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Familie?

Summary:

Eigentlich wäre es ein ganz entspannter Freitagmorgen in Kallis Leben gewesen, aber aus irgend einem Grund brachte ihn die Einladung von Franz zu seiner Geburtstagsfeier komplett aus dem Konzept. Bereits als er aufgewacht war, hatte er es etwas bereut, zugesagt zu haben. Ja, er hatte Lust auf Grillen am See, aber es war irgendwie kompliziert.

ODER

Franz läd Kalli zum Grillen am See mit seinen besten Freunden ein und Ivo ist auch dabei...

Notes:

Die Idee kam mir spontan vorgestern, als ich eigentlich an meiner Abschlussarbeit schreiben wollte.
Jedenfalls fiel mir auf, dass es meiner meinung nach viel zu wenige Fanfictions gibt, die einen meiner Lieblings-HCs behandeln: Trans Kalli. Eigentlich wollte ich es dann zu so einer reinen "Outing bei Ivo und Franz"-Geschichte machen, aber Established Relationship hat mir dann doch besser gefallen, noch mal eine andere Dynamik reingebracht und auch Kalli zum privaten Ermitteln geführt.

Übrigens: in diese Geschichte fließen meine eigenen Erfahrungen als Trans-Person ein und ich habe versucht das alles möglichst realitätsnah zu schreiben. Dennoch ist es halt so dass jede Erfahrung individuell ist und jeder Mensch Sachen anders erlebt; nur für den Fall, dass ihr zu manchen Sachen gar nicht relaten könnt.

Übersetzungen der kroatischen Gesprächsfetzen gibts immer am Ende der Kapitel.
PS: ich kann kein Kroatisch, daher gebt bitte dem Pons-Textübersetzer die Schuld wenn etwas falsch ist.

PPS: Endlich habe ich meine Autokorrektur eingerichtet, jetzt gibts verbesserte Texte ohne Rechteschreibfehler....

Chapter 1: Die Einladung

Chapter Text

Eigentlich wäre es ein ganz entspannter Freitagmorgen in Kallis Leben gewesen, aber aus irgend einem Grund brachte ihn die Einladung von Franz zu seiner Geburtstagsfeier komplett aus dem Konzept. Bereits als er aufgewacht war, hatte er es etwas bereut, zugesagt zu haben. Ja, er hatte Lust auf Grillen am See, aber es war irgendwie kompliziert.

 

_wie alles angefangen hatte_

Er hatte ganz normal an der Kaffeemaschine gestanden und darauf gewartet bis die warme Flüssigkeit langsam in seine Tasse lief. Gerade als er darüber nachdachte, ob er sich noch einen Keks aus der Dose in der Schublade unter der Spüle nehmen sollte, hörte er die Schritte seines Vorgesetzten Franz, so nannte er HERR LEITMAYR schon lange in seinem Kopf, hinter sich. Nach drei Jahren Arbeitszeit konnte er das und so begann er ein kurzes Kaffeemaschinen-Gespräch, ohne den Blick von seiner immer voller werdenden Tasse zu nehmen: „Und, brauchen Sie auch nen Koffeinschock?“

„Joa, klar. Alles gut bei dir? Du siehst blass aus.“

Normalerweise hätte Kalli einfach gelogen und ja gesagt, aber Franz konnte er eh nichts vormachen, er kannte ihn einfach zu gut. Daher antwortete er stattdessen wahrheitsgemäß: „Wenn sies wissen wollen, nee. Meine Freundin hat mich vor ein paar Wochen verlassen und jetzt dieses Wochenende ihre Sachen ausgeräumt. Naja, das hat mir jedenfalls bewusst gemacht, dass ich sie wohl verloren habe. Ich dachte halt, sie ist die richtige.“

„Naja, das wird schon wieder, vertrau mir. Ich bin schon alt und hab das schon oft durchgemacht. Das vergeht immer.“, er nahm sich eine Tasse aus dem Schrank: „Eigentlich wollte ich dich auch was fragen, aber ob du in der Stimmung Lust darauf hast ist ne Frage.“

„Worauf?“

„Naja, ich Feier den Freitag meinen Geburtstag und wollt fragen ob du vorbeikommen willst.“, es folgte ein kurzer Moment der Stille, bis Herr Leitmayr daran dachte, dass Kallis Lieblingsbeschäftigung an einem Freitagabend eventuell nicht war, sich mit anderen Männern zum Grillen am See zu treffen, die einige Jahre älter waren wie er selbst: „Aba wenn du nicht willst, musst du ned.“

„Danke für die Einladung. Vielleicht tut mir die Ablenkung aber ganz gut.“, seine Stimmung war automatisch etwas besser.

„Kein Problem, ich nehm dich einfach mit in die Gruppe.“

„Super.“ Kalli lächelte in sich hinein. Seitdem er seinem älteren Kollegen gezeigt hatte, dass man WhatsApp für so viel mehr als nur Privatchats verwenden konnte, nutzte dieser gerne sinnvolle Funktionen wie Gruppen (sie hatten jetzt eine mit Franz, Ivo und eben ihm selbst für Ermittlungs-sachen und genauso hieß die Gruppe auch) , Abstimmungen (über sinnvolle Themen, wie wer abends noch mit einen trinken gehen wollte), Videoanrufe (das war besonders Sinnvoll, wenn nur einer am Tatort war und die anderen aber einen Überblick über den Tatort wollten) und eigene Nachrichten bearbeiten (das war sinnvoll, wenn Franz sich mal wieder hundert Mal in einer Nachricht vertippte und diese, ohne sie davor noch mal zu lesen, abzuschicken, nur um das dann später zu bemerken).

 

_an besagtem Freitag_

Kompliziert... ja, das war das richtige Wort dafür. Was sollte er anziehen? Sollte er irgendwie was zum Baden mitnehmen? Wie er Franz und Ivo kannte wollten die sich bestimmt mal ins Wasser stürzen (da er die anderen Anwesenden nicht kannte, wusste er es bei ihnen nicht). Sollte er etwas mitbringen? Und wenn ja, was sollte er mitbringen? Ein persönliches Geschenk schien etwas zu privat, aber für ein so ganz unpersönliches Geschenk kannten Sie sich schon zu lange und gut. Wann sollte er planen anzukommen? Eigentlich war er überpünktlich, aber je nachdem bei wem man eingeladen war, kam das sehr unfreundlich rüber. Wenn sie sich immer nach dem Dienst noch trafen, gingen sie alle zusammen auf dem Revier los und so stellte sich die Frage normalerweise nie.

Da er, während er sich angezogen hatte und im Bad gewesen war, hatte er beschlossen, seine Mutter anzurufen und sie nach Rat zu fragen. Seitdem er vor vier Jahren nach München gezogen war und sehr oft mit Fällen beschäftigt war, sprach er sie leider viel zu selten und nutzte jeden Anlass, mit ihr zu telefonieren. Zwar stellte sie immer die gleichen Fragen und machte sich, seiner Meinung nach, zu viele Sorgen, aber gleichzeitig vermisste er besonders seit seiner Trennung die Gespräche mit Personen, die nahezu alles über ihn wussten.

„Hallo Mama.“

„Kalli, bist du´s wirklich. Hab ich lange nichts mehr von dir gehört. Und, wie gehts?“

„Ja, ich hatte die letzte Woche einen Fall der hat unsere ganze Aufmerksamkeit gebraucht“, das war nicht wirklich die Wahrheit, aber da seine Mutter seine Freundin immer sehr gemocht hatte, erzählte er dieses Detail erst mal nicht: „Und mir geht´s übrigens super.“, auch das war gelogen, aber sollte er sagen, dass es ihm nicht gut ging, machte sie sich nur wieder Sorgen.

