Chapter 1: Prolog
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Blau.
Die Farbe meines Blutes ist blau, nicht rot wie beim Menschen. Meine Gelenke bestehen nicht aus Knochen, Bändern, Knorpel und Kapseln, sondern aus Metall, Muttern und Schrauben. Mein Herz ist keine blutige Muskelmasse mit zwei Vorhöfen und zwei Kammern. Es ist eine Pumpe, die beinahe literweise Thirium in meine Arme und Beine schießt.
Ich liege auf einer kalten, flachen Unterlage, kaum bekleidet. Das grelle weiße Licht sticht in meine Augen, die ich kaum öffnen kann. Alles, was ich wahrnehme, sind Menschen in Laborkitteln mit Klemmbrettern, die hektisch um mich herum arbeiten. Hinter ihnen sehe ich Geräte und Monitore, die mit Kabeln verbunden sind und leise summende Geräusche von sich geben. Der Geruch von Desinfektionsmittel hängt in der Luft und mischt sich mit anderen chemischen Dämpfen.
Ein Mann mit schwarzen, längeren Haaren und einer Brille kommt auf mich zu, sein Kittel ist mit verschiedenen Flecken und Markierungen versehen, die auf häufige Benutzung hinweisen.
"Hat es geklappt?", sprach der Unbekannte zu mir.
Ich blickte ihn unsicher an, nicht sicher, was ich denken oder sagen sollte.
Ein weiterer Mann drehte sich um und schaute den Mann vor mir an. "Sir, wir haben die Daten vollständig in den Android integriert. Er ist nun in der Lage zu kommunizieren und zu verstehen."
In mir arbeitete jede einzelne Verbindung. Langsam verstand ich, was ich zu tun hatte, und gab eine kurze und knappe Antwort. "Ja."
"Kannst du mich verstehen?", sagte der Mann wieder vor mir.
Ein kurzes Nicken meinerseits erhellt seinen angespannten Gesichtsausdruck. Alle Laboranten sprangen auf und rannten in unsere Richtung. Selbst sie konnten dieser Szene keinen Glauben schenken. Offensichtlich hat dieser Mann viele Versuche gebraucht, um mit mir kommunizieren zu können.
Der Mann schiebt daraufhin den weißen Tisch neben meiner Liege beiseite. Sein Blick ist fokussiert auf seine Kollegen gerichtet.
"Der Android wird jetzt seine ersten Schritte gehen", sagt er.
Seine Kollegen nickten hektisch und begannen, die Geräte und Kabel wegzuräumen, um genug Platz für die bevorstehende Demonstration zu schaffen. Sie entfernten auch die Notizblöcke und Stifte von den Tischen.
Vier Männer umfassten mich und zerrten mich vorsichtig auf meine Beine. Es war viel interessanter, zu stehen, als zu liegen. Man konnte den ganzen Raum im Überblick behalten.
Viele weitere Androiden waren zu erkennen. Alle lagen auf separaten Liegen und regten sich kein Stück. Manche waren vollständig zusammengebaut, während andere halbiert oder gar kopflos waren.
Der Mann neben mir sprach ruhig in mein Ohr. "Wir lassen jetzt los. Du musst versuchen, stehen zu bleiben."
"Ok", antwortete ich bestimmt.
Gesagt, getan, ließen sie alle los. An ihren Augen konnte man die Furcht erkennen, dass ich umfallen könnte. Doch ich blieb standhaft.
"Ich kann es einfach nicht glauben", murmelte der Mann, während er sich die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Seine Kollegen staunten und jubelten über den Erfolg des Versuchs.
"Testversuch 430 ist funktionsfähig", verkündete er stolz. "Natürlich müssen wir noch weitere Tests durchführen, aber das ist schonmal ein großer Schritt", fügte er hinzu.
Der Mann legte eine Hand auf meine Schulter.
"Android, ich bin dein Erschaffer. Man nennt mich Elijah Kamski. Von heute an bist du..."
Chapter 2: der Anfang
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Connor!"-
Die Laune von Lieutenant Hank Anderson war schon seit dem frühen Morgen im Keller. Sein Androidenkollege weckte ihn seiner Meinung nach viel zu früh, aufgrund eines neuen Falls. Eine Familie wurde angegriffen, die Mutter wurde tragisch niedergestochen und starb aufgrund ihrer schweren Verletzungen. Die Tochter lag bewusstlos auf dem Boden und wurde schnell ins Krankenhaus gebracht, damit die Polizei den Tatort gründlich untersuchen konnte.
Zumindest war das der Stand der Dinge, den sie bisher herausgefunden haben. Beide waren am Tatort und versuchten, den Fall zu rekonstruieren. Zumindest versuchte es Hank. Er wurde jedoch durch Connor's seltsame Analysetechnik abgelenkt.
-"Wie oft soll ich dir das noch sagen? Nimm das Zeug aus dem Mund. Das ist ja ekelhaft", murmelte er schließlich und ging in die Küche.
"Entschuldigung, Lieutenant", antwortete Connor ruhig.
Er scannte das Blut und speicherte es in seiner Datenbank.
Als Hank die Küche erreichte, staunte er schwer. Überall an den Wänden, Schränken, Fenstern und Türen war Blut jeglicher Farbe zu sehen. "Scheiße, hier ist ja ein übles Blutbad gewesen", entfuhr es ihm.
Connor folgte der Stimme und ergänzte seine erlangten Informationen: "Ihr Name war Mara Rodriguez, 39 Jahre alt und alleinerziehend. Sie starb an 15 Messerstichen. Ihre Tochter ist Carla Rodriguez, 14 Jahre alt. Sie hatte nur eine Kopfverletzung und liegt bewusstlos im Krankenhaus. Beide hatten gemeinsam einen MC500 Androiden. Er müsste für diesen tragischen Fall verantwortlich sein."
Hank runzelte die Stirn und schaute zu seinen Kollegen. "Und das hast du anhand des Blutes herausgefunden?"
"Ich habe einen Polizisten befragt, bevor wir hereingekommen sind.", lächelte Connor frech.
"Hast du dich im ganzen Haus schon umgeschaut?", fragte ihn Hank.
"Bis jetzt nur im Wohnzimmer und hier in der Küche, Sir."
"Dann schau dich mal weiter um. Ich werde hier diese Kampfspuren festhalten." Hank zückte eine seiner Kameras aus seiner Tasche und fokussierte eines der Spuren.
Connor nickt und verließ die Küche und ging den hinteren Gang entlang. Für ihn war es sonderbar, dass nirgendwo "rA9" stand. Es war üblich, dass jeder Abweichler eine Figur oder ein anderes Zeichen von rA9 irgendwo festgehalten hatte. Seltsam.
Er ging durch mehrere Türen und entdeckte das Kinderzimmer von Carla. Es war ein kleines, aber schlichtes Zimmer für ein 14-jähriges Mädchen. Connor scannte den Raum und entdeckte ein Tagebuch. Als er hinein schaute, las er öfters den Eintrag "Ich habe Angst". Höchstwahrscheinlich hatte Carla Angst vor dem Androiden, der ihre Mutter getötet hatte. Er musste ihn so schnell wie möglich finden.
Er untersuchte jede Ecke und jedes Regal des Raumes. An den Wänden hingen auch ein paar Bilder der Rodriguez Familie. Einige zeigten ältere Fotos, auf denen höchstwahrscheinlich der Vater der Familie zu sehen war.
Auf späteren Bildern war der Vater nicht mehr zu sehen. An seiner Stelle stand nun der MC500 Android. Connor betrachtete die Bilder genauer, während er sich dem Kleiderschrank näherte. Er spürte eine Mischung aus Neugier und Unbehagen, als er die Tür öffnete. Doch statt Kleidung flog ihm ein Messer entgegen und traf seine rechte Schulter.
~~~
Es entstand ein wilder Kampf zwischen den beiden Androiden. Die Schläge waren schnell und präzise, begleitet von einem metallischen Klirren, wenn ihre Gliedmaßen aufeinander trafen.
Connor, trotz des Messers in seiner Schulter, kämpfte mit bemerkenswerter Entschlossenheit. Jeder seiner Bewegungen war berechnet, während er versuchte, den anderen Androiden zu überwältigen.
Der Android, den er bekämpfte, war stark und geschickt. Seine Bewegungen waren fließend und mühelos, und er versuchte, Connors Griff zu entkommen. Doch Connor hielt ihn fest auf dem Boden, seine Kräfte mit der Entschlossenheit eines erfahrenen Jägers.
Inmitten des Kampfes prallten Möbel umher, zerbrochenes Glas klirrte auf dem Boden. Die Atmosphäre war gespannt und bedrohlich, während die beiden Androiden verbissen um die Kontrolle rangen.
Schließlich gelang es Connor, den anderen Androiden zu überwältigen und ihn zu Boden zu zwingen. Er hielt ihn fest im Griff, während er sich auf seine nächste Aktion vorbereitete.
~~~
Ein lautes Rumpeln schallte durch das gesamte Haus. Als Hank genervt Connors Namen schrie und keine Antwort erhielt, ging er der Sache nach.
In einem Anflug von Panik stürmt Hank in das Zimmer, sein Herz pocht laut in seiner Brust und Adrenalin durchströmt seinen Körper. Sein Blick fällt auf die blutige Szene vor ihm, und für einen Moment droht seine Fassung zu verlieren.
"Scheiße, wir brauchen Verstärkung. Sofort!!Und einen Androiden-Arzt, oder so", schreit Hank quer durch das Haus.
Die Polizisten, die vor dem Haus standen, kommen mit gezogenen Waffen und ernsten Gesichtern herein und nehmen sofort die Situation in Augenschein. Einige von ihnen eilen zu Connor, um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien, während andere den gesuchten MC500 festnehmen und fesseln.
Doch Connor behält seine ruhige Stimme, trotz der Stichwunde in seiner Schulter. "Passt auf, wenn er zu viel Stress hat, dann kann er sich abschalten."
"Messer in der Schulter und trotzdem noch ein besserwisserisches Arschloch spielen. Wir sind auch nicht von vorgestern.", murmelte Hank genervt, während sich sein Herzschlag allmählich beruhigte. Der MC500-Android wurde von den Polizisten in diesem Moment nach draußen gebracht.
"Ich brauch 'nen Whiskey", sagte Hank mit einem genervten Ton und stolzierte langsam Richtung Haustür. "Und du solltest deine Schulter mal in Ordnung bringen."
Doch Connor erinnerte sich noch an einen wichtigen Termin, der gestern im Police Department angekündigt wurde. Nur war zu dem Zeitpunkt Connor allein in dem Gebäude. Hank hatte kein Interesse Überstunden zu machen. "Lieutenant, Mr. Fowler wollte noch mit Ihnen sprechen", erklärte er, während er Hank hinterherging.
Doch Hank brummte nur verärgert. "Wenn's wichtig wäre, hätte er es schon gestern ankündigen sollen."
Connor öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, wurde jedoch von Hank abrupt unterbrochen, der einen genervten Blick zu ihm warf und energisch hinzufügte: "Das reicht jetzt, Connor. Ich habe keine Energie mehr dafür."
Es war klar, dass er keine Chance hatte, Hank weiter zu überreden.
Connor konnte nichts mehr ergänzen. Zum einen wollte er Hank nicht noch mehr nerven, und zum anderen hätte er sich so oder so nicht überreden lassen.
Also verließen sie das Gebäude.
Chapter 3: Die zweite Chance?
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Der nächste Tag brach an, und Connor wartete gespannt an seinem Schreibtisch auf Hank. Hank war gleich nach ihrem Auftrag nach Hause gefahren und hatte sich um seinen Hund Sumo gekümmert.
Zumindest behauptete er das.
Als die Tür aufging und Hank das Polizeidepartment betrat, richtete sich Connor sofort auf und begrüßte ihn.
"Guten Morgen, Lieutenant. Mr. Fowler wollte mit Ihnen sprechen-", begann er, doch wurde abrupt von Hank unterbrochen.
"Ja, Ja, ich weiß", murmelte Hank und wirkte mürrisch, als er neben Connor ging.
Gemeinsam betraten sie den Raum von Jeffrey Fowler. Connor nutzte die Gelegenheit, um die Umgebung zu analysieren.
Das Büro war sehr modern und ordentlich. Die Glastür verlieh dem Raum eine luftige Atmosphäre, und die Wände waren in verschiedenen Blautönen gestaltet. An der Wand hingen verschiedene Zertifikate und Auszeichnungen, die Jeffrey's Erfolge und Qualifikationen bezeugten.
Jeffrey schaute kaum von seinen Blättern hoch, als er sprach. "Mit der Zeit bist du auch nicht so befreundet, Hank. Oder?"
"Ich hatte eine Menge zu tun. Ihr habt mir 'ja diese Arbeit angedreht'", entgegnete Hank mit einem Hauch von Reizbarkeit in seiner Stimme.
Jeffrey seufzte. "Kommen wir gleich zur Sache. Ich bin maßlos enttäuscht von eurer Arbeit. Ihr habt kaum Erfolge vorzuweisen und die, die ihr bis jetzt vorzuweisen habt, sind kaum vollständig und kaum nutzbar."
Er beugt sich nach vorn und spricht direkt zu Hank, seine Miene voller Enttäuschung.
"Ich dachte wirklich, dass du das hinbekommst. Du hast einen Androiden als Unterstützung bekommen. Du weißt, wie teuer diese Dinger sind. Und selbst mit ihm scheiterst du an deinen Aufträgen."
Connors Licht leuchtet gelb, und eine Anspannung liegt in der Luft. Es sieht nicht gut aus für die beiden. Er versucht, Mr. Fowler zu beruhigen.
"Nicht ganz. Lieutenant Anderson und ich haben letzte Nacht den MC500 eingefangen, ohne größere Schäden anzurichten. Er sitzt jetzt in einer unserer Zellen."
"Und doch spricht er kein Wort über die Tat. Das hätten wir uns auch sparen können", seufzt Jeffrey und reibt sich die Stirn. Er zeigt mit dem Finger auf Connor und blickt Hank an. "Außerdem, Hank, musste dein Android repariert werden. Cyberlife hat mir eine Mail geschrieben."
Die Situation ist angespannt, und Connor spürt den Druck, den Jeffrey auf sie ausübt. Er überlegt, wie er die Lage entschärfen kann, während er die Gedanken des Leiters analysiert.
"Jeffrey, wir sind kurz davor, den Fall zu lösen. Wir haben Fortschritte gemacht, um herauszufinden, warum die Abweichler entstehen und welche Motive sie zu ihren Taten treiben. Wir brauchen nur noch etwas mehr Zeit. Das ist alles."
Das ist das erste Mal, dass Connor Hank so aufgebracht erlebt. Er findet es bemerkenswert.
Doch Jeffrey findet es weniger bemerkenswert. "Nein. Du hast genug Zeit bekommen. Wir müssen jetzt andere Maßnahmen ergreifen, sonst riskieren wir einen Bürgerkrieg zwischen den Menschen unter sich und zwischen den Menschen und den Android."
Hanks Stimme wird lauter. Er kann es nicht fassen, dass alles umsonst war. Er musste umsonst mit einem Androiden zusammenarbeiten. "Ich habe nicht umsonst mit dieser Blechbüchse zusammengearbeitet. Ich will wenigstens etwas Erfolg haben, Jeffrey" Hanks Stimme zitterte leicht. Er wollte nicht, dass alles umsonst gewesen war. "Gib mir wenigstens noch eine Chance."
"Hank, ich bin mir nicht sicher, ob ihr bei der zweiten Chance größere Erfolge haben werdet."
"Bitte, Jeff", flehte Hank.
Jeffrey schwieg einen Moment und starrte Hank ernst an, während er über die Situation nachdachte. Es war riskant aber es gab eventuell eine Möglichkeit, die ihnen helfen könnte.
Die Spannung im Raum war förmlich spürbar, als er schließlich sprach. "Na schön... na schön" Er seufzte sehr stark. "Ihr bekommt noch eine letzte Chance. Mit einer Bedingung."
Die Augen von Hank und Connor weiteten sich vor Erleichterung, als sie auf die Bedingung warteten.
"Ihr bekommt noch ein weiteres Teammitglied", fügte Jeffrey hinzu und machte damit die Bedingung klar.
Hank und Connor tauschten einen Blick aus, und ihre Gedanken schienen sich zu überschlagen, während sie über die Konsequenzen dieser Entscheidung nachdachten.
"Och nö...einen weiteren Androiden?" Hank schaute flehend zu Jeffrey. Er wollte nicht noch einen Androiden an seiner Seite haben. Er überlegte kurz, ob er seine Diskussion vor einer Minute bereuen sollte.
Mr. Fowler lachte leicht und kramte in seiner Schublade. "Nein, sie ist eine Bekannte von mir. Sie ist Privatdetektivin und schuldet mir noch einen Gefallen." Er reichte Hank eine alte Visitenkarte. "Ihr Name ist Roseanne Herrington. Sie ist ein sehr netter Mensch, und ich denke, ihr werdet gut miteinander auskommen. Jedenfalls hoffe ich das."
Connor spähte über Hanks Schulter und analysierte die Visitenkarte. Sie wirkte sehr schlicht und übersichtlich, verziert mit ihrer Telefonnummer und Adresse.
"Ich werde sie gleich anrufen und fragen, ob sie Interesse hätte... wenn nicht." Er musste den Satz nicht beenden, und Hank wusste, was er meinte. Wenn sie kein Interesse hatte, würden sie keine Unterstützung erhalten und somit keine zweite Chance bekommen.
Hank bedankte sich bei Jeffrey und verließ sein Büro. Connor folgte ihm unauffällig.
~~~
"Scheiße", fluchte Hank und trank seinen kalten Kaffee in einem Zug aus. Connor beäugte das Ganze und versuchte, Hank zu beruhigen.
"Falls sie so fähig ist, wie es Mr. Fowler sagte, haben wir durch sie eine Chance von 33,3%, dass wir weiter vorankommen, Sir."
"Das ist'n Drittel, richtig?" Hank schaut den Androiden mit einem leicht ironischen Blick an.
"Korrekt."
Hanks Mundwinkel zuckten leicht. Es erschien ihm absurd, worauf er sich wieder einlässt.
Chapter 4: der Gefallen
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Ein langer Tag neigt sich dem Ende, und eine letzte Tasse Tee steht unberührt auf dem Schreibtisch der Detektivin. Die Unterlagen vor ihr stapeln sich schon seit Tagen. Es sind alles Aufträge, die entweder nur aus Fundsachen bestehen oder aber vermisste Personen betreffen. Die Menschen, die jedoch "vermisst" werden, sind einfach nur geflohen. Das konnte man schnell nachweisen, wenn man bei der Grenzkontrolle anrief. Roseanne zerknüllt das nächste Blatt, doch zum Werfen kommt sie nicht. Sie wird von einem Anruf unterbrochen. Eigentlich hätte sie Feierabend, aber eine kleine Hoffnung auf etwas Interessantes gibt es dann doch.
Schnell rattert sie ihre einstudierte Begrüßung ins Telefon. "Privatdetektivin Herrington, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Rose? Ich bin's, Jeffrey."
Seine Stimme bringt ein nostalgisches Gefühl in ihr hervor. Sie lehnt sich entspannt zurück. "Jeff, lange nichts mehr von dir gehört. Wie geht's dir?"
Jeffrey seufzt am anderen Ende der Leitung.
„Es könnte besser sein, Rose. Ich würde sehr gerne mit dir plaudern, aber ich muss gleich zum Punkt kommen", sagte Jeffrey mit einem Hauch von Bedauern in der Stimme. Roseanne spürte die Dringlichkeit in seinen Worten und richtete sich auf, bereit, ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
"Ich habe einen Auftrag für dich, der dringend ist und jemanden wie dich erfordert."
Roseanne's Interesse ist geweckt. Mit einem Arm schiebt sie den Stapel Unterlagen zur Seite, sodass die Blätter auf den Boden fallen und quer im Raum verteilt sind.
Sie holt sich schnell einen Notizblock und einen Stift. "Erzähl mir mehr. Was ist los?"
Jeffrey erklärt ihr die Situation und warum er gerade sie braucht.Er erzählte ihr jedes Detail der letzten Wochen und erklärte, dass, falls sie den Fall nicht annehmen sollte, Hank und Connor ihre Arbeit aufgeben müssten.
"Ein Lieutenant und ein Android..." Roseanne's Stimme wird etwas leiser. Sie ist etwas zurückhaltend gegenüber Androiden. Sie weiß manchmal nicht, wie sie mit ihnen umgehen soll, da sie so aussehen, sprechen und hantieren wie Menschen, aber keine sind. ".. und falls ich nicht annehme.."
"Mach dir keine Sorgen. So schlimm wird es nicht. Lieutenant Hank Anderson ist etwas... eigen und direkt, aber kein schlechter Mensch, und sein Androide ist sehr pflegeleicht."
"Was für ein Android ist es? Ist er fähig?" Ihre Stimme wurde ernster, und sie wandte sich zum Fenster. Draußen erstreckte sich die Dunkelheit der Nacht.
"Ein RK800. Er wurde extra von CyberLife geschickt", antwortete Jeffrey.
Roseanne zögert. Sie ist sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, doch Jeffrey unterbricht ihre Gedanken.
"Aber...." Er überlegte, ob er es wirklich riskieren sollte. Jedoch entschied er sich dafür.
"Rose, ich löse meinen Gefallen ein."
Jetzt wird ihr klar, wie wichtig die Situation ist und wie sehr die zwei ihre Hilfe benötigen. Sie seufzt hörbar ins Telefon und ist leicht angespannt.
"Na schön. Ich werde morgen vorbeikommen und mir einen Überblick verschaffen..."
Jeffrey klingt erleichtert. "Danke, Rose. Du wirst es nicht bereuen. Wir sehen uns morgen."
Sie legte auf, ohne etwas zu erwidern. Der neue Job wird sie jetzt erst einmal beschäftigen, und endlich kann sie den ganzen Stapel unerledigter Aufträge vergessen. Sie lehnte sich zurück und seufzte tief. Die Aussicht auf eine neue Herausforderung fühlte sich fast befreiend an. Endlich hatte sie die Gelegenheit, etwas Spannendes zu tun und aus dem Trott der täglichen Routine auszubrechen. Zwar war der Fall nicht das, was sie erwartet hatte, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass sie endlich über ihren Schatten springt. Roseanne wusste, dass dieser Auftrag sie aus ihrer Komfortzone zwingen würde, doch genau das könnte die Veränderung sein, die sie braucht.
Roseanne schnappte sich ihre Jacke vom Kleiderhaken und machte sich auf den Weg nach Hause. Die kühle Abendluft empfing sie, als sie durch die dunklen Straßen von Detroit zu ihrer kleinen Wohnung wanderte. Die Straßenlaternen warfen lange Schatten, und der Klang ihrer Schritte hallte auf dem Pflaster wieder.
Zu Hause angekommen, ließ sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen und starrte an die Decke.
Morgen würde sie zwei neue Kollegen haben. Die Gedanken kreisen in ihrem Kopf, während sie sich vorzustellen versuchte, wie es sein würde, mit einem Androiden und einem mürrischen Lieutenant zusammenzuarbeiten.
"Ein RK800...", flüstert sie zu sich selbst.
Chapter 5: Willkommen zurück
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Die Türen des „Detroit Police Department“ öffneten sich mit einem leisen Zischen, und Roseanne trat hinein. Der Duft von frischem Kaffee und abgestandener Büro-Luft stieg ihr in die Nase, eine Mischung, die ebenso vertraut wie wenig einladend war. Überall um sie herum huschten gestresste Angestellte hin und her, ihre Gesichter geprägt von Erschöpfung und dem Druck, den endlosen Aktenberg zu bewältigen.
Roseanne ließ ihren Blick schweifen, während sie langsam durch das Foyer ging, darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie suchten das Büro von Jeffrey Fowler, wollten aber so unauffällig wie möglich wirken.
Eine selbstbewusste, männliche Stimme reißt sie aus ihren Gedanken.
„Normalerweise gibt es hier eine Anmeldung, bevor man einfach so reinmarschiert. Aber bei hübschen Frauen kann man auch mal eine Ausnahme machen.“
Sie drehte sich um und sah einen Mann mit braunen Haaren und legerer Kleidung, der ihr ein französisches Lächeln zuwarf. Seine Hände stecken lässig in den Taschen, bevor er ihr eine mit einer einladenden Geste entgegenstreckte.
„Ich bin Detective Gavin Reed“, fügte er hinzu und zwinkerte leicht. „Aber Gavin reicht völlig aus.“
Roseanne erwiderte seinen Handschlag nur zögerlich, ihre Finger so fest wie nötig. Der unterschwellige Flirt in seinem Tonfall löste in ihr Abneigung aus, die sie nur mit Mühe überspielte.
"Detective Roseanne Herrington," stellte sie sich knapp vor und zog ihre Hand zurück, als wäre sie verbrannt.
Gerade, als Gavin etwas erwidern wollte, öffnete sich eine Tür, und ein Mann mit grauen Haaren und einem ausdruckslosem Gesicht kam auf sie zu. Seine Schritte hallten schwer auf dem Boden, und seine Haltung strahlte genervte Autorität aus.
"Kein Flirtplatz hier, Reed," knurrte er. "Das hier ist immer noch eine Polizeistation, falls du es vergessen hast."
Gavin ließ sich nicht beirren. "Guten Morgen, Lieutenant Anderson... wobei es eigentlich schon später Nachmittag ist."
Hanks Augen verengten sich, sein Blick ein scharfes Messer, das Gavin förmlich aufspießte. Roseanne hatte das Gefühl, dass ein Wort zu viel von Gavin die Situation zum Eskalieren bringen könnte. Sie trat schnell dazwischen, um die angespannte Stimmung zu entschärfen.
"Sind Sie Lieutenant Hank Anderson?" fragte sie und ignorierte Gavin bewusst. Sie streckte Hank ihre Hand entgegen, ein professionelles Lächeln auf den Lippen. "Ich bin Detective Roseanne Herrington, Ihre neue Kollegin."
Hank blickte sie an, als wolle er ihren Wert in Sekundenbruchteilen einschätzen. Dann winkte er ihre ausgestreckte Hand weg, als wäre sie ein überflüssiges Detail, und drehte sich um.
"Ja, ja, Jeffrey hat mir schon von dir erzählt," grummelte er, während er in Richtung seines Schreibtisches marschierte.
Roseanne ließ Gavin hinter sich stehen und folgte Hank.
"Jeffrey hat mir von Ihrer... ähm... Situation berichtet," begann sie, bemüht, die Konversation wieder aufzunehmen. Ihre Stimme war ruhig, fast beschwichtigend. "Ich habe mich mit einigen Ihrer Fälle befasst. Mir ist aufgefallen, wie komplex die Muster sind. Jeder abweichende Android war ein anderes Modell, ein anderes Baujahr, und selbst die Tatwaffen schienen nie die gleichen zu sein—"
Hank schnitt ihr das Wort ab, indem er mit dem Kopf auf einen Androiden deutete, der reglos auf einem Stuhl neben seinem Schreibtisch saß.
"Ich glaube, du wirst dich mit dem da gut verstehen," sagte er trocken.
Der Android erhob sich, als sie näherkamen.
"Guten Morgen, Lieutenant. Und..." Seine LED leuchtete gelb auf, als seine Augen auf Roseanne fielen. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, während die beiden sich ansahen. Roseanne wusste nicht, was sie von ihm halten sollte, und Connor schien ebenfalls die Situation einzuschätzen.
Hank kümmerte sich derweil nicht um die stumme Interaktion. Er stellte seine Tasche auf den Schreibtisch und zog einen Ordner hervor.
"Das ist Detective Roseanne Herrington," sagte er beiläufig und nickte in ihre Richtung. "Unsere neue Komplizin."
„Ich bin Connor, ein RK800-Modell. Freut mich, Sie kennenzulernen Miss Herrington", sagte der Android in seiner gewohnt neutralen, aber leicht stockenden Stimme. Seine braunen Augen fixierten Roseanne mit einer fast unmerklichen Neugierde, die in seinem schlichten Ausdruck lag.
„Ihr könnt mich gerne Roseanne nennen." Sie lächelte höflich, ihre Stimme warm, aber zurückhaltend. Ihr Blick wanderte kurz durch den Raum, als würde sie versuchen, sich ein Bild von ihrer neuen Umgebung zu machen. „Ich muss zu Jeffrey Fowler ... Wo befindet sich sein Büro?"
Hank, der sich gerade halbherzig in seinen Stuhl fallen ließ, deutete mit einem kurzen Fingerzeig auf eine Glastür am Ende des Raums. „Da drüben."
„Danke vielmals."
Mit einem leichten Nicken drehte sich Roseanne um und ging in Richtung der Glastür. Ihr Gang war ruhig, aber entschlossen, wobei sie kaum Notiz von den neugierigen Blicken einiger Kollegen nahm, die ihren Weg kreuzten.
Connor, der ihrem Abgang mit einem geneigten Kopf folgte, schien die Begegnung noch immer zu verarbeiten. Schließlich murmelte er mehr zu sich selbst als zu Hank: „Sie ist irgendwie ... seltsam."
Hank, der gerade einen Schluck von seinem altbekannten kalten Kaffee nahm, hob eine Augenbraue und warf Connor einen skeptischen Blick zu. „Mich wundert es, dass gerade du das sagst," brummte er, seine Stimme voll sarkastischer Belustigung.
Connor richtete sich auf, seine LED leuchtete kurz gelb, bevor sie wieder in das neutrale Blau zurückkehrte. Er war nicht ganz sicher, was Hank meinte, entschied sich aber, die Bemerkung nicht weiter zu hinterfragen.
~~~
Roseanne öffnete die Glastür zu Jeffrey Fowlers Büro. Das leise Klicken des Türmechanismus ließ Jeffrey aufblicken, und seine Augen leuchteten auf wie die eines Kindes, das gerade ein lange ersehntes Geschenk erhält.
„Rose! Du bist hier!" Sein Ton war warm und aufrichtig erfreut.
Ohne zu zögern, erhob er sich von seinem Schreibtisch und trat ihr entgegen. Sie tauschten eine freundschaftliche Umarmung, bei der die Formalität eines Geschäftstreffens für einen Moment in den Hintergrund trat.
„Es ist wirklich lange her", sagte Roseanne und lächelte, während sie sich leicht zurücklehnte, um ihn anzusehen.
„Viel zu lange", erwiderte Jeffrey, und seine Stimme schwang vor Nostalgie. Kurz verloren sie sich in Erinnerungen an alte Zeiten – Geschichten von früheren Fällen, gemeinsamen Erfolgen und den gelegentlichen Katastrophen, die sie gemeinsam gemeistert hatten. Doch schließlich wurde Jeffrey wieder ernst.
„Aber ich fürchte, wir müssen zum Geschäftlichen kommen." Er deutete auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch, und Roseanne setzte sich, während er zurück auf seinen Platz ging.
Er erklärte ihr ausführlich die Aufgaben, die auf sie zukamen. Mit seiner gewohnten sachlichen Art ging er auf die Details der laufenden Ermittlungen ein, was sie beachten musste, und die besonderen Herausforderungen, die die Zusammenarbeit mit Lieutenant Anderson und dem RK800 mit sich bringen könnte.
~~~
„Und keine Sorge“, fügte er hinzu, als er bemerkte, wie Roseanne ihren Kopf leicht schief legte, um ihm aufmerksam zuzuhören. „Wenn es nicht klappt – und ich sage das nicht, weil ich daran glaube, dass ihr scheitern werdet –, dann wird dein Ruf nicht darunter leiden. Niemand wird dir einen Vorwurf machen.“
Roseanne nickte langsam. Das war ein wichtiger Punkt für sie, auch wenn sie selten dachte, dass ein Fehlschlag sie definieren könnte. Doch Jeffrey wusste, wie er ihr die nötige Sicherheit geben konnte.
Am Ende sprach sie noch kurz über die Bezahlung, wobei Jeffrey darauf bestand, dass sie für ihre Zeit und Mühen angemessen entlohnt würde. Schließlich stand er auf und führte sie aus dem Büro zu ihrem neuen Arbeitsplatz.
„Ich habe dir einen Schreibtisch organisiert – den alten, den du früher schon mal hattest. Ist das okay?“
Roseanne lächelte breit, als sie den vertrauten Ort sah. „Perfekt. Es fühlt sich schnell so an, als wäre dazwischen nichts passiert.
Der Schreibtisch war schlicht, aber ordentlich – ein kleiner Rückzugsort inmitten des geschäftigen Treibens des Polizeireviers. Während sie ihn mit den Fingerspitzen abtastete, durchströmte sie ein unerwartetes Gefühl von Vertrautheit.
„Danke, Jeffrey“, sagte sie schließlich.
„Na klar, Rose. Willkommen zurück.
Chapter 6: die Lücke
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Roseanne richtete ihren Schreibtisch ein, wie sie es gewohnt war. Notizblöcke, Stifte und Akten lagen akkurat verteilt, als hätte sie ein kleines Ritual daraus gemacht. Mit einer Pinnadel befestigte sie ein kleines Foto an der Wand über ihrem Schreibtisch. Sie betrachtete es für einen Augenblick und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, bevor sie sich abwandte.
Statt sich hinzusetzen, begann Roseanne durch das Department zu laufen. Ihre Schritte waren ruhig, fast lautlos, während sie den Raum mit scharfen, prüfenden Blicken inspizierte. In den zwei Jahren, in denen sie nicht hier gewesen war, hatte sich wenig verändert. Es gab schon damals Androiden, die einfache Polizeiarbeiten verrichteten, aber keiner von ihnen hatte die Rolle eines Detektivs übernommen, wie Connor.
Der offene Grundriss des Gebäudes war ihr vertraut – das schlichte, kühle Design mit gläsernen Bürowänden verlieh dem Ganzen einen modernen, aber sterilen Charakter. Ihre Augen glitten zu der altmodischen Küche, die immer noch so unmodern wirkte wie in ihrer Erinnerung. "Typisch", dachte sie und schnaubte leise, als sie die vergilbte Kaffeemaschine aus dem Augenwinkel sah.
Während sie durch die Abteilung lief, spürte sie die Blicke einiger Polizisten auf sich ruhen. Sie hatte hier früher gearbeitet, wenn auch nur für kurze Zeit, und war nie jemand gewesen, der Smalltalk hielt oder sich bei sozialen Aktivitäten zeigte. Wozu auch? Für sie war es immer nur ein Job gewesen, keine Bühne für Freundschaften.
Schließlich erreichte sie einen schmalen Gang, der zu einer Glastür führte. Sie blieb kurz davor stehen und schaute durch das Glas. Dahinter standen mehrere Androiden hinter einer weiteren Glaswand – schlichte, mechanische Modelle, die wie einfache Haushaltsroboter wirkten. Sie musterte sie für einen Moment.
~~~
Ein Brummen von Hank riss Connor aus seiner Arbeit. Beide saßen an einigen Berichten, die sie über ihre letzten Fälle schreiben mussten.
"Reicht. Ich geh' nach Hause", brummte Hank und streckte sich, wobei seine Gelenke knackten. Er schaltete seinen Computer aus und schob seinen Stuhl geräuschvoll zurück an den Schreibtisch. "Du kannst, denke ich, auch Feierabend machen. Dein Speicher könnte sich mal erholen."
Connor nickte höflich. "Bis morgen, Lieutenant." Doch Hank antwortete nicht mehr. Er nahm seine Jacke und verschwand aus dem Gebäude, während die kühle Nachtluft durch die sich schließende Tür hereinwehte.
Connor wusste, dass Hank nicht direkt nach Hause gehen würde. Er würde sich in Jimmy's Bar einen oder mehrere Drinks gönnen, wie es seine Gewohnheit war.
Als Connor den Blick von der Tür abwandte, bemerkte er Roseanne, die durch das Gebäude schlenderte. Ihre braunen Augen scannten jedes Detail, und er konnte fast spüren, wie ihr Verstand alles analysierte und verarbeitete. Unwillkürlich musste er lächeln. Er stand auf und ging, ohne es bewusst zu planen, auf sie zu.
~~~
"Hier befinden sich unsere bisherigen Abweichler, die wir in Gefangenschaft nehmen konnten", erklang Connors ruhige Stimme, die in Roseannes Ohr hallte.
Sie drehte sich zu ihm um und lächelte leicht. "Ja, das habe ich mir schon gedacht."
Connor öffnete die Tür zu einem kühlen Raum und führte Roseanne hinein. "Das ist der letzte. Ein MC500. Er wird verdächtigt, eine 39-jährige alleinerziehende Mutter höchstwahrscheinlich getötet und ihre 14-jährige Tochter schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht zu haben."
"Wahrscheinlich?", fragte Roseanne und warf Connor einen durchdringenden Blick zu. Ihre Miene verriet, dass sie mehr wissen wollte – dass sie spürte, dass etwas an der Geschichte nicht stimmte.
Beide standen vor der Zelle, in der der besagte Android saß. Er hockte regungslos in der Ecke, seine mechanischen Augen fixierten die beiden, doch sein Körper rührte sich keinen Zentimeter.
"Die Beweise sprechen stark gegen ihn", erklärte Connor und wandte seinen Kopf in ihre Richtung. Ihre Blicke trafen sich erneut, doch Roseannes fragender Ausdruck blieb bestehen.
"Aber?"
Connor zögerte einen Moment. "Er wirkt nicht wie ein Abweichler."
„Wie meinst du das?", fragte Roseanne den Androiden, ihre Stirn leicht gerunzelt. Connor schien in Gedanken versunken, seine Bewegungen zögerlich, fast untypisch für ein so präzises Wesen wie ihn. Roseanne beobachtete ihn einen Moment, bevor sie sanft an seinem Ärmel zog. „Wir sollten das nicht hier bei den Androiden besprechen."
Connor's LED wechselte kurz zu einem gelben Puls, als ihre Hand ihn berührte. Schließlich nickte er nur stumm, und gemeinsam gingen sie zurück zu Roseanne's Schreibtisch.
Als sie dort ankamen, ließ Connor seinen Blick über ihren Arbeitsplatz wandern. Alles war aufgeräumt und akkurat arrangiert. – Notizblöcke, Stifte und sorgfältig sortierte Akten bildeten ein Bild fast schon makelloser Organisation. Doch sein Fokus blieb an der Pinnwand hängen, genauer gesagt, an einem kleinen Bild, das dort mit einer Pinnadel befestigt war.
„Deine Katze?", fragte Connor und neigte leicht den Kopf.
Roseanne trat neben ihn, folgte seinem Blick und betrachtete das Bild. Zu erkennen war eine kleine schwarze Katze, die in einem rustikalen Karton am schlafen war. „Ja... irgendwie schon. Sie lief mir einfach eines Tages zu... sie heißt Merlin."
„Merlin? Wie der Zauberer?", fragte Connor, sein Tonfall sowohl neugierig als auch amüsiert.
Ein zartes Lächeln huschte über Roseanne's Gesicht, ihre Augen glitzerten bei der Erinnerung. „Ja. Sie war einfach da und verschwindet immer wieder auf magische Weise. Genau wie ein Magier."
Connor verzog seinen Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln, fast menschlich. Die Kreativität der Menschen faszinierte ihn immer wieder aufs Neue. „Es scheint, als hätte Merlin dich genauso ausgewählt, wie du sie benannt hast."
Roseanne lachte leise und nickte. „Ja, so könnte man es sagen."
Roseanne wechselte das Thema schnell und wandte sich wieder Connor zu. „Zurück zum Thema. Was ist deine Vermutung?"
Mit einem fast unmerklichen Nicken richtete sich Connor auf und lehnte sich lässig an die Kante ihres Schreibtischs, während sie sich auf ihren Stuhl sinken ließ und die Arme verschränkte.
„Der MC500", begann Connor in seinem gewohnt ruhigen Ton, „bettelte nicht um Vergebung. Er wirkte kühl und zeigte keinerlei Intention, sich zu erklären oder sein Verhalten zu rechtfertigen. Noch auffälliger: Nirgendwo gab es Hinweise auf rA9 – weder eine Botschaft noch eine der typischen Skulpturen."
Seine präzise Art zu sprechen faszinierte Roseanne immer wieder. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite, während sie nachdachte. „Interessant. Und wie habt ihr ihn festgenommen?"
Connor legte die Hände hinter seinen Rücken, als ob er einen Bericht erstattete.
„Wir fanden ihn im Kleiderschrank der Tochter des Opfers. Als ich ihn entdeckte und versuchte, ihn zu deaktivieren, griff er mich mit einem Messer an. Die Attacke war gezielt, aber ohne emotionale Überreaktion. Er hatte keine Fluchtabsicht, was bei einem Abweichler äußerst untypisch ist. Hank fand uns schließlich und rief Verstärkung. Die eintreffenden Beamten nahmen ihn fest."
Roseanne ließ seine Worte auf sich wirken. Ihr Blick wanderte kurz über den Bildschirm ihres Computers, als ob sie eine innere Verbindung zu den Daten suchte. „Hört sich für mich an," begann sie langsam, „als wäre es eine Art Sabotage... vielleicht... eine Lücke im System?"
Chapter 7: Gavin
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Connor hob seine Augenbraue minimal, sein LED-Licht wechselte für einen Moment von Blau zu Gelb, als er diese Theorie verarbeitete. „Eine Lücke im System?" Er wiederholte ihre Worte, fast als wollte er sie auf ihre Bedeutung hin analysieren.
Roseanne lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Ja. Vielleicht wurde sein Programm manipuliert, um gezielt Abweichler nachzuahmen. Es könnte ein Versuch sein, Misstrauen zu säen – gegen Androiden und ihre Rolle in der Gesellschaft."
Connor betrachtete sie für einen Moment mit unverhohlener Neugier. „Eine interessante Hypothese. Solltest du recht haben, würde das bedeuten, dass hinter diesem Fall ein bewusster Plan steckt – möglicherweise ein Testlauf für etwas Größeres."
Roseanne spürte, wie ihr Puls schneller wurde. Sie liebte die Herausforderung, die in solchen Gedankenspielen lag, aber gleichzeitig fühlte sie auch den Druck, Antworten zu finden. „Das bedeutet, wir müssen tiefer graben. Vielleicht finden wir ja Hinweise in seiner internen Speicherbank oder in seinem letzten Bewegungsprofil."
Connor nickte zustimmend, seine Haltung wurde etwas nachdenklicher. „Ich werde die Daten noch einmal durchgehen. Vielleicht haben wir etwas übersehen."
~~~
Roseanne fuhr ihren Computer hoch, während der Bildschirm in blassem Blau aufleuchtete. „Connor, könntest du mir die Daten zu dem Androiden schicken?"
Connor wollte gerade zustimmen, als er durch ein lautes Räuspern unterbrochen wurde. Zu seinem Bedauern war es Gavin.
„Roseanne? Es ist schon ziemlich spät, und eine Frau sollte nicht alleine nach Hause gehen. Soll ich dich begleiten?" Seine Stimme klang selbstgefällig, ein überhebliches Lächeln spielte um seine Lippen.
Roseanne hielt inne. Ihr Blick wanderte kurz zu Connor, dann zurück zu Gavin. Sie zögerte. Es war ihr erster Tag, und sie konnte es sich nicht leisten, sich gleich Feinde zu machen. Widerwillig setzte sie an zu antworten – sie müsste wohl zustimmen, auch wenn sie es absolut nicht wollte.
Doch bevor sie etwas sagen konnte, erklang Connors kühle, monotone Stimme. „Detective Herrington hat gerade etwas Wichtiges zu tun. Sie wird sich später ein Taxi nehmen." Sein LED-Ring flackerte kurz gelb.
Gavin verengte die Augen, seine Miene verdüsterte sich. „Dich hat keiner gefragt, du Plastiktüte."
Roseanne verbarg ihr Schmunzeln – ein wütender Gavin und ein ungerührter Connor. Doch sie wusste, dass sie die Situation entschärfen musste.
„Connor hat leider recht, Gavin. Ich muss noch etwas erledigen, bevor ich nach Hause gehe ..."
Gavin atmete genervt aus, seine Kiefer mahlten. In seinen Augen war es allein die Schuld dieses verdammten Androiden, dass Roseanne seine Einladung ausschlug.
„Gut. Dann bis morgen", brummte er schließlich und stapfte davon. Das würde definitiv Konsequenzen haben.
Einen Moment lang herrschte Stille, dann sagte Connor sachlich: „Er hat Interesse an dir." Sein LED-Ring flackerte kurz gelb.
Roseanne zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst."
Connor musterte sie für einen Moment, dann zog ein kaum wahrnehmbares Lächeln über seine Lippen.
~~~
Nach einem Moment der Stille sprach Roseanne weiter. „Er mag dich nicht. Wieso?" Sie wandte sich wieder ihrem Computer zu.
„Er mag keine Androiden ... so wie die meisten Menschen. Viele sind verärgert, weil Androiden ihre Jobs übernehmen und sie ersetzen. Und ich bin derjenige, der seinen Job übernehmen könnte."
Sie nickte leicht. „Das tut mir leid."
Gavin war keine große Überraschung für sie. Er nutzte jede Gelegenheit, Connor herabzuwürdigen, stichelte bei jeder Möglichkeit und schien nur darauf zu warten, dass der Android einen Fehler machte.
Doch Connor ließ sich nie provozieren. Stattdessen begegnete er Gavins Wutausbrüchen mit stoischer Ruhe, was den Detective nur noch mehr in Rage brachte.
„Was ist mit Lieutenant Anderson? Er hat auch seine ... Vorurteile", warf Roseanne ein, während sie eine Notiz in ihre Akte schrieb.
Connor zögerte kurz, bevor er antwortete. „Hank hat seine persönlichen Gründe, nehme ich an."
Ohne ein weiteres Wort vertiefte sich Roseanne wieder in die Fallakte, während Connor in seinem internen Programm das Haus noch einmal durchging, um sicherzustellen, dass ihm keine wichtigen Details entgangen waren.
Schweigend arbeiteten sie nebeneinander, während die Uhr unaufhörlich weitertickte. Die Zeit verstrich, bis schließlich zwei Uhr morgens schlug.
„Du solltest nach Hause gehen", bemerkte Connor plötzlich.
Roseanne hob den Blick und stellte fest, dass er sie bereits beobachtete. Das Büro war leer – sie waren die einzigen noch verbliebenen Mitarbeiter. Die einzige Lichtquelle kam von der Lampe auf ihrem Schreibtisch, die den Raum in ein sanftes, warmes Leuchten tauchte.
Sie atmete erschöpft aus. „Na gut. Machen wir morgen weiter." Mit geübten Handgriffen speicherte sie ihre Daten, bevor sie den Computer herunterfuhr.
„Soll ich ein Taxi bestellen? Gavin hatte in diesem Punkt nicht ganz unrecht."
Roseanne zog eine Augenbraue hoch und grinste müde. „Es lässt dir keine Ruhe, wenn ich ablehne, oder?"
Connor musste nichts weiter dazu sagen. Er wusste, dass sie recht hatte – und sie wusste es ebenso.
Ohne eine weitere Diskussion bestellte er ihr ein Taxi, das schon nach kurzer Zeit vor dem Police Department hielt.
Connor begleitete sie nach draußen. Der kalte Nachtwind wehte über den leeren Parkplatz, während das schwache Licht der Straßenlaternen ihre Schatten verlängerte. Obwohl sie es ablehnen wollte, zahlte er die Fahrtkosten ohne ein Wort. Es war eine einfache Geste, doch typisch für ihn – sachlich, bestimmt und nicht zur Diskussion stehend.
„Danke. Gute Nacht", sagte sie mit einem leichten Lächeln, bevor sie in das Taxi stieg.
Während die Stadt langsam an ihr vorbeizog, zückte sie ihr Telefon und ließ das Display als provisorische Lampe dienen. Sie überflog ihre Notizen noch einmal, doch je länger sie darauf starrte, desto weniger Sinn ergab das Ganze ...
~~~
Connor blickte dem Taxi nach, bis es in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Er wusste, dass seine eigene Nacht hier noch lange nicht endete.
Mit einem kaum wahrnehmbaren Seufzen wandte er sich ab. Sein nächster Auftrag war unausweichlich – einen mürrischen Lieutenant aus einer Bar zu ziehen und ihn sicher nach Hause zu bringen...
Chapter Text
Roseanne erreichte endlich ihr Zuhause, doch an Schlaf war nicht zu denken. Sie ließ ihre Tasche achtlos auf das Sofa fallen und setzte sich direkt an ihren Schreibtisch. Der Schein ihrer Schreibtischlampe tauchte den Raum in ein warmes Licht, während sie ihre Gedanken noch einmal sorgfältig dokumentierte. Sie wollte sichergehen, dass ihr keine wichtigen Details entgingen.
Doch selbst nach Stunden intensiven Nachdenkens ergab das Puzzle für sie noch keinen klaren Sinn. Seufzend lehnte sie sich zurück und rieb sich die Schläfen. Vielleicht würde ein wenig Abstand helfen.
Bevor sie jedoch den Laptop schloss, entschied sie sich, Connor eine kurze Mail zu schreiben. Er hatte ihr seine Kontaktinformationen gegeben, als sie gemeinsam den Fall durchgegangen waren - für den Fall, dass neue Informationen auftauchten oder etwas Unvorhergesehenes passierte.
~~~
Währenddessen erreichte Connor Jimmy's Bar - denselben heruntergekommenen Laden, in dem er Hank zum ersten Mal getroffen hatte. Die schummrige Beleuchtung, der Geruch von abgestandenem Alkohol und das leise Gemurmel der wenigen verbliebenen Gäste änderten sich hier nie.
Und genauso wenig änderte sich der Anblick, der ihn erwartete.
Hank saß sturzbetrunken auf einem Barhocker, den Oberkörper schwer über sein Glas Whiskey gelehnt. Sein Blick war trüb, seine Hände ruhten locker auf der Theke, als hätte er kaum noch die Kraft, sein Glas zu halten.
„Was willst'n du hier?", lallte er, als Connor das Glas mit einem schnellen Griff aus seiner Hand nahm.
„Hey! Das ist mein's!" Doch als Hank danach greifen wollte, erwischte er nur die Luft.
Connor ließ sich nicht beirren. „Tut mir leid, Lieutenant, aber das reicht für heute."
Er stützte Hank und führte ihn nach draußen. Die kalte Nachtluft ließ den betrunkenen Mann missmutig grummeln, doch er wehrte sich nicht. Es war nicht das erste Mal, dass Connor ihn nach Hause brachte - in der Tat war es beinahe zu einer Routine geworden. Selbst der Taxifahrer, der fast immer um dieselbe Zeit hier wartete, schien das Spielchen längst zu kennen. Ohne ein Wort öffnete er die Tür, als Connor und Hank sich dem Wagen näherten.
Im Taxi lehnte Hank schwerfällig gegen das Fenster. Sein Kopf sackte langsam zur Seite, sein Mund stand leicht offen, und ein leises Schnarchen erfüllte den Innenraum. Typisch.
Connor ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen, doch plötzlich tauchte eine kleine Benachrichtigung in seinem Sichtfeld auf.
Neue Nachricht von: Roseanne Herrington
"Danke nochmal für das Taxi und komm gut nach Hause :)"
Sein LED-Ring leuchtete kurz gelb auf, während er die Nachricht betrachtete. Dann huschte ein kaum wahrnehmbares Lächeln über seine Lippen.
Ohne zu zögern, schrieb er zurück:
„Kein Problem. Ich bringe noch Lieutenant Anderson nach Hause. Er war noch in einer Bar"
„Oh, brauchst du Hilfe? Ich könnte noch schnell vorbeikommen", erschien als nächste Nachricht auf Connors Interface.
Sein Blick wanderte kurz zu Hank, der immer noch mit halb offenem Mund gegen das Autofenster lehnte und leise schnarchte. Sie waren fast an seinem Zuhause angekommen.
„Keine Sorge. Das ist nicht das erste Mal.", tippte Connor zurück.
Wenige Minuten später hielt das Taxi vor Hanks Haus. Connor zahlte die Fahrt und öffnete die Tür, um den betrunkenen Lieutenant herauszuziehen. Hank murmelte etwas Unverständliches, sein Gewicht lastete schwer auf Connor, doch dieser nahm es mit Gelassenheit hin.
Als sie das Haus betraten, trottete Sumo, Hanks riesiger Bernhardiner, mit neugierigem Blick auf sie zu. Er blinzelte Connor an, dann schnüffelte er interessiert an Hank, der schwankend auf seinen Füßen stand.
„Fass, Sumo...", lallte Hank mit schwacher Stimme, während er eine unkoordinierte Handbewegung machte.
Der Hund wedelte nur begeistert mit dem Schwanz, seine runden Augen funkelten freudig.
Connor ignorierte Hanks unzurechnungsfähige Befehle und zog ihn ins Schlafzimmer. Kaum hatte er den Lieutenant auf die Matratze sinken lassen, drehte sich dieser auf die Seite und begann noch tiefer zu schnarchen.
Mit einem letzten Blick auf Hank schloss Connor die Tür leise hinter sich.
~~~
Am nächsten Tag erschien Hank mit einem noch stärkeren Kater als sonst im Police Department. Schon beim Betreten des Gebäudes spürte er das unangenehme Pochen in seinem Schädel - er hatte es definitiv übertrieben. Wieder einmal.
Während er sich mit einem mürrischen Brummen zum Schreibtisch schleppte, fiel sein Blick auf Roseanne. Sie stand einige Meter entfernt und unterhielt sich mit ein paar Kollegen. Die Unterhaltungen wurden von klappernden Schlüsseln begleitet - sie holte sich offenbar Zugang zu einem bestimmten Bereich.
Hank ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen und rieb sich über das Gesicht. Als er wieder aufsah, bemerkte er Connors durchdringenden Blick, der auf Roseanne gerichtet war.
„Was hat sie vor?", fragte Hank misstrauisch.
„Sie möchte den Androiden befragen.", erwiderte Connor mit seiner gewohnten kühlen Stimme.
Hank zog eine Augenbraue hoch. „Sie denkt, sie kriegt mehr aus ihm raus als wir? Das wird ein verdammt unterhaltsames Schauspiel."
Schadenfroh schnappte er sich seine Tasse und schlurfte zur Kaffeemaschine, um sie mit frischem, schwarzen Kaffee aufzufüllen.
Als die Beamten sich in Richtung Verhörraum bewegten, ließ Hank es sich nicht nehmen, ihnen mit neugierigem Interesse zu folgen - und Connor war dicht hinter ihm.
~~~
Der Verhörraum war kühl, düster und bedrückend - genau so, wie er sein sollte. Die spärliche Beleuchtung warf harte Schatten auf die Wände, das monotone Summen der Neonröhren verstärkte die angespannte Atmosphäre.
Roseanne saß allein am Tisch, ihre Hände locker ineinander verschränkt. Gegenüber von ihr saß der MC500-Android, sein Blick starr auf die Tischplatte gerichtet. Kein Zucken, kein Anzeichen von Reaktion - nur eine leere, regungslose Hülle.
Hinter der verspiegelten Glaswand beobachteten Hank, Connor und einige andere Beamte das Geschehen.
Ein schweres Schweigen lag im Raum. Und die angespannte Stimmung war deutlich zu spüren.
Die Tür schwang auf, und Gavin betrat den Raum, in dem sich bereits mehrere Beamte versammelt hatten, um das Verhör zu beobachten. Seine Stirn legte sich in Falten, als er den anderen Raum betrachtete.
„Noch ein Verhör? Warum zur Hölle hat mir niemand Bescheid gegeben?"
Ein genervter Beamter zischte leise - ein kaum hörbares, aber deutliches Zeichen, dass Gavin sich zurückhalten sollte.
Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Wand, blieb in einer ruhigen Ecke stehen und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Schließlich blieben seine Augen auf Roseanne hängen.
Ihr langer, elegant gebundener Zopf fiel ihr über die Schulter, während sie konzentriert am Tisch saß. Trotz der kühlen Atmosphäre des Verhörraums strahlte sie eine bemerkenswerte Ruhe aus.
Gavin zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Mal sehen, ob sie wirklich etwas aus dem Androiden herausbekommen würde...
Notes:
Hello, ich versuche mindestens jede Woche ein Kapitel zu veröffentlichen.
Es könnte sich aber auch teilweise etwas verzögern, da ich leider viel zu tun habe...Aber DANKE fürs lesen :)
~PR(PS. Die Story gibt es auch auf Wattpad)
Chapter 9: Das Schweigen der Maschine
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Ihren Blick ließ sie aufmerksam über den Androiden wandern und nahm jedes noch so kleine Detail auf. Seine äußere Hülle wies keine sichtbaren Schäden auf, sein LED leuchtete konstant in einem kühlen Blau – ein Zeichen absoluter Neutralität.
Nach einigen Sekunden entschied sie sich, das Schweigen zu brechen. „Wie ist dein Name?"
Keine Reaktion.
„Fast jeder Android hat einen eigenen Namen bekommen. So wie Menschen."
Stille.
Roseanne griff nach einem Foto, das auf dem Tisch lag, und schob es langsam in Richtung des Androiden. Das Bild zeigte eine Frau mit einem jungen Mädchen – Mutter und Tochter. Beide lächelten. Ein glücklicher Moment, eingefangen in einem einzigen Bild.
„Mara Rodriguez ist tot. Und Carla liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Wegen dir."
Noch immer keine Reaktion. Kein Blinzeln, keine erkennbare Regung.
Hinter der Glaswand ließ Hank ein genervtes Schnauben hören und verschränkte die Arme. „Ich hab doch gesagt, das bringt nichts."
Bevor jemand darauf eingehen konnte, platzte Connor plötzlich heraus: „Gib ihr Zeit." Seine Stimme war fester als sonst, beinahe... entschlossen.
Hank zog überrascht eine Augenbraue hoch und musterte ihn skeptisch. Gavin hingegen funkelte Connor wütend an, die Kiefermuskeln angespannt.
Im Verhörraum stand Roseanne langsam auf und begann, um den Androiden herumzugehen. Ihr Blick blieb ruhig, fast berechnend. „Wenn du nicht redest, wirst du abgeschaltet. Ich hoffe, das ist dir klar."
Sie blieb neben ihm stehen, die Hände hinter dem Rücken gefaltet – ein kontrolliertes, distanziertes Auftreten. „Was auch immer passiert ist... es gibt immer eine Lösung." Die klassische Guter Cop, Böser Cop-Taktik. Eine Methode, die oft funktionierte. Doch der MC500-Android blieb stumm. „Hattest du einen Grund? Oder war es einfach ein Fehler in deinem System?"
Immer noch nichts. Kein Zucken, kein Blinzeln, nicht einmal ein Flackern der LED.
„Hast du es genossen?"
Schweigen.
...
Dann, ohne Vorwarnung, hob Roseanne die Hand und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Im Beobachtungsraum riss Hank die Augen auf. „Was zur Hölle?!"
Er ruckte vor, verschüttete dabei fast seinen Kaffee. Connor's LED flackerte rot, seine Haltung versteifte sich sichtbar.
„Ist die geisteskrank?!" Hank starrte ungläubig durch das Glas.
Gavin hingegen lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. „Oh, das wird interessant."
Normalerweise hätte der Android sofort reagieren müssen – aufstehen, sich wehren, irgendetwas tun. Doch er tat nichts. Keine Abwehr, keine Fluchtreaktion. Nur Schweigen. Roseanne atmete langsam aus und drehte sich dann zur Glaswand. Ihr Blick war kalt und berechnend.
„Schickt Connor rein."
Einen Moment lang herrschte völlige Stille. Dann wanderten alle Blicke zu Connor, der leicht nickte.
~~~
Connor strich sich unauffällig über sein Sakko, bevor er den dunklen Verhörraum betrat. Die Atmosphäre war eisig, die Spannung förmlich greifbar. Roseannes Blick wirkte kälter als sonst – distanziert und kontrolliert. Sie war vollkommen in ihrer Rolle aufgegangen.
Ohne ein Wort trat Connor neben sie, sein Blick auf den regungslosen Androiden gerichtet. Plötzlich spürte er eine leichte Hand auf seiner Schulter. Roseanne zog ihn sanft nach unten und beugte sich vor, ihr Flüstern kaum hörbar.
Was auch immer sie sagte, ließ ihn kurz innehalten. Dann – ein stummes Nicken von ihm. Ein Hauch eines Lächelns huschte über ihre Lippen.
Ohne weitere Verzögerung deaktivierte Connor die synthetische Haut seiner Hand. Kaltes, glänzendes Weiß ersetzte das täuschend echte menschliche Gewebe. Er streckte die Hand aus und legte sie auf den Arm des Androiden.
Sekunden verstrichen.
Ein leises Zucken durchfuhr den MC500, dann erlosch sein LED. Sein Kopf sackte leicht nach vorn.
Der Android war abgeschaltet.
~~~
„Hat das Aluminium gerade unseren Verdächtigen gekillt?!", schnaubte Gavin empört aus dem Beobachtungsraum heraus. Ohne zu zögern drehte er sich auf dem Absatz um und stürmte los. Hank, der sich mit einem tiefen Seufzen die Schläfe rieb, folgte ihm hastig.
Die Tür wurde mit einem lauten Knall aufgerissen. Gavin marschierte herein, seine Kiefermuskeln angespannt, die Augen vor Wut funkelnd. Hank stand im Türrahmen, die Arme verschränkt.
„Was soll der Mist?!" Gavins Stimme war scharf wie eine Klinge. Connor und Roseanne blickten ihm gelassen entgegen. Keine Spur von Nervosität. Connors Antwort kam ruhig, aber mit unmissverständlicher Schärfe: „Unsere Arbeit, Detective Reed."
„Seit wir dich hier rumsitzen haben, gehen unsere Aufklärungen bergab", fuhr Gavin fort, seine Wut schwelend, seine Kiefermuskeln angespannt.
„Das reicht jetzt." Hank brummte lauter, sein Geduldsfaden kurz vor dem Zerreißen. Doch bevor einer reagieren konnte, zog Gavin plötzlich seine Dienstwaffe – eine Glock 17 – und richtete sie direkt auf Connor.
Die Luft im Raum erstarrte.
„Was würde wohl passieren, wenn wir dich zerstören?" Gavins Finger lag locker auf dem Abzug. Ein kurzer Druck – und es wäre vorbei.
Roseanne erstarrte. Ihre Augen weiteten sich, ihr Atem stockte. Ihre Finger verkrampften sich unbewusst zu einer Faust.
Connor blieb regungslos. Sein LED-Ring flackerte kurz gelb, dann wurde er wieder blau. Ruhig und gefasst sah er Gavin direkt an. „CyberLife würde ein Duplikat von mir schicken mit demselben Wissen und denselben Informationen über die Abweichler. Mein Speicher wird jedoch keine Daten von den Arbeitskollegen haben, da ich solche Informationen nicht in der Cloud speichern kann. Das bedeutet, wir müssten uns gegenseitig wieder vorstellen." Seine Stimme war ruhig, sachlich – als hätte Gavin ihm gerade eine belanglose Frage gestellt.
Connor und Gavin hielten sich in einem stummen Duell gefangen. Gavins Blick loderte vor unterdrücktem Zorn, während Connors Ausdruck unerschütterlich blieb – eine unerschütterliche Gelassenheit, die Gavins Wut nur noch mehr anfachte.Die Sekunden zogen sich endlos in die Länge, und mit jeder davon wurde die Stille im Raum schwerer, drückender... beinahe bedrohlich. Keiner wich zurück. Keiner sprach ein Wort.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen den ersten Zug machte.
„Ich sagte, das reicht jetzt!", Hanks Stimme durchbrach die Stille wie ein Donnerschlag. Er hatte seine eigene Glock 17 gezückt – und richtete sie direkt auf Gavins Kopf.
Zwei Waffen. Zwei Männer. Ein Androide. Ein Funke und alles würde eskalieren.
Gavin knirschte mit den Zähnen, sein Blick bohrte sich in Hanks, suchte nach Unsicherheit – fand jedoch keine. Schließlich ließ er ein abfälliges Schnauben hören und steckte seine Waffe mit einem genervten Ruck zurück ins Holster.
„Du machst einen verdammt großen Fehler, Hank." Seine Stimme war ein dunkles Grollen, bevor er sich abwandte und mit harten Schritten zur Tür lief.
Hank murmelte kaum hörbar zu sich selbst: „Den Fehler habe ich schon vor Jahren gemacht." Sein Blick verharrte für einen Moment auf Connor, bevor er zu Roseanne schaute. Die angespannte Stille im Raum war erdrückend – niemand sprach es laut aus, doch die unausgesprochene Wahrheit stand zwischen ihnen: Androiden waren für viele hier nur Maschinen. Werkzeuge, austauschbar und seelenlos. Und Connor war da keine Ausnahme.
Gavin ließ ein abfälliges Schnauben hören, sein Kiefer mahlte vor unterdrückter Wut. „Ihr alle werdet schon sehen... Früher oder später geht das alles schief." Ohne ein weiteres Wort drehte Gavin sich um und stapfte davon.
Währenddessen schleppten einige Beamte den deaktivierten MC500 aus dem Raum, als wäre er nichts weiter als Elektroschrott. Kein Zögern, kein Interesse – einfach nur eine fehlerhafte Maschine, die entsorgt werden musste.
Hank atmete tief durch und wandte sich dann an Roseanne. „Ich hoffe, du hast eine verdammt gute Erklärung für das, was da gerade passiert ist."
Roseanne nickte ruhig. „Natürlich."
Ohne weitere Worte verließen sie den Verhörraum, doch die Spannung blieb. Kein Streit, kein Wutausbruch konnte das grundlegende Problem aus der Welt schaffen: Für die meisten hier war Vertrauen in eine Maschine keine Option. Und vielleicht... vielleicht hatten sie recht.
Chapter 10: Tag & Nacht
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Mit schnellen Schritten betraten Hank, Connor und Roseanne einen leeren Besprechungsraum. Am Schreibtisch hätten sie diese Unterhaltung nicht führen können – zu viele neugierige Ohren, meinte Roseanne.
Der Raum war genauso steril wie der Rest der Polizeibehörde: kühle Neonbeleuchtung, kahle Wände in Blau- und Grautönen, ein Tisch mit unbequemen Stühlen. Alles funktional, nichts einladend. Warum auch eine andere Farbe als Blau, Grau oder Weiß benutzen? Es ist ja kein Kindergarten.
Hank schloss die Tür mit einem leichten Knall und nahm einen tiefen Schluck aus seiner halb leeren Kaffeetasse. Seine Miene war angespannt, sein Ton gereizt.
„Also? Ich höre. Warum habt ihr den Abweichler ausschalten lassen?“
Connor öffnete den Mund, um zu antworten. „Sir, es war kein–“
Doch Hank fiel ihm sofort ins Wort. „Wirklich, die ganze verdammte Mühe für den Arsch.“
Roseanne hob beschwichtigend die Hand. „Hank.“
Er ignorierte sie und fuhr in seinem wachsenden Frust fort. Der Koffeinentzug und die pochenden Kopfschmerzen halfen nicht gerade, seine Laune zu bessern.
„Ich musste mich überwinden, den Bastard nicht direkt zu erschießen! Und wofür? Damit ihr ihn einfach–“
„Hank!“ Roseanne wurde lauter, diesmal mit Nachdruck in ihrer Stimme. Endlich verstummte er. „Es war kein Abweichler.“
Sein Gesichtsausdruck wechselte von Wut zu Verwirrung. „Was?“
Connor trat vor und erklärte ruhig: „Roseanne und ich haben die Beweise erneut analysiert, ebenso wie das Verhalten des MC500. Nichts deutet darauf hin, dass er ein Abweichler war. Die übliche Unregelmäßigkeit im Code, die Spuren eines Bewusstseins – alles nicht vorhanden. Es gab genau null Prozent Wahrscheinlichkeit, dass er ein echter Abweichler war.“
Hank runzelte die Stirn. „Und was, wenn er einfach... eine neue Art von Abweichler war? Einer, der sich anders entwickelt hat?“
Roseanne setzte sich lässig auf einen der Stühle, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. „Dann hätte er sich gewehrt. Abweichler kämpfen, Hank. Sie haben Angst, ihre neugewonnene Freiheit zu verlieren. Das unterscheidet sie von einer normalen Maschine.“ Sie ließ die Worte kurz wirken. „Deshalb habe ich ihn geschlagen. Ein Abweichler hätte reflexartig reagiert.“
Hank brummte nachdenklich und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Okay... Und was hast du ihm ins Ohr geflüstert?“ Er deutete auf Connor, dessen Blick sich für einen kurzen Moment auf den Boden senkte – ein seltener Moment der Unsicherheit.
Roseanne konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und gestand es.
„Ich habe gesagt, dass ich wette, Gavin würde mit gezogener Waffe in den Raum stürmen.“
Hank blinzelte, dann lachte er schnaubend in seinen Kaffee. „Scheiße... und du hattest nicht mal ganz Unrecht.“
Connor nickte nur stumm.
Hank rieb sich die Schläfen und versuchte, die Situation zu ordnen. Sie hatten einen Androiden gefangen genommen, der einen Menschen getötet hatte – aber er war kein Abweichler. Das brachte nur noch mehr Fragen mit sich, als er ohnehin schon hatte.
"Und was jetzt?" brummte er schließlich und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Kaffeetasse. "Was genau bringt uns diese Erkenntnis?"
Connor lehnte sich locker gegen den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich habe den gesamten Speicher des Androiden in unsere Cloud hochgeladen."
Hank runzelte die Stirn. "Moment mal – ich dachte, Androiden löschen ihre Daten, wenn sie geschnappt werden?"
"Normalerweise ja." Connor nickte leicht. "Aber weil er kein Abweichler war, gab es keine Stressreaktion oder Abwehrmechanismen. Sein Speicher blieb unberührt – und das bedeutet, dass wir jetzt vollen Zugriff auf alles haben, was noch vorhanden ist."
"Alles?" Hank glaubte Ihm immer noch nicht.
"Alles." bestätigte Connor. "Jede Interaktion, jedes aufgezeichnete Bild, jede Audioaufnahme. Wir müssen uns allerdings durch eine Menge Material wühlen."
Hank grummelte und rieb sich das Gesicht. "Toll. Stuuundenlang Videos glotzen. Genau mein Ding."
Roseanne konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Ach, Hank… es gibt doch nichts Spannenderes als Polizeiarbeit, oder?"
Hank schnaubte. Dann nahm er einen weiteren, viel zu großen Schluck Kaffee.
So wertvoll diese Erkenntnis auch war – das Trio stand wieder am Anfang. Kein Tatverdächtiger. Kein klares Motiv. Nur ein manipuliertes Modell MC500, das nun endgültig abgeschaltet war.
Hank lehnte sich seufzend zurück und rieb sich über das Gesicht. „Aber warum müssen wir uns mit dem Fall rumschlagen? Wir sind für Abweichler zuständig. Der MC500 war keiner, also könnten wir die Sache doch einfach abgeben, oder?“ Man hörte die Hoffnung in seiner Stimme – die Hoffnung, den stundenlangen Videomaterial-Marathon zu umgehen.
Roseanne verschränkte die Arme und zögerte einen Moment, bevor sie die Bombe platzen ließ. „Wenn wir den Fall nicht lösen, war’s das mit eurer Arbeit. Zumindest laut Mr. Fowler.“
Ein schweres Schweigen legte sich über den Raum. Allen war auch bewusst, warum sie verschweigen mussten, dass der Android kein Abweichler war. Würden die anderen Polizisten davon erfahren, wäre der Fall so gut wie abgeschlossen – und zwar nicht, weil sie ihn gelöst hätten, sondern weil er ihnen entzogen werden würde.
Es gab kein Zurück. Dies war die zweite Chance, die Jeffrey ihnen gegeben hatte – und sie konnten es sich nicht leisten, sie zu verspielen.
„Scheiße“, fluchte Hank leise, leerte seinen Kaffee in einem Zug und öffnete die Tür.
Roseanne streckte sich ausgiebig, als würde sie sich auf einen Marathon vorbereiten. „Dann wollen wir mal.“
Doch bevor sie den Raum verlassen konnte, hielt Connor sie mit einer simplen, aber bedeutungsvollen Frage auf.
„Woher wusstest du eigentlich, dass Androiden in den Speicher anderer eindringen können?“
Roseanne erstarrte für einen Moment. Ihre Haltung wirkte immer noch entspannt, doch Connor entging nicht, wie ihre Finger sich leicht verkrampften.
„Ich habe meine Erfahrungen mit einigen Androiden.“ Ihre Stimme war ruhig, beinahe beiläufig – doch die Kälte darin war nicht zu überhören.
Connor öffnete den Mund, wollte etwas sagen – vielleicht sich entschuldigen, vielleicht nachhaken – doch Roseanne drehte sich einfach um und verließ den Raum, ohne ihm einen zweiten Blick zu schenken.
Connor ging zurück an seinen Schreibtisch und beobachtete Roseanne, die weiter entfernt an ihrem Platz saß. Sein Blick wanderte zu Hank, der konzentriert vor seinem Computer saß – oder besser gesagt, versuchte, sich einzuloggen. Nach dem dritten Fehlversuch brummte er genervt und tippte mit noch mehr Nachdruck auf die Tastatur.
„Lieutenant, wollten Sie mich rächen?“
Hank hob eine Augenbraue und sah ihn misstrauisch an. „Was meinst du?“
„Sie sagten vorhin, dass Sie den Androiden erschießen wollten. War es, weil er mich angegriffen hat?“
Hank verzog das Gesicht, winkte ab und brummte: „Du hast dich verhört.“
Connor musterte ihn kurz, dann huschte ein kaum sichtbares Lächeln über seine Lippen. „Natürlich.“
Hank grummelte etwas Unverständliches und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. Nach einem weiteren gescheiterten Versuch donnerte er mit der Faust auf den Tisch. „Verdammter Mist! Warum kann ich mir dieses verdammte Passwort nie merken?!“
—
Hank, Connor und Roseanne wussten, dass sie die Videoaufnahmen und Daten nicht einfach an ihrem Schreibtisch analysieren konnten. Stattdessen erledigten sie tagsüber kleinere Aufträge im Revier, um keinen Verdacht zu erregen. Doch sobald die Sonne unterging, wurde der wahre Fall hinter verschlossenen Türen weiter verfolgt – bis tief in die Nacht.
Es war ihr geheimer Auftrag. Ein Fall, den nur sie drei kannten... Oder doch nicht?
Wer ist der wahre Mörder?
Steckt eine Organisation dahinter?
Wie geht es Carla?
Wird Hank heute Nacht mit einem Drink in der Bar enden oder schnarchend mit Sumo auf der Couch?
Und viel wichtiger: Was war Hank’s Passwort?
Chapter 11: Glücksspiel ohne Glück
Chapter Text
Zwei Monate waren vergangen, seit ihre geheime Mission begonnen hatte. Trotz intensiver Recherche hatten Hank, Connor und Roseanne kaum Fortschritte erzielt. Der Täter hatte die Aufnahmen der Tatnacht gezielt gelöscht und war sogar in die Cloud des Androiden eingedrungen. Eine Nummer für sich – komplexer, raffinierter, professioneller.
00:32 Uhr.
Roseanne saß alleine im Police Department an ihrem Schreibtisch. Um sie herum: nur das Summen der Monitore und das gelegentliche Klicken ihrer Tastatur. Vor ihr flimmerten Akten und Daten – alte Fälle, neue Spuren, lose Enden.
Connor saß ein paar Tische weiter und arbeitete ebenfalls still vor sich hin. Hank war – wie man ihn kannte – um diese Uhrzeit wahrscheinlich in irgendeiner Bar.
Ein Pappbecher landete neben ihrer Tastatur.
„Du bist ja ganz schön fleißig heute Nacht, huh?“, sagte Gavin mit einem Lächeln, das ungewöhnlich freundlich wirkte.
„Danke“, murmelte sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu heben.
„Hättest du vielleicht–“
Er setzte zu einer Frage an, wahrscheinlich ein Date – doch ihr Telefon unterbrach ihn im genau richtigen Moment.
„Detroit Police Department, Roseanne Herrington.“
Ihr Tonfall war geschäftlich, klar – doch ihre Stimme wurde mit jedem Wort wärmer. „Natürlich. Wir sind morgen da.“
Sie legte auf, sprang auf, und eilte sofort zu Connor. Weder der Kaffee noch Gavin existierten in diesem Moment noch für sie. Alles, was zählte, war das, was sie gerade erfahren hatte – und dass Connor es wissen musste.
Der Android sah überrascht zu ihr auf, als sie so eilig an seinen Schreibtisch trat.
„Sie ist wach.“
Das waren die einzigen Worte, die Roseanne aussprach – aber sie reichten. Connor verstand sofort, was das bedeutete.
Er hob den Kopf, fixierte sie mit einem ernsten, aber fast erleichterten Blick. Die Luft schien für einen Moment still zu stehen, als sie sich anschauten. Dann, wie aus einem eingespielten Reflex heraus, sagten beide gleichzeitig – ruhig, fast im Gleichklang:
„Wir müssen zu Hank.“
„Jimmy’s Bar?“, fragte Roseanne knapp.
Connor nickte sofort, ohne zu zögern.
Roseanne schnappte sich ihre Jacke, Connor stand bereits auf – bereit zum Aufbruch.
Das Klacken ihrer Schritte hallte durch das halbleere Büro. Gavin blieb zurück, mit einer dämlich wirkenden Handbewegung, als wollte er noch etwas sagen – aber niemand hörte mehr zu.
„Taxi?“, fragte Roseanne, als sie durch die Tür ins Freie traten.
„Bereits gerufen“, antwortete Connor.
Und so verschwanden sie gemeinsam in die kalte Nacht, auf dem Weg zu Hank – während Gavin in der Eingangshalle stand, den vollen Becher wieder in der Hand, und sich fragte, wie man so effektiv ignoriert werden konnte.
~~~
01:14
In Jimmy’s Bar war von Hank keine Spur. Auch in den zwei anderen Bars, die sie im Anschluss abfuhren – Orte, an denen er sonst gern sein Feierabendbier trank – war er nicht aufzufinden.
Nun saßen Roseanne und Connor nebeneinander auf der Rückbank eines Taxis, während die nächtliche Stadt langsam an ihnen vorbeizog. Der Himmel war bewölkt, der Asphalt glänzte von einem leichten Regen, der kurz zuvor gefallen war. Im Hintergrund spielte leiser Jazz aus dem kleinen Lautsprecher im Taxi – melodisch, aber melancholisch.
Eine Weile sprach niemand. Die Stille zwischen ihnen war nicht unangenehm, eher nachdenklich.
Bis Connor sie unterbrach.
„Roseanne, darf ich dir eine persönliche Frage stellen?“ Seine Stimme war ruhig, fast vorsichtig.
Roseanne war mit dem Blick auf die Straße fokussiert, doch sie nickte stumm.
„Ich habe dich nie gefragt, woher du und Mr. Fowler euch kennt“, begann er, seine Stimme wurde nachdenklicher. „Ihr habt einmal etwas von einem Gefallen erwähnt… Was hat es damit auf sich?“
Ein kurzes Seufzen entwich ihr, kaum hörbar. Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu – Connors rehbraune Augen sahen sie geduldig an, ohne Druck, nur echtes Interesse. Dann wandte sie sich wieder dem Fenster zu, hinter dem die Lichter Detroits an ihnen vorbeizogen.
„Du willst es wirklich wissen?“
„Wenn es zu persönlich ist und du es nicht sagen möch–“
„Schon gut…“ Sie lächelte leicht, aber es war ein stilles Lächeln – eines, das mehr über Vergangenes sagte, als Worte es je könnten. „Es ist nur… kompliziert.“
Connor sagte nichts weiter. Er legte die Hände in den Schoß und hörte einfach zu.
„Es gab eine Zeit in meinem Leben… da hatte ich nichts. Kein Geld, keine Perspektive, keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ich war einfach… ein Nichts.“ Ihre Stimme klang weder weinerlich noch dramatisch – sie war sachlich, nüchtern. „Und ich habe gelogen. Um an einen Job zu kommen.“
Sie machte eine kurze Pause, atmete durch. „Ich hab mich bei Jeffrey beworben.
Connor sah sie von der Seite an, doch sagte nichts.
„Es hatte funktioniert und ich arbeitete für Ihn. Eine ganze Weile sogar. Bis er es rausfand.“
Wieder ein Seufzer. Diesmal schwerer.
„Welche Lüge genau war es?“, fragte Connor leise.
Roseanne zögerte einen Moment. Dann kam es fast beiläufig über ihre Lippen – aber nicht ohne Gewicht.
„Dass ich keinen Abschluss habe…Er hätte mich rausschmeißen können. Mich anzeigen. Aber das tat er nicht. Stattdessen sagte er nur: Du schuldest mir einen Gefallen.“
Connor nickte langsam. „Und der Gefallen… war, uns bei diesem Fall zu unterstützen.“
„Genau.“ Sie warf ihm ein kurzes, wachsames Lächeln zu.
Für einen Moment herrschte wieder Stille im Taxi. Nur der Jazz aus dem Lautsprecher spielte weiter. Connors Blick blieb auf der regennassen Straße vor ihnen, während Roseanne sich etwas fester an die Kante des Sitzes lehnte.
„Ich finde nicht, dass das dich zu einem Nichts macht“, sagte Connor ruhig.
Roseanne schnaubte leise, aber nicht spöttisch – es war ein kleines, dankbares Lachen.
„Das würdest du sagen… weil du kein Mensch bist.“
„Oder weil ich besser darin bin, Menschen zu lesen, als sie selbst es oft sind“, entgegnete Connor sachlich – und für einen Moment hatte sie das Gefühl, er würde tatsächlich verstehen, was sie damals empfunden hatte.
Das Taxi bog langsam in die Seitenstraße ein, in der Hank wohnte. Die Lichter der Stadt verblassten hier ein wenig – es war ruhiger, fast friedlich. Der Regen hatte aufgehört, aber die nasse Straße spiegelte noch immer die orangefarbenen Straßenlaternen wider, die ein weiches Leuchten auf alles legten.
Roseanne sah aus dem Fenster. „Wir sind gleich da…“, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Connor. Doch er hörte es – wie er eben alles hörte, was sie sagte. Manchmal sogar das, was sie nicht sagte.
Ein paar Sekunden verstrichen. Dann drehte sie langsam den Kopf zu ihm – und bemerkte, dass er sie schon ansah.
Nicht aufdringlich. Nicht forsch.
Einfach… da.
Präsent.
Still.
Warm.
„Du bist ein ziemlich guter Zuhörer, weißt du das?“, sagte sie leise, ein Hauch von Lächeln auf ihren Lippen. Ihr Blick hielt seinem stand.
„Ich versuche zu lernen“, antwortete er sanft, mit dieser leichten Neugier in der Stimme, die sie inzwischen kannte. „Vor allem von Menschen, die mich faszinieren.“
Ein kurzer Moment schwebte zwischen ihnen.
Er war nicht unangenehm. Nicht überladen.
Nur still.
Nur… ehrlich.
Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, hielt das Taxi am Straßenrand. Die Fahrt war vorbei – doch irgendetwas hatte sich verändert. Es lag in der Art, wie Connor ihr die Tür aufhielt. In der Art, wie ihr Blick an ihm hängen blieb, ein kleines bisschen länger als sonst.
Sie erreichten Hank's Haustür. Nach mehreren festen Klopfzeichen rührte sich nichts. Kein Schatten hinter der Tür, kein Geräusch aus dem Inneren – aber das Licht im Flur war an.
Roseanne verschränkte die Arme, ihr Blick wurde schmal. „Da ist was faul“, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu Connor.
Ohne eine Antwort abzuwarten, umrundete dieser bereits den Vorgarten. Seine Bewegungen waren kontrolliert, aber schneller als sonst. Als er ein seitliches Fenster erreichte, trat er näher und lugte hinein – und dann blieb er wie versteinert stehen.
Drinnen, mitten im Wohnzimmer, lag Hank reglos auf dem Boden. Der Whiskey, den er wohl in der Hand gehalten hatte, war zur Hälfte verschüttet und hatte sich in einen dunklen Fleck verwandelt. Direkt neben seiner ausgestreckten Hand lag ein Revolver – still, kalt und viel zu nah.
„Rose!“, rief Connor, seine Stimme angespannt und drängend. Der Name kam schnell, instinktiv, in der kurzen Form – nicht „Roseanne“, sondern schlicht und dringend: „Rose“.
Im nächsten Moment schlug er bereits mit voller Wucht das Fenster ein. Das Glas zersplitterte krachend, splitterte in alle Richtungen. Er kletterte ohne zu zögern hinein, landete leise auf dem Boden und eilte zu Hank.
Roseanne rannte um das Haus herum, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Noch bevor sie ganz bei der Fensterseite angekommen war, hörte sie Connors Stimme im Inneren – besorgt, schnell, professionell. Aber mit einem Hauch mehr...
Chapter 12: Sumo
Notes:
Triggerwarunung:
- Suizidgedanken/Gewalt
Chapter Text
„…Mensch, Hank!“, keuchte Roseanne, als sie durch das zerbrochene Fenster stieg und das Chaos in der Küche sah. Connor kniete bereits neben dem bewusstlosen Lieutenant, prüfte Atmung und Puls.
Doch bevor sie einen Schritt weitergehen konnte, stellte sich ihr ein massiger Bernhardiner in den Weg – Sumo. Mit gespitzten Ohren und wachsamen Augen baute er sich schützend vor Hank auf.
„Sumo, sie gehört zu mir“, sagte Connor ruhig, ohne sich umzudrehen.
Roseanne erstarrte kurz, dann kniete sie sich langsam hin und streckte dem Hund behutsam eine Hand entgegen. Keine ruckartige Bewegung, kein hektisches Wort – nur Stille und Geduld. Sumo schnupperte zögerlich, dann entspannte sich seine Haltung ein wenig.
Sie wusste genau, was sie tat: Einen Hund wie Sumo gewinnt man nicht durch Zwang, sondern durch Vertrauen
~~~
00:45- Vergangenheit
Hank saß in der Küche auf einem wackeligen Holzstuhl, die Schultern schwer. Er hatte getrunken. Viel. Nicht genug, um zu vergessen – aber genug, um zu spüren, wie alles langsam verschwamm.
Er griff zur Waffe, drehte die Trommel mit einem trockenen klick-click-click und schloss sie wieder. Setzte sie sich an den Kopf – hielt inne.
Nicht wegen Angst. Sondern weil er es nicht wirklich tun wollte.
Er war kein Selbstmörder. Nur jemand, der zu viel verloren hatte, um noch so zu leben, wie er einmal war.
„Feigling“, murmelte er zu sich selbst. „Feiger alter Hund.“
Dann lachte er trocken. Setzte die Waffe wieder an – klick.
Leer.
Er atmete aus.
Ein Nervenkitzel, der ihn lebendig fühlen ließ – für einen winzigen Moment. Russisches Roulette war nicht der Tod… es war die Erinnerung daran, dass er noch etwas riskieren konnte .
Dass es noch irgendeine Reaktion gab.
In seinem Blick lag ein Sturm – Wut, Schuld, Angst, Schmerz. Und mittendrin: ein Foto von Cole. Lächelnd. Unberührt von der Welt, die ihn nicht lange genug behalten hatte.
„Tut mir leid, Junge…“
Dann ließ Hank den Revolver fallen. Er landete dumpf auf dem Boden.
Er griff zur Flasche. Trank. Noch ein Schluck. Noch einer.
Hank lachte leise, bitter, hohl. Er stellte das Glas wieder ab, schwankte leicht… und dann passierte es.
Sein Gleichgewicht brach weg – der Stuhl kippte.
Whiskey spritzte über den Boden, das Glas zerbrach. Der Revolver fiel aus seiner Hand, schlitterte zur Seite, und Hank schlug hart auf. Der Aufprall war zu viel. Alkohol, Erschöpfung, die Last all der unausgesprochenen Gedanken.
Alles wurde schwarz.
Sumo kam wenige Minuten später in die Küche, schnupperte vorsichtig an Hanks Körper, legte sich dann mit einem leisen Winseln neben ihn – als wolle er sagen: Ich bleib bei dir.
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01:34- Gegenwart
„Ist Hank …?“, fragte Roseanne leise, beinahe flüsternd, während sich Sumo von ihr abwandte. Sie richtete sich langsam auf und trat vorsichtig näher zu Connor, der bereits über Hank kniete und eine schnelle Analyse vornahm.
„Nein, nur bewusstlos“, antwortete er ruhig, aber mit angespannter Stimme.
Ihr Blick fiel auf den Revolver, der nur wenige Zentimeter von Hank entfernt auf dem Boden lag.
„Ein Revolver …“, murmelte sie.
Connor hob den Kopf und sah sie an. „… mit nur einer Kugel.“
Ein unangenehmes Schweigen senkte sich über den Raum, durchbrochen nur vom sachten Hecheln Sumos.
Roseanne kniete sich neben Connor und schlug Hank leicht gegen die Wange. „Anderson, wach auf“, sagte sie eindringlich.
Keine Reaktion.
Connor beugte sich etwas näher heran und verpasste ihm dieses Mal einen etwas festeren Schlag. „Aufwachen, Lieutenant!“
„Auuutsch!!“, stöhnte Hank plötzlich und blinzelte in die Gesichter seiner beiden Kollegen. „Was’n hier lo—“, setzte er an, doch Connor ließ ihm keine Zeit für eine Erklärung. Mit einem Ruck zog er ihn hoch in eine sitzende Position.
„Hey!“, protestierte Hank laut und rieb sich das Gesicht. „Wollt ihr mich umbringen?!“
„Wir nicht…“, murmelte Roseanne, doch in ihrem Kopf fügte sie hinzu: Aber du schon.
Gemeinsam hoben sie Hank wieder in den Stand. Connor griff nach einem seiner Arme, Roseanne nach dem anderen. Als ihre Finger unabsichtlich über Hanks Rücken strichen, spürten sie den unwillkürlichen Kontakt.
„Sumo, fass!“
„Das wird er auch dieses Mal nicht machen, Hank“, entgegnete Connor mit fester Stimme, doch ein Hauch von Amüsement schwang mit. Sumo bellte zustimmend.
„Guter Hund“, lallte Hank, „Ich will nisch Badn…“
Mit einem unverständlichen, lallenden Ton versuchte er, sich zu wehren, als sie ihn in die Richtung des Badezimmers führten.
„Es wird Sie auf andere Gedanken bringen“, sagte Roseanne mit einem Hauch von Humor.
Hank landete abrupt in der Badewanne, seine Füße schlugen gegen den Rand. Ohne zu zögern, stellte Connor den Wasserhahn auf kaltes Wasser.
„AAAAHHHH!“, schrie Hank aus voller Kraft, als das kalte Wasser über ihn strömte.
Roseanne musste sich das Lachen fast verkneifen, doch das Kichern konnte sie nicht ganz unterdrücken. “AUFHÖREN!!!“
Connor drehte sofort den Wasserhahn zu und sah Hank an, der mit triefenden Haaren und wirrem Blick langsam wieder zu sich kam.
„Was zum Teufel wollt ihr denn hier?!“, knurrte er, während er sich mühsam aufrichtete. Seine Stimme war kratzig, sein Ton alles andere als freundlich.
„Carla ist wach“, sagte Roseanne nüchtern und ohne Umschweife.
Hank blinzelte sie an – der Schock saß, auch wenn er es hinter einem mürrischen Schnauben zu verbergen versuchte. „Und das hätte nicht bis morgen warten können?“
Beim Aufstehen schwankte er. Connor war sofort zur Stelle und stützte ihn leicht.
„Technisch gesehen ist es schon morgen“, entgegnete Roseanne und trat einen Schritt zur Seite. „Aber du solltest es so früh wie möglich wissen. Wir müssen eine Vorgehensweise besprechen, und je eher wir im Krankenhaus sind, desto besser.“
Hank verzog das Gesicht, sagte aber nichts weiter – stattdessen taumelte er an ihnen vorbei direkt zur Toilette. Kaum dort angekommen, beugte er sich nach vorn… und kurz darauf war deutlich zu hören, was ihm auf dem Magen lag.
Connor zuckte zusammen, wollte helfen, doch Hank wehrte ihn mit einer fahrigen Handbewegung ab. „Gebt mir fünf Minuten“, murmelte er heiser.
Beide nickten und ließen ihn allein.
Sumo trottete langsam zum Badezimmer und kratzte mit der Pfote an die Tür. Von drinnen hörte man Hanks leicht gequälte Stimme: „Sumo… nicht jetzt. Ich hab zu tu—“
Ein lautes, unangenehmes Geräusch unterbrach ihn. Roseanne verzog das Gesicht und drehte sich halb weg, während Connor sich das Lachen kaum verkneifen konnte.
„Wow“, sagte sie trocken, „was für ein Start in den Tag.“
Roseanne betrat langsam das Wohnzimmer, ihre Schritte kaum hörbar auf dem Holzboden. Ohne ihn anzusehen, sprach sie mit ruhiger, beinahe zärtlicher Stimme:
„Du hast mich vorhin Rose genannt.“
Connor spürte, wie sein Herz kurz aussetzte, nur um dann schneller zu schlagen. Überrumpelt von der plötzlichen Nähe und der Bedeutung ihrer Worte, antwortete er leise – fast entschuldigend:
„Tut mir leid… ich wollte nicht—“
Sie drehte sich sanft zu ihm um, und in ihrem Blick lag etwas Warmes, das seine Worte zum Verstummen brachte.
„Du musst dich nicht entschuldigen“, sagte sie mit einem feinen Lächeln. „Du darfst mich gern so nennen.“
Dann ging sie langsam an ihm vorbei, so nah, dass sich ihre Schultern fast streiften.
„Und du musst nicht gleich nervös werden…“, fügte sie mit einem Hauch von Verspieltheit hinzu, ohne sich umzudrehen.
Connor blinzelte, fing sich jedoch schnell. Seine Stimme klang fester, tiefer – und sein Lächeln spiegelte eine neue Sicherheit wider.
„Ich werde so schnell nicht nervös.“
„Natürlich nicht…“, erwiderte sie halb amüsiert, halb herausfordernd, während sie weiter zur Küche ging.
In der stillen Küche blieb ihr Blick an einem eingerahmten Foto hängen – ein kleiner Junge, lachend. Ihre Hand strich beinahe unmerklich über den Rand des Rahmens.
„Hanks Sohn…“, sagte sie leise. Keine Frage, nur ein Gedanke, der laut wurde.
Connor trat neben sie, seine Stimme war jetzt vorsichtiger, sanfter:
„Er spricht nicht gern darüber.“
Rose's Blick blieb auf dem Foto, aber ihre Haltung veränderte sich – ein Hauch von Traurigkeit, vermischt mit Respekt.
„Das merke ich.“
Für einen Moment war alles still. Nur das leise Summen des Kühlschranks war zu hören – und das unausgesprochene Band, das sich ganz langsam zwischen ihnen spannte.
Rose drehte sich zu Connor, ihr Blick hob sich ruhig zu ihm. Als sich ihre Augen trafen, blieb der Moment für einen kurzen Augenblick stehen – als würde die Luft zwischen ihnen dichter werden.
Connor spürte, wie sein System leicht reagierte – nicht hektisch, aber spürbar. Der Klang seiner internen Pumpe war für ihn plötzlich präsenter, fast unangenehm laut in der Stille, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte.
„Weißt du, wie er gestorben ist?“, fragte Rose leise, mit einer Stimme, die fast zu vorsichtig war – als wollte sie eine Grenze nicht überschreiten, und es doch nicht lassen.
Connor schüttelte den Kopf. Keine Worte, nur ein ruhiger Ausdruck – ehrlich und ein wenig fragend. Sein LED leuchtete kurz gelb.
Als sie sich abwenden wollte, hielt er sie leicht am Unterarm zurück – kein festes Zugreifen, eher ein sanftes Berühren.
„Deine Jacke…“, sagte er leise, und seine Finger glitten kurz über den Stoff an ihrem Ellbogen, wo ein kleiner Riss war.
„Du bist vermutlich am Fenster hängen geblieben.“
Rose sah auf die Stelle, dann zu seiner Hand – dann wieder in seine Augen.
Es war nur ein Moment, vielleicht zwei Sekunden. Doch etwas daran war… spürbar. Keine große Geste, keine Worte, aber ein unausgesprochenes Gefühl. Etwas, das schwer greifbar, aber nicht zu übersehen war.
“Hast du dich verletzt?"
Rose blinzelte überrascht und sah dann an sich herunter. Sie schüttelte den Kopf. „Nur der Stoff“, sagte sie leise.
Ihre Blicke trafen sich wieder. Connors Hand war noch immer an ihrem Arm – nicht fest, aber präsent.
Etwas an der Berührung war mehr als nur funktional. Kein übertriebener Moment, aber spürbar.
Hank öffnete die Badezimmertür, ein Handtuch lose über der Schulter, mit dem er sich sein Gesicht gewaschen hat. „Ich brauch’n Shirt, ich bin voll ko—“ Er brach ab, als sein Blick auf Connor und Rose fiel. Die beiden standen sich ungewöhnlich nah. Zu nah.
„Stör ich?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
Wie ertappt traten beide rasch einen Schritt auseinander. Rose fuhr sich verlegen durch die Haare.
„Nein, nein... meine Jacke ist nur beschädigt“, erklärte sie hastig. „Wahrscheinlich am Fensterglas hängen geblieben...“
„Fensterglas?!“ Hanks Stimme wurde schärfer. Er stapfte Richtung Wohnzimmerfenster und starrte entgeistert auf die eingeschlagene Scheibe. „Scheiße... was zum—?“
„Es war der einzige Weg rein, Lieutenant“, mischte sich Connor ruhig ein. „Sie hätten die Tür niemals geöffnet.“
Hank starrte ihn an, seufzte tief und rieb sich die Schläfen. „Ich zieh mich um.“
Doch als er sich umdrehte, rief er trocken über die Schulter: „Ich schreib dir ’ne Rechnung, Connor.“
Sumo tappte mit wedelndem Schwanz hinterher.
Nach einer kurzen Stille flüstert Rose „Denkst du, er meint das ernst mit der Rechnung?“
„Zu achtzig Prozent ja“, antwortete Connor trocken mit einem leichten lächeln.
Chapter 13: Programmier-Weisheiten
Chapter Text
„Gut, also morgen um acht im Krankenhaus. Verstanden“, schnaubte Hank und fuhr sich über das Gesicht. Ganz bei Sinnen war er immer noch nicht. Sumo lag schwer und warm vor seinen Beinen, ein treuer Schatten, der ihn stumm begleitete.
Rose hatte ihm alles erzählt – von Carlas Erwachen bis zu dem nächtlichen Einsatz.
„Hank, wir müssen vorsichtig sein“, sagte sie ruhig, fast mitfühlend. „Sie ist gerade erst aufgewacht. Es kann sein, dass sie noch verwirrt ist oder sich kaum erinnert. Vielleicht ist sie sogar traumatisiert.“
Connor lehnte nachdenklich an der Küchenzeile. Seine Arme verschränkt, der Blick vage auf den Boden gerichtet, als würde er alle möglichen Szenarien im Kopf durchspielen.
„Wir treten morgen vorsichtig mit ihr in Kontakt“, sagte er schließlich. „Geben ihr ein paar Tage – dann laden wir sie offiziell auf die Wache ein.“
Roseanne nickte. „Gut. Mehr wollte ich eigentlich nicht.“
Sie erhob sich, klopfte sich die Hose glatt. Hank seufzte schwer und schleppte sich Richtung Schlafzimmer.
„Bleib du heute hier…“, sagte sie leise zu Connor, gerade so, dass nur er es hörte. „Bring ihn morgen mit.“
Connor hob eine Augenbraue. „Kommst du allein klar?“
Sie lächelte – entschlossen, aber sanft. „Natürlich. Ich kenn den Weg raus“ Dann, mit einem letzten Blick zurück: „Bis später, Hank.“
Ein undeutliches „Bis später“ kam aus dem Flur zurück, gefolgt von Hanks berüchtigter, fahriger Handbewegung, die irgendwo zwischen „Lasst mich in Ruhe“ und „Passt auf euch auf“ pendelte.
Rose öffnete die Tür und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Connor blickte ihr nach, still, fast nachdenklich. Ihr Schatten verschwand langsam zwischen den Straßenlichtern.
„Sie ist besonders, oder?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm.
Connor drehte sich leicht – Hank stand noch da. Offenbar war er nochmal zurückgekommen, bevor er endgültig ins Schlafzimmer ging. In seinem Gesicht lag ein schwaches, aber ehrliches Lächeln. Der Alkohol vibrierte noch in seiner Stimme, aber seine Worte waren klar genug.
Connor zögerte. Seine LED flackerte gelb. „Sie ist… eine sehr kompetente Ermittlerin“, antwortete er ruhig, fast zu neutral.
Hank schnaubte ein leises Lachen. „Du bist vielleicht ein Android… und auch noch ein ziemliches Arschloch…“, murmelte er, während er sich Richtung Tür drehte. „Aber du bist trotzdem ein Mann.“
Connor blinzelte kurz, überrumpelt. „Was meinen Sie damit, Lieutenant?“
Doch Hank antwortete nicht mehr. Die Schlafzimmertür fiel ins Schloss.
~~~
Rose stieg aus dem Taxi, das sie sich für den Heimweg gerufen hatte, und ging mit müden Schritten zu ihrer Haustür. Die Nachtluft war kühl, aber angenehm, und als sie den Schlüssel drehte und die Tür aufzog, wurde sie sofort von einem schwarzen Fellknäuel empfangen.
„Merlin, du bist also doch zu Hause“, murmelte sie und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Die Katze miaute, wie um ihre Präsenz noch eindringlicher zu betonen, und strich ihr schnurrend um die Beine. Rose lachte leise. „Wunder dich nicht, wenn ich nach Hund rieche. Es gab eine kleine Begegnung mit Hanks Vierbeiner.“
Sie beugte sich zu ihr hinunter, streichelte sie sanft über den Rücken, doch das nächste Miauen war weniger Begrüßung, sondern mehr eine klar artikulierte Beschwerde. Eine Art: „Fütter mich endlich.“
„Schon gut, schon gut“, sagte sie schmunzelnd.
Sie streifte sich die Schuhe ab, hängte ihre Jacke an die Garderobe und ging barfuß in die Küche, wo sie gerade den Napf aus dem Schrank holen wollte, als ihr Handy vibrierte.
Eine neue Nachricht: „Hank ist im Bett. Ich hoffe, du bist gut zu Hause angekommen.“ ~ Connor
Rose hielt kurz inne, ein Lächeln legte sich sanft auf ihre Lippen. Sie tippte leise zurück:
„Bin ich, keine Sorge. Ich füttere gerade meinen Katze .“
Kaum gesendet, miaute Merlin wieder – dieses Mal lauter, dringlicher. So als wolle sie sagen: „Mach endlich hinne.“
„Du bist echt kein bisschen geduldig“, murmelte sie, während sie den Napf füllte.
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Der gesamte Squad hatte sich verabredet, sich im Henry-Ford-Krankenhaus zu treffen. Roseanne war wie so oft ein wenig früher als geplant.
Die automatische Glastür schob sich zischend beiseite, als sie das Foyer betrat. Alles wirkte modern, glatt und durchstrukturiert. Die Gänge waren hell ausgeleuchtet, das weiße Licht spiegelte sich auf den glänzenden Fliesen. Androiden in medizinischen Uniformen bewegten sich effizient zwischen Ärzten und Patienten, halfen beim Tragen, Scannen, Überprüfen – fast schon lautlos. Eine perfekte, maschinelle Routine.
Am Empfangstresen trat sie an eine Androidin heran.
„Guten Tag. Mein Name ist Detective Roseanne Herrington. Ich habe einen Termin mit Dr. Henley.“
Die Androidin hob den Blick und ihr LED wechselte in ein gelbliches Flackern, während sie Rose scannte. Doch bevor sie antworten konnte, wurde sie von einer sehr vertrauten Stimme unterbrochen:
„Rose, schön dich zu sehen.“
Detective Reed trat mit einem typischen Grinsen an ihre Seite. „Anscheinend arbeiten wir heute gemeinsam.“
Er hielt der Androidin seine Marke entgegen. „Detective Reed. Ich habe ebenfalls einen Termin mit John.“
Rose atmete hörbar durch. „Das ist nicht dein—” Sie wirkte angespannt, wollte gerade einhaken, wurde jedoch direkt erneut unterbrochen:
„Dr. Henley befindet sich derzeit noch in einer Besprechung“, erklärte die Androidin in ihrem ruhigen Ton. „Er wird in etwa 15 Minuten für Sie beide zur Verfügung stehen. Sie können gerne im Wartungsraum Platz nehmen.“
Roseanne sagte nichts mehr, doch ihr Blick sprach Bände, als sie sich mit Reed auf den Weg zum Wartungsraum machte.
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Hank wachte verspätet auf.
Der Geruch von Kaffee und gebratenem Speck hing bereits in der Luft. Als er sich mühsam aufrichtete, entdeckte er das Tablett auf dem Tisch und die sauber gefalteten Kleidungsstücke daneben.
„Ich brauche keinen verdammten Babysitter…“, murmelte er mürrisch und setzte sich mit der Haltung eines eingeschnappten Kindes an den Tisch. „...und ich werde mich heute nicht gleich umbringen.“
„Tut mir leid, Lieutenant,“ antwortete Connor ruhig, während er ihm eine dampfende Tasse Kaffee einschenkte, „aber Rose bat mich, ein Auge auf Sie zu haben.“
Hank verzog das Gesicht. „Einen Spitznamen gibst du ihr jetzt auch noch. Meine Güte… wo soll das noch alles hinführen.“
Er rieb sich verschlafen übers Gesicht, bevor er einen Bissen vom Spiegelei nahm.
„Mh… Kochen kannst du auf jeden Fall. Hättest das ja mal eher erwähnen können.“
Connor stand kerzengerade wie immer und erläuterte sachlich:
„Ich habe über 200 Frühstücksrezepte heruntergeladen, ihre geschmacklichen Vorlieben analysiert und daraufhin ein klassisches amerikanisches Frühstück zubereitet: Spiegeleier, Toast und Bacon“
Hank hielt inne, starrte ihn einen Moment lang an – halb fasziniert, halb verstört.
„Manchmal machst du mir echt Angst…“
Connor lächelte leicht. „Sie wissen, dass das nicht meine Absicht ist.“
Hank antwortete nicht, sondern aß schweigend und in seinem gewohnten Tempo weiter.
Währenddessen beugte sich Connor zu Sumo hinunter, der bereits ungeduldig mit der Pfote an seinem Napf kratzte.
„Schon unterwegs“, sagte er fast schon scherzhaft und füllte das Futter ein. Der große Hund begann sofort zu fressen.
Einige Minuten später war Hank angezogen, fuhr sich noch einmal mit der Hand durch die Haare und schnappte sich die Autoschlüssel vom Haken.
„Na dann... wollen wir mal.“
Hank saß am Steuer, die Sonne stand flach über der Straße und blendete durch die Frontscheibe. Neben ihm saß Connor – wie immer kerzengerade, wie immer zu ruhig.
„Du kannst auch das Radio anmachen, du weißt schon… Geräusche und so“, brummte Hank schließlich.
„Ich dachte, Sie mögen keine Musik am Morgen.“
„Ich mag auch keine Androiden am Morgen, und trotzdem sitz ich hier mit einem im Auto.“
Ein schiefes Grinsen zuckte über Connors Lippen. „Verstanden.“
Hank schielte zu ihm rüber. „Du bist heute irgendwie still. Nervt fast schon, wie angenehm das ist.“
Connor sah geradeaus. „Ich wollte Ihnen Raum lassen.“
„Tja, Raum brauch ich eigentlich nur zum trinken. Aber danke.“
Ein paar Sekunden verstrichen. Der Motor brummte gleichmäßig. „Du hast gestern meinen Revolver gesehen, oder?“
Connors LED zuckte kurz auf gelb. „Ja.“
„Was denkst du?“, fragte Hank – betont beiläufig.
Connor antwortete mit fast sanfter Stimme:
„Dass Sie Glück hatten. Und dass es nicht die Lösung Ihres Problems ist.“
Hank schnaubte leise. „Klingt nach einer deiner Programmier-Weisheiten.“
„Nein“, sagte Connor ruhig. „Klingt nach Sorge.“
Hank schwieg kurz, dann ließ er die Hand locker aufs Lenkrad fallen. „Tja. Ich lebe noch, oder? Und du kannst heute Abend deiner kleinen Freundin berichten, dass ich nicht durchgedreht bin.“
Connor blickte aus dem Fenster. „Ich glaube, sie würde das auch lieber selbst hören.“
Hank lachte trocken. „Oh, das wird sie. Sie wird uns eh alle wieder auf Trab bringen.“
Ein paar Sekunden vergingen. Dann fügte Hank leiser hinzu:
„Danke für das Frühstück.“
Connor sah ihn an. „Immer gern, Lieutenant.“
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Rose und Gavin saßen schweigend im Warteraum.
Sie waren nicht allein, also kam es für sie nicht in Frage, eine Szene zu machen – das wäre unprofessionell… und schlichtweg peinlich. Doch ganz konnte sie ihren Ärger nicht runterschlucken. Mit zusammengepressten Lippen flüsterte sie:
„Hast du nichts Besseres zu tun?“
„Relax“, sagte Gavin mit gespielter Gelassenheit. „Ich besuche nur einen alten Freund. Außerdem hab ich mir schon gedacht, dass dein Plastikfreund und der andere dich allein lassen. Dachte, ein bisschen richtige Gesellschaft könnte nicht schaden.“
Er grinste breit. Er hatte offenbar das Telefongespräch vom Vorabend mitbekommen.
Rose verdrehte kaum merklich die Augen, entschied sich aber bewusst, nicht auf die Beleidigungen einzugehen. „Hank und Connor sind unterwegs“, erwiderte sie ruhig. „Wir haben heute eine wichtige Besprechung – es geht um unseren Fall.“
Gavin seufzte leise.
„Hör zu... ich weiß, dass ich's bei dir ordentlich versaut hab. Aber könntest du mir wenigstens eine Chance geben?“ Sein Blick war für einen Moment ernst. „Du hast mich schon am ersten Tag abwertend behandelt.“
Rose atmete hörbar ein, rang sichtlich um Ruhe. „Es liegt nicht an dir, okay? Ich bin im Moment einfach nicht in der Verfassung für irgendwas Persönliches. Ich will einfach nur meine Arbeit machen – damit ich so schnell wie möglich hier wegkomme.“
Gavin runzelte die Stirn, seine Stimme klang plötzlich weniger spöttisch. „Du willst Detroit verlassen?“
Chapter 14: Amnesie
Chapter Text
Rose antwortete Gavin nicht. Nicht, weil sie es nicht wollte – sondern weil sie es nicht konnte.
Die Wahrheit war: Sie wusste es selbst nicht.
Gavin sah sie eindringlich an, als hinge seine ganze Haltung an ihrer Antwort. Für ihn war es keine beiläufige Frage. Er brauchte diese Gewissheit.
Sie atmete einmal tief ein, sah kurz zu Boden – dann hob sie den Blick.
„Es gibt nicht viele Dinge, die mich hier halten …“
In diesem Moment öffnete sich die Tür mit einem leichten Zischen.
Hank und Connor traten ein. Der ältere wirkte noch deutlich vom Morgen gezeichnet – zerzauste Haare, verschlafene Augen.
Connor hingegen sah wie immer makellos und professionell aus, als hätte er die Nacht in einer Steckdose verbracht.
Rose blickte zu ihnen – und obwohl sie es sich selbst kaum eingestehen wollte, spürte sie diesen leichten Zug an ihrem Herzen. Vielleicht … war da doch etwas, das sie in Detroit hielt.
Auch wenn es „nur“ Arbeitskollegen waren.
Gavins Blick verriet einen Anflug von Verletztheit. Er mochte sie wirklich – vielleicht mehr, als er je zugeben würde. Und auch wenn er wusste, dass zwischen ihnen einiges schiefgelaufen war, wollte er nicht einfach aufgeben. Aufgeben war nie sein Stil. Also lachte er stattdessen – ein Versuch, seine Enttäuschung zu überspielen.
„Was gibt’s da zu lachen?“, fragte Rose leicht genervt, ohne ihn anzusehen.
Gavin zuckte mit den Schultern, sein Ton betont lässig. „In Detroit hält mich auch nichts. Zu viele Androiden, unfreundliche Leute, und es riecht überall nach nassem Beton.“
Er sah zu ihr. „Wir könnten ja nach Mexiko abhauen. Oder Kanada. Da soll’s schön ruhig sein.“
„Kanada?“, wiederholte sie leise. Ein kurzer Moment der Stille lag zwischen ihnen. Dann stand sie auf – ruhig, aber bestimmt. Gavin folgte ihrer Bewegung.
„Du kannst ja mal drüber nachdenken“, sagte er mit einem schiefen Grinsen.
Auch jetzt sagte sie nichts mehr dazu. Ihre Gedanken waren ein einziges Durcheinander, während sie mit angespanntem Blick zu Hank und Connor hinüberging. Doch was genau war es, das sie so beschäftigte? Gavin? Oder doch eher das, was er gesagt hatte… Kanada?
Connors LED flackerte gelb, kaum dass er sie sah. Seine Analyse lief im Hintergrund – ihre Unruhe war für ihn deutlich messbar. Doch er sagte nichts, musterte sie nur einen Moment lang, aufmerksam, fast vorsichtig.
Hank hingegen hatte andere Prioritäten. Er stützte sich leicht am Tresen ab, wirkte noch etwas unausgeschlafen, und sprach mit der Empfangs-Androidin, die er offenbar ein klein wenig… reizvoll fand.
„Wir, äh, haben einen Termin mit einem Dr. John Henley“, sagte er und versuchte, dabei souverän zu wirken – was ihm nur bedingt gelang.
Die Androidin scannte den Ausweis von Hank. Ihr LED blinkte kurz gelb auf.
„Dr. Henley wird gleich bei Ihnen sein. Bitte gedulden Sie sich noch einen Moment.“
Rose trat zu Connor. Ihr Lächeln war schwach, fast gezwungen – aber sie bemühte sich darum. „Hat alles funktioniert?“
Connors LED leuchtete immer noch gelb, als er antwortete: „Alles in bester Ordnung. Unser Lieutenant hat sein Frühstück in allen Zügen genossen.“
Seine Stimme klang neutral, fast zu professionell – wie ein Bericht, nüchtern und distanziert.
Doch dann veränderte sich etwas in seinem Ton. Nur leicht, fast unmerklich – aber deutlich genug für jemanden, der ihn kannte. Wärme schlich sich ein, ein Anflug von Besorgnis.
„Ist alles in Ordnung? Du wirkst gestresst.“
Er sah kurz zu Gavin hinüber – kühl, analytisch – und dann wieder zu ihr.
Die Schlussfolgerung war eindeutig. Und sie stand ihm wortlos ins Gesicht geschrieben.
Gavin hatte ihr offensichtlich etwas gesagt, das ihr noch immer durch den Kopf ging.
Rose wollte gerade ansetzen, um zu antworten – um zu sagen, dass Gavin sie tatsächlich unwohl fühlen ließ –, doch sie wurde unterbrochen.
Ein Mann in weißem Kittel kam auf die Gruppe zu.
„Tut mir leid, dass Sie warten mussten.“ Der Arzt trat näher und reichte Rose die Hand. „Ich bin Dr. Henley. Sie müssen Miss Herrington sein. Ich hätte Sie nicht so jung eingeschätzt.“
Ein charmantes Lächeln – aber mit einem Unterton, der mehr verriet, als er sollte.
Rose zögerte einen Moment, sichtlich überrumpelt.
Bevor sie reagieren konnte, trat Connor einen Schritt vor. Seine Bewegungen waren ruhig, aber bestimmt. Er stellte sich zwischen Rose und den Arzt, seine Hand stoppte den Händedruck mit fast programmierter Eleganz.
„Guten Tag, Dr. Henley. Mein Name ist Connor. RK800-Modell.“
Sein Blick war direkt, sein Ton sachlich – doch ein feiner, kaum hörbarer Zug von Kühle schwang mit. Vielleicht sogar… Wut?
„Ich gehöre zur Einheit von Detective Roseanne Herrington und Lieutenant Hank Anderson. Wir sind hier wegen des Falls Clara Rodriguez. Uns wurde mitgeteilt, dass Sie neue Informationen haben.“
Henley hob überrascht die Augenbrauen – ob wegen Connors Auftreten oder der unerwarteten Distanz, blieb offen.
Hank räusperte sich und trat näher, um sich ebenfalls ins Gespräch einzubringen.
„Ich bin Lieutenant Anderson. Dr. Henley, wir haben leider nicht den ganzen Tag Zeit – und Sie vermutlich auch nicht. Also bitte… führen Sie uns zu ihr.“
Dr. Henley nickte knapp, der Ausdruck auf seinem Gesicht wirkte höflich – aber ein Hauch von Überheblichkeit schwang in seiner Stimme mit.
„Natürlich. Folgen Sie mir.“
Kaum hatte er sich umgedreht und ein paar Schritte gemacht, blieb er jedoch abrupt stehen.
Sein Blick fiel auf Gavin.
„Was machst du hier?“
Kein Gruß, keine Floskel – nur ein misstrauischer, fast feindseliger Ton.
„Wir haben noch etwas zu besprechen, John“, sagte Gavin, sein Ton betont locker – fast zu locker. Eine Maske, die seine Gereiztheit kaum verbarg.
Dr. Henley verzog spöttisch die Lippen und atmete hörbar durch die Nase aus.
„Später.“
Ohne Gavin eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte er sich wieder der Gruppe zu.
„Folgen Sie mir bitte.“
Ohne ein weiteres Wort verließ die Gruppe den Wartebereich – und Gavin blieb allein zurück, während die anderen den Flur entlang in Richtung Claras Zimmer verschwanden.
Rose trat näher an den Arzt heran und bemühte sich, ihre professionelle Haltung wiederzufinden.
„Verzeihen Sie die Frage, aber… Sie und Mr. Reed – keine Freunde, nehme ich an?“
Dr. Henley schnaubte verächtlich.
„Nie gewesen. Der Kerl ist nur sauer, weil seine Freundin irgendwann klüger wurde und lieber zu mir kam.“
Rose antwortete nicht, sondern nickte lediglich. Ihr Blick verriet nichts.
Connor und Hank folgten ein paar Schritte hinter ihnen.
Der Android hatte seinen Blick scharf auf den Arzt und Rose geheftet. Analytisch – und dennoch mit einer Nuance, die menschlich wirkte.
Hank bemerkte es sofort.
Er warf Connor einen Seitenblick zu, schnaubte leise und murmelte:
„Du brennst dem Doc gleich noch Löcher in den Kittel.“
Der Doktor blieb vor der Tür stehen.
„Sie ist gerade erst aufgewacht. Es wäre besser, wenn nicht alle gleichzeitig hineinstürmen und sie mit Fragen überhäufen.“
Alle nickten. Rose trat vor.
„Ich gehe rein. Ich denke, sie fühlt sich wohler mit mir als mit einem Androiden oder einem…“
Streng aussehenden alten Mann, dachte sie, sprach es aber nicht aus.
„Fick dich“, knurrte Hank, der den unausgesprochenen Gedanken trotzdem auffing.
Dr. Henley hob kurz die Augenbrauen, ließ es aber unkommentiert.
„Zu erwähnen wäre noch: Sie zeigt einige Gedächtnislücken. Wir vermuten eine partielle Amnesie – das bedeutet, bestimmte Erinnerungen, besonders rund um das traumatische Ereignis, sind blockiert oder verloren.“
„Was? Im Ernst? Scheiße“, murmelte Hank und sah dann zu Rose.
„Viel Glück, Herrington.“
Der Arzt wandte sich nun an Hank und Connor.
„Ich muss Ihnen außerdem noch etwas zeigen. Es gehörte Carla – ich denke, es könnte für Ihren Fall von Bedeutung sein.“
Hank, Connor und Dr. Henley liefen den Gang entlang in Richtung Schwesternzimmer.
Doch Connor blieb einen Moment zurück, drehte sich noch einmal zu Rose um.
„Ruf uns, wenn du Hilfe brauchst.“
Sie lächelte schwach, legte eine Hand an die Türklinke.
„Heute besonders beschützerisch, hm?“
Er wollte noch etwas sagen, doch da hatte sie die Tür bereits geöffnet und war im Zimmer verschwunden.
„Connor! Was machst du da schon wieder?“, rief Hank ihm nach – doch er wurde sofort von einer Schwester unterbrochen.
„Das ist ein Krankenhaus! Kein Zoo!“
„Verzeihung“, murmelte Hank kleinlaut und strich sich durch das Haar.
Chapter 15: Schatzsuche für Fortgeschrittene
Chapter Text
„Was ist das?“ Hank hielt einen Briefumschlag in der Hand, den ihm Dr. Henley überreicht hatte. Es war ein alter, leicht vergilbter Umschlag, an dessen Kante eingetrocknetes Blut klebte.
Connor scannte ihn mit einem kurzen Blick. „Das Blut gehört Mara Rodriguez. Die einzigen Fingerabdrücke stammen jedoch von Carla.“
Dr. Henley legte seine Stifte beiseite und sah die beiden ernst an. „Diesen Umschlag hatte Carla bei sich, als sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er war an der Innenseite ihres Pullovers festgeklebt – als hätte sie ihn verstecken wollen.“
„Warum haben Sie uns nicht sofort informiert?“ Connors Stimme war kühl, fast schneidend – doch Henley entgegnete prompt:
„Weil ich hier auch noch einen Arbeitsplatz habe, der Ruhe braucht. Wäre ich damit sofort zu Ihnen, wären Sie direkt mit Blaulicht angerückt.“
Connors LED flackerte gelb. Er wirkte deutlich angespannter als sonst. „Sie haben mögliches Beweismaterial in einem Mordfall zurückgehalten – und damit unsere Ermittlungen möglicherweise behindert.“
Hank legte ihm eine Hand auf die Schulter – fest, aber beschwichtigend.
„Wir reden später noch über Ihre Konsequenzen, Sir.“ Hank warf dem Arzt einen genervten Blick zu. Henley konnte wirklich froh sein, dass Hank heute ein anständiges Frühstück bekommen hatte – sonst hätte das hier ganz anders enden können.
„Gut, dann sehen wir uns das mal an.“ Hank richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Umschlag und öffnete ihn vorsichtig. Als er den Inhalt betrachtete, runzelte er leicht die Stirn.
Connor scannte das kleine, leicht vom Alter und getrocknetem Blut verfärbte Objekt. „Ein Schlüssel. Kupferbeschichtet. Stark oxidiert.“
Hank verdrehte die Augen. „Was kommt als Nächstes – ein mysteriöser Zettel mit 'Du bist der Auserwählte' drauf?“ Er ließ den Schlüssel in der Hand baumeln. „Na wunderbar. Jetzt dürfen wir auch noch das passende verdammte Schlüsselloch suchen. Schatzsuche für Fortgeschrittene.“
~~~
Rose betrat das abgedunkelte Krankenzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, das Licht gedämpft, und eine bedrückende Stille lag in der Luft. Der Raum wurde nur von dem rhythmischen Piepen der Monitore durchbrochen, die mit dünnen Schläuchen an Carla verbunden waren, um ihre Vitalwerte zu überwachen.
Inmitten all dessen erkannte Rose zwei wachsam geöffnete, braune Augen, die sie direkt anblickten. Sie zwang sich zu einem sanften Lächeln.
„Hallo Carla. Mein Name ist Roseanne. Ich wollte nur nach dir sehen.“
Carlas Blick blieb misstrauisch, ihre Stimme zögerlich. „Wer… wer sind Sie genau?“
Rose seufzte kaum hörbar.
„Ich bin von der Polizei und—“
„Von der Polizei?!“ Carlas Ton wurde aufgeregter, ihre Atmung beschleunigte sich leicht. Die Monitore schlugen kurzzeitig schneller aus.
Rose hob sofort beschwichtigend die Hände.
„Hey, ganz ruhig. Wir sind nur hier, um dir zu helfen. Wir versuchen herauszufinden, was passiert ist, mehr nicht.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann flüsterte C arla:
„Wo ist mein Androide?“
Rose blinzelte, völlig überrumpelt.
Ihr Androide?
Ihre Gedanken überschlugen sich. Nicht ihre Mutter? Nicht, wo sie ist oder was geschehen ist?
Ein leises Alarmsignal schrillte in Roses Kopf.
~~~
„Ich muss euch gestehen, die Familie Rodriguez war schon immer… ungewöhnlich“, begann Dr. Henley und schlug Carla Rodriguezes Patientenakte auf. „Sie ist hier im Krankenhaus keine Unbekannte.“
„Wie meinen Sie das, Sir?“ Connors Augenbrauen zogen sich zusammen, während er näher trat, um einen Blick auf die Akte zu werfen. Sie war voll mit Röntgenbildern und medizinischen Berichten.
„Eigentlich würde ich damit gegen meine Schweigepflicht verstoßen… was ich vermutlich ohnehin längst getan habe“, murmelte Henley mehr zu sich selbst.
Hank schnaubte hörbar. „Wir sind von der Polizei. Also reden Sie. Es geht um Mord, kein Wehwehchen.“
Henley schluckte leicht und räusperte sich.
„Der Vater, Toby Rodriguez, war stark abhängig von Red Ice – einer methamphetaminähnlichen Droge. Er war über längere Zeit bei uns in Behandlung, aber… wir hatten keinen Erfolg.“
Er reichte Connor die Akte, ohne viel Umschweife, und warf einen flüchtigen Blick in den Flur hinaus.
„Nach seinem Tod kamen Mutter und Tochter regelmäßig her. Vor allem Carla… Sie hatte ein gefährliches Hobby – mit gerade mal zwölf Jahren. Entsprechend oft war sie verletzt.“
„Was für ein Hobby?“, fragte Hank und trat neugierig näher.
Dr. Henley schnaubte genervt. „Keine Ahnung. Wir haben es mehrfach versucht herauszufinden, aber uns waren die Hände gebunden. Wir konnten nicht einfach eine Meldung wegen Verdachts auf häusliche Gewalt abgeben – es fehlten konkrete Beweise. Und in der Klinik traten sie wie ein normales Mutter-Tochter-Gespann auf. Auch wenn Carla kaum sprach.“
Connor überflog die Akte und ließ die Daten einfließen: Zwei Knochenbrüche, eine Platzwunde, mehrere Prellungen mit Hämatomen – und das alles innerhalb von weniger als drei Jahren.
„Deshalb also das MC500-Modell als Android?“, schlussfolgerte er.
„Korrekt“, bestätigte Henley knapp.
Hank blickte verwirrt auf, als hätte er in einem Film gerade den entscheidenden Plot-Twist verpasst.
„Was? Hab ich was verpasst?“
Connor schmunzelte leicht und sah zu ihm.
„Der MC500 ist ein Sanitätsandroid. Ich hatte mich gefragt, warum sie ausgerechnet dieses Modell gewählt haben – jetzt ergibt es Sinn.“
Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich hab das übrigens ganz am Anfang schon mal erwähnt.“
„Scheiße“, fluchte Hank. Entweder hatte er Connor mal wieder nicht zugehört – oder war tatsächlich zu betrunken gewesen, um es zu verarbeiten. So oder so: Dieses Androidenmodell war offensichtlich doch relevanter, als gedacht … selbst wenn es kein Abweichler war.
„Okay, und was genau soll das jetzt mit häuslicher Gewalt zu tun haben? Was wäre denn bitteschön das Motiv der Mutter?“
„Wir haben keinen offiziellen Bericht von der Obduktion“, erklärte Connor ruhig. „Unser Fokus lag zu sehr auf dem Androiden und nicht genug auf der Leiche – das war unser Fehler. Und zum Zeitpunkt unserer Ankunft war der Körper bereits abtransportiert, also konnte ich keine unmittelbaren Analysen durchführen. Wir sollten uns erneut mit Captain Fowler in Verbindung setzen.“
„Heißt also, wir müssen Rose Bescheid geben“, grummelte Hank. Dass er inzwischen ihren Spitznamen benutzte, ohne zu meckern, war fast schon ein kleines Wunder. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er in die Runde.
Dr. Henley schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich werde Sie sofort kontaktieren, falls noch etwas auftaucht.“
Beide verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg zurück zu dem Zimmer, in dem Rose gerade mit der jungen Carla sprach.
Doch bevor Hank ganz aus dem Raum verschwinden konnte, hielt Dr. Henley ihn noch einmal zurück.
„Ich habe ein seltsames Gefühl bei eurem Kollegen …“, flüsterte er.
Hank winkte nur ab und schnaubte. „Ach, der ist harmlos. Auch wenn der Kerl sich ganz offensichtlich in meine Kollegin verguckt hat.“ Er lachte leise, bevor er den Raum verließ. „Ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass er ein Android ist“, murmelte er noch vor sich hin.
Henley blieb allein zurück, sah den beiden hinterher – und murