammatikregeln ausgedacht hat, an die Draco sich zu halten hat, dürfte gern noch ein bisschen toter sein. (Ha! Versteht ihr? Phantastisch!)
Bevor Draco sich weiter über die Unfairness des Lebens ergehen kann, reißt Harry ihn mit einer weiteren Frage aus seinen Gedanken: „Kannst Du Dich morgen überhaupt noch dran erinnern, dass ich Dir hier helfe, obwohl Du so gemein zu mir bist?“
„Ich kann mich immer an alles erinnern, was passiert, wenn ich trinke“, behauptet Draco mit einem Schnauben, obwohl er sich immer noch nicht sicher ist, ob das so stimmt, weil er doch das eine Mal damals auf der Toilette eingeschlafen und in seinem Bett wieder aufgewacht ist. (Das eine Mal mit Theo, an das er nicht mal denken darf, weil es ihm sonst ganz gewaltig die Stimmung verhagelt.) „Und ich bin nie gemein zu Dir. Ich bin so außerordentlich nett, dass ich manchmal Ausschlag davon bekomme.“ Dann zeigt er auf die roten Punkte, die sich quer über seinen rechten Arm ziehen, vom Handrücken bis hoch knapp über dem Ende seiner Speiche, und die er schon beinahe wieder vergessen hätte – nicht, dass er sich spontan daran erinnern würde, wo er die überhaupt her hat. (Was kein Beweis für irgendwas ist, okay, Harry, spar Dir das siegessichere Grinsen!)
Harrys linke Hand löst sich von Dracos Fußknöchel und tastet vorsichtig über Dracos Unterarmhaut, wobei er gleich an mehreren Stellen für eine halbe Millisekunde festkleben bleibt, weil Draco anscheinend klebrig ist? Wie ekelig.
„Ich glaube“, sagt Harry und Draco weiß nicht, ob das Frustration oder Amüsement Harrys Stimme ist, „dass das kein Ausschlag ist, sondern Du Dir irgendeinen Schnaps über den Arm geleert hast.“
Oh. Das könnte natürlich auch sein, wenn Draco jetzt darüber nachdenkt. Crabbe hat ihm definitiv einen oder fünf oder vielleicht auch drei leuchtend rote Schnäpse ausgegeben. Wie peinlich! Aber Harry muss davon ja nichts wissen.
„Nein, das ist meine Zuckersüße, die sich da absetzt. Wie Nektar auf Blüten“, widerspricht Draco trotzig.
„Ich glaube nicht, dass das so funktioniert“, erwidert Harry und Draco entgegnet bockig: „Du lernst ja auch nichts Gescheites in Deiner Ausbildung. Dass Du Dir das immer noch antust, wenn Du noch nicht einmal Mehrwert daraus ziehst.“
„Ja, vielleicht“, sagt Harry leise, aber Draco dampfwalzt einfach über ihn weg: „Mehrwert, Harry, Du bist Mehrwert.“ Und dann giggelt er ein bisschen, was vielleicht noch würdeloser ist, als nur halb liegend auf dem Bett zu schlafen, aber verdammt gut tut, weil sein Zwerchfell sich schon seit Ewigkeiten so anfühlt. Als müsste es endlich mal wieder lachen.
Harry stöhnt auf und schubst Dracos Füße endgültig von seinem Schoß, bevor er sich halb aufrichtet und zurück ins Bett kriecht, direkt an Draco vorbei, dem jetzt erst aufzufallen scheint, dass Harry ihm noch gar keinen richtigen Vortrag darüber gehalten hat, wie wichtig Schlaf ist und mimimimi.
Nachdem Draco sich also zur Seite hat fallen lassen, um sich dann mit dem Schwung eines Betrunkenen auf die andere Seite zu drehen, fragt Draco: „Findest Du wirklich, dass das meine Schuld ist?“
„Was?“, fragt Harry zurück, der sich anscheinend schon wieder aus dem Gespräch ausgeklinkt und schlafbereit gemacht hat.
Also stupst Draco ihm mit der Fingerspitze ein paar Mal gegen die Wange, um ihn davon abzuhalten, wieder ins Reich der Träume zu entschwinden. Er antwortet: „Na, dass Du nicht mehr schlafen kannst?“ Und vielleicht ist es eine unnötige Frage, weil es schließlich er ist, der Harry gerade im Gesicht herumdrückt.
Mit einer überraschend schnellen Bewegung fängt Harry Dracos Hand in der Luft ab und zieht sie nach unten unter die Bettdecke, wo er sie mit beiden seinen eigenen umfasst und umklammert hält. Er erwidert: „Natürlich ist das Deine Schuld. Du bist schließlich auch der alleinige Grund, dass ich morgen nicht ausschlafen kann.“
„Ich?“ Draco durchwühlt sein ganzes Gehirn nach Informationen, aber er kann sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass er Harry Aufstehvorschriften gemacht haben könnte. „Warum sollte ich Dich nicht aufstehen lassen?“
„Wenn Du es nicht mehr weißt, werd ich den Teufel tun und Dich erinnern“, erwidert Harry, der sich jetzt so auf die Seite dreht, dass er halb auf dem Bauch, aber trotzdem auf seiner Schulter liegt, die Beine wie ein Seestern von sich gestreckt, sodass es ganz einfach für Draco ist, sich an ihn zu schmiegen – was er sowieso muss, nur um das nochmal klarzustellen, weil Harry ja noch immer seine Hand hält als wären sie Otter.
Oh, wenn sie beide Otter wären, denkt Draco, dann müsste Draco auch Harrys Hand halten, damit sie sich auf dem großen Teich nicht verlieren. Das ist schrecklich romantisch, was er natürlich niemals laut aussprechen würde, aber doch super in seinen Plan hineinläuft, was—
Der Plan. Die Hochzeit.
„Harry, wir kaufen Dir morgen ein Hemd!“, stellt Draco begeistert fest, weil Klamottenshoppen doch sein Element ist. (Maßgeblich ist sein Element B, was leider nicht für Beziehung, aber durchaus für Beneidenswert steht.)
Harry seufzt ergeben. „Hättest Du das nicht vergessen können, damit ich nicht an einem Samstag durch alle Läden rennen muss?“
„Wann sollen wir es sonst machen, Harry, Du arbeitest ja die ganze Zeit, sodass ich Dich nie zu Gesicht bekomme“, erwidert Draco und er meint es nur zu zwei Dritteln ernst.
„Wenn Du mal Zeit mit Deinem Studium verbringen würdest, würdest Du Dich vielleicht weniger langweilen“, erwidert Harry. „Musst Du nicht auch mal in die Bib?“
Draco wieselt sich seinen Weg unter Harrys Arm hindurch, wodurch Harry mehr auf ihm landet als andersrum, was nicht häufig passiert, weil Harry sich aus unerfindlichen Gründen nicht auch an Draco anschmiegt, wenn der mal auf dem Rücken liegt. – Draco versteht nicht, aber nun gut.
„Harry, weißt Du“, beginnt Draco, während er Harry auf sich hin und her schiebt, bis er sich wohl fühlt, und abwartet, ob Harry sich bei ihm beschwert, dass er zu viel an ihm herumgeruckelt hat, „ich hab Zugang zu all den TeamDrives und Dropboxes und Google Drive Foldern und was es nicht sonst noch alles gibt. Wenn ich jemals wieder in die Bib muss, weißt Du, dass was im Argen liegt.“
Harry macht ein brummendes Geräusch.
„Außerdem ist es wichtig, dass wir Dich präsentabel kriegen“, fährt Draco also fort. „Egal, ob uns nun irgendein Mensch glauben soll oder nicht, dass wir miteinander gehen, es gibt keinen Grund, schlecht gekleidet auf einer Hochzeit aufzutauchen.“
Dann senkt sich Schweigen über sie, weil Draco seinen Worten nichts mehr hinzuzufügen hat und er gerne für einen Moment nur noch genießen möchte, wie Harrys Körperwärme in seine Haut sickert und die Draußenkälte aus seinem Inneren vertreibt.
Eigentlich schläft er noch gar nicht so lange in Harrys Bett und genauso eigentlich ist es nicht das erste Mal, dass er betrunken hier landet, aber trotzdem ist es ein seltsames Gefühl, wie Daheim Draco sich hier fühlt. (Beinahe so seltsam wie der Moment, in dem er realisiert hat, dass er von ihrer Wohnung mehr als Daheim und Zuhause denkt als von seiner Kindesstube. Es hat sich ein bisschen wie Verrat an seiner Mutter und seinen Kindermädchen angefühlt. Aber das hier – dieses im Bett mit Harry-Daheim – fühlt sich wie ein Abgrund an, an den er nicht zu nahe herantreten sollte, weil der poröse, Kiesel übersäte Boden keinen sicheren Untergrund darstellt. Und Draco glaubt nicht, dass er die emotionale Stabilität hat, um zu fallen.)
Tonnenschwere Augen, die sich vielleicht nie wieder öffnen lassen, und dazu atmet er Harrys eigenartige Duschgel-Shampoo-Kombination ein, die ihm inzwischen so bekannt ist, dass er sie ganz automatisch mit Harry verbindet.
„Sag mal“, sagt Harry plötzlich leise und zerbricht damit die Stille, die sich über sie gelegt hat wie eine zweite Decke, „ich weiß, dass ich mich noch nicht entscheiden muss, aber warum nimmst Du nicht Crabbe oder Milicent mit, wenn es nur darum geht, nicht allein zu gehen?“
Draco seufzt, weil er so nah dran gewesen ist, einfach einzuschlafen, aber Harry ihn unsanft wieder in die drehende Wirklichkeit zurückgerissen hat, und antwortet: „Weil ich Dich am liebsten mag.“
Es sollte doch offensichtlich sein, oder nicht? Natürlich sind da auch noch Blaise und Pansy, aber da könnte Draco auch seine linke und seine rechte Hand mit in die Überlegung einbeziehen. Wenn es keine ernsthaften Gründe gäbe (wie tausende von Kilometern oder der Geburtstag einer Mutter), müsste Draco sich nie Gedanken darum machen, ob die beiden an seiner Seite stehen oder nicht.
Aber Harry weiß auch nicht, dass das hier Dracos Outing wird. Und Draco hat weder die Wachheit noch die Klarheit, jetzt auf dieses Thema einzugehen, also murmelt er stattdessen in Harrys Haut: „Nicht jetzt, lass uns morgen darüber sprechen.“
Und unerwarteterweise gibt Harry nach.
Chapter 10: aka das fake dating au, das so wildly inapproriate updated (shrugging emoji) sorry
Summary:
Das Hemdenkapitel. That's it. That's the Kapitel.
Notes:
if you see me posting two chapters in two days, no you don't
ich: das ist mein emotional support fertiges kapitel, it's been like (1) day, ich kann nicht schon wieder posten
kate: ich brauche ein emotional support hemdenkapitel. du kannst dein eigenes emotional support kapitel sein
vermis: du brauchst es nicht. du solltest dich lieber von dem kapitel befreien und dich ganz der offenheit hingeben, noch kein fertiges kapitel in der schublade zu habenCN: Essen (erwähnt), Tod (idiomatisch)
I am trying to be what you're dying to see
+_367
Chapter Text
Bisher ist Harry mit der tiefsitzenden Überzeugung durch sein Leben gegangen, dass es unfassbar einfach sei, für ihn einzukaufen. Schwarze Haare, der überraschend neutrale Unterton seiner Carneolhaut, den Draco bereits das ein oder andere Mal laut klagend beneidet hat, und so leuchtend grüne Augen, dass es fast unmöglich scheint, die perfekte Akzentfarbe für ihn zu übersehen. – Wenn es jedoch nach Draco geht, ist Harry bis dato lediglich von einer Stilkatastrophe in das nächste Modedesaster geschlafwandelt.
»Auf der Hochzeit sind alle wach und es ist hell, Harry, das geht so nicht, was ist nur falsch mit Dir?«, fragt Draco, als Harry das fünfte Hemd aus einem Stapel zieht, das Dracos Ansprüchen anscheinend nicht genügt. »Hast Du kein bisschen Flair oder Stilempfinden?«
»Langsam frage ich mich, ob Du statt mir einfach Fran Drescher mitnehmen möchtest«, versucht Harry in seinen Bart zu murmeln, während er das schimmernde Hemd beäugt, das Draco gerade in die Hand nimmt, aber Draco hört ihn natürlich trotzdem.
»Fine«, korrigiert er. »Wenn ich Dich in ein Moschino-Kleid mit herzförmiger Tasche stecken könnte, würde ich es tun. Dieses ganze Prozedere wäre überhaupt nicht vonnöten.«
»Ich wusste nicht, dass die auch was anderes als Kirschen herstellen«, stellt Harry verwundert fest, statt auf Dracos Vorschlag einzugehen, weil er weiß, dass Draco das auf keinen Fall ernstmeinen kann.
Harry streckt die Hand in Überlegung nach einem pfirsichfarbenen Hemd aus, was Draco dazu bringt, missbilligend den Kopf zu schütteln. Um das Maß vollzumachen, wirft er hinterher: »Das sind Maraschino-Kirschen, Du Dackel.«
»Ist das, wie Du Deinen Freund behandelst, wenn der mal was nicht weiß? Du beleidigst ihn?«, fragt Harry und er kann sich nicht entscheiden, ob er wirklich an der Antwort interessiert ist oder Draco nur die Konsequenzen seiner Entscheidungen vor Augen führen möchte. (Und dann ist es auch noch das erste Mal, dass er Draco impliziert als seinen Freund bezeichnet. Er weiß nicht, was er daraus machen soll.)
Aber Draco wäre nicht Draco, wenn er nicht selbstgefällig grinsen und spitzzüngig entgegnen würde: »Ich sage Dackel, aber als Kosename. Verstehst Du? Quasi Dackel und in den Klammern dahinter steht zur Definition zugeneigt. Ich würde Dich doch niemals beleidigen, Babe.«
Eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen, dann schießt er noch hinterher: »Das siehst Du daran, dass ich Dich noch nie beleidigt habe, obwohl Du so viel nicht weißt. Ich bin nun mal so großzügig und barmherzig.«
Harrys linkes Augenlid sinkt nach unten und er schürzt die Lippen in einem Ausdruck von absoluter Unbeeindruckbarkeit und einer halben Flüssigunze Genervtheit. So sehr Draco ihm auch versichert hat, dass er die volle Boyfriend Experience bekommt – und Harry will keine Lügen erzählen, maßgeblich ist es fast zu gut, um wahr zu sein, wie Draco sich wie weiches Wachs an Harry herandrücken lässt, sodass Harry manchmal beinahe vergessen könnte, dass das Kratzbürstendraco ist, der seine Hand ergreift, um mit seinen Fingerspitzen zu spielen, während sie nebeneinander sitzen, oder ihm sanfte Zuneigungsbekundungen ins Ohr flüstert, wenn Harry es am wenigsten erwartet, sodass ihm schon das ein oder andere Mal das Handy aus der Hand gefallen ist, oder was auch immer er sonst gerade in der Hand hält –, letztendlich kann Draco nie ganz aus seiner Haut heraus und das äußert sich in Momenten wie diesen, in denen er (glaubt Harry) nicht unbedingt merkt, dass er ein arrogantes Arschloch ist, sondern einfach den erstbesten Gedanken ausspricht, der ihm in den Kopf schießt.
»Du bist ein Biest und, wenn ich mir Dein—«, er rutscht in seine patentierte Draco-Stimme für die folgenden zwei Worte, von der er überzeugt ist, dass er sie über die Zeit perfektioniert hat, »—goldenes Haar so aussehe, vermutlich Nachkomme des Teufels.«
»Wie Du an der Hochzeit nächste Woche sehen wirst, haben beide meine Eltern noch volles Haar«, erwidert Draco unberührt. »Nicht einmal Geheimratsecken. Wer solche Gene hat, kann nicht von was abstammen, das gleich zu Anfang nur drei Haare hat.«
Hände noch immer in pfirsichfarbenem Stoff vergraben, einfach nur, weil Draco abweisend den Kopf geschüttelt hat, sagt Harry mehr für sich als für Draco: »Ich kann nicht glauben, dass, egal worüber wir sprechen, Du immer schaffst, das Thema auf Dich zu lenken und Dich selbst zu bekomplimentieren.«
»Ja, ich weiß—«, Draco seufzt, als wäre es eine untragbare Last auf seinen Schultern, aber dann zwinkert er Harry zu, »—es ist ein Talent, das nur wenigen Menschen zu eigen ist.«
Mit direkten und zielstrebigen Schritten überbrückt Draco die Distanz zwischen ihnen, um das pfirsichfarbene Hemd aus Harrys Hand zu pflücken, es in zwei geschmeidigen Bewegungen zusammen- und an seinen angestammten Platz zurückzulegen, bevor er mit genauso viel Zielstrebigkeit zwei Regale weitergeht, um dort drei verschiedene Hemden herauszuziehen, die Harry aus diesem Winkel niemals hätte erkennen können.
»Du bist unglaublich«, sagt Harry und er meint unglaublich anstrengend und unglaublich entnervend und unglaublich kirremachend.
»Ich weiß«, erwidert Draco und er meint unglaublich phantastisch und unglaublich liebenswürdig und unglaublich reizend. (Mit dem letzten hat er vielleicht sogar recht, die Frage ist nur, ob es die Art von Reiz ist, die er sein möchte.) »Aber genug von meinen Vorzügen, Du solltest langsam auch mal was anprobieren, dafür sind wir schließlich hier.«
Damit dreht er sich um und stolziert mit einem Arm voll Hemden in Richtung der Umkleiden, ohne sich noch einmal umzudrehen, um zu schauen, ob Harry hinter ihm oder vielleicht schon auf der Flucht ist. (Das Bedürfnis ist da, versteht Harry nicht falsch, aber letztendlich läuft es immer darauf hinaus, dass er mit Draco zusammenwohnt und noch mehr leidet, wenn er Draco nicht seinen Willen haben lässt. Und er hasst es hier ja auch nicht, eigentlich verbringt er gern Zeit mit Draco, er ist nur müde, weil ihn schon wieder knubbelige Knie die halbe Nacht wachgehalten haben, obwohl er die wach verbrachte Zeit auch mit geschlossenen Augen und einem selbstzufriedenen Gefühl in der Magengegend liegen geblieben ist, Dracos Kopf in seiner Halsbeuge genießend. – Gut, okay, ja, er gibt es ja zu, vielleicht ist er gern hier, vielleicht findet er Dracos Attitüde das kleinste bisschen charmant, vielleicht denkt er, dass Dracos viel zu spezifischen Bedürfnisse und Wünsche ganz nett mit Harrys generellen Indifferenz, was seine Freizeitgestaltung angeht, weil er seine Zeit mit Menschen und nicht mit Plänen verbringt, harmoniert. Vielleicht, vielleicht, vielleicht klingt, die Hochzeit mit Draco zu verbringen, wie eine kleine Menge Spaß und Harry ist gar nicht mehr so abgeneigt, dorthin zu gehen und Dracos arroganter Familie zu zeigen, dass echte Bodenständigkeit und hartes Arbeiten respektabel sind. Nicht, dass er auf deren Anerkennung angewiesen wäre, aber es wäre genugtuend.)
Mit einem schweren Seufzen trottet Harry hinter Draco her und sieht ihm für einen Moment dabei zu, wie er die Hemden in einer Umkleide in mehrere Stapel aufteilt, um sie auf die kleine Sitzbank zu legen. Dann zeigt Draco auf einen Stapel nach dem anderen – von links nach rechts – und sagt: »Wir fangen mit denen an, bei denen ich sowieso denke, dass sie nicht wirklich passen werden, und arbeiten uns dann zu den guten vor, damit ich mich auch tatsächlich auf was freuen kann.«
»Warum muss ich die, die vermutlich eh nicht passen werden, anprobieren, wenn sie vermutlich eh nicht passen werden?«, fragt Harry empört, weil er den Zeitpunkt ihres gemeinsamen Heimkehrens in immer unerreichbarere Ferne rücken sieht. Das sind mit Sicherheit vier Hemden, die nicht wirklich passen werden. Wann hat Draco überhaupt die Zeit gefunden, so viele Kleidungsstücke ausfindig zu machen, herauszukramen und gleichzeitig noch Monologe über Harrys nicht existentes Stilempfinden zu halten?
Draco macht ein abwertendes Klickgeräusch mit seiner Zunge und schüttelt den Kopf, bevor er sagt: »Harry, Harry, Harry. Unwissender, naiver Harry. Kleinräumig denkender, kurzsichtiger—«
»Führt das auch noch wohin?«, unterbricht Harry ihn ungeduldig und ehrlicherweise auch ein bisschen verärgert.
»—kurz greifender Har—ja natürlich führt das wohin, Harry, unterbrich mich nicht«, schnaubt Draco, bevor er wieder den Kopf schüttelt. »Du bringst mich ganz aus dem Konzept. Kannst Du bitte einen Schritt zurückgehen und einfach machen, worum ich Dich bitte, und schön dabei aussehen? Ich brauche Raum zum Denken.«
Harry verdreht die Augen, geht aber tatsächlich auf die Umkleide zu, während er erwidert: »Das Einzige, was hier Raum braucht ist Dein massives Ego. Vielleicht solltest Du mal einen Schritt zurücknehmen.«
»Ach, Harry, geh da rein, zieh Dich aus, zieh Dich um, schließ den Mund«, winkt Draco ab, was Harry an die letzte Nacht erinnert, wo er in einem ganz schwachen Moment beinahe dasselbe zu Draco gesagt hat. Nichtsdestotrotz denkt Harry für einen klitzekleinen Moment tatsächlich, dass er gewonnen hat und er Draco endlich ein Schnippchen geschlagen hat. Für einen Moment denkt er tatsächlich, dass Draco einfach nachgegeben hat, weil Harry ihm ein unerwiderbares Argument entgegengeschmettert hat. Aber dann streicht Draco viel zu sanft über Harrys unteren Rücken, als Harry an ihm vorbei in die Umkleide gehen möchte, und sagt: »Das ist, wie Du Deinen Freund behandelst, wenn Du mal wieder absolut überwältigt von ihm bist? Du wirfst ihm vor, er wäre eingebildet?«
»Definitiv«, antwortet Harry, während er demonstrativ den Vorhang hinter sich zuzieht. »Hinter Massives Ego steht in Klammern abfällig.«
Harry kann hören, wie Draco sich ein paar Schritte von der Umkleide entfernt, vermutlich um Harry einen Platz freizumachen, auf dem er gleich seine Hemden präsentieren muss, als wäre er ein Victoria’s Secret Angel, nur eben weniger sexy und mit mehr Stoff und—ja, gut, Harry kennt keine Designer*innen oder Models. Naomi Campbell ist ein Model für irgendwas, oder? – Er soll jetzt also sowas wie die Naomi Campbell der Hemden sein und er könnte, versteht ihn nicht falsch, aber er ist sich noch nicht ganz sicher, ob er das wirklich will.
Bevor er sich noch weiter in den Gedanken darüber ergehen kann, wie er sich Draco draußen präsentieren will, knöpft er sein Hemd auf, das er nur trägt, weil Draco ihn so lange vollgenölt hat, bis er nachgegeben hat. Jetzt, da er sein Hemd lose zusammengelegt zur Seite packt und sich in seinem Unterhemd mit den Hemden konfrontiert sieht, die mit Sicherheit schon hunderte andere Schultern von Nahem gesehen haben, denkt Harry, dass Draco vielleicht recht gehabt hat. (Zugegebenermaßen denkt Harry oft im Nachhinein, dass Draco mit irgendwelchen sinnlos scheinenden Forderungen eigentlich richtig lag. Aber er wird den Teufel tun und Draco darüber aufklären. Wie unausstehlich er dann würde, Harry mag gar nicht darüber nachdenken.)
Er streift ein mattes, schwarzes Hemd über seine Schultern und schiebt die großen Perlmuttknöpfe durch ihre vorgesehenen Löcher, bevor er den Vorhang aufzieht und sich Dracos geringschätzigem Auge präsentiert, das jeden Zentimeter von Harry in sich aufzusaugen scheint.
»Schrecklich, ekelhaft, weg damit«, sagt Draco und schüttelt missbilligend den Kopf.
Etwas abgeschreckt von Dracos heftiger und vor allem schneller Reaktion, sieht Harry zur Seite und fragt: »Was stimmt damit nicht?« Nicht, dass ihm das Hemd so gut gefallen würde, aber es ist trotzdem kein gutes Gefühl, so eine Aussage zu ernten, wenn es an seinem Körper hängt.
»Alles. Es ist furchtbar. Sieh Dir die Knöpfe an, bewerben wir uns als Clowns im Zirkus? Ich denke nicht, weg damit.« Der Tonfall in Dracos Stimme klingt endgültig, als hätte er sich entschieden, kaum dass Harry die Umkleide verlassen hat. Bei der Schnelligkeit, die er an den Tag gelegt hat, wäre das nicht unwahrscheinlich. (Und weil Harry sich nicht abhalten kann, spürt er die Hoffnung, bald mit Draco in ihre Wohnung zurückzukehren, wieder wachsen. Wenn das so weitergeht, sind sie schneller hier raus als Harry je zu träumen gewagt hätte.)
Also dreht Harry sich um, zieht den Vorhang wieder hinter sich zu, versucht das Hemd nach dem Ausziehen wieder so schön zusammenzulegen, wie es gewesen ist, bevor er es in die Hand genommen hat, nur um daran zu scheitern, und stattdessen das nächste Hemd in Taubengrau anzuziehen, bei dem er die Hälfte der klitzekleinen Knöpfe gar nicht erst durch die Löcher bekommt, weil er mit seinen Fingern immer wieder an dem glänzend polierten Material abrutscht.
Als er wieder aus der Umkleide herauskommt, wirft er Draco das traurige Ergebnis seines Versuches des Zusammenlegens zu und Draco einen einzigen Blick auf ihn, bevor Draco wieder den Kopf schüttelt und ausstößt: »Normalerweise würde ich fragen, ob Du mit zwei linken Händen geboren wurdest oder Dir nur einfach nie ein Mensch gezeigt hat, wie Knöpfe geschlossen werden, aber diese Monstrosität hat es nicht einmal verdient, dass ich Dir die restlichen Knöpfe schließe. Weg damit, hurtig.«
»Oh-kay«, sagt Harry, weil er nach diesem Wortwasserfall nicht wirklich weiß, ob er auf Dracos Beleidigung eingehen soll, weil er es ja nicht wirklich gesagt hat, oder ob er einfach akzeptieren soll, dass Draco ihn die nächste Zeit herumschubsen wird wie eine Anziehpuppe. (Er wünschte, er wäre aus Pappe und Draco müsste nur die kleinen Pappquadrate an den Hemdkanten abknicken, um Hemden über Harrys Oberkörper zu haken. Unglücklicherweise ist Harry aus Fleisch und Blut, was vermutlich auch der ausschlaggebende Grund für Draco war, sich für Harry zu entscheiden und nicht für einen lebensgroßen Pappaufsteller von irgendeinem Promi.)
Schon wieder in der Umkleide versucht Harry nicht mal mehr, das Hemd zusammenzulegen, soll Draco sich doch die Arbeit machen. Stattdessen zieht er das dritte Hemd des Passt eh nicht-Stapels an und tritt wieder nach draußen.
Draco wirft bestimmt einen zwei Sekunden andauernden Blick auf das anthrazitfarbene Hemd, bevor er abweisend den Kopf schüttelt und sagt: »Schrecklich, das ist Deine Schuld.«
»Meine Schuld?«, fragt Harry entrüstet. »Warum soll es meine Schuld sein, dass Du hässliche Hemden raussuchst?«
»Das verbitte ich mir, ich suche keine hässlichen Hemden raus, Harry«, schießt Draco zurück, während er das zweite Hemd zusammenlegt und auf dem ersten drapiert. »Ich suche Hemden aus, die an und für sich gut und recht sind, aber wenn sie Deine Schönheit nicht unterstreichen, sondern sich in den Vordergrund drängen wollen, dann kann ich das nicht haben.«
Und Harry, der nicht damit gerechnet hat, dass Draco ihm so ein Kompliment entgegenwerfen würde, kann nicht anders als zu erwidern: »Das Zirkushemd war schön und gut?«
»Wir machen alle mal Fehler, Harry. Ergibt keinen Sinn, an der Vergangenheit festzuhalten, nun geh und zieh Dich um«, erwidert Draco abwinkend, aber als Harry den Vorhang wieder hinter sich zuziehen möchte, fügt er hinzu: »Lass doch offen, ich hab Dich schon nackt gesehen, was macht das hier für einen Unterschied.«
»Wann hast Du mich nackt gesehen?«, fragt Harry, aber er zieht den Vorhang nicht zu, weil Draco nicht unrecht hat.
Draco seufzt und fängt das Hemd auf, das Harry ausgezogen und ihm zugeworfen hat, und legt es präzise zusammen, während er sagt: »Willst Du eine chronologische oder alphabetische Liste der Male, die ich Dich nackt gesehen habe? Sie wäre so lang, glaub mir einfach, dass es nichts gibt, was ich nicht schon an Dir gesehen habe.« Er unterbricht sich selbst, anscheinend um ein Ganzkörperschütteln des Ekels auszuwarten. »Wirklich alles.«
»Mir zu sagen, wie schön ich doch sei, nur um dann angeekelt festzustellen, dass Du mich nackt gesehen hast, sendet mir widersprüchliche Signale«, stellt Harry fest, während er in ein eisblaues Hemd schlüpft.
Aber Draco hat natürlich wieder eine Antwort parat, von der Harry nicht wirklich weiß, ob sie ernst gemeint ist oder Draco sich einfach nur einen großen Scherz mit ihm erlaubt: »Das Einzige an Deinem Körper, das mich mit Unbehagen erfüllt, sind Deine Nagelbetten. Und die Zeit ist wirklich zu kurz, um daran noch irgendetwas zu ändern. Dafür hätten wir viel früher beginnen müssen.«
»Aha.« Harry atmet tief durch und versucht nicht an seine Nagelbette zu denken, was auch immer das bedeuten soll. (Was hätte Draco auch von ihm verlangen können, wenn sie mehr Vorbereitungszeit gehabt hätten? Hätte Harry ihn zur Maniküre begleiten sollen? Hätte er sich eklig-bitter schmeckende Lösungen auf die Finger schmieren sollen, um sich vom Knibbeln und Knabbern abzuhalten? Hätte Draco die Sache selbst in die Hand genommen (Wortspiel nicht beabsichtigt) und liebevoll Harrys Hand gehalten, während er mit einer Feile und Öl ans Werk gegangen wäre, um all die Kanten und Ecken aus Harrys Nägeln herauszuarbeiten? – Der Gedanke ist irgendwie seltsam, einer Person einfach dabei zuzusehen, wie sie Deine Hand hält und daran herumwerkelt. Aber Harry kann auch nicht abstreiten, dass es … nett klingt, irgendwie.)
»Weißt Du was, das kannst Du gleich wieder ausziehen«, sagt Draco dann plötzlich, kaum dass Harry den letzten Knopf durch das Loch geschoben hat, und erntet einen unbeeindruckten Blick von Harry, der sich daran macht, jeden einzelnen verdammten Knopf wieder zu öffnen.
Er ist müde – knubbelige Knie müde – und er weiß nicht, wie lange er sich hier auf den Beinen halten soll, während er sich für Draco aus- und an- und umzieht. – Und dann schwebt da auch noch immer dieses Gespräch über ihnen, dieses »was zum Teufel sollte das gestern bedeuten?« Aber der Moment kommt nicht, weil Draco, während Harrys Kopf unablässig um weil Du mir am liebsten bist kreist, einfach so tut, als wäre alles in Ordnung und als hätte er nicht Harrys ganze Welt für einen Moment aus den Angeln gehoben.
Sie schaffen es ohne weitere Zwischenfälle durch acht weitere Hemden und Harry hat die Lust hart verlassen. Wenn er noch ein einziges Hemd anziehen muss, nur um sich von Draco eine seltsame Mischung aus Hemdenhasstirade und Harrylobpreisung anzuhören, dann muss er vielleicht einfach schreien. Laut und lang und niemalsniemals endend.
»Das ist das letzte!«, kündigt Harry frustriert an, während er sich aus einem weißen (eierschalenfarben, Harry, das ist nicht einfach weiß, verdammt!) Hemd schält, das anscheinend zu sehr an seinen Schultern spannt, obwohl er sich ziemlich wohlgefühlt hat in dem Schnitt. »Das allerletzte, ich geb’s auf!«
»Nein«, ruft Draco aus und es klingt weniger wie ein Befehl als ein quengeliges Flehen. »Wir sind so kurz davor, glaub mir! Ich spür’s in meinen Knochen, wir haben’s gleich!«
Harry wirft ihm das weiße, weiße, weiße Hemd zu und greift nach dem drittletzten Hemd auf der Sitzbank, das beinahe im selben Kölner Brückengrün daherkommt wie Harrys Augen. Mit einem Seufzen und seinem Widerstand bereits halb im Bröckeln zieht Harry die Ärmel über seine Arme und langt dann nach dem untersten Knopf, um die Sache hinter sich zu bringen.
Aber bevor Harry tatsächlich beginnen kann, zu knöpfen, schieben plötzlich Dracos Hände seine zur Seite, um Stück für Stück und gemächlich einen matten Knopf nach dem anderen in das vorgesehene Loch zu schieben. Er arbeitet sich langsam nach oben, ohne aus der Ruhe zu kommen, und Harrys Schultern sinken langsam nach unten, während er kontrolliert die Anspannung aus seinem Zwerchfell wegatmet. Ihm ist gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihn das ständige Auf- und Zuknöpfen und Stoff über Haut Schieben in einen zartbesaiteten und hochangespannten Zustand versetzt hat.
»Werd nicht zu hoffnungsvoll«, sagt Draco leise, als müsste er seine Worte vor den Massen an Menschen im Laden (sie sind die einzigen weit und breit) geheim halten und dürfte nur laut genug sprechen, dass Harry ihn gerade so noch verstehen kann, »aber ich glaube, das ist es.«
Mit einer befriedigenden Leichtigkeit schlüpfen die Knöpfe unter seinen ruhigen Fingern durch die Löcher, während Harry vorher mehrfach Schwierigkeiten hatte, ein und denselben Knopf durchzuschieben, weil er ihm wieder und wieder aus den Fingern gerutscht ist, als hätte Harry nasse oder fettige Hände, obwohl er sie mindestens tausend Mal an seiner Jeans abgewischt hat – zu Dracos absolutem Entsetzen. – Dracos leises, schadenfrohes Lachen hatte auch nichts dazu beigetragen, dass Harry weniger frustriert geworden wäre.
»Ich mach mir jetzt Hoffnungen«, sagt Harry also, maßgeblich weil er weiß, dass es Draco ein bisschen ärgern wird.
»Nein, mach das nicht«, widerspricht Draco, während er den letzten Knopf über Harrys Brust zuknöpft. Dann streicht er vorsichtig, aber bestimmt, etwaige Falten aus dem Stoff und zupft an den Ärmeln herum, um die Länge an Harrys Handgelenken gegenzumessen, bevor er Harrys Kragen richtet und zum Abschluss noch einmal über Harrys Schultern streicht, als wären plötzlich neue Falten aufgetaucht.
Mit einem Mal ist Harry ganz heiß unter seinem Kragen. Es ist ein Glühen, das sich direkt über seinen Schultern staut und langsam seinen Nacken hinaufkriecht. Harry hofft so verzweifelt, dass sein Hals und seine Wangen nicht annähernd so rot sind, wie sie sich anfühlen. (Er kann sich die ganze Sache nicht erklären, es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Draco so in seinen Diskretionsabstand eindringt, sich seinen Platz direkt in Harrys Körperwärme sucht und sich einnistet, als wolle er nie wieder daraus verschwinden. Aber das hier ist anders, wenn Harry nur wüsste, warum.)
Draco hat einen uncharakteristisch weichen Blick und Harry fühlt sich beinahe unangenehm berührt, wie er da in einem Hemd steht, das sich nicht anders anfühlt als die letzten fünf, die er anprobiert hat, und von Draco gemustert wird, als hätte er plötzlich ein Designerhemd an, das nur für seinen Körper maßgeschneidert wurde. (Harry ist sich nicht sicher, wie viel Unterschied es wirklich macht, ob er nun ein Hemd von der Stange kauft oder nicht, aber Draco scheint einen Unterschied zu kennen, weshalb es irgendwie ziemlich in Harrys Selbstbewusstsein reinspielt, dass Draco auch nach einer halben Minute des Starrens noch nicht in Resignation gerufen hat, dass er diese Schandtat an Modedesign oder dieses Verbrechen gegen jeden Geschmackssinn fort von sich werfen soll.)
Stattdessen greift Draco sogar nach Harrys Handgelenk und zieht ihn aus der Kabine heraus, was er seit Hemd Nummer Sechs komplett unterlassen hat, weil ja sowieso Hopfen und Malz verloren sei, oder sowas in der Art.
»Na komm schon, dreh Dich, zeig mir was auch immer Du da in Deiner Gesamtheit am Laufen hast«, murmelt Draco und es ist sowohl der abwesende Tonfall, den er angeschlagen hat, als auch die Unsinnigkeit der Worte, die er da aneinandergereiht hat, die Harry sagen, dass das hier tatsächlich das Hemd sein könnte.
Um die ganze Sache nicht noch weiter zu verzögern, dreht Harry sich auf seinem Absatz, erst ganz langsam, dann ein bisschen schneller, mal mit den Armen an der Seite, mal die Arme ausgestreckt oder in einer klischierten Pose, die er meint als Jugendlicher in Zeitschriften gesehen zu haben. Und Draco nimmt sich nicht einmal die Zeit, sich über Harry lustig zu machen oder ihn zur Ordnung zu rufen, was Harrys Meinung zementiert, dass das hier definitiv das Hemd ist. (Immer, wenn er das Hemd denkt, stellt er sich einen großen, heranfliegenden Kapitälchenschriftzug in Gold und mit Sternen bestückt vor, der mit tausend Watt Scheinwerfern bestrahlt wird, während heldenhafte Musik im Hintergrund spielt.)
Draco legt langsam seinen Kopf schief und tritt einen Schritt auf Harry zu, bevor er noch einmal mit seinen Händen über Harrys Schultern streicht – nur dass er dieses Mal seine Handflächen am Ende gegen Harrys Oberarme presst und ihm fest in die Augen sieht.
»Was fühlst Du?«, fragt Draco.
»Was?«, fragt Harry zurück, vielleicht ein bisschen zu sehr stolpernd über ein einzelnes Wort.
Wo Draco normalerweise einen spitzzüngigen Kommentar abgeben würde, ist jetzt nur sein Blick, der drängender wird, und ein eindringliches: »Was fühlst Du? Von einer Skala von Eins bis Zehn, welche Farbe hat Dein Gefühl für dieses Hemd?«
Harry starrt zurück und, ehrlich, was soll er darauf antworten? Er hat keine starken Gefühle für Kleidungsstücke, weder positiv noch negativ, und selbst wenn er sie hätte, wie könnte er sie in Zahlen oder Farben ausdrücken, wenn es doch genauso gut Worte gibt, um sie zu beschreiben. Dinge haben Namen, Draco hat vielleicht nur nie davon gehört.
»Es ist ein Hemd«, antwortet Harry also ausweichend. Als Dracos intensives Starren allerdings nicht nachlässt, fügt er noch etwas unsicherer hinzu: »Nehme ich an?«
Mit einem lang gezogenen Ausstoßen aller Luft in seinen Lungen sinkt Draco in sich zusammen, seine Schultern fallen und Harry glaubt sogar, erkennen zu können, dass Dracos Gesicht ein wenig an Farbe verliert. Und obwohl Harry weiß, dass Draco nur mal wieder furchtbar dramatisch ist – überdramatisch von Kopf bis Fuß, den ganzen Körper in seine Theaterstückchen involviert –, kann er trotzdem einfach nicht mitansehen, wie er so—enttäuscht aussieht.
»Rot«, schiebt Harry also hektisch hinterher, »ist Rot Zehn? Zehn ist Gut, oder?«
Genauso schnell, wie er gerade in sich zusammengesunken ist, plustert Draco sich wieder auf in einer Mischung aus Enthusiasmus und Beleidigtsein, wie es scheint. Er sagt die Augen rollend: »Rot ist eine Warnfarbe, wir messen unsere Freude doch nicht in Warnfarben. Grün ist die Farbe, nach der Du gesucht hast, aber ich lasse es Dir durchgehen, weil Du offensichtlich genauso überwältigt von dem Hemd bist wie ich.«
»Es ist also das Hemd?«, fragt Harry hoffnungsvoll und er richtet sich zu seiner vollen Größe auf, nur um immer noch zehn Zentimeter kleiner zu sein als Draco. (Manchmal vergisst er, dass Draco so groß ist, obwohl Draco immer darauf achtet, ihren Größenunterschied auszunutzen, insofern er es kann, indem er demonstrativ Dinge von den oberen Regalbrettern holt, die Harry nicht erreichen kann ohne Stuhl, oder sich streckt und seinen Unterarm auf Harrys Schulter abstützt, als könne er das bequem tun und müsste sich nicht richtig recken, was vermutlich nicht allzu gemütlich sein kann.)
Ein nachdenkliches Summen, dann erwidert Draco: »Wenn Du nachfragen musst, dann ist es vermutlich nicht das Hemd.« (Wenn Draco das Hemd sagt, klingt es nach einem spirituellen Erlebnis und nicht nach dem Hauptverkaufsprodukt einer Dauerwerbesendung.)
»Nein, nein«, beeilt Harry sich zu sagen. »Es ist definitiv das Hemd, wie könnte es ein anderes sein? Das hier ist—« er sucht nach Worten, verzweifelt und hektisch in allen Schubladen danach kramend »—erleuchtend, erfüllend geradezu. Denk nicht mal dran, mir noch ein anderes aufschwätzen zu wollen, ich bin verliebt, kein Hemd wird sich jemals so anfühlen wie dieses hier.«
Draco sieht ihn skeptisch an, aber Harry beschwört (unter allergrößter Anstrengung) ein bestätigendes Grinsen herauf, von dem er hofft, dass es genug ist, um Draco von seiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Sein Heimkommen hängt schließlich davon ab.
»Das sagst Du nur so«, wirft Draco ihm vor, während er die Arme vor der Brust verschränkt und mit dem Fuß einmal ungeduldig auf den Boden auftappt. »Eigentlich findest Du es höchstens okay und Du willst nur einfach abhauen, also speist Du mich ab.«
»Nein, nein, wirklich nicht«, wiederholt Harry, was ja noch nicht einmal gelogen ist, weil höchstens okay nicht wirklich trifft, was er empfindet. (Wir erinnern uns: Vagen Komfort, bestimmte Indifferenz.) »Es ist atemberaubend, ich bin hin und weg. Wir sollten es jetzt sofort kaufen und anschließend in die Waschmaschine werfen, damit ich es danach trocknen und an meine Schranktür hängen kann, damit ich es immer im Blickfeld habe, wenn ich in meinem Zimmer bin.«
Draco legt seinen Kopf ein wenig schräg und streckt ihn nach vorne – wie eine Schildkröte, die ihren Kopf in die Sonne reckt – und stellt eine Grimasse zur Schau, die eine seltsam missbilligende Mischung aus kaum die Mundwinkel anhebendem, forciertem Grinsen und zusammengezogenen Augenbrauen ist. Es ist nicht unbedingt ein schmeichelnder Gesichtsausdruck und Harry muss sich so sehr zusammenreißen, um nicht über Draco zu lachen, als Draco, um das Maß vollzumachen, noch ein paar Mal langsam und pointiert den Kopf hin und her bewegt, beinahe wie in einer Zeitlupenversion eines Kopfschüttelns.
»Ich weiß, dass Du mich verarscht«, stellt Draco dann fest, bevor er nachgebend seufzt. »Aber es ist mir beinahe egal, weil Du so gut in diesem Hemd aussiehst. Also werde ich Dich beim Wort nehmen und wenn das Hemd ab morgen nicht an Deinem Schrank hängt, bekommst Du was von mir zu hören.«
»Ich würde niemals«, erwidert Harry, noch immer ein Lachen unterdrückend. Er beißt sich noch nicht einmal auf die Unterlippe, um sich vom Grinsen abzuhalten. Manchmal ist Harry von seiner eigenen Mäßigung beeindruckt. (Aber vielleicht ist es auch nur die Übung mit Dracos Anwandlungen, die es ihm erlauben, so ernst wie möglich zu bleiben.) »Dich zu verarschen, liegt mir sowas von fern. Ich weiß nicht, wie irgendein Mensch das wagen könnte.«
Sich nach vorne beugend und seine Arme entschränkend kommt Draco Harry plötzlich ganz nah, sodass sein Atem für einen Moment direkt auf Harrys Nasenspitze landet, und er sagt: »Das will ich Dir geraten haben. Bei sowas ist nicht gut Kirschen mit mir essen.« Und Harry hat absolut kein Problem damit, ihm zu glauben.
»Wir gehen dann zahlen?«, fragt Harry, während sich Röte ihren Weg über seine Wangen frisst, ohne dass er so genau ausmachen könnte, warum. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Draco ihm so nahegekommen ist. Es ist ja noch nicht einmal das erste Mal am heutigen Tage. Seit er dazu übergegangen ist, Harry in jeder freien Minute, die sie miteinander verbringen, fake zu daten, ist Körperkontakt ein Ding, das einfach passiert und das Harry nicht abwenden könnte. (Aber ist Draco nicht ohnehin wie eine Naturkatastrophe im besten Sinn?)
Draco fokussiert Harrys linkes Auge, als müsste er in Harrys Iris erst Aufrichtigkeit erkennen, bevor er ihm eine Antwort geben könnte. Für ein paar Schweigen gefüllte Sekunden ist sich Harry nicht sicher, wie Draco sich entscheiden wird. Ob sie die ganze Tortur weiter durchziehen müssen oder ob Draco endlich Erbarmen zeigen wird und sie nach Hause gehen können.
»Ich kann die letzten beiden auch noch anprobieren«, seufzt Harry schließlich ergeben und das scheint für Draco den Ausschlag zu geben.
»Mach Dich nicht lächerlich«, schnaubt er. »Warum sollten wir weiter unsere Zeit verschwenden, wenn wir das Hemd schon gefunden haben. Willst Du meine Zeit vergeuden?«
Es fühlt sich ein bisschen an, als würde alle Luft aus Harry entweichen, während er die Augen schließt, aber er kann trotzdem spüren, dass Draco sich zurücklehnt – und ein bisschen, als würde etwas ganz Essenzielles seinen Orbit verlassen. (Wie kann es sein, dass es sich anfühlt, als würde ihm Freiraum genommen, wenn er jetzt doch mehr davon hat als zuvor?)
Also öffnet Harry wieder die Augen und sieht Draco an, der jetzt eine knappe, angemessene Armlänge von ihm entfernt steht, und sagt: »Das würde ich niemals tun.«
Chapter 11: aka das fake dating au, das jetzt noch mehr fillerkapitel enthält!
Summary:
Fillerkapitel in meiner Drarry-Fanfiktion? It's more likely than you think! (aka dies entwickelt sich zu "Was ist unter Kakashis Maske?" nur mit banter.)
Notes:
take my hand
take my whole life, too
but I can't help falling in love with you
[#_2840]CN: Alkohol (erwähnt), Essen, Sterben/Mord (idiomatisch)
Chapter Text
Sonntage sind zum Ausspannen, davon ist Draco schon immer überzeugt gewesen. Es gibt absolut nichts Schöneres, als im Bett liegen zu bleiben, bis der Hunger einen nach draußen treibt. Und ganz besonders wundervoll ist es natürlich, wenn er nicht allein im Bett liegen muss. Es ist die fünfte Nacht in Folge, die Draco in Harrys Bett verbringt, und langsam, aber sicher, gewöhnt er sich daran, entweder halb um Harry gewickelt oder zumindest in großer Nähe zu seinem warmen Körper aufzuwachen.
Heute allerdings wacht er ganz allein auf. Ein persönlicher Affront gegen ihn.
Draco wirft sich auf die andere Seite und legt sich quer über die Matratze, faul und ohne hinzusehen tastet er nach seinem Handy, nur um festzustellen, dass es viel zu früh am Morgen ist. Zehn Uhr. Es ist Sonntag. Eine absolut unmögliche Zeit. Und Harry ist schuld, dass er sich schon wieder aus dem Bett herausquälen muss, obwohl sie erst vor acht Stunden hineingefallen sind. Wie soll er da seinen Schlaf der Woche nachholen, wenn er auch am Wochenende nicht auf seine zehn Stunden kommt. – Es ist ein grausames Schicksal.
Er seufzt einmal tief, stöhnt dann dramatisch auf, aber sein Lamento wird nicht erhört, weswegen er sich langsam über die Bettkante schiebt, bis er sich aufstemmen muss, um nicht mit dem Gesicht voran auf dem Boden zu landen. Den Boden hat er in letzter Zeit zu häufig aus der Nähe betrachtet.
Nachdem er sich Harrys Jogginghose, aber eins seiner eigenen Shirts übergezogen hat, tapst er auf nackten, schlafwarmen Füßen in Richtung der Küche, wo der Wasserkocher gerade sprudelnd das Ende seines Kochvorgangs verkündet. Als er am Ende des langen Flures angekommen ist und sich zur Seite wendet, um in die Küche zu lugen, findet er allerdings nur einen leeren Raum vor, in dem drölf begonnene und unbeendete Aufgaben darauf warten, dass irgendein Mensch sich ihnen wieder zuwendet.
Mit einem Seufzen kramt Draco Tee und zwei Tassen aus dem Hängeschrank über der Arbeitsfläche heraus, was seiner Meinung Anarchie gleichkommt, aber anscheinend einem ‚intrinsischen System‘ folgt, das auf Effizienz und Harrys Gedankenlosigkeit beruht. Mal mehr dem einen denn dem anderen. Maßgeblich aber natürlich letzterem.
Tee in Teeei, Teeei in Teetasse, das heiße Wasser ist immer noch zu heiß, oh, wie Draco Warten hasst.
Um die Zeit zu überbrücken, die entweder vergehen muss, bis das Wasser genug abgekühlt ist, um über den Tee gegossen zu werden, oder bis Harry zurückkehrt, stellt Draco zwei Teller auf den Tisch und wirft den Herd an, um die Sachen in die Pfanne zu werfen, die Harry für sie beide bereits auf die Arbeitsfläche gelegt hat.
Es kommt selten vor, dass sie sich die Zeit und die Mühe herausnehmen, um mehr als ein kurzes Vesper zu frühstücken, aber wenn Sonntage nicht dazu da sind, sich gegenseitig etwas Gutes zu tun, dann weiß Draco auch nicht. Für die guten Dinge im Leben muss eins sich schließlich Zeit nehmen.
Während das Öl sich in der Pfanne erhitzt, steckt Draco zwei Scheiben Weißbrot in den Toaster und schneidet Pilze in Scheiben und Tomaten in Hälften, bevor er endlich ihren Frühstückstee zubereiten kann. Sie sollten endlich in ein anständiges Thermometer investieren, damit Draco sich nicht immer und immer wieder fragen muss, ob er wirklich die richtige Temperatur abgewartet hat. (Er hat schließlich keinen siebten Sinn für Teetemperaturen.)
„Was machst Du da?“
Harrys Stimme schreckt ihn so heftig auf, dass er mit der Hand gegen den Griff der Pfanne stößt und sie beinahe von der Herdplatte stößt.
„Herrjemine, Potter, trag doch ein Glöckchen“, schimpft Draco, während er die Pfanne wieder an ihren richtigen Platz zurückbefördert. „Willst Du mich zu Tode erschrecken?“
„Würde es mich aus der Hochzeitsbegleitungsbredouille herausbringen?“, fragt Harry, der plötzlich direkt neben Draco steht und Draco noch einen Mordschrecken einjagt.
„Ich denke, wir beide wissen, dass dem nicht der Fall ist“, erwidert Draco pikiert. „Wenn ich sterbe, weil Du mir einen Herzinfarkt bescherst, musst Du ohne mich auf die Hochzeit gehen und meinen Eltern erklären, warum sie sich nicht mehr an meiner Anwesenheit erfreuen können. Du würdest die Hochzeit einer lieben Verwandten und ihren engsten hundert Freund*innen ruinieren und würdest dennoch verlieren.“
Harry grinst schelmisch. „Du gibst also endlich zu, dass, mit Dir auf diese Hochzeit zu gehen, für mich eine Niederlage bedeutet.“
„Natürlich nicht“, protestiert Draco. „Mich auf ewig zu verlieren ist der Verlust.“
„Das hätte ich mir ja denken können“, stimmt Harry zu und es klingt nur ein klitzekleines bisschen so neckisch, wie es normalerweise klingen würde. Draco möchte seine Hand nach Harry ausstrecken, sie ihm auf die Stirn legen und ihn fragen, ob er sich einen Virus eingefangen hat, der ihn ganz gefühlsduselig macht. Aber wenn dem so wäre, dann könnte Draco sich anstecken, wenn er ihn noch weiter berührt, also macht er es lieber doch nicht. Eine Erkältung kann er sich schließlich ganz und gar nicht leisten gerade. (Es liegt mit Sicherheit nicht an diesem seltsamen Gefühl, dass sich in seiner Magengegend ausbreitet, als er den Gedanken, Harry im Tageslicht einfach so zu berühren, für eine halbe Sekunde tatsächlich unterhält. Warum auch, das hat er schließlich schon hunderte, dutzende Male gemacht. Warum sollte da plötzlich irgendetwas anders sein?) „Aber kommen wir auf meine Ursprungsfrage zurück: Was machst Du da?“
Draco schüttelt seufzend den Kopf. „Ich mache Frühstück für uns, das siehst Du doch. Manchmal frage ich mich, ob sich noch nie ein Mensch um Dich gekümmert hat.“
(Die Antwort ist vermutlich Nein, aber sie ignorieren den Elephanten im Raum, so wie sie all die anderen Elephanten auch ignorieren.)
„Du weißt, dass Fett nicht anfangen sollte, zu rauchen, oder?“ Harry beugt sich in Richtung der Pfanne, in der es tatsächlich bereits angefangen hat, zu rauchen, und Draco schubst ihn schleunigst wieder zur Seite, um die Pilzscheiben und die Tomatenhälften in die Pfanne zu werfen, was letztendlich in noch mehr Rauch und spritzendem Fett resultiert. Draco flucht. Harry lacht ihn herzlich aus.
„Was zum—“ Schleunigst zieht Draco die Pfanne vom Herd und starrt auf das Chaos in ihr, unsicher, was genau an seinem genialen Plan, Harry—ihnen beiden ein Frühstück zu bereiten, so unglaublich schief gegangen ist.
„Mittlere Hitze“, sagt Harry, als er sich endlich wieder eingekriegt hat. „Du kannst nicht auf volle Leistung stellen und Tomaten reinwerfen.“
„Ich weiß, wie Kochen funktioniert“, zischt Draco, während er mit einem Pfannenwender die matschig gewordenen, aber vielleicht noch nicht heillos verkohlten Tomaten anstupst.
„Bist Du Dir sicher? Das hier wird quasi in Kochen für Einsteiger*innen erklärt und Du hast es trotzdem nicht wirklich hinbekommen.“ Harry lehnt sich mit der Hüfte gegen den Küchenschrank und starrt Draco plötzlich mit einem durchdringenden Blick an. „Wer hat das Abendessen gekocht, Draco?“
„Was?“, fragt Draco verdutzt zurück.
„Na, wer hat das Abendessen neulich für mich gekocht?“, hakt Harry noch einmal nach. „Du wirst es ja offensichtlich nicht gewesen sein. Das ist mehrere Schwierigkeitsstufen über Full English Breakfast.“
Dracos Kopf zuckt genervt zur Seite, bevor er Harry mit einem abfälligen Blick fokussiert. „Ich hab gekocht, nach Rezept. Jeder Clown kann nach Rezept kochen, das hier ist was vollkommen anderes.“
„Du kannst also schickimicki Essen nach Rezept kochen, aber ein paar Tomaten nicht ohne Hilfe anbraten“, fasst Harry noch einmal zusammen, bevor er wieder zu lachen beginnt. Vielleicht ist Harry doch die schlechtmöglichste Wahl, um ihn mit zu seinen Eltern zu nehmen. Seine Mutter würde niemals einen Partner akzeptieren, der so mit ihm umspringt. Er ist doch eigentlich derjenige, der Harry wegen seiner Fehler hin und wieder foppt. Andersrum hat das Ganze irgendwie so gar keinen Reiz für Draco.
„Vollkommen was anderes“, wiederholt Draco, aber seine Schande wieder auch nicht weniger groß, als im nächsten Moment der Toaster mit einem Sprungfedergräusch verkündet, dass die Toasts fertig sind, und ihm zwei immer noch schneeweiße Scheiben anstarren, die Harry noch viel mehr zum Lachen bringen.
„Phantastisch, danke.“ Harry bringt die Worte beinahe nicht über die Lippen und Draco sieht ihn unbeeindruckt an, was Harry dazu veranlasst, sein Lachen zumindest versuchsweise zu unterdrücken (nicht sehr erfolgreich) und seine Hand ausstreckt, um sie auf Dracos Oberarm zu legen und mit atemloser, noch immer kichernder Stimme fortzufahren: „Ich wertschätze natürlich sehr Deinen Versuch.“
Ein weiteres Wort und Draco wird zu niederen Geschützen greifen und Harry nachäffen, irgendwo hört seine Geduld dann auch auf. Dafür wohnt er schließlich nicht hier.
„Du bist ekelhaft gutgelaunt“, schießt Draco stattdessen zurück, bevor er die Arme vor seiner Brust verschränkt und Harry zum ersten Mal heute tatsächlich richtig ansieht. Ohne seine Brille sieht er ein ganzes Stück älter aus und Draco erinnert sich mit einem Mal, dass sie ja beide genau gleich alt sind, auch wenn Harrys jungenhaftes Aussehen mit den runden Brillengläsern ihn gern mal darüber hinwegtäuscht. Seinen nassen Haaren und den kleinen Tropfen, die noch an der Seite seines Gesichts nach unten rinnen, zufolge, muss er eben aus der Dusche gestiegen sein, was auch erklärt, warum er sich nicht in der Küche befunden hat, als Draco aufgestanden ist. „Warum?“
Harry zuckt mit den Schultern und spiegelt Dracos Haltung halblebig, indem er seinen freien Arm irgendwie so halb vor seinem Körper verschränkt, was ziemlich lächerlich aussieht und auch nicht wirklich funktioniert, und er zieht seinen Kopf dabei so ein bisschen ein, als wäre es ihm unangenehm, dass Draco bemerkt hat, dass er nicht aussieht wie ein Schluck Wasser in der Kurve.
„Na, komm schon, was ist los mit Dir?“ Draco streckt seinen nackten Fuß aus, um liebevoll und unfest gegen Harrys Schienbein zu treten. „Hat Dein Optiker Dir endlich angeboten, Deinen Drahtesel kostengünstig auszutauschen?“
„M-meinen was?“ Obwohl er es offensichtlich zu unterdrücken versucht, zucken seine Mundwinkel schon wieder nach oben und Draco fühlt sich verarscht. Statt also seine Worte noch einmal zu wiederholen, löst er seine rechte Hand aus der Verkreuzung und tippt mit dem Zeigefinger gegen die Stelle auf Harrys Nasenrücken, auf der normalerweise seine Brille aufsitzen würde. „Meine Brille?“
„Hab ich doch gesagt“, erwidert Draco irritiert.
„Wolltest Du Nasenfahrrad sagen, Draco“, fragt Harry fassungslos, obwohl es keine wirkliche Frage ist, so wie er das Gesicht schon wieder verzieht, als müsste er jeden Moment über Draco zu lachen beginnen. „Wolltest Du meine Brille Nasenfahrrad nennen und hast Drahtesel gesagt?“
„Ich hab nicht Drahtesel gesagt“, versucht Draco zu protestieren, obwohl sie beide wissen, dass es gelogen ist. Seine Stimme klingt nicht annähernd so scharf, wie er es sich wünschen würde.
Harrys Hand, die noch immer auf Dracos Oberarm liegt, wiegt beinahe schwer in der Intensität, in der Draco sie auf sich lasten spürt. Harry hingegen scheint bereits vergessen zu haben, dass er sie dort abgelegt hat. Wo ist der Junge mit seinen Gedanken bloß immer? (Und wo ist Draco mit seinen Gedanken bitte? Bestimmt fällt Dracos Protest nur deswegen so schwach aus, weil er sich mit Harrys Hand auf seinem nackten Arm nicht konzentrieren kann, was nur daran liegt, dass—dass … Draco weiß nicht, woran es liegt. Harry bringt ihn normalerweise nicht aus dem Konzept. Zumindest nicht durch sowas.)
„Wir können das ewig machen, das weißt Du, oder? Ich bin mit Dudley aufgewachsen, ich kann diese Diskussion ganz schnell beenden.“ Da schleicht sich ein herausforderndes Glänzen in Harrys Augen und wäre Harrys Hand nicht noch immer wie ein erdendes Gewicht auf Draco, dann hätte er die Herausforderung vielleicht angenommen.
So reißt er sich von Harry los, wirft den Kopf in den Nacken und wirft Harry anklagend vor: „Du wirst mich wieder ganz deprimiert machen. Lass stecken, Du hast gewonnen. Auch wenn uns beiden klar sein sollte, dass Du nur aufgrund unlauterer Mittel gewonnen hast.“
Harry zuckt grinsend mit den Schultern. „Ich hab die unlauteren Mittel noch gar nicht ausgepackt.“
„Bedrohung und Nötigung sind unlautere Mittel“, widerspricht Draco vehement.
„Weißt Du“, sagt Harry langsam, „ich hab mal gehört, dass in der Verhandlungsphase quasi alles erlaubt ist. Also waren das alles lediglich Angebote, die ich Dir unterbreitet habe. Soweit ich das sehe, zumindest.“
Den Kopf leicht schüttelnd und den Blick abwendend murmelt Draco: „Das hat ja keiner jemals nicht gesagt.“
Harry hat ihn trotzdem gehört, verdammte Fledermausohren. (Draco weiß, dass der Gehörsinn nicht per se besser wird, wenn die Augen ohne Brille so wenig Information weiterleiten wie Harrys, aber anders kann sich Draco auch nicht erklären, dass Harry immer ganz genau zu hören und zu spüren scheint, was Draco sagt oder wo er sich gerade innerhalb der Wohnung aufhält. Beinahe, als wäre er auf Draco wohlgestimmt.)
„Du hast das gesagt“, sagt Harry also, während er seine Hand noch einmal nach oben ausstreckt, um Draco gegen die spitze Nase zu tippen. Dracos Hand schießt nach oben, um Harrys Hand zur Seite zu stoßen, aber stattdessen winden sich seine Finger fest um Harrys Handgelenk und lassen ihn einfach nicht mehr los, egal, wie sehr Draco versucht, sie dazu zu bringen.
„Ich erinnere mich“, gibt Draco also zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor zu, weil er noch immer mit sich selbst kämpft, Harrys verdammte Hand loszulassen.
Für einen Moment ist es ganz still zwischen ihnen. Draco starrt auf seine eigene Hand und Harry steht beinahe erstarrt vor ihm, als müsste er nur einmal falsch atmen, um Draco wie ein junges Reh zu erschrecken und davon zu jagen.
„Soll ich uns Frühstück machen?“, fragt Harry dann irgendwann leise in ihr Schweigen hinein. „Wie gesagt, ich wertschätze Deinen Versuch, aber vielleicht ist das einfach nicht Dein Ding.“
„Ich hab Tee gemacht“, wendet Draco ein und erinnert sich mit einem Mal daran, dass er Teeei, aber nicht Eieruhr genutzt hat, und inzwischen definitiv die vorgeschriebenen drei Minuten vorbei sind, die der Tee hätte ziehen sollen, weswegen sie jetzt wohl einfach nur eine dunkle, bittere Brühe in ihren Tassen haben, die kein Mensch mehr trinken sollte und würde. „Wenn ich’s recht bedenke, habe ich keinen Tee gemacht.“
„Was ist falsch damit?“, fragt Harry und versucht einen Blick in die Tassen zu werfen, aber Draco zieht bereits die Teeeier aus dem Dreckwasser, das sich Tee schimpfen lassen möchte, um alles miteinander wegzuschmeißen. „Halt, Moment, nein!“
Bevor der Inhalt der zweiten Tasse ebenfalls in der Spüle landen kann, kämpft Harry die zweite Tasse aus Dracos festem Griff und trinkt einen großen Schluck, bei dem er sich nur mit Mühe und Not das Gesicht Verziehen verkneifen kann. – Draco ist ein wenig beeindruckt. Aber viel mehr ist er angeekelt.
„Du wirst Dir den Magen verderben“, sagt er also, weil er doch nur versucht, seiner Sorge Ausdruck zu verleihen. Er ist schließlich ein sensibler Kerl. „Und ich werde mich nicht um Dich kümmern und Dir Suppe kochen. Das kannst Du ganz alleine ausbaden.“
„Ich werde mir den Magen nicht verderben“, erwidert Harry und seine Stimme allein könnte wohl jeden Menschen davon überzeugen, dass er es ernst meint. Wenn da nicht sein noch immer leicht verzogenes Gesicht wäre. „Danke für den Tee.“
„Wenn Du krank wirst, sag ich Dir: Ich hab’s Dir doch gesagt“, droht Draco, aber Harry zuckt nur mit den Schultern und umfasst die Tasse nun mit beiden Händen, als müsse er sich die Handflächen an der lauwarmen Brühe wärmen.
„Mach das, ich freu mich drauf.“ Harry hat ihm gerade nicht zugezwinkert. „Nun komm, ich mach Frühstück.“
Draco seufzt, als müsste er eine unglaubliche Bürde überwinden, bevor er die folgenden Worte laut aussprechen kann: „Kann ich was dafür tun?“
„Du kannst Dich hinsetzen und schön sein, für mehr brauch ich Dich nicht“, erwidert Harry, offensichtlich Dracos Worte der letzten Tage imitierend. Bei Harry sind sie nicht annähernd so charmant wie bei Draco.
„Ich kann aktiv nicht mehr besser aussehen, Du solltest Dir eine bessere Arbeit für mich überlegen“, sagt Draco, denn was sonst soll er darauf auch schon antworten?
Aber Harry lächelt nur irgendwie und erwidert: „Ich werd’s mir zu Herzen nehmen.“ Dann wendet er sich endlich der Arbeitsfläche zu und kratzt das schandhafte Endergebnis von Dracos Kochversuch in einen Teller, als bestünde auch nur die geringste Chance, dass einer von ihnen es später essen und Draco es nicht einfach wegschmeißen wird, wenn Harry nicht hinsieht.
Dann ist für einige Minuten nichts Anderes zu hören als Harrys geschäftiges Treiben an der Arbeitsfläche, als er Pilze und Tomaten schneidet und den Toast bei höherer Stufe wieder in den Toaster schiebt, am Herd, als er die Pfanne zurückstellt und die Platte anschaltet, und am Wasserkocher, als er Wasser einfüllt und Dracos Tasse noch einmal neu aufsetzt.
„Was sind Deine Pläne heute?“, fragt Draco schließlich in die Stille hinein, während er seine Fingernägel betrachtet, als gäbe es sonst nichts Wichtigeres.
Harry brummt nachdenklich. „Ich hab mir heute gar nichts vorgenommen, weil ich dachte, dass Du mich sowieso schon verplant hast, aber vergessen hast, mich darüber aufzuklären.“
„Oh“, macht Draco leise, weil er sich eigentlich schon darauf eingestellt hat, mit Harry darum kämpfen zu müssen, dass sie den Tag heute miteinander verbringen. (Er hat schließlich gar nicht mehr so viel Zeit, um Harry zu überreden. Es wird langsam knapp und heute ist der letzte Tag, an dem Harry nicht in seiner Ausbildungsstätte herumhängt, was wohl bedeutet, dass heute der letzte Tag ist, an dem Draco all seine harten Geschütze auffahren kann, bevor Harry wieder dem schändlichen, schlechten, schrecklichen Einfluss seines sogenannten Freundeskreises ausgesetzt sein wird.)
Er räuspert sich, um seiner Stimme etwas mehr Festigkeit zu verleihen und vielleicht auch diese Übelkeit aus seiner Magengegend zu vertreiben, die sich mit einem Mal dort breitgemacht hat. Vielleicht hat Harry ihn mit seinem Virus angesteckt, dabei können sie sich doch beide nicht leisten, irgendwann die Tage flachzuliegen.)
„Gut“, sagt Draco dann, als er sich nicht mehr so fühlt, als hätte er einen Frosch oder schlimmer noch eine Kröte im Hals. „Sehr gut. Du bist kein hoffnungsloser Fall, das beruhigt mich zu sehen.“
„Weißt Du, jedes Mal, wenn Du sowas sagst, denke ich: Es hätte so einen einfachen Weg gegeben, sich zu drücken, wenn ich Dir gar nicht erst die Möglichkeit gegeben hätte, meinen ganzen Zeitplan zu bestimmen“, erwidert Harry wehmutsvoll. „Aber ich weiß auch, wenn ich Dich darauf aufmerksam mache, dann findest Du doch nur wieder einen Weg, so zu tun, als wären alle meine Versuche ohnehin zwecklos gewesen und ich hätte gut daran getan, es nicht zu versuchen.“
Draco greift sich theatralisch ans Herz und seufzt noch ein wenig melodramatischer: „Du kennst mich so gut, Liebchen.“
„Liebchen?“, wiederholt Harry.
„Liebchen“, bestätigt Draco.
Harry schüttelt seinen Kopf leicht und häuft dann den Pfanneninhalt auf Dracos Teller, bevor er sich das nimmt, das Draco vorher vollkommen verhunzt hat. Und bevor Draco überhaupt verarbeiten kann, was gerade geschehen ist, steht schon alles auf dem Tisch und Harry hat sich gegenüber von Draco an den Tisch gesetzt.
„Du isst das nicht“, sagt Draco, obwohl er es mehr als Befehl geplant hatte.
Wieder schüttelt Harry leicht den Kopf, dann antwortet er: „Ich esse das.“
Sein ganzes Gesicht zusammenziehend und einen kurzen Blick an die Decke werfend atmet Draco tief durch, bevor er leise sagt: „Ich hasse Dich, das weißt Du, oder?“
„Und trotzdem willst Du Zeit mit mir verbringen“, erwidert Harry schelmisch.
(Hat Draco schon gesagt, wie sehr er es hasst, dass sie ihre Rollen gerade getauscht haben? Kann Harry nicht wieder zu seinem Zustand von gestern zurückkehren, als er noch nicht realisiert zu haben schien, dass Draco auf ihn angewiesen ist und nicht andersrum. (Hat er es beim Hemdkaufen bemerkt? Beim Abendessen? Beim Film schauen oder später im Bett? Draco weiß es nicht, aber es stößt ihm ja so sauer auf.)
„Es ist uns allen ein Rätsel“, stimmt Draco ihm zu. „Aber nachdem Du vorgestern so einen Aufstand darüber gemacht hast, dass wir gestern das Haus verlassen haben, dachte ich, dass wir heute einfach drinnen bleiben. Qualitätszeit miteinander verbringen. Wir packen den Rotwein aus.“
Harry schließt die Augen gequält. Er stöhnt auf: „Wir packen nicht den Rotwein aus, ich muss morgen wieder früh raus im Gegensatz zu Dir. Kein Alkohol.“
„Okay“, stimmt Draco beschwichtigend zu, die Handflächen in Harrys Richtung erhoben. „Kein Alkohol.“
Sie wissen beide, dass das nicht wahr ist. Aber wenigstens steht ihnen ein Nachmittag der Erholung und der Ruhe bevor, der Draco die Möglichkeit geben wird, Harry doch noch zu überreden.
Chapter 12: aka das fake dating au, das mit den fehlern der vergangenheit aufräumt (namely, dass ich harry als cop geschrieben hab)
Summary:
Seelenstriptease und drunk bonding time.
Notes:
prokrastiniere meine beiden big bangs und meine hausarbeit, also habt ein neues kapitel. (ernsthaftigkeit in meiner fic? disgusting. schrecklich. i am so sorry.)
»er ist süßer als die Polizei erlaubt, er hat mir die Sinne geraubt«
[#_2971]CN: Alkohol, Mord/Tod (idiomatisch), Polizeiarbeit/Racial Profiling (kurz diskutiert)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Findest Du, meine Finger sehen komisch aus?“
Draco streckt seine rechte Hand in Harrys Gesicht und wackelt mit seinen Fingern hin und her, um Harrys Aufmerksamkeit auf diese zu lenken, aber Harry ist zu sehr mit dem Etikett seines Shirts beschäftigt, das immer wieder aus seinem Kragen nach draußen rutscht und ihn am Hals kratzt – und Draco wird nicht müde, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er absolut unmöglich aussieht. Normalerweise mit einem leichten Augenverdrehen und einem abschätzigen: „Oh, Harry.“
„Harry“, sagt Draco mit Nachdruck, um Harry dazu zu bringen, ihn anzusehen. „Sehen meine Finger komisch aus, hab ich gefragt. Ich brauche Deine fachmännische Meinung, deine Akquise. Nein, nein, Deine … Deine Ak-quise.“ Er schürzt die Lippen und zieht die Nase kraus. Irgendwas stimmt da nicht. „Deine Akquise. Ich brauche Deine fachmännische Akquise, Harry!“
Harry nimmt die Hand aus seinem Nacken wieder nach unten und versucht Draco zu fokussieren, aber seine Augen wandern immer wieder ein bisschen von Dracos Gesicht weg, als könnte er sie nicht aufhalten. Dann hebt er die Hand wieder, um Draco den Finger in die Brust zu stechen, während er sagt: „Ex-pert-ise.“
„Ohh“, macht Draco verstehend, bevor er seine Hand direkt in Harrys Gesicht klatscht. „Deine Expertise, Harry. Meine Finger!“
Für einen Moment passiert gar nichts, dann klaubt Harry sich Dracos Finger aus dem Gesicht, um Dracos Handgelenk zu umfassen und intensiv auf die einzelnen Glieder seiner Finger zu starren, als müsste er sich erst eine Meinung bilden.
Ungeduldig wiederholt Draco: „Findest Du sie seh—“
Harry unterbricht ihn mit einem anhaltenden Sch-Geräusch, bis ihm die Luft ausgeht und er tief durchatmen muss, um seine Lungen wieder zu füllen. Als er endlich sicher zu sein scheint, dass Draco nicht gleich wieder zu reden beginnt, nimmt er Dracos Zeigefinger zwischen seine Fingerspitzen und biegt ihn vorsichtig in die eine und die andere Richtung, bevor er ihn Glied für Glied zusammenklappt, als müsste er einzelne Scharniere überprüfen, bevor er einen neuen Schrank zusammenbaut, oder als müsse er Balgstoffgewebe nach Löchern und Falten absuchen.
„Sieht normal für mich aus“, verkündet Harry am Ende sein Urteil, aber er lässt Dracos Hand nicht los, sondern fährt weiter mit seinen Fingerspitzen über die Falten an Dracos Knöcheln und auf seiner Handinnenfläche. „Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, einen Ring zu tragen? Du hast irgendwie eine Ringhand.“ Sein Zeigefinger streicht über Dracos Ringfinger.
„Bitte, Potter, Ringe an Männern sind doch geschmacklos“, erwidert Draco, ohne seinen Blick von Harrys Gesicht abzuwenden, das viel zu viel Konzentration an den Tag legt.
„Ohh, das hat er nicht gesagt“, flüstert Harry und Draco rudert zurück (oder sowas in der Art): „Nein, hat er auch nicht. Ringe sind an allen Menschen geschmacklos. Von der mangelnden Hygiene wollen wir gar nicht erst sprechen.“
Harry macht ein verstehendes Geräusch und nickt währenddessen, als wäre er ein Wackeldackel, der nicht mit dem Wackeln aufhören kann. Am liebsten würde Draco seine Hand ausstrecken und ihn zum Aufhören zwingen, aber dann müsste er Harrys Hand loslassen und das ist ein sehr viel größeres Dilemma, als er sich das vorgestellt hat.
„Was für mangelnde Hygiene?“ Harrys Kopf geht von Wackeln zu einer wellenförmigen Hin- und Herbewegung über, als müsse er Dracos Worte abwägen.
„Denkst Du, dass die alle ihre Ringe regelmäßig desinfizieren, ich denke wohl kaum“, antwortet Draco, dann erinnert er sich daran, dass er eine zweite Hand hat und hält Harrys Kopf damit davon ab, sich noch weiter zu bewegen, damit er am Ende nicht mit einer Gehirnerschütterung oder so endet. Seine Stimme senkt sich zu einem Flüstern: „Menschen sind ekelhaft.“
„Du bist auch ein Mensch“, erinnert ihn Harry geistesabwesend.
„Welche Antwort willst Du?“, fragt Draco langsam.
„Welche Antwort?“
„Willst Du hören, dass es zu jeder Regel eine Ausnahme gibt, oder dass ich längst über die Menschheit hinausgewachsen bin und viel näher an—“ er unterbricht sich mit einem unaufhaltsamen Lachen „—an, ich weiß nicht, einem Gott dran bin?“
Harrys Mundwinkel ziehen sich immer weiter nach oben und es sieht beinahe so aus, als würde sich sein Gesicht in zwei Teile spalten, bevor er zu lachen beginnt und sagt: „Du bist absolut lächerlich, hat Dir das schon mal ein Mensch gesagt?“
„Ständig“, antwortet Draco. „Also, eigentlich nur Du, aber dafür halt andauernd.“
„Gut.“ Harry lässt die letzte Lachsalve über sich hinweg fließen, dann wendet er seinen Blick wieder Dracos Hand zu, als hätte er sich mit einem Mal daran erinnert, dass er sich unbedingt näher mit ihr auseinandersetzen muss. (Als ob er diese Woche noch nicht genügend Gelegenheiten gehabt hätte, sich mit Draco und seinen wundervollen Händen zu beschäftigen.)
(Aber Draco hatte diese Woche und all die Wochen zuvor auch genug Zeit, Harry anzusehen und jedes Detail seines schönen Gesichtes in sich aufzunehmen, und trotzdem erwischt er sich schon wieder dabei, dass er Harry ansieht und sich jede Kleinigkeit, die er noch nicht bemerkt zu haben meint, und jede Winzigkeit, die ihm schon einmal aufgefallen ist, die ihm aber so gut gefällt, dass er sie sich noch tausend weitere Male ansehen könnte, so genau einprägt, dass er Harry mit verbundenen Augen und den Händen auf dem Rücken photorealistisch zeichnen könnte. Nun, wenn er zeichnen könnte, aber es geht hier mehr um die metaphorische Ebene als dass Draco tatsächlich versuchen würde, Harry zu zeichnen.)
Mit klammem Finger versucht Draco die kleine vernarbte Stelle an Harrys Ohrläppchen zu berühren, aber bevor er die Haut berühren kann, wendet Harry ihm irritiert das Gesicht zu und befördert sein Ohr damit außer Reichweite.
„Was machst Du da?“, fragt Harry, Dracos Hand schon wieder vergessen, die sich ganz unbeschäftigt noch immer lose in seinem Griff befindet.
Plötzlich und unerwartet und viel zu sehr auf einmal wird Draco ganz heiß und er zieht seine Hand zurück, um damit hektisch nach seinem Glas zu greifen und seine erhitzte Haut daran zu kühlen – mit mäßigem Erfolg.
„Ich hab nur geguckt“, sagt er und weil er ganz genau weiß, was er in dieser Situation sagen würde und dass Harry und er manchmal gar nicht so verschieden sind, spricht er in Harrys Tonfall weiter: „Mit den Händen wird nicht geguckt.“
„Ja also“, stimmt Harry zu und für einen Herzschlag oder vielleicht auch zwei sieht es so aus, als würde er wieder nach Dracos Hand greifen, um sie zurück in seinen Schoß zu ziehen und Draco wünscht sich irgendwie, er würde es tun, weil es doch eigentlich ganz nett ist, wenn einem so die Hand gehalten wird, als wäre sie etwas ganz besonders Wertvolles, aber irgendwie ist es auch eine unfassbare Erleichterung, als Harry stattdessen nach seinem Glas greift und es in seinem Schoß mit beiden Händen fest umfasst. „Du bist lächerlich und unmöglich.“
„Das hab ich schon mal gehört“, bestätigt Draco, aber sein Herz hängt nicht so wirklich dahinter. Vielleicht, weil Harry gesagt hat, dass er eine Ringhand hat, aber vielleicht auch, weil es ihn im kleinen Finger juckt, seinerseits Harrys Hände zu erkunden und herauszufinden, ob er Sommersprossen und Leberflecken hat, die Draco zuvor noch nie gesehen hat.
Und dann versinken sie in einem Schweigen, das nicht wirklich unangenehm ist, aber auch kilometerweit von angenehm entfernt.
Es ist diese Art von Schweigen, das gerne mit belanglosen Gesprächen und bedeutungsleeren Gedanken gefüllt werden möchte, aber stattdessen immer weiter in die Länge gezogen wird, sodass mensch von einem Gedanken zum nächsten springt, aber nach unten und unten und unten, bis auf Dinge gestoßen wird, die keinerlei Schatzqualität haben, sondern Nachts-im-Dunkeln-Geräusche-aus-dem-Schrank-hören-Gefühle heraufbeschwören. Es ist ein Schweigen, bei dem Harry manchmal den Mund öffnet, als wäre er kurz davor, etwas ganz schrecklich Unüberlegtes zu sagen, nur um dann den Mund tonlos wieder zu schließen und sich auf die Unterlippe zu beißen, bis er seine Gedanken mit einem Schluck aus seinem Glas wieder herunterzwingt, damit sie landen, wo sie hergekommen sind. Es ist ein Schweigen, bei dem Draco erst denkt, wie nett es ist, mit einem anderen Menschen schweigen zu können, ohne die Stille füllen zu müssen, bis er sich fühlt, als säße er am Esstisch mit seinen Eltern, während all die unausgesprochenen Sorgen und Ängste und Bedürfnisse in seinem Herzen zu einer Flut anschwellen, die ihn von innen zu ertränken drohen.
Das Schweigen ist nicht wirklich unangenehm, aber es ist auch kilometerweit von angenehm entfernt. Es ist das, was da zwischen ihnen und tief in ihnen rumort, das unangenehm ist, aber nur Millimeter entfernt von angenehm liegt.
Alles in Draco schreit danach, den Mund aufzumachen und auf jede erdenkliche Art und Weise dem Gefühl zu entfliehen, dass er nur ja seinen Rücken gerade halten muss, dass er nur ja die Ellenbogen vom Tisch halten muss, dass er nur—
„Irgendwas geistert Dir durch den Kopf“, stellt Draco also mit zitternder Stimme fest, während er mit seinem Zeigefinger gegen Harrys Schläfe tippt. Er räuspert sich, weil er das Schwanken und Schaukeln seiner Worte so mit Sicherheit beruhigen kann. „Was ist los?“
„Wie kommst Du darauf?“, fragt Harry abweisend, aber die Art und Weise, wie er in sein britzelndes Glas sieht, als müsste er all die kleinen, platzenden Kohlensäureblasen einzeln in sich aufnehmen, zeigt Draco, dass Harry lediglich sein kaum vorhandenes Schauspieltalent zu nutzen versucht. Harry ist so schrecklich leicht zu durchschauen. (Und Draco spürt die Stille ja auch noch an sich zupfen.)
„Ich kenn Dich eben“, erwidert Draco ausweichend, aber eigentlich kennt er nur sich selbst und will seinem Kopf ein wenig entfliehen, „da geht immer viel zu viel vor in Deinem Kopf.“
Harry brummt, vielleicht zustimmend, vielleicht abwägend, vielleicht ausweichend. Sein Blick ist unumwunden auf sein Glas gerichtet und Draco folgt ihm, als könnte er einen Themenwechsel auf dem Boden des Glases finden, wenn er nur lange und intensiv genug hinunter starrt.
Aber dann geht ein Ruck durch Harrys Körper und mit einem Mal fixiert er Draco mit einer Klarheit, die Draco ihm gar nicht mehr zugetraut hätte, und er fragt: „Kennst Du das, wenn … fragst Du Dich jemals, ob das, was Du tust, das Richtige ist?“
„Wie meinst Du?“, fragt Draco irritiert zurück.
„Na, ich weiß nicht—“ Harry unterbricht sich, um ein Bein auf das Sitzpolster zu ziehen und sich mit dem Ballen darauf abzustützen, damit er sich ganz nah zu Draco herüber lehnen kann, „—denkst Du manchmal, dass Du vielleicht das völlig Falsche mit Deinem Leben anfängst und eigentlich etwas ganz Anderes tun solltest, aber … Du bist schon so lange dabei, dass Du auch nicht einfach … aufhören kannst?“
Draco weiß nicht, was er dazu sagen soll.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, sagt er also, während er den Drang unterdrückt, ebenfalls sein Bein auf das Sitzpolster zu ziehen und sich Harry entgegenzulehnen. Er will schließlich keine falschen Signale senden.
„Du könntest die Frage beantworten“, erwidert Harry leise.
Aber Draco weiß wirklich nicht, was er darauf erwidern soll, weil er mit seinen Eltern aufgewachsen ist und so lange gelebt hat, wie er es jetzt verabscheut; weil er achtzehn Jahre seines Lebens quasi weggeworfen hat, um jetzt hier zu sein und nicht zu studieren, was sein Vater ihm vorgeschrieben hätte, um irgendwann den Familienbetrieb rechtmäßig übernehmen zu können; weil er immer und immer wieder neu anfängt, aber nie so genau wissen zu scheint, was er mit sich und seinem Leben eigentlich anfangen soll und will. Er hat nie irgendetwas ganz allein gewählt und so lange daran festgehalten, bis es ihm durch die Finger zu rutschen drohte.
„Nein“, antwortet Draco also ehrlicherweise, auch wenn es sich ein bisschen so anfühlt, als würde er Harry belügen, „das kenn ich nicht wirklich.“
„Oh“, macht Harry und er will sich schon wieder seinem Glas zuwenden, um still und leise weiter zu brüten, aber Draco wirft schnell die Frage hinterher: „Bist Du … unzufrieden, Harry?“, weil er es nicht ertragen könnte, wenn Harry seine Aufmerksamkeit wieder gänzlich von ihm abwenden würde.
„Ich weiß nicht.“ Harry dreht sein Glas geistesabwesend in den Händen und sucht irgendwas in Dracos Gesicht – Antworten vielleicht –, während Draco beinahe die Luft anhält, um Harry nur ja nicht wieder davon abzubringen, mit ihm über das zu reden, was auch immer in seinem Kopf herumgeistert. „Meistens … da denke ich, dass ich eine gute Entscheidung getroffen habe, als ich mit Ron die Ausbildung begonnen habe. Sei die Veränderung, die Du in der Welt sehen willst, und all das. Aber …“ Er seufzt. „Aber dann treffe ich wieder so einen Typen – so ein Arschloch wie den Kerl aus der Waffenkammer, der uns hilfreiche Tipps und Tricks gibt, damit wir ungeschoren Racial Profiling betreiben können, und … da frage ich mich einfach: Ist es das wert?“ Er stellt das Glas beinahe wütend auf den Couchtisch, um sich beide Handflächen an den Hosenbeinen abzuwischen. „Will ich Teil eines Systems sein, das so funktioniert?“
Draco weiß noch immer nicht, was er dazu sagen soll, weil da so ein ganzer Rattenschwanz an Gedankenkomplexen mit dranhängt, die er in seinem jetzigen Zustand auf keinen Fall erfassen oder gar artikulieren könnte — individuelle Verantwortung und Systemkritik, in die er sich zwar eingelesen hat, aber deren ultimative Tragweite seinen Horizont so sehr übersteigt.
„Wenn Du aufhören willst“, sagt er schließlich langsam, weil das das einzige ist, das er mit Sicherheit sagen kann, „dann wäre das vollkommen in Ordnung. Und wenn Du eine Woche vor Deinem Abschluss bemerkst, dass das alles nichts für Dich ist, dann ist das auch okay.“ Seine Hände wollen nach Harrys greifen und sein Herz will noch so viele andere Dinge sagen, aber sein Kopf weiß, dass es weder der richtige Ort noch die richtige Zeit ist, dies zu tun. „Nichts verpflichtet Dich, Deine Lebenszeit einem Beruf zu widmen, der Deinen Idealen zuwiderläuft oder Dich unglücklich macht.“
Harry brummt wieder, während seine Finger Kreise auf den Stoff seiner Jeans malen, bis er zögerlich nickt und sagt: „Du kannst erschreckend einfühlsam sein.“
„Eine meiner vielen Stärken“, antwortet Draco, weil er einfühlsame Gespräche hasst und gerne wieder auf vertrautem Boden wandeln würde. „Deine Meinung von mir entspricht einfach nur nicht dem Standard.“
In einem Moment epiphanieartiger Erleuchtung dreht Draco sich zu der kleinen Lampe auf dem Beistelltisch neben der Couch um, damit er sie einschalten kann, und er fügt hinzu: „Vielleicht hast Du mich einfach nur noch nie im richtigen Licht gesehen.“
Er grinst schwach, während er versucht, eine Tada-Geste mit den Händen zu machen, was durch das Glas, das er noch immer hält, nicht so wirklich funktioniert, aber Harry sieht trotzdem aus, als wäre ihm für einen Moment die Welt aus den Angeln geraten und wäre dann nicht wieder richtig eingerastet. Draco ist verwirrt.
„Weißt Du, in welchem Licht ich auch besonders gut aussehe?“, fragt Draco, weil er sich auf keinen Fall weiter mit diesem Verwirrungsgefühl auseinandersetzen möchte. „Auf der Tanzfläche einer Hochzeit.“
Harry erwidert sein schwaches Grinsen. „Ich weiß nicht, ob Du schrecklich unsensibel bist oder einfach nur glaubst, du seist erschreckend charmant.“
Draco zuckt mit den Schultern. „Ich bin erschreckend charmant und Du findest das auch. Alle auf der Hochzeit werden Dich beneiden, weil Du mit mir dort bist.“
„Bist Du nicht mit allen Gästen verwandt?“, fragt Harry irritiert. „Warum sollten die mich um Dich beneiden?“
„Ich bin nicht mit allen verwandt“, erwidert Draco spitzfindig und unzufrieden. „Jede Plus Eins wird vor Neid ganz grün werden.“
Es ist ein bisschen gelogen, was Draco nicht zugeben würde, weil er derjenige ist, den sie beneiden werden, wenn er mit Harry am Arm die Hochzeit betritt. (Wenn der Schock nachgelassen hat, dass Draco nicht mit einer Frau aufgetaucht ist, nachdem seine Eltern vermutlich schon vor vier Nachmittagstees zum Besten gegeben haben, dass ihr Problemkind sich endlich auf die richtige Bahn zubewegt. Nicht, dass sie damit hausieren gingen, das wäre schließlich unschicklich, aber Draco kennt sie doch, die herablassenden, spitzen Bemerkungen, die seine Mutter sich anhören muss, weil er nicht nach seinem Vater schlägt, und die sie mit ebenso herablassenden, spitzen Bemerkungen erwidert. Er trägt es seiner Mutter nicht nach, er ist schließlich nicht besser als sie, sonst würde er Harry nicht darum anbetteln, mit ihm zu dieser Hochzeit zu gehen.)
„Und letztendlich würden auch meine Verwandten lieber Zeit mit mir verbringen als ihren langweiligen Dates“, sagt Draco schlussendlich, vor allem auch, um das Thema zu beenden. Auch wenn er gern mehr Vorarbeit leisten wollen würde, um Harry weich genug zu kochen – sich am Ende vielleicht sogar darauf zu freuen –, mit Draco auf die Hochzeit zu gehen, schwimmt noch immer knapp unter der Oberfläche die Nachwirkungen ihres kurzen Schweigens, und es gibt nichts, das Draco dazu bewegen könnte, sich damit heute Abend noch auseinanderzusetzen.
Um der Sache noch ein wenig mehr Endgültigkeit zu verleihen, schiebt Draco sich langsam an den Rand des Möbels, um sich unbeholfen auf seine zwei Beine zu stellen, und verkündet: „Ich muss—“ er nickt, statt seinen Satz zu beenden „—bis gleich.“
Harry klopft ihm genauso unbeholfen auf den unteren Rücken, als müsste er Dracos Toilettengang absegnen, und Draco verlässt das Wohnzimmer für ein paar Minuten, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen und auf die Toilette zu gehen.
Als er zurückkommt, bemerkt er, dass er die Beistelllampe nicht wieder ausgeschaltet hat, und löscht stattdessen das große Licht, um sein Hirn durch dämmriges Licht vielleicht so auszutricksen, dass es demnächst müde wird und er ins Bett gehen kann, ohne dass er noch Stunden damit verbringt, die Decke anzustarren und all die Gedanken zu finden, die er vorher wieder nach unten gekämpft hat.
Seine Augen benötigen einen Moment, um sich an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen, aber es ist nicht so dunkel, dass er gegen den Couchtisch laufen oder über Luft stolpern könnte, also findet er sich schnell neben Harry auf dem Sofa wieder, wenn auch gefühlt näher als zuvor.
Hat der Abstand zwischen ihnen schon immer so wenige Zentimeter betragen? Hatte Draco nicht vorher noch genügend Platz, sein Bein neben Harrys auf das Polster zu ziehen? War Harrys Arm vorher schon über die Rücklehne geworfen oder hat er sich bewegt, während Draco nicht im Raum gewesen ist?
Draco versucht, sein Bein wieder auf das Polster zu ziehen, aber stattdessen legt er es halb über Harrys Schoß, weil er einfach nicht den Platz findet, den er bräuchte, um Harry nicht auf die Pelle zu rücken. Seine Schulter ruht an Harrys linkem Handgelenk und für den Hauch einer Sekunde bildet Draco sich ein, dass Harrys Daumen über den unbedeckten Teil seines Halses gefahren ist, als müsste Harry sich vergewissern, dass Draco wirklich da und aus Fleisch und Blut ist.
Mit fokussierter Konzentration – weil Draco sich eindeutig weder fokussieren noch konzentrieren kann, aber wenn er all seine Konzentration fokussiert, dann klappt das doch eigentlich noch recht gut – betrachtet Draco die kleinen Schrammen und Narben auf Harrys Armen, den blauen Fleck an seinem linken Innenarm, den er davongetragen hat, als er versuchte, Briefe aus ihrem Briefkasten zu fischen, aber den schmalen Einwurfschlitz unterschätzte und beinahe steckenblieb. Draco sieht sich die Muskeln an, von denen er weiß, dass sie unter Harrys unscheinbarer Gestalt schlummern, und er sieht sich den schlanken Hals an, der zu Harrys schönem, schönem Gesicht führt.
Harry trägt noch immer seine unmögliche Brille, dieses sonderbare rundglasige Drahtgestell, das Draco ein ums andere Mal beinahe kirre gemacht hätte, weil sie Harry so gar nicht schmeichelt und Draco der Meinung ist, dass alles, was Harry nicht schmeichelt, getrost das Weite suchen kann. (Und Draco will nicht eingebildet klingen in einem Moment wie diesem, vor allem, wenn ihn sonst gar niemand hören kann, aber er findet, dass er außergewöhnlich phantastische Arbeit damit leistet, Harry zu schmeicheln und Honig aufs Brot zu schmieren (oder wie das auch immer heißen mag). Er verbringt neuerdings ja beinahe seine gesamte Zeit damit, sich immer und immer neue Dinge auszusuchen, die er komplimentieren kann. Und Harry hat doch schließlich auch so viele Dinge, die komplimentiert werden sollten. – Draco weiß nicht, ob er jemals damit fertig werden wird, Harry Komplimente zu machen.)
Aber selbst mit der scheußlichen Brille stellt Harry manchmal Dracos Inneres auf den Kopf, wenn sich dieses kleine Lächeln seinen Weg auf Harrys Gesicht kämpft, weil Draco wieder irgendetwas tut, was Harry ein bisschen oder sogar ein bisschen viel missfällt. Es sieht einfach so aus, als würde es auf Harrys Gesicht gehören, und Draco glaubt nicht, dass er sich jemals daran sattsehen könnte, selbst wenn er es versuchen würde.
Vermutlich wird Draco niemals müde, Harry anzusehen, vor allem in Momenten wie diesem, in denen das Licht Harry genau richtig trifft und das Einzige, das Draco erfüllt, das Bedürfnis ist, das seltsame Gefühl in seiner Magengegend mit großen Schlucken zu ertränken, bevor es sich seinen Weg nach oben freikämpfen kann. Also greift er nach seinem Glas, kippt das letzte Viertel herunter, als wäre er ein verdurstender Mann und der Inhalt seines Glases das erste Wasser, das er seit Wochen gesehen hätte, und legt das leere Glas dann in seinem Schoß ab, als könnte seine bloße Anwesenheit es wieder füllen.
Er weiß nicht, was es ist, das das Gefühl auslöst:
Vielleicht die Wärme der Beistelltischlampe oder die Dunkelheit draußen vor den Fenstern, die sich aus den hinteren Ecken des Zimmers ganz nah an sie herantastet und die Welt um sie herum so surreal macht, dass Draco einfach vergisst, dass sie noch existiert, oder vielleicht einfach die Heimeligkeit, mit der Harry sich in seiner Jogginghose und einem ausgeblichenen, oft getragenen T-Shirt gleich neben Draco gibt, als wäre es ihm vollkommen egal, wie Draco ihn sieht. Und Draco geht es doch ganz genauso, sonst würde er Harrys straßenuntaugliche Kleidung nicht spiegeln. Außer Blaise und Pansy sieht ihn kein Mensch in Jogginghose. (Und auch bis dorthin war es ein langer Weg.) Er glaubt, dass nicht einmal seine Eltern ihn je in irgendetwas anderem als alltagstauglicher Kleidung gesehen haben, und ist das nicht irgendwie traurig?
Vielleicht ist es, dass Draco sich wohl fühlt, bedingungslos und konstant, dass er Harry ansehen kann und nichts Anderes fühlt als vereinnahmende Wärme, die ihn dazu bringen möchte, immer näher an ihn heranzurutschen, bis er sich irgendwann an seine Seite gepresst wiederfindet – oder mit dem Kopf in Harrys Schoß, damit der ihm geistesabwesend durch die Haare fahren kann.
Vielleicht ist es der Alkohol, der alles ganz weichzeichnet und Harry beinahe aussehen lässt, als wäre er aus Rotgold gemacht. Und hat er nicht auch gegenüber von Harry an einem rendezvousartig gedeckten Tisch gesessen, als er das letzte Mal einen ganz wackeligen Blick auf diese verschwommene Version von Harry geworfen hat? Vermutlich ist sein Blick so gefärbt, weil da unterbewusst eine Verknüpfung geschaffen wurde zwischen gutem Porzellan und der alkoholinduzierten Leichtigkeit seines Kopfes.
Vielleicht ist es doch, wie Pansy ihm gesagt hat, dass sein Herz nicht darauf ausgelegt ist, autark zu leben, und dass er sich mit Autonomie zufriedengeben muss, auch wenn ihm bei dem Gedanken, in unabsehbarer Zukunft wieder abhängig von einer anderen Person zu sein, ganz unbehaglich und anders zumute wird. (Beziehungen sind nicht das A und O, hat er geantwortet, aber sie hat ihn nur ausgelacht und erwidert: Das, was wir haben, ist auch eine Beziehung, Draco, und für einige mag das stimmen, aber Du gehst ein wie eine Sukkulente im Schnee.)
Vielleicht sind es all die offenen Geheimnisse, die zwischen ihnen liegen und die machen, dass Draco sich wie ein Buch fühlt, dessen Sachregister aufgeschlagen vor Harry liegt. Und wenn er nur ein klein wenig vor oder zurückblättern würde, wenn er nur die richtige Seite erwischen würde, dann könnte er schwarz auf weiß und in serifenloser Schrift lesen, unter welch schierer Menge an Seitenzahlen er selbst in Dracos Seele vorkäme. Und ist das nicht ein beängstigender Gedanke?
Vielleicht ist es die Tatsache, dass Draco tief in seinem Inneren vermisst, einen anderen Menschen ganz nah an seinem Körper zu spüren, weil er nähergezogen wird und sich der anderen Person nicht aufdrängen muss; dass Draco sich nach diesem sich statisch aufladenden Moment sehnt, in dem noch nicht klar ist, was geschehen wird, aber sich jede Faser seines Körpers elektrifiziert anfühlt, als würden die Moleküle seines Inneren tanzen.
Was auch immer es ist, es macht, dass das Licht Harry genau richtig trifft und das Einzige, das Draco erfüllt, das Bedürfnis ist, die letzten Zentimeter zwischen ihnen zu überbrücken und seine Lippen auf Harrys zu pressen. Und für einen kurzen Moment sieht es so aus, als würde Harry sich auch zu ihm herüberlehnen, die Augen halb geschlossen und den Mund halb geöffnet.
Oh.
Oh.
Scheiße, nein.
Halt!
Stopp!
Da ist etwas ganz und gar und absolut falsch!
Notes:
schamlose eigenwerbungstime!!
falls ihr genauso offended von dracos haltung gegenüber ringen seid wie ich, lest doch ringfingerverwechselungen, die fic, in der draco nichts mehr liebt, als einen ring zu tragen (außer vielleicht harry)
Chapter 13: aka das fake dating au, das nach 43k endlich einen schritt vorankam
Notes:
“You long to be bandaged
before you have been cut.”
[longing for the impossible]CN: Alkohol (erwähnt)
Chapter Text
Harry schlägt die Augen auf und die Erkenntnis, dass er Draco gestern beinahe geküsst hätte, ein.
Sein rechter Fuß hängt unter der Bettdecke hervor und die Kälte seiner Zehen wandert über seinen Knöchel direkt unter die Decke, während er an nichts Anderes denken kann als die Tatsache, dass er Draco gestern beinahe geküsst hätte. Und Harry ist sich absolut sicher, dass das vollkommen falsche Signale gesendet hätte.
Draco ist schön, ganze ohne Zweifel, aber Draco ist auch schrecklich eingebildet, und wenn Harry sich in einem plötzlichen Nähebedürfnis, das durch Alkohol nur noch intensiviert wird, dazu hinreißen lassen würde, Draco zu küssen, obwohl es ja gar nichts bedeuten würde, dann würde Draco ihm mit Sicherheit unterstellen, ganz schrecklich in ihn verliebt zu sein, was nicht der Wahrheit entspricht.
Harry starrt an die Decke und versucht irgendwie zu verarbeiten, dass er alleine in seinem Bett liegt und dass er Draco beinahe geküsst hätte, obwohl sie doch nur Mitbewohner sind und Draco überhaupt nicht interessiert an ihm. (Was gut ist! Harry will ja gar nicht, dass Draco an ihm interessiert ist! Er will, dass sie sich einigermaßen gut miteinander verstehen und vielleicht regelmäßig zusammen zu Abend essen, während sie sich von ihren Tagen erzählen, aber das war es auch, mehr will Harry gar nicht. Er hätte gern, dass sie richtige Freunde sind. Und sie sind doch gerade auf so einem guten Weg, befreundet zu sein!)
Für einen Moment schließt Harry die Augen wieder, weil er ja vielleicht dann wieder einschläft und aufwacht und bemerkt, dass gestern Abend ein furchtbar realistischer Traum gewesen ist, der aber nicht wirklich etwas mit der Realität zu tun hat. Vielleicht kann er sich einreden, dass gar nichts passiert ist, weil schließlich auch nichts passiert ist.
Es ist doch so, dass Draco, seit er versucht, Harry dazu zu überreden, fake zu daten, so unglaublich auf körperliche Nähe aus ist, dass Harry sich manchmal bereits dabei erwischt, wie er seine Hand nach Draco ausstrecken will, um seine zu ergreifen, nur um sich dann zu besinnen, dass sie nicht wirklich zusammen sind, weil sie gar nicht romantisch aneinander interessiert sind. Aber es ist doch so furchtbar nett, die Hand von jemand anderem zu halten, und es ist doch so schrecklich nett, nicht alleine einschlafen zu müssen, auch wenn die Nähe begleitet wird von knubbeligen Knien und der Kälte von schlecht durchbluteten Extremitäten. Und Harry ist es doch auch nicht gewöhnt, dass jeder Sache, die er so tut, so unfassbar viel Aufmerksamkeit und Interesse geschenkt wird. Es ist ungewohnt und vor allem seltsam schmeichelnd, dass jemand, der so selbstzentriert wie Draco ist, Harry in den Fokus rückt und so viel Zeit dafür aufwendet, Harry zu studieren und in seine quintessenziellen Einzelteile zu sezieren. (Harry hat gesagt, dass er bezweifelt, dass Draco in einer richtigen Beziehung genauso aufopfernd wäre, aber gleichzeitig kann er vor sich selbst auch zugeben, wie gut und schön es ist, zumindest kurzweilig so behandelt zu werden.)
Harry fühlt sich wie das Zentrum des Universums seit einer Woche und er fühlt sich geerdet durch Dracos Hände und Knie und sein grübchenloses Lächeln, das immer ein wenig herablassend aussieht, egal, was er tut oder was ihn zum Lächeln gebracht hat. Und Harry fühlt sich auf Dracos Berührungen konditioniert, auf seine konstante und nie weichen wollende Nähe gedrillt. – Harry liegt allein in seinem Bett und Draco ist nicht da und ein Teil von Harry vermisst ihn, als würden sie immer schon ein und dieselbe Decke teilen und nicht erst seit fünf Tagen. (Es sind erst fünf Tage! Es fühlt sich ein bisschen wie vier Jahre an, wenn Harry ganz ehrlich ist. Wie Dreiviertel eines Jugendbuches, was bedeuten würde, dass sie sich in dem Teil des Buches befinden, in dem alles ganz schrecklich und böse wird und sie nicht miteinander reden aus fadenscheinigen Gründen; in dem einer von ihnen weint oder vielleicht auch sie beide, weil irgendein vermeidbares Missverständnis sie auseinander getrieben hat. Und ist das nicht hart peinlich? Sie sind beide alt genug, um sich aus Missverständnissen herauszureden, ohne dass sie sie zu riesengroßen Problemen schneeballen lassen, die sich nur noch mit Streit und Intervention regeln lassen.)
Harry reißt seine Augen auf und wirft seine Decke zur Seite, dann setzt er sich auf und fischt nach seiner Jogginghose, die auf dem Boden liegt, damit er sich danach auf den Weg in die Küche machen kann, um einen Kaffee und einen schwarzen Tee aufzusetzen, weil Draco immer ein wenig ansprechbarer und handzahmer ist, wenn er eine Tasse in seiner Hand hält und sich der Welt nicht unbewaffnet stellen muss.
Der Wasserkocher siedet vor sich hin und Harry macht sich im Hinterkopf eine Notiz, dass er eine neue Packung Kaffeepulver kaufen muss, während er den Filter befüllt. Und als er das Wasser in die Tassen füllt und der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee in die Wohnung zieht, ertönen plötzlichen leise Schritte auf dem Flur und Draco betritt den Raum. Sein Arm windet sich von hinten um Harrys Taille und ein federleichter Kuss wird in Harrys Nacken gedrückt, bevor Dracos Kinn sich auf seinen Kopf legt, was auf der einen Seite ein ganz wildes Gefühl ist, weil Harry noch nie in der Position war, dass jemand, der größer ist als er, sich von hinten um ihn gewunden hat, und es doch ganz anders ist als andersherum, aber auf der anderen Seite auch ein noch schlechteres Gewissen in Harry heraufbeschwört, weil Draco nur versucht, ernsthaft nett zu sein, und Harry das als Einladung gesehen hat, seine Berührungshungrigkeit an Draco auszulassen – oder auslassen zu wollen.
„Guten Morgen, Tausendschön“, murmelt Draco in Harrys Nacken und Gänsehaut breitet sich von dort bis auf Harrys Schultern aus. „Hast Du gut geschlafen?“
Harry schluckt seine Aufregung herunter und versucht nicht daran zu denken, dass er Draco gestern beinahe geküsst hätte. So, wie Draco sich gerade verhält, erinnert er sich entweder nicht mehr daran, was passiert ist, oder er versucht Harry die Schmach zu ersparen, indem er einfach so tut, als ob nichts gewesen wäre. Und beides ist keine sonderlich gute Option, weil Harry nicht möchte, dass Draco den falschen Eindruck gewinnt und am Ende noch denkt, dass Harry ihn vielleicht küssen wollte, weil er interessiert an ihm ist. Hat Hermione doch eindeutig gesagt, dass Menschen zu küssen überhaupt nicht seltsam oder romantisch motiviert sein muss. Und es ist auch nicht so, als ob alle Leute, die Harry kennt, nur Personen küssen würden, in die sie verliebt sind. Lavender küsst andauernd Leute, die nicht Ron sind, was Ron vielleicht manchmal ein bisschen unangenehm ist, weil er außer Lavender niemanden küssen will, was aber letztendlich vollkommen in Ordnung ist, weil sie darüber geredet haben und Lavender Ron deswegen doch nicht weniger liebt. – Und Harry hat doch auch schon seinen gerechten Anteil an Menschen geküsst, mit denen er keine Beziehung geführt hat. Manchmal überkommt es einen einfach und man möchte ein bisschen knutschen und Draco ist schön und Draco war da. Da ist nicht mehr dabei und Draco sollte das wissen.
„Ja“, sagt Harry schließlich und seine rechte Hand zuckt in Richtung von Dracos, die auf seinem Hüftknochen aufliegt, aber dann hält er sich im letzten Moment davon ab und sieht stattdessen nach der kleinen Küchenuhr, die über ihrem Kühlschrank hängt und ihm sagt, dass der Tee noch eine halbe Minute ziehen muss. „Hast Du gut geschlafen?“
„Ich war ganz allein“, stößt Draco aus und er versucht, sein Gesicht in Harrys Haar zu vergraben, entscheidet sich dann dagegen, und legt stattdessen seine Wange auf Harrys Hinterkopf, „wie soll ich geschlafen haben? Du weißt doch, dass es sich ganz annehmbar neben Dir schlafen lässt.“ Er macht ein nachdenkliches Geräusch. „Es lässt sich äußerst gut neben Dir schlafen. Du hast mich ganz abhängig davon gemacht, also werde ich vermutlich nie wieder richtig schlafen können. Das musst Du das nächste Mal in Betracht ziehen, wenn Du mich rauswirfst.“
„Ich hab Dich nicht rausgeworfen“, erwidert Harry verwirrt, während er das Teeei aus Dracos Tasse zieht. Er kann sich daran erinnern, wie er ins Bett gehen wollte, nachdem er sich davon erholt hatte, dass er versucht hatte, Draco zu küssen und Draco vor ihm zurückgeschreckt war, als hätte ihn eine Tarantel gestochen – so schnell ein Gespräch aus dem Hut zaubernd, dass Harry ein wenig schwindelig geworden ist. Aber er kann sich nicht daran erinnern, dass er Draco gesagt hätte, dass der nicht mit ihm ins Bett dürfte.
Draco schüttelt ganz sanft den Kopf und sein Arm zieht Harry noch näher an sich heran, während er antwortet: „Du hast gesagt: Ich geh jetzt schlafen, verstehst Du? Ich. Nicht wir. Du hast mich einfach aus unserem Bett geworfen und ich musste im Gästebett schlafen.“
„Ich wusste nicht, dass ich für Dich mitspreche“, antwortet Harry müde. „Ich dachte, Du wirst Dich schon wieder zu mir legen.“ Das stimmt so nicht ganz. Harry hat vielleicht irgendwo in seinem Hinterkopf gedacht, dass Draco sich schon wieder zu ihm legen würde, wenn es ihm angenehm wäre, obwohl Harry so ein schlechter Mensch ist, und ein Teil von ihm hat auch gehofft, dass Draco sich von Harrys Fauxpas nicht würde abschrecken lassen, aber in dem Moment hat er maßgeblich panisch darüber nachgedacht, wie er sich aus der Affäre ziehen kann, ohne dass er Draco das Gefühl gibt, irgendwie auf Harrys nicht-romantische Avancen eingehen zu müssen.
Harry würde so gern nach seiner Tasse greifen und sich auf dem Sofa zusammenrollen, aber Dracos Arm hält ihn sicher an Ort und Stelle und eigentlich sollten sie doch noch so dringend darüber sprechen, was passiert ist, weswegen Harry seine Tasse nur ein wenig näherzieht und dann seine Hand darumlegt, um sie sanft vom heißen Kaffee wärmen zu lassen.
„Du denkst von uns also schon als Einheit, Harry!“, ruft Draco aus und Harry kann an seiner Stimme allein hören, dass Draco sich das härteste Lachen herunterschluckt. Für ihn ist das Alles immer noch mehr oder minder ein großer Spaß und das sollte es doch für Harry eigentlich auch sein. (Er sollte nicht mit sich hadern und in Frage stellen müssen, ob da unausgesprochene Schluchten zwischen ihnen ruhen, die nur notdürftig mit Zweigen und fadenscheinigen Gesprächen bedeckt sind und jederzeit drohen, unter ihren Füßen aufzutauchen und sie bis tief hinunter auf den harten Boden der Realität fallen zu lassen. Harry sollte sich nicht dauernd so fühlen, als tanze er auf Eierschalen, tippele über das Drahtseil seines eigenen Nervenkostüms und hätte nichts Anderes als Beistand zur Hand als Dracos spöttisches Lachen im Ohr und Dracos neckend piksende Finger in der Seite.)
Was soll er darauf auch erwidern, es ist schwierig, sie nicht als Einheit zu betrachten, wenn alles, was Draco tut, darauf ausgelegt ist, sie unzertrennlich zu machen. Unzertrennlich für eine Hochzeit, unzertrennlich für eine Woche, aber vielleicht unzusammensetzbar, wenn ihr Haltbarkeitsdatum überschritten ist.
„Hör mal“, sagt Harry mit einem Seufzen und für einen kurzen Moment bildet er sich ein, dass die Arme von Draco, die ihn noch immer an Ort und Stelle halten, sich verspannen und in seine Taille drücken, aber bevor er die Chance hat, sich aktiv Gedanken dazu zu machen, fällt Draco ihm auch schon ins Ohr: „Ich weiß, was Du sagen möchtest, Harry, und ich kann Dir nur absolut zustimmen. Wir sollten dieses unangenehme Intermezzo von gestern Abend vergessen und uns wichtigeren Dingen im Leben zuwenden.“
Harry versucht den Kopf zu drehen, um Draco anzusehen, weil er nicht glauben kann, dass Draco A) so schnell und widerwortslos dazu bereit ist, die Sache von gestern aus der Welt zu schaffen, und B) noch nicht einmal versucht, Harry einen Strick daraus zu drehen, dass er einen Moment vollkommener Schwäche hatte. Aber er kann keinen Blick auf Draco erhaschen, der unerbittlich dazu entschlossen scheint, Harry davon abzuhalten, sich in die eine oder andere Richtung zu drehen.
„Ich weiß nun ja auch, was Du gemeint hast, als Du schlafen gehen wolltest“, fährt Draco unbeirrt fort und Harrys Herz sinkt ihm in den Magen, „und sollte solch eine Situation in der Zukunft noch einmal aufkommen, kann ich entsprechend reagieren. Siehst Du, es kann ganz einfach sein, wenn Du einfach mit mir redest.“
Ist das nicht die Höhe? Harry ist kurz davor, ein Lachen auszustoßen, das Draco vielleicht in Mark und Bein fahren würde. Er versucht doch gerade, mit Draco zu reden, aber statt ihn aussprechen zu lassen und damit jegliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, erschafft Draco gleich noch ein paar neue, als könne er nicht existieren, wenn nicht irgendetwas zwischen ihnen stünde. Es liegt also weiterhin an Harry, das Offensichtliche und Wichtige auszusprechen, damit sie weitermachen können, ohne noch mehr zwischen sich schlummern zu schicken. (Da klingelt etwas entfernt in seinem Hinterkopf. Eine weitere Situation, die er beim Hemdenkaufen ansprechen wollte und die Draco immer wieder abgewiesen hat mit Nicht jetzt und Wir reden später darüber, ohne dass das Später jemals gekommen wäre. Es erwächst ein Gefühl in Harry, dass Draco gar nicht mit ihm darüber sprechen möchte. Was nicht unbedingt überraschend ist, aber Harrys Vorhaben um so vieles erschwert, weil er mit Sicherheit nicht aufgeben wird, bis sie darüber gesprochen haben.)
„Nein“, sagt Harry also, „das ist ganz und gar nicht, was ich sagen wollte.“ Harry atmet tief durch und versucht sich, darauf vorzubereiten, dass Draco ihm gleich selbstsicher und arrogant vorhalten wird, dass Harry sein Herz an ihn verloren hat. Ich dachte nicht, dass ich klischierte Sachen wie ‚Aber verlieb Dich bloß nicht in mich‘ sagen müsste, Potter. Das lag doch von Anfang an klar auf der Hand, wird er sagen und Harry wird ihm immer und immer und immer wieder sagen, dass er ganz und gar nicht verliebt in Draco ist, ohne dass seine Bemühungen auf fruchtbaren Boden fallen werden. Weil Gottes Geschenk an die Menschheit zu sein oder sich zumindest so zu fühlen und jedwede Handlung sich gegenüber so zu interpretieren, ein gefundenes Fressen für Draco ist, woran er sich niemals wird sattkriegen können.
Harry beginnt: „Worüber ich eigentlich mit Dir reden wollte, ist—“
„Natürlich hab ich mir schon überlegt, was wir zu der Hochzeit mitbringen werden“, unterbricht Draco ihn, als ob Harry nichts Wichtigeres im Kopf haben könnte, als etwaige Hochzeitsgeschenke und was auch immer Dracos Verwandtschaft von ihm (oder eher ihnen) denken könnte. „Ich dachte nicht, dass Du sonderlich Interesse daran hast, zu wissen, was wir meiner entfernten Verwandten, die aber nah genug mit mir verwandt ist, dass wir ihr keinen Ramsch schenken können, schenken werden. Eigentlich war ich davon überzeugt, ich müsste Dir einen Stift zwischen die Finger kleben und Deine Hand selbst führen, damit Du überhaupt Deine Unterschrift auf die Karte setzt.“
„W-was?“ Harry ist überrumpelt. „Ich kann Deine vermaledeite Karte unterzeichnen, aber das ist nicht, worauf ich hinauswollte. Es gibt Dinge, die wir miteinander bereden müssen, und zwar—“
„Die Übernachtung sollte nun wirklich Dein geringstes Problem sein“, fährt Draco ihm über den Mund und heiße Wut flutet Harrys Magen. „Wir werden uns das Zimmer natürlich teilen müssen, um den Schein zu wahren und unsere Scharade aufrechtzuerhalten. Aber das Bett wird groß genug für uns beide sein und nachdem Du hier schließlich auch Deine Decke mit mir teilst, sollte das dort ja wohl auch kein Problem darstellen. Hotelbetten haben in der Regel sogar zwei Decken pro Doppelbett. Ich kann die eine einfach zwischen meine wohlgeformten Knie und Deine Oberschenkel legen. Alle bisherigen Probleme sollten damit doch beseitigt sein.“
Harry starrt fassungslos auf seine Tasse, während er seine Gedanken zu ordnen versucht und kläglich dabei scheitert. Wie kann es nur sein, dass Draco Mal um Mal missversteht, was Harry mit ihm zu bereden hat? Wie kann er nur so entsetzlich, schrecklich falsch liegen? Eigentlich sollte ihm doch klar sein, dass Harrys Anliegen sehr viel näher verortet ist als die Hochzeit, über die Harry sich immer noch keine endgültigen Gedanken gemacht hat und von der Draco vielleicht gern so tut, als wäre es bereits beschlossene Sache, dass sie dort zusammen auflaufen, obwohl Harry bisher immer nur Nein gesagt hat, von der aber überhaupt nicht klar ist, ob Harry sie jemals von Nahem sehen wird.
„Deine knubbeligen Knie stehen gar nicht zur Debatte“, widerspricht Harry also, die Stimme irgendwie weniger vehement als zuvor, obwohl sein Entschluss, Draco zurechtzuweisen und das eigentliche Thema wieder auf den Tisch zu bringen, noch nicht ins Wanken geraten ist. „Vielleicht hast Du wirklich keinen Gedanken daran verschwendet, weil es Dir so unwichtig ist, aber ich denke trotzdem, dass wir darüber re—“
„Okay!“, stößt Draco aus und unterbricht Harry damit ein drittes Mal. „Du hast es nicht anders gewollt, wir werden darüber reden, auch wenn ich nicht sehe, warum wir überhaupt darüber sprechen müssen.“ Erleichterung tropft von Harrys Rippen direkt in sein Herz und vielleicht sogar ein wenig Dankbarkeit, dass Draco die Initiative in die Hand nehmen möchte, um die peinliche und entblößende Situation zu klären. „Wie ich bereits explizit erwähnt habe, müssen Deine sogenannten Freund*innen nichts von der ganzen Affäre erfahren. Du wirst keinerlei Gespräche führen müssen, die über meine Eltern hinausgehen, es sei denn, Dich überkäme das große Bedürfnis, Dich in Konversationen verwickeln zu lassen, die, ehrlich gesagt, sogar mich anöden, wenn ich sie führen muss. Tonks wird keiner Menschenseele stecken, dass sie Dich an meiner strahlenden Seite gesehen hat, und Du wirst nach der Hochzeit kein Sterbenswörtchen mehr darüber von mir hören. Wir werden einfach so tun, als wäre nie etwas gewesen. Du kannst zurückkehren zu Deinen üblichen Verpflichtungen und ich stehe auf ewig in Deiner Schuld, okay?“
Langsam überkommt Harry das Gefühl, dass Draco ihn absichtlich nicht aussprechen lässt. Aber das ergibt doch gar keinen Sinn. Harry ist derjenige, der Draco küssen wollte, der die Augen geschlossen und sich nach vorne gelehnt hat, um Dracos weichgepflegte Lippen auf seinen eigenen zu spüren und für einen kurzen Moment dieselbe Luft zu atmen, wie unromantisch das auch sein mag. Harry ist derjenige, der ihre aufblühende Freundschaft gefährdet hat, nur, weil er seine aufkochenden Hormone nicht mehr unter Kontrolle hat, sobald das winzigste bisschen Alkohol im Spiel ist. Harry ist derjenige, der auch jetzt, wenn Draco ihm so nahe ist, dass Harry ihn an der ganzen Länge seines Körpers spüren kann, das Bedürfnis in sich stärker werden fühlt, sich einfach umzudrehen – nicht, um Dracos schönes Gesicht zu sehen, sondern ihm seine elendslangen Monologe direkt aus dem Mund herauszuküssen. Harry ist derjenige, der Mist gebaut hat, und Draco ist derjenige, der normalerweise gern im Mist anderer Leute wühlt. Warum sollte er das Gesprächsthema wechseln, wenn es so viele Möglichkeiten für ihn gäbe, Harry so richtig das Leben zur Hölle zu machen.
(Irgendwo ganz weit entfernt in seinem Hinterkopf ertönt weil ich Dich am liebsten mag und mit einem Mal erinnert er sich, worüber sie beim Hemdenkaufen nicht gesprochen haben, obwohl Draco ihm versichert hatte, dass sie über diese seltsame Nacht, die sie miteinander geteilt haben, sprechen würden. Und er fragt sich, wenn auch nur für einen Moment, ob Draco vielleicht versucht, Harrys Gesicht zu wahren und ihm keinen Strick daraus drehen zu müssen, indem er einfach das Thema wechselt und wechselt, weil er Harry tatsächlich gern hat; weil er Harry tatsächlich bereits als Freund sieht nach dieser kurzen Zeit. Und hier ist Harry und versucht ihm, ein Gespräch aufzudrücken, das ihnen beiden vermutlich nur mehr Kummer bereiten würde als notwendig. Und das einfach nur, weil er Draco anscheinend noch nicht einmal zutrauen kann, Anstand und Ehre im Leib zu haben und nicht jeden schwachen Moment auszunutzen, den Harry so haben könnte. – Das ist eigentlich sogar ziemlich schwach von Harry, wenn er einen Moment ehrlich mit sich ist. Dass er Draco so sehr unterschätzt hat, dass er bereitwilliger daran glaubt, dass Draco ihn wegen jedes Fehltritts auf- und runterziehen möchte, ist schrecklich unehrenhaft von Harry. Er sollte sich was schämen.)
(Und einem Freund kann Harry doch eigentlich auch keine Bitte ausschlagen, oder? Vor allem nicht, wenn er so rücksichtsvoll mit Harrys Gefühlen umgeht.)
„Okay“, hört Harry sich sagen und überrascht sie beide damit. Er weiß nicht, wen von ihnen mehr: Draco oder sich selbst. „Ich geh mit Dir auf die Hochzeit. Als Dein vorgetäuschter fester Freund.“
Es wird ganz still um sie herum. Das einzige Geräusch, das Harry noch ausmachen kann, ist das zischende Rauschen der Heizung, in die heißes Wasser einfließt. Alles andere ist tonlos, als wäre es unter Wasser, und Harry überkommt das Bedürfnis, sich die Nase zuzuhalten und auszuatmen, um den vermeintlichen Druckunterschied auszugleichen, der zwischen Nein und Wir werden sehen und Okay liegt. Vielleicht würde es Draco aus seiner Starre rütteln, würde seine Lunge zum Atmen animieren und irgendwelche Worte auf seine Lippe legen, die vielleicht machen, dass Harrys Herz ihm nicht mehr im Halse klopft. Es könnte alles sein von überschwänglichen Dankesreden hin zu gleichgültiger Hinnahme oder neckischen Scherzen, damit Harry nur weiß, dass er keinen Fehler begangen hat, weil er endlich laut nachgegeben hat.
Aber Draco rührt sich nicht und wenn er nicht noch immer um Harry gewunden wäre wie eine Feder um eine Kugelschreibermine, dann hätte Harry beinahe glauben können, dass er sich ganz allein in der Küche befindet.
Dracos Kinn drückt plötzlich seltsam auf Harrys Haaransatz und seine Arme fühlen sich auf Harrys Hüften wie schwere Seile an, bei denen er sich nicht sicher ist, ob sie ihn aus dem Wasser heraus oder unter die Wellen ziehen wollen. Dracos rechter Zeigefinger zuckt und plötzlich kommt Leben in Harrys Gedanken, die bis eben seltsam leer und bangend gewesen sind, und fährt dann hinunter in seinen Körper, der sich aus Dracos Armen windet und einen großen Schritt zur Seite macht, bevor Harry sich über die Implikationen und Signale klar werden kann.
„Ich“, beginnt Harry, aber er weiß selbst nicht genau, wie er den Satz eigentlich fortführen möchte. Er schluckt und vermeidet Dracos Blick, nicht dass er wirklich glauben würde, dass Draco überhaupt in seine Richtung blickt, nachdem er bis eben doch noch so schockerstarrt gewesen ist, dass er es nicht einmal über sich gebracht hat, Harry zwei- und mehrdeutige Halbsätze ins Ohr zu flüstern, die vermutlich die Stimmung auflockern sollen, aber irgendwie nie ganz so entspannt bei Harry ankommen, wie sie vielleicht sollten. Harry schluckt und räuspert sich peinlich berührt. „Ich muss gehen. Ich komme noch zu spät zur—zur—ich komme noch zu spät.“ Er nickt hektisch, um sich selbst Bestätigung und vielleicht Zuspruch zu geben, und geht vorsichtig ein paar Schritte rückwärts, um sich dann auf den Fersen umzudrehen und eiligen Fußes zu gehen. (In dem sicherlich zum Scheitern verurteilten Versuch, nicht so auszusehen, als würde er vor Draco fliehen.)
Er sieht nicht mehr auf die Uhr, während er sich alltagstaugliche Klamotten überwirft und Schuhe und Mantel anzieht, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zieht und die Wohnung und Draco hinter sich zurücklässt. (Er kommt tatsächlich zu spät und er gleicht es damit aus, dass er die ganze restliche Zeit bis zum Mittagessen keinen einzigen Satz verarbeitet, der vorne an der Tafel ausgesprochen wird.)
eventuallykate on Chapter 11 Mon 02 Aug 2021 04:16PM UTC
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wortvermis on Chapter 12 Wed 18 Aug 2021 03:51PM UTC
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eventuallykate on Chapter 13 Tue 01 Feb 2022 11:57PM UTC
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