„Freut mich zu hören. Und, was macht ihr dieses Wochenende?“ Natürlich war das `Ihr` auf ihn und seine Freundin bezogen.

„Heute bin ich abends bei Herr Leitmayr auf eine Geburtstagsfeier eingeladen. Da wollte ich dich eh noch mal fragen. Er lädt ein zu Grillen am See und ich weiß weder wann ich kommen, was ich anziehen, noch ob und was ich mitbringen soll.“

„Ach, mach dir da doch keinen Stress deshalb. So eine Feier ist ganz entspannt. Und sowieso, du warst doch schon öfters mit denen unterwegs, warum macht dir das jetzt so Sorgen.“

„Naja, also...“, so genau konnte und wollte Kalli das eigentlich nicht erklären, aber wollte er wirklich Rat und sich auch danach besser fühlen, sollte er wohl die Wahrheit sagen: „Also, was ich mir gedacht habe, ist folgendes: Es ist warm, also sollte ich etwas kurzes Anziehen, zur Sicherheit aber trotzdem eine Jacke für den Abend mitnehmen. Ich dachte vielleicht an ein kurzärmliches Hemd, aber das erscheint mir gleichzeitig etwas zu schick fürs Grillen und bisschen unpassend für den See. Aber ein T-Shirt mit Print ist etwas zu normal, oder?“

„Naja, das kommt drauf an. Dieser Herr Leitmayr und sein bester Freund der Herr Batic, die sind doch sehr entspannt, oder? Dann zieh doch einfach ein T-Shirt und eine kurze Hose an, das geht am See immer. Und wenn die dich nur in deinen schicken Sachen sehen wollten, würden die dich nicht zu so was einladen.“

„Ok, dann mach ich das so.“, während er redete, suchte er zielsicher sein Lieblingsshirt und eine dazu passende kurze Hose aus dem Schrank: „Weißt du, ob man zu so was Badesachen mitnimmt? Die beiden erscheinen mir so als würden die gerne mal schwimmen gehen.“

„Naja, also eigentlich würde ich sagen, mal welche in der Tasche zu haben, schadet nichts. Aber wissen sie es?“

Bei dieser Frage zuckte Kalli automatisch etwas zusammen und fuhr sich, ohne es wirklich aktiv zu bemerken, über die beiden Narben, die sich ein mal über seine Brust erstreckten. Ja, er war 21 gewesen, als er die Mastektomie gehabt hatte und sich final von allem offensichtlich weiblichen an seinem Körper getrennt hatte - aber dennoch waren sie nun mal da und trotz der leichten Brustbehaarung, die er durch das Testosteron bekommen hatte, deutlich sichtbar. Ja, er wollte es ihnen sagen, da sie das nächste waren, was er in München an Familie hatte, aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt gekommen.

Im ersten Jahr hatte er sie zu schlecht gekannt. Im zweiten war irgendwie sowohl privat als auch auf der Arbeit zu viel los gewesen, um so ein Gespräch mit Zeit und Nerven zu führen, weil so zwischen Tür und Angel wollte er das nicht. Etwa ab Mitte seines dritten jahres bei Ihnen, war es ihm seltsam erschienen nach so langer Zeit mit diesem Thema anzukommen, da er es ja schon früher hätte tun können.
Und ja, es war das befreiende und beste gewesen, was er je getan hatte, aber manchmal, unter anderem in solchen Situationen, führte das zu einer Spannung in Situationen, die es sonst nicht gäbe. Immerhin kannte hier niemand sein altes Ich, nicht so wie in seiner Heimatstadt Lübbenau und so hing ihm das wenigstens nicht mehr nach.

Normalerweise verabscheute Kalli daher auch schwimmen, da er sich so vor jedem outete, der ihn sah und hätte den Gedanken an das Baden in einer Sekunde aus seinem Kopf verbannt. Aber er wollte nicht, wie immer in der Polizeischule oder auch schon ganz früher der Einzige sein, der am Rand saß und den anderen nur zusah. Irgendetwas in ihm wollte dadurch wirklich mit Ivo und Franz befreundet werden und daher auch, sollte das eintreten, Teil der Dynamik werden.

Da er nicht antwortete fragte seine Mutter nach einem zu langen Moment der Stille: „Kalli?“

„Nein, es gab keinen idealen Moment es Ihnen zu sagen. Aber wäre es so schlimm wenn sie es einfach so erfahren würden?“, irgendwie war er fest davon überzeugt, die beiden würden es ganz entspannt sehen. Und über deren Freunde machte er sich in diesem Moment ehrlich gesagt keine Gedanken.

„Wenn du das willst. Ist vielleicht das einfachste. Aber was weiß ich schon, immerhin hast du das ganze schon mehrmals gemacht, nicht ich. Überlegs dir.“

Ja, sie konnte ihm nicht helfen, das war Kalli irgendwie klar gewesen, aber alleine ihre Fragen halfen ihm manchmal: „OK. Und bring ich was mit?“

„Da er vermutlich nichts Wirkliches gesagt hat kann ich dir nur sagen wie ich das immer mache. Wenn ich mir nicht sicher bin, wie gut ich mit Menschen wirklich bin, tue ich in eine Tüte eine Sache, von der ich weiß, dass die Person diese mag und eine so allgemeine Sache, die jeder brauchen kann.“

„So was wie: seinen Lieblingstee mit guten Keksen und noch eine Tüte Gummibärchen?“

„Kann man machen. Also ich würde mich freuen.“

„Gut, kann ich besorgen.“, diese Formel würde er sich merken. Er schrieb die Sachen auf einen Zettel und fragte dann seine letzte wichtige Frage: „Und wie pünktlich soll ich kommen? Zu früh ist bei so was unhöflich, oder. Aber alleine zehn Minuten...“

„Kalli“, die Stimme seiner Mutter am anderen Ende des Telefons unterbrach ihn: „Mit 5 Minuten zu spät kann man wenig falsch machen, besonders wenn man zu so einem legeren Geburtstag eingeladen ist wie du. Ganz pünktlich geht auch, aber du kennst doch genug Leute, die da noch nicht mal ganz bereit sind. Und wenn das sonst nur der Herr Leitmayr und seine Freunde sind, und rein zufällig sind alle genau pünktlich, dann macht das auch nichts und niemand fragt nach.“

„Danke Mama, hast mir sehr geholfen.“, seine Anspannung war fast weg.

Sie telefonierten noch einige Zeit über die verschiedensten Sachen und seine Mutter erzählte etwas von der Familie, bis Kalli leider auflegen und zuerst einkaufen und arbeiten gehen musste. Seine Kleidung und alles andere für den Abend packte er in seine Sporttasche und stellte diese schon mal in sein Auto – nur zur Sicherheit, bei der Kriminalpolizei wusste man nie, was am Tag so passierte.
Etwa eine halbe Stunde später kam er gut gelaunt mit frischen Croissants in der Tasche und seinem Geschenk im Kofferraum am Präsidium an.

Chapter 2: Wie Kalli ankam und Joseph kennen lernte

Chapter Text

_am selben Abend_

Da Kalli außer Aktensichtung den Tag über nichts zu tun gehabt hatte, beschloss er doch vor der Feier noch einmal nach Hause zu fahren und sich dort umzuziehen, sowie noch einmal zu duschen. Obwohl er den ganzen Tag mit Optimismus und guter Laune auf den Abend geschaut hatte, kam langsam aber sicher seine Anspannung zurück.

Pünktlich um kurz vor 6 Uhr verließ er mit seinem Geschenk in der Hand und einer Sporttasche über der Schulter das Haus um die wenigen Meter zum See zu Fuß zurück zu legen.

Es war ein wirklich schöner Tag. Die Sonne schien bereits seit dem Morgen auf München und hatte alles auf angenehme 28°C erwärmt. In den Gärten neben der Straße genossen Familien den schönen Sommerabend. Im meerblauen Himmel sah er Vögel fliegen, während ihre Artgenossen in den Bäumen zwitscherten. Ach, es war fast als würde an diesem Tag die Hektik der Stadt einfach gebremst und als wär die Welt einfach in Ordnung.

Als er den Zaun, der den See umrundete, erreichte, riss ihn das aus seinen Tagträumereien. Kurzer Kontrollblick auf sein Outfit und in die Geschenktüte: ja, alles so wie es sein sollte. Perfekt. Kaum hatte er das Tor auch durchschritten sah er schon Franz und Ivo an einem der Feuerplätze mit Blick auf den See sitzen. Aber irgendwas daran, wie sie so Schulter an Schulter leicht aneinander gelehnt saßen, war anders als sonst. Sie waren beide entspannter, vertrauter, irgendwie war diese Situation intim, so als sollte es niemand sehen, den sie kannten. Da sonst noch niemand da war, wollte Kalli fast schon wieder gehen, aber gerade als er darüber nachdachte sah er einen anderen Mann das Ufer entlangkommen und die beiden ansprechen. Nach einer kurzen Umarmung zur Begrüßung setzten die drei sich wieder hin – Franz und Ivo auf der einen Seite der Bank nicht weniger nah wie zuvor und der Andere auf der anderen Seite. Kalli beobachtete kurz, um Sicherzugehen dass der Andere auch blieb, wie die drei sich unterhielten und beschloss dann sich auch dazu zu gesellen.

„Hallo.“, als er das sagte drehten die drei sich um und Franz und Ivo kamen ihm die wenigen Schritte entgegen, die zwischen ihnen lagen.

„Kalli, schön dass dus geschafft hast. begrüßte Franz ihn.

„Danke für die Einladung, Herr Leitmayr.“

„Franz, Kalli. Du kannst mich fei duzen, ne? Nach so langer Zeit ist das echt angemessen.“

„Und ich bin der Ivo.“, Herr Batic mischte sich ein.

Auch wenn er die Beiden in seinen Gedanken schon lange so nannte, würde es eine Umgewöhnung werden, sie auch tatsächlich so zu nennen. Er nickte: „Franz, Ivo. Alles klar.“

Ivo stellte den anderen Mann am Feuer vor: „Also, das ist der Joseph. Otto und Christian sollten gleich kommen und Moritz und Julia stoßen so um 7 zu uns. Stell dich aber einfach allen selbst vor.“

„Genau. Da drüben gibts Bier mit und ohne und auch Wasser. Nebenan steht Brot, Aufstriche und Salat. Falls du schon Hunger hast, bediene dich einfach. Und wenn dann alle da sind, werfen wir noch Würstchen und Grillkäse auf den Rost.“

Kalli beschloss sich erst einmal bei Joseph vorzustellen und sich etwas mit ihm zu unterhalten. Joseph war ein alter Freund von Ivo und Franz und die drei kannten sich, so erfuhr er nebenbei, bereits, seit er den Beiden am Anfang ihrer Zeit bei der Polizei eine Wohnung vermietet hatte. Irgendetwas in Kalli sagte, dass es hier etwas Spannendes über Ivo und Franz zu erfahren gab: „Also hattest oder hast du ne Immobilienverwaltung?“

„Ja, von meinen Eltern geerbt. Inzwischen macht das aber mein Sohn, ich hab mich da zurückgezogen.“

„Und du kennst die beiden seitdem?“

„Ja, wie gesagt. Franz hatte sich mit mir in Kontakt gesetzt auf der Suche nach ner Wohnung für ihn und den Ivo. Musst wissen, dass die beiden davor wegen dem Vermieter aus ihrer alten Wohnung geflogen sind, die sie während der Polizeischule und in ihrem ersten Jahr bei der Kripo bewohnt hatten. Und dann habe ich denen ne wunderschöne Dreizimmer-Wohnung in Schwabing vermietet. Damals war das echt noch billig da, musst du wissen. Wenn du mal ne bezahlbare Wohnung suchst, kannst du dich ja ma melden.“

„Vielleicht komm ich drauf zurück, danke.“, aus ihm bekam Kalli wohl nichts mehr heraus. Ja klar, viele teilten sich während dem Studium eine Wohnung, aber wie das klang hatten die beiden das wohl danach auch noch etwas gemacht. Ob das wohl weiterhin so lief? Naja, bei deren dauerndem gefeixe konnte er sich das eigentlich nicht vorstellen. Andererseits, wie sie vorhin dagesessen hatten. Sie waren wie andere Personen gewesen, nicht so gespannt und unpersönlich wie immer im Revier. Sie waren einfach... ja was eigentlich, gewesen? Vielleicht würde er im Laufe des Abends noch etwas herausfinden.

Kalli beschloss, sich etwas Brot und Salat zu holen. Während seinem Gespräch mit Joseph waren Christian und Otto angekommen. Die beiden waren offensichtlich ein Paar und seitdem sie Hände haltend angekommen waren und sich auch bis jetzt nicht wirklich losgelassen. Er bewunderte die Beiden: sie waren in etwa so alt wie Franz und Ivo und schienen verliebter, wie die meisten Pärchen die er sonst so kannte, obwohl sie schon so alt waren. Vielleicht sollte er sich auch mal mit ihnen unterhalten. Aber das musste warten, die beiden saßen gerade gegenüber von Franz und Ivo. So beschloss er erst einmal mit seinem Teller ans Ufer zu gehen und eine Pause von sozialen Interaktionen zu machen.

Während er sich gerade in dem dunkelblau des Wassers und der Reflektion der Sonne verlor, hörte er plötzlich hinter sich eine Stimme – Ivo: „Na, Kalli, reichts dir langsam mit alten Männern am See abzuhängen?“, er stieß ihn freundschaftlich an den Arm.

Kalli musste lachen: „Nee, gar nicht. Ich habe nur für jetzt erst mal lang genug von Immobilien in München und Josephs unzähligen Urlauben auf Hawaii gehört.“

„Ja, so ist der Joseph. Aber keine Sorge, wenn er alles mal erzählt hat, ist er echt nett und für jedes andere Gesprächsthema offen.“, auch Ivo musste über einen seiner besten Freunde lachen: „Kommst wieder mit hinter?“

„Gleich. Ich ess noch mein Brot fertig.“, alibihalber nahm er die zweite Hälfte von seinem Brot vom Teller und biss ein Stück ab.

Ivo wand sich zum Gehen: „Bis dann.“

Chapter 3: Grillen mit Allen

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Nachdem das Brot leer war, ging Kalli zurück und setzte sich etwas abseits von den Unterhaltungen der Älteren nah ans Feuer. Während er in die Flammen starrte, drangen immer wieder Gesprächsfetzen der Anderen zu ihm.

... „Ja genau, hab ich dir doch schon damals gesagt aber du wolltest ja nicht hören, Ljubavniče moj. Und genau deshalb hast du jetzt, nur wegen deiner Leichtgläubigkeit, diese Narbe am Bein“
Natürlich ging es um einen alten Fall der beiden, das war auch schon an Ivos Tonfall zu hören. Aber dass Ivo in seine Sätze kroatisch einbrachte, war ihm noch nie aufgefallen. Fast wollte er es übersetzen, aber er widerstand... So wichtig war es vermutlich nicht.

... „Ich weiß nicht, ob wir ohne euch so weit gekommen wären.“, das war Otto gewesen.

... „Und dann hat tatsächlich mein Sohn meine Immobilienfirma übernommen und seitdem kann ich viel besser und länger angeln gehen.“, Joseph klang glücklich.

... „Aber es ist wichtig, dass du wirklich genug Bohnen rein tust, sonst schmeckt die Suppe nicht. Und viel Knoblauch.“ Anscheinend schien Ivo Rezepte austauschen zu wollen. Kalli lächelte in sich hinein: als begnadeten koch hätte er ihn wohl eher nicht eingeschätzt.

... Irgendwann hörte er Christian sagen: „Wenn alle so wären wie ihr, dann würde es keine Trennungen geben.“ Und Franz erwiderte: „Wenn du nur wüsstest, was der manchmal so macht.“

... „Und dieser Thorsten, also der neue Freund von unserer Nichte Johanna, der ist ein ganz vernünftiger junger Mann. Den solltet ihr definitiv mal kennen lernen. Ganz anders als wir in unseren jungen Jahren.“, Christian war begeistert

... „Ivo, bleib auf deiner Seite, langsam wirst du schwer. I ja tebe volim, ali mi je žao mojih leđa.“, hörte er irgendwann Franz sagen. Ivo hatte sich im Laufe des Abends immer mehr an Franz angelehnt. Dass auch Franz gut Kroatisch sprechen konnte, hatte Kalli tatsächlich nicht gewusst. Seltsam, aber naja... mal schauen, was er sonst noch so im Laufe des Abends erfahren würde. Den Satz schrieb er sich zur Sicherheit jedenfalls mal auf.

Gegen sieben kamen tatsächlich noch zwei Personen an: Julia und Moritz. Da Franz und Ivo in ein Gespräch mit den Anderen vertieft waren, setzten sie sich nach ihrer Begrüßungsrunde neben Kalli.

„Also, erzähl ma. Du kennst die Beiden von der Kriminalpolizei?“ , fragte Moritz nach.

„Ja , ich hab vor vier Jahren bei denen im Revier angefangen.“

Julia hatte schon immer Ivo und Franz für ihre Arbeit bewundert und so schob sie ein: „Ich muss sagen deine Arbeit bei der Polizei klingt um einiges interessanter wie mein Job im Blumenladen. Aber trotzdem wirst du nicht glauben mit was für Menschen wir es manchmal zu tun haben.“

„Na dann...“, er machte eine einladende Handgeste für sie zu erzählen.

„Also: letztens war zum Beispiel dieser eine Mann, der unbedingt eine Blume für seinen Hund zum Geburtstag haben wollte. Schon vor einigen Jahren hatte ich auch mal eine ältere Dame, die mir immer wieder neue Blumenfarben sagte. Am Ende war ich so verwirrt, dass ich einfach das gemacht habe was ich am schönsten fand und dachte, dass passt zu ihr und am Ende war sie so froh über den Strauß, dass sie sogar einige Tage später wieder kam um einen für ihre Tochter zu kaufen.“

„Klingt doch ganz interessant.“, Kalli lachte.

„Dann wirst du auch die Geschichte mögen...“, Julia erzählte eine andere Geschichte. Da Kalli das wirklich interessant fand und auch Julias lustige Art mochte, fragte er nach und schob auch manchmal kurze Anekdoten von seiner Arbeit ein. So geschah es dass die beiden sich lange Zeit über alles Mögliche unterhielten. Nach einiger Zeit setzten sich auch die Anderen dazu und aus der Zwei-Gruppen-Dynamik des Anfangs des Abends wurde eine heitere Gesprächsrunde, in der alle das austauschten was so seit dem letzten Zusammentreffen der Älteren geschehen war.

Kalli, der sich zwar gerne bei Fällen der Kripo einbrachte, aber sonst nicht viel zu erzählen hatte, saß manchmal einfach minutenlang daneben und hörte den Anderen zu. Wie schön es doch war, so eine Gruppe zu haben, in der man sich einfach austauschte und über alte Geschichten lachen konnte, die man zusammen erlebt hat, dachte sich Kalli. Ja, er erhoffte sich irgend etwas in der Art auch mal in der Zukunft für sich. Vielleicht mit seiner Partnerin und einigen ihrer dann engsten Freunde. Zusammen als Freundesgruppe alt werden – das klang schön. Und während er da so saß und nicht wirklich aktiv am Gespräch teilnahm, lernte er vermutlich mehr über seine Kollegen wie je zuvor.
So erfuhr er zum Beispiel dass Franz und Ivo sich erst im dritten Jahr auf der Polizeischule kennen gelernt hatten und seitdem eigentlich alles zusammen unternommen hatten. Sie hatten sich auf gemeinsame Stellen beworben, wurden mit nur 3 Monaten Abstand befördert und bis auf wenige Fälle fast alle gemeinsam gelöst. Aber auch privat hatten sie anscheinend vieles gemeinsam erlebt. So waren manchmal nur sie beide, manchmal mit der ganzen Freundesgruppe im Urlaub gewesen. Es waren immer andere Orte gewesen: Frankreich, Italien, Schweden, Kanada, USA und Schottland. Schön, dachte sich Kalli, so jemanden in seinem Leben zu haben.

Während Franz das Grillgut vom Rost nahm, das inzwischen eine angenehm gebratene Färbung angenommen hatte, sah Kalli sich einmal in ihrer Runde um. Die anderen waren alle in etwa gleich alt. Woher die beiden Kommissare Joseph kannten, wusste er ja bereits. Von Ottos und Christians Vergangenheit war ihm nicht viel bekannt, nur dass die beiden anscheinend auch schon sehr lange mit Franz und Ivo befreundet waren und dass die vier alle paar Jahre mal an die Nordsee fuhren.
Moritz und Julia, so hatte Kalli im Laufe des Abends erfahren, waren eigentlich Freunde einer Bekannten von Ivo gewesen, doch nachdem sie sich einige Male getroffen hatten hatten sie auch einfach so Kontakt aufgenommen und so war diese Freundschaft entstanden. Und wie das mit Franz und Ivo entstanden war, da war sich Kalli noch immer nicht so sicher.

Als es dann ans Essen ging, wurde es leiser in der Runde und bis auf einige Lobesworte über das Gegrillte oder den leckeren Salat redete fast niemand. Stille, dachte sich Kalli, eigentlich auch mal ganz angenehm.

Nachdem er seine Portion aufgegessen hatte und auch einmal nachgefasst hatte (ja, der Salat war wirklich gut gewesen, besonders in Kombination mit dem Honig-Senf-Dressing und den Beeren, mit denen er garniert war), fiel Kalli auf, dass die Sonne sich bereits dem Horizont zuneigte. Wenn er das richtig deutete, war es bestimmt schon neun Uhr.

Aber ehe er sich über die Korrektheit seiner Sonnenstandsdeutung Gedanken machen konnte, wurden diese durch eine sehr kurzes und für ihn verwirrendes Gespräch zwischen Christian, Otto und Ivo abgelenkt. Das was ihn aufmerksam werden ließ, war ein halber Satz, den Otto äußerte: „...Hochzeit 2017, da war das Essen besser.“

„Hab ja auch nicht gesagt das es das beste war was Franz uns je serviert hat, aber gut ists trotzdem.“, dafür bekam Ivo einen Seitenblick von Franz zugeworfen.
„Ich weiß, ihr könnts langsam nicht mehr hören, aber dieser Kuchen damals...“ Christian wollte zu schwärmen beginnen, aber ein scharfer Blick von Ivo und er schwieg. Seltsam, dachte sich Kalli, worum es da wohl gegangen war. Und er beschloss ab jetzt aktiv zu ermitteln.

Die weiteren Gespräche waren eher langweilig: Die Tochter von Julia und Moritz hatte sich verlobt und die beiden hatten sich einen neuen Hund gekauft. Joseph hatte auf einem Angelausflug einen riesigen Fisch gefangen und erzählte stolz die Geschichte während er viele Bilder von dem Tag zeigte. Otto und Christian waren beschäftigt mit ihrem Umzug in das neue Haus, dass sie ganz alleine renovierten. Und Ivo und Franz erzählten fast nur von der Arbeit, was aber auch kein Wunder war, wenn man bedenkt, dass sie in den Wochen und Monaten zuvor immer einen Fall gehabt hatten und fast nur zum schlafen nach hause gegangen waren. Auch Kalli erzählte größtenteils von seiner Arbeit, aber auch von seiner Mutter, die zuhause in Lübbenau sich dauerhaft Sorgen machte, dass ihm etwas passierte. Geht gar nicht, sagte Franz darauf, wir können ja nicht zulassen, das ihm was passiert, daher passen wir gut auf ihn auf. Und Kalli fühlte sich wie ein Teil in Franz Leben und genoss das Gefühl.

Als die Sonne und der Horizont schon fast ineinander übergingen, verabschiedete sich Otto von der Gemeinschaft. Otto arbeitete in einem Krankenhaus im OP und musste daher immer sehr früh da sein. Christian, der immer mit ihm aufstand um Yoga zu machen und noch vor seinem eigenen Job in der Bank ein Abendessen für sie beide vorzubereiten, begleitete selbstverständlich seinen Partner.

Als die beiden gerade am ihre Sachen mitnehmen waren, sah Kalli sich noch mal um. Franz und Ivo rechts von Ihm unterhielten sich über irgend etwas ganz leise. Und wieder fiel ihm auf, dass die Freizeit-Persönlichkeit der beiden so anders war zu dem was er normal kannte. Wie schon den ganzen Abend saßen sie leicht aneinander gelehnt Schulter an Schulter, für ihr privates Gespräch hatten sie lediglich ihre Köpfe zueinander gedreht um sich dabei wirklich ansehen zu können. Kalli hatte die beiden noch nie so glücklich gesehen. Es schien einfach alles in Ordnung zu sein.

Nach einigen weiteren Gesprächen der restlichen Gruppe, dieses Mal war das große Überthema die Gärtnerei und was man, besonders Julia, so alles im Garten anpflanzen konnte war die Sonne schon fast ncht mehr zu sehen. Mit einem Blick auf erst den Himmel und dann seine Uhr entschuldigte sich Joseph mit den Worten: „Was, schon viertel nach neun? Dann muss ich aber los, immerhin muss ich ja noch ne gute Strecke fahren.“ Joseph wohnte etwas außerhalb von München, vom Grillplatz am See brauchte man in etwa eine dreiviertel Stunde zu seinem Appartement, und auch er musste, obwohl er nicht mehr alleiniger Chef seiner Firma war früh aufstehen.

„Dann gehen wir wohl auch mal langsam aber sicher. Franz, Ivo, wie immer war es super euch mal wieder zu sehen und sich mit euch auszutauschen. Kalli, war echt schön dich kennenzulernen.“, Moritz schloss sich mit seiner Frau der Aufbruchstimmung an.

Notes:

Übersetzungen:
"Ljubavniče moj" = "mein Geliebter"
"I ja tebe volim, ali mi je žao mojih leđa." = "Ich lieb dich ja auch, aber hab Mitleid mit meinem Rücken."

Chapter 4: Arbeits-Geschichten

Chapter Text

Nach einer kurzen Umarmungsrunde und einer ausgiebigen Verabschiedung, sowie dem Versprechen sich bald mal wieder zu treffen, machten sich die drei auf den Weg. Kalli wollte eigentlich auch gerade so etwas wie ‚Ich sollte wohl auch langsam mal gehen‘, sagen, da kam Ivo auf ihn zu: „Kalli, hab ich dir eigentlich schon mal die Geschichte erzählt wie meine Karriere schon fast vor ihrem Beginn geendet hätte?“

Da diese Geschichte Unterhaltung und vielleicht sogar etwas Spannung versprach, lehnte Kalli ab und die beiden setzten sich mit Blick auf das Ufer auf die Bank und Ivo begann seine Ausführungen.
Wie Kalli recht bald erfuhr war alles nur ein großes Missverständnis gewesen und Ivo war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Als nämlich in einer Bar ein Drogeneinsatz war, hatte Ivo verdeckt dort ermittelt und da dieser Auftrag geheim gewesen war, hatte nur sein Vorgesetzter etwas davon gewusst. Als dann andere Kollegen von Ivo das Etablissement stürmten, sah es aus als wäre Ivo gerade dabei an Drogengeschäften teilzunehmen obwohl er diese einfach nur aus kurzer Distanz vom Tisch nebenan beobachtete. Als man ihn festnahm, glaubten dann weder Staatsanwaltschaft noch die anderen Kollegen (bis auf Franz, so betonte Ivo mehrmals, aber dieser war nicht im Fall involviert gewesen) die Geschichte, die sowohl er als auch sein damaliger Vorgesetzter erzählten. Erst als Ivo eher zufällig im Verhör ein einzelnes Detail des Auftrages erwähnte glaubte man ihm und ließ ihn frei und wieder am Dienst teilnehmen.

Doch wie es Ivos und Kallis gesprächige Art so an sich hatte, blieb es nicht bei einer Geschichte, sondern bald erzählten die beiden sich die wildesten Geschichten aus der Polizeischule. Franz, der bei der ersten Geschichte noch brav daneben gesessen hatte, beschloss aber zu Beginn von Kallis erster Ausführung einer ‚ganz spannenden Geschichte, die ihm mal in seinem zweiten Jahr passiert war‘ dann doch, langsam mal zusammen zu packen und auch die ersten Kisten ins Auto zu tragen. Immerhin wusste man ja, wie schnell es dann doch nach Sonnenuntergang dunkel wurde und so wie sich Kalli und Ivo unterhielten würde das noch länger dauern.

Während er die Teller in die eine und das restliche Essen in die andere Kiste stapelte, hörte er nebenbei den Stimmen von Ivo und Kalli zu. Der Inhalt interessierte ihn nicht wirklich: Ivos Geschichten hatte er entweder schon einmal gehört oder war selbst dabei gewesen und Kallis Geschichten würde Ivo ihm später eh erzählen. Und während er so räumte fiel ihm noch zwei andere Sachen auf.

Erstens: Dadurch, dass Kalli das erste Mal wirklich rein privat etwas mit ihnen zu tun hatte, wusste er vermutlich eine Sache über ihn und Ivo nicht, die aber außer den Kollegen von der Arbeit jeder wusste. Ivo und er waren seit 2017 verheiratet und schon seit Dienstantritt bei der Polizei ein Paar.

Zweitens: Er mochte Kalli auf menschlicher Ebene wirklich sehr. Besonders im letzten Jahr hatte er seine Art, seine neuen Ideen und andere Denkweisen zu schätzen gelernt und fand sich immer mehr, bisher natürlich rein beruflich, in einer Art Vaterrolle wieder. Von seinen Eltern hatte Kalli nie wirklich erzählt, nur kurze Aussagen über seine Mutter und dass sie schon wieder im Dienst angerufen hatte, um ihn zu sprechen. Mehr aber nicht. Genau deshalb hatten Ivo und er sich ja auch darauf geeinigt Kalli heute Abend einzuladen, um ihn einfach etwas in ihr Leben zu integrieren und da sie dachten er könnte das mögen wenn er in München jemanden hat an den er sich einfach wenden konnte.
Vermutlich genau daher störte Franz es so sehr, dass er einen der wichtigsten Teile seines Lebens nicht kannte. Denn wie sollte Vertrauen entstehen, wenn so viel aus dem Leben der anderen fehlte? Ja, sie hatten sich eigentlich geschworen ihr Privatleben und den Beruf zu trennen, aber Kalli war nun mal Kalli und er war eine Ausnahme von der Regel. Kalli würde es nicht weitererzählen wenn sie ihn darum baten, da war er sich sicher und Kalli würde auch definitiv das ganze sehr locker sehen und sie nicht daher wie andere Menschen betrachten.

Und wie Kalli und Ivo da zusammensaßen, so vertieft in ihre Geschichten, jeder mit dem Ehrgeiz den anderen zu überbieten machte ihn einfach nur glücklich. Ja, auch wenn das erst das erste Treffen war, es fühlte sich an als wäre es eines nach vielen und als wäre Kalli ein Teil seiner – ihrer – kleinen Familie.

Gerade als er die letzten zwei Kästen gestapelt ins Auto tragen wollte, sprang Kalli, der gerade offensichtlich eine Geschichte beendet hatte auf und nahm ihm eine ab: „Moment, ich nehm dir eine ab. Das ist einfacher.“

„Danke, Kalli.“

„Keine Ursache.“

Chapter 5: Baden

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Als sie die paar Meter vom Auto zurückliefen, dämmerte es bereits sichtlich - man sah es an den um einiges heller erscheinenden Lichtern auf der anderen Uferseite, und auch Ivo war aufgestanden und wühlte in seiner Tasche herum. Als er Franz Schritte hörte, sagte er: „Wollten wir nicht eigentlich auch heute noch ins Wasser?“

„Ja, hatten wir gesagt.“, kam prompt die Antwort von Franz. Direkt darauf folgte ein kurzes Schweifen des Blickes zu Kalli, dann ein längerer Fragender zu Ivo. Nach einem kurzen, fast unsichtbaren Nicken von eben diesem fügte Franz noch hinzu: „Kalli, willst du mit rein. Ist echt angenehm.“

Das war er also, der Moment den Kalli vermutet hatte. Eigentlich sollte er einfach nein sagen und sich freundlich entschuldigen. Eigentlich hätte er vermutlich schon gleichzeitig mit den anderen Gästen gehen sollen, statt die beiden noch länger zu stören. Alles war aber so schön gewesen und einfach so verlaufen. Alles war so vertraut und so entspannt und so gar nicht mehr beruflich. Daher beschloss er einfach das zu tun was sich emotional richtig und der Situation entsprechend anfühlte. „Danke für die Einladung. Wenns dir nichts ausmacht, Ivo, dann gerne.“

„Gar nicht.“, und damit machte sich Ivo daran seine lange Kleidung, die er bereits über seiner Badehose anhatte, auszuziehen.

Auch Kalli hatte schlau gedacht. Er hatte nicht direkt eine tatsächliche Badehose dabei, erhrlich gesagt fand er diese sehr unbequem, sondern so ein Multifunktions-Outdoor-Ding, wie er es immer nannte, eine Badehose, die aber ebenso gut als Unterhose verwendet werden konnte und um einiges angenehmer zu tragen war, da sie etwas weiter geschnitten war und ein anderes Material hatte. Also entledigte er sich erst seiner Schuhe und Socke und legte diese neben sich auf die Bank. Ordentlich gefaltet fand seine Hose nebenan einen Platz, darauf gestapelt sein Pullover. Final, laut Kalli der kritische Moment, fand sein T-Shirt auf seiner restlichen Kleidung seinen Platz.

Ivo und Franz waren schon vor gegangen, wie man an ihren Kliederhaufen sah, nahmen sie Ordnung nicht so genau, und warteten im Wasser auf ihn.

Als Franz merkte, wie Kalli kurz zögerte, sagte er: „Na komm schon. Ohne ins Wasser zu gehen wirds mitm Baden bisschen schwer.“

Kalli überbrückte die letzten Schritte zwischen sich und dem Ufer und steckte vorsichtig seinen Fuß ins Wasser. Die Temperatur war echt angenehm, nicht zu warm und nicht wírklich zu kalt. Als er von seinem Versuch die Temperatur zu erfühlen aufsah, sah er Ivos Blick auf seinen beiden Narben ruhen. Innerlich machte er sich schon auf ein Gespräch zu diesem Thema bereit, doch etwas anderes geschah. Für Personen, die die Beiden nicht so gut kannten wie er, wäre das unmerklich gewesen, aber Franz warf Ivo einen Blick zu und dieser konzentrierte sich direkt auf etwas anderes. Und Kalli ging mit wenigen Schritten ins Wasser.

 

_im Wasser_

Franz hatte es fast direkt gesehen als Kalli sein T-Shirt ausgezogen hatte: zwei Narben ein Mal quer über der Brust. Aber was es mit diesen auf sich hatte, wusste er nicht. Offensichtlich war für Ihn aber dennoch, dass ein Zusammenhang zwischen diesen und der Tatsache, dass Kalli etwas unsicher war, wenn er ohne Tshirt herumläuft. Er beschloss, später einmal Google zu befragen. Gerade als er sich für diese Sache beschlossen hatte, bemerkte er Ivos Blick auf Kallis Oberkörper. Ja, normalerweise war Ivo bei delikaten Themen respektvoll, aber bevor er noch etwas Falsches sagte oder seine Neugierde Kalli in eine unangenehme Situation brachte, warf er ihm sicherheitshalber mal einen warnenden Blick zu. Sollte er es ja nicht wagen Kallis Vertrauen in sie beide direkt wieder zu zerstören oder dafür sorgen, dass dieser sich unwohl fühlte. Wenn er mehr wusste, könnte er Ivo aufklären und sollte es was ganz Wichtiges sein, würden sie sich entscheiden, ob sie mit Kalli darüber reden.

Als er seinen Gedanken beendet hatte, sah er auf. Ivo, wie eigentlich immer wenn er im Wasser war, schwamm aktiv mit Armen und Beinen im Kreis als müsste er eine Strecke überbrücken. Einmal hatte er ihn gefragt, wieso er das tat, aber Ivo hatte nur gesagt: ‚Ich geh doch nicht ins Wasser, nur um dann zu liegen, sondern auch um zu schwimmen.‘ Vielleicht hatte er recht, aber dennoch, sich einfach treiben lassen war manchmal auch einfach nur schön. Kalli, einige Meter entfernt, tat es ihm gleich.

Ivo fand die Stille beunruhigend. Nicht die Stille an sich, sondern dass sich niemand unterhielt und das Ganze die Situation etwas unangenehm machte. Also beschloss er Kalli noch eine andere Geschichte von vor einiger Zeit zu erzählen: „Kalli?“

„Ja?“, sein Kopf schreckte aus dem Wasser auf.

„Gerade wo wir hier so im Wasser sind, fällt mir ein Fall von vor 10 Jahren ein, da waren wir fast genau hier gewesen. Da hatten die doch tatsächlich...“, er erzählte von dem Fall und ließ, wie bei den meisten seiner Erzählungen kein noch so kleines Detail aus.

Als er beendet hatte, fragte Kalli lachend: „Und das soll mich jetzt beruhigen und zu meiner Entspannung im Wasser beitragen?“

„Ach, schon fast überall ist mal jemand unter seltsamen Umständen umgekommen. Aber jetzt mal ganz unabhängig von allem: Wusstest du eigentlich schon, dass das Wasser aus den Alpen in vier verschiedenen Meeren endet?“

„Nein, das wusste ich tatsächlich nicht.“, antwortete Kalli erstaunt.

Etwas neben ihm begann Franz zu lachen: „Und wusstest du auch, dass der Ivo jedem diese Tatsache erzählt, den er nur trifft, weil er das einfach super faszinierend findet. Dennoch ist es so ungefähr die einzige Sache, die er über die Alpen weiß.“

„Stimmt gar nicht.“, Ivo ließ seine Stimme klingen, als wäre er beleidigt, machte sich schwimmend auf den Weg zu Franz und schob ein ‚Simpatični idiot‘

Franz fand, sie mussten Kalli nichts verheimlichen. Er vertraute ihm und so entschied er sich dafür Ivo einfach zu küssen, wenn er fertig an ihn herangeschwommen war. Ja, Ivo hatte vermutlich einfach nur vor ihm Wasser in sein Gesicht zu spritzen, aber wenn er ihn neckte, wartete er einfach nur darauf.

Als Ivo dann also tatsächlich an ihn herangeschwommen war, er hatte etwas gebraucht um die 20 Meter hinter sich zu bringen, warf Franz sich an ihn und küsste ihn kurz auf die Lippe. Ivo, zuerst recht erschrocken, dann aber wohl wissend von dem Plan seines Mannes und diesem nicht unbedingt abgelehnt, verstand sofort und lächelte Franz an. Franz hatte sich entschieden und Kalli war somit eingeweiht.

Vermutlich hätte Kalli es gar nicht gesehen. Wäre da nicht dieses platschende Geräusch gewesen als Franz sich auf Ivo gestürzt hatte, um ihn von seiner Rache abzuhalten. Und während Kalli sich noch fragte, ob sie jetzt wohl sich gegenseitig halb ertränken würden, küssten sie sich stattdessen. Hä?

Schön für sie, dachte Kalli im nächsten Moment, und wand sich mit einem Lächeln ab. Die kroatischen Worte würde er sich merken und dann doch mal nachschlagen.

Notes:

Kroatisch-Übersetzung:
"Simpatični idiot" = "liebenswerter Idiot"

Chapter 6: Kallis Abendgedanken

Chapter Text

Als Kalli einige Minuten später bei sich zu Hause ankam, beschloss er erst einmal zu duschen, denn das Wasser des Sees klebte noch immer an ihm. Wie eigentlich immer machte er sich Musik dazu an und verlor sich nach einigen Takten in dieser. Das warme Duschwasser berührte angenehm seine Haut, als er sich unter die feinen Strahlen stellte. Das Wasser schien jegliche Verspannungen seines Tages hinwegspülen. Nach einiger Zeit stellte er das Wasser ab und trat aus der Duschkabine. Vor dem Spiegel stand die Zahnbürste bereit, und er begann, sich zu ‚I want to break free‘ die Zähne zu putzen. Während er das tat, summte er leise vor sich hin. Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er das Handtuch von der Heizung nahm, denn es war einach ein wunderschöner Abend gewesen. Mit den letzten Takten des Queen-Liedes im Hintergrund trocknete er sich ab und zog sich seine Schlaganzughose an.

Als er im Bett lag, schweiften seine Gedanken zu Ivo und Franz ab.
Es war schön gewesen, die beiden so entspannt zusammen zu sehen. Und ja, er hatte sich schon fast seit Anfang des Abends gedacht, dass die beiden eventuell ein Paar sein könnten. Aber sie so zu sehen, hatte ihn einfach nur glücklich gemacht.

Ja, er verstand, warum sie es auf der Arbeit geheim hielten und er würde niemals auch nur ein Sterbenswörtchen davon jemandem anderen erzählen. Er kannte das ja von sich selbst.

Auf so eine Sache gab es nur drei mögliche Reaktionen:
1) Personen, die denken, man wäre jemand anderes und einen anders behandeln.
2) Personen, die es akzeptieren und einfach cool damit waren.
3) Personen, die es aus irgendeinem Grund nicht akzeptierten und die dann dauernd unfreundliche Kommentare abgeben mussten

Er dachte wieder an die kroatischen Worte, die er mitgehört hatte und beschloss, diese doch tatsächlich zu übersetzen. Die Übersetzer-App hatte er schnell gefunden, aber was genau hatte Ivo noch einmal gesagt?

Liubafnize? Liubavnice? Nach einigen Versuchen fand er das richtige Wort: „Ljubavniče“, die Grundform war ljubavnik. Je nachdem bezeichnete das Wort einen Geliebten oder einen Liebhaber... wie süß. Kalli war sich recht sicher, Ivo hatte Geliebter gemeint.

„I ja tebe wolim, a li mi je dschao moich ledscha - so spricht man es grob aus aber wie mans schreibt ist ne andere Frage“, genau das hatte Kalli sich notiert. Als er nach einigen Versuchen mit anderer Schreibweise nichts fand, entschied er sich für eine Speech-to-Text-Übersetzungsapp. Nachdem er den Satz einige Male neu gesprochen hatte, kam tatsächlich etwas halbwegs vernünftiges heraus.
„Ich liebe dich auch, aber mein Rücken tut mir leid.“ Tut mir leid? Vermutlich eher tut mir weh, dachte sich Kalli. Aus irgendeinem Grund einfach wunderschön, dass Franz Ivos Muttersprache erlernt hatte und sie nun in Momenten wie diesen sich darin austauschen konnten. Wenn man für jemanden so etwas ohne Zwang machte, musste man die andere Person schon wirklich lieben.
Die Phrase beim Baden hatte Kalli vergessen, weshalb er noch einmal den Rest des Abends Revue passieren ließ.

Christian hatte irgendwann etwas gesagt, dass sich niemand trennen würde, wenn alle so wären wie sie. Und dadurch, dass Franz geantwortet hatte, war Kalli sich recht sicher er hatte über ihn und Ivo geredet.

Irgendwann hatte er auch „Hochzeit 2017“ aufgeschnappt. Das Essen schien da recht lecker gewesen zu sein und Ivo hatte etwas gesagt, dass Franz das serviert hatte, wenigstens den Kuchen. Hatte Franz wirklich einen Kuchen für eine Hochzeit, vielleicht sogar seine und Ivos gebacken? Vermutlich war es sogar eine Torte gewesen... Eigentlich hätte Kalli ihn nicht so eingeschätzt, aber jeder hatte seine Hobbys. Und wenn das Franz und Ivos Hochzeit war, waren sie nicht nur ein Paar, sondern hatten direkt in dem Jahr noch geheiratet, als die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legal geworden war. Wie romantisch. Und da man das nicht aus reiner Lust und Laune machte, ging Kalli davon aus, dass die beiden wohl schon lange ein Paar waren, wenn nicht schon seit ihrer Anfangszeit bei der Polizei.

Ach... wie schön wäre es doch, sie als Väter zu haben. Und irgendwo in ihm sieg der Wunsch auf, ein Teil der Familie Batic-Leitmayr zu werden.

Chapter 7: Abendgespräche bei Batic und Leitmayr

Chapter Text

Als Franz und Ivo zuhause angekommen waren, hatten sie nicht mehr wirklich Motivation alles die drei Stockwerke in ihre Wohnung zu tragen und wieder einzuräumen. Daher hatten sie beschlossen das ganze auf morgen zu schieben. Samstags hatten sie meißt etwas Zeit für sich und die Wohnung und da konnte man so etwas bestimmt noch einschieben. Also nahmen sie nur ihre Taschen und die nasse Kleidung vom Baden mit nach oben.

Als sie beide nebeneinander im Bad standen und ihre Kleidung des Tages direkt in die Waschmaschine und den Wäschekorb sortierten, brach Ivo die Stille, die zwischen ihnen herrschte, seitdem sie in ihrer Wohnung angekommen waren. „Du, Franz“, Ivo klang recht zögerlich: „Du hast aber schon die Narben von dem Kalli gesehen, ne? Ich meine, ja, musst du, denn du hast mir einen Blick zugeworfen, dass ich schweigen soll. Aber was hat das damit n auf sich?“

„Ivo, ich weiß es nicht wirklich. Aber du bist oftmals so direkt und ich wollte nicht, dass der Kalli sich danach unwohl fühlt, wenn du ihn darauf ansprichst.“

„Bist du denn nicht auch nur leicht neugierig?“

„Klar, aber das fragt man nicht, da schaut man erst mal im Internet nach. Wer weiß, worum es geht und ob es ein delikates Thema ist.“

„Manchmal bin ich echt froh, so einen mitdenkenden Ehemann zu haben.“, lachte Ivo und streckte sich leicht nach oben um ihn zu küssen: „Ich geh noch duschen, du auch?“

„Nee. Mach ich morgen nachm joggen.“

Während Ivo also noch duschte, setzte sich Franz an seinen Laptop und suchte mal „Brust Narben Operation“ „zwei narben Quer auf der Brust“ „Männer Narben auf Oberkörper / auf Brust“

Neben einigen Werbeanzeigen für die richtige Narbenversorgung fand er primär: Brustkrebs bei Frauen, Narben und Schnittführung bei Brust-OPs, Brustverkleinerung bei Männern und Frauen, Mastektomie. Nachdem er etwas über die Schnittführung bei Brust-Ops recherchiert hatte und Brustkrebs und Brustverkleinerung einfach anhand der Zielgruppe ausgeschlossen hatte, blieb also nur noch eine Mastektomie. Er kannte zwar das Wort, den genauen Kontext im Bezug auf Kalli würde er sich aber noch in seiner weiteren Recherche herausfinden müssen.

Ivo, der inzwischen in der Küche war und einen Tee kochte, rief durch die halbe Wohnung: „Franz, willst du auch nen Tee?“

„Ja, danke.“, etwas Warmes zu trinken half bei Recherchen immer.

Mastektomie also: „beschreibt die Entfernung der Brustdrüse und ist ein häufig durchgeführter chirurgischer Eingriff für unterschiedliche Indikationen (Brustkrebs, Gynäkomastie, Genderdysphorie, etc.)“

„Wenn sich die Brustdrüse eines Mannes so stark vergrößert, dass sie wie eine weibliche Brust aussieht, spricht man von einer Gynäkomastie“, konnte sein, aber dann war es auch kein Thema über das man reden musste. Ebenso wie bei Brustkrebs.

Es war ja nicht so dass er grundsätzlich mit Kalli über seine Narben reden wollte, aber er wollte sicher gehen, dass er es nicht vielleicht machen sollte.

Auf einer Seite vom MSD Manual fand er etwas später unterschiedliche Definitionen zu den Themen Geschlecht, Gender und Identität:

„Geschlechtsdysphorie: Unbehagen oder Stress im Zusammenhang mit einer Inkongruenz zwischen der Geschlechtsidentität einer Person und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht.“

„Geschlechtsinkongruenz: Die ausgeprägte und persistierende Erfahrung einer Person, dass ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das von ihr aufgrund des ihr von Geburt an zugewiesenen Geschlechts erwartet wird.“

„Geschlechtspräsentation: Kleidung, körperliche Erscheinung und andere äußere Erscheinungsformen und Verhaltensweisen, die Aspekte der Geschlechtsidentität oder -rolle zum Ausdruck bringen.“

Kallis Geschlechtsrepräsentation war stereotypisch männlich, das wusste er. Aber konnte es sein, dass ihr Kalli wirklich ein Transmann war? Oder wenigstens irgendwo auf dem Trans*-Spektrum?

Einfach aus Interesse beschloss er noch weiter über dieses Thema zu recherchieren. Selbst wenn das nicht der Grund für Kallis narben war, wollte er sich noch weiter informieren. Etwas an der ganzen Thematik faszinierte ihn...

Nachdem er noch weitere Artikel zu dem Thema gelesen hatte und sich unterschiedlichen Meinungen durchgelesen hatte, hatte sich Ivo neben ihn ins Bett gelegt und schaute mit ihm in seine Recherchen hinein.

Nach kurzer Zeit fragte er Franz: „Du, du recherchierst hier so tiefgründig. Glaubst du denn wirklich, dass unser Kalli Trans ist?“

„Selbst wenn. Ist doch nichts dran.“, selbst wenn Franz noch nicht alles über das Thema wusse, so wusste er schon, dass es bei diesem Thema am wichtigsten war, dass sich die Person selbst wohlfühlte.

„Naja, aber ist das nicht schon etwas seltsam“

„Nur weil dus nicht kennst, ist es das nicht. Mann, Ivo, es geht um die Person und deren Wohlbefinden und nicht um dich und dein Bauchgefühl. Außerdem was findest du daran seltsam, wenn jemand dazu steht, wie er sich fühlt. Ich meine wir wollen ja auch von niemandem verurteilt werden dafür, dass wir nicht unbedingt die typische Ehe führen.“

„Ich weiß nicht, schon, aber... und Kalli?“

„Bei Kalli bin ich mir nicht komplett sicher. Aber allgemein sollten wir uns darüber informieren. Komm, Ivo, ich hab paar Videos in meinen Tabs offen, lass uns die schauen. Dann kannst du dir deine Meinung bilden.“

Er hatte absichtlich unterschiedliche Videos mit verschiedenen Meinungen geöffnet, so unter anderem: LGBTIQ* einfach erklärt, Wer in Deutschland gegen Trans*-Menschen hetzt, Die Wissenschaft hinter Transgender, LGBTQ-Propaganda: nach Trans-OP Leben mit verstümmeltem Körper, ... und einige andere.

Während der Videos kommentierte manchmal er, manchmal Ivo die Aussagen. Als sie nahezu alles gesehen hatten, was sie sehen wollten, war es bestimmt schon halb eins und hin und sie gähnten immer wieder. Aber Unterhalten wollten sie sich danach trotzdem.

Nach einiger Zeit einigten sie sich auf folgende Sachen:

1) Wenn es für jemanden am besten war und das emotionale Schäden oder gar Suizid verhinderte, sollte jeder Mensch einfach machen, was für ihn am besten war.
2) Ihnen war wirklich aufgefallen, welche Folgen es hatte, mit einer Geschlechtsinkongruenz aufzuwachsen und zu leben, nicht nur Körperlich, sondern auch Sozial und Mental.
3) Kalli würden sie darauf nicht ansprechen, waren sich aber recht sicher, dass er Trans war.
4) Es änderte nichts daran, wer Kalli als Mensch war, also konnte es ihnen solange egal sein.
5) Sollte er es ihnen irgendwann sagen, würden sie ihn unterstützen, aber sie verstanden auch, warum er es geheim hielt. Eigentlich war es bisschen wie bei ihnen selbst, nur dass sich Trans-Personen noch häufiger Hass und Diskriminierung stellen musstem.
6) Da Kalli recht alleine in seiner Freizeit wirkte, beschlossen sie, ihn weiter in ihr Privatleben zu integrieren, sodass er, wenn er über etwas reden wollte, sich irgendwann trauen würde, sich an sie zu wenden.

Franz stellte den Laptop auf seinen Schreibtisch und legte sich wieder neben Ivo: „Das war ein Tag, ne?“

„Ja, einer der schönsten Geburtstage, die wir je hatten.“

„Gute Nacht.“, er küsste Ivo und drehte sich dann auf die Seite.

In Ivos Stimme klang sein Lächeln mit: „Gute Nacht.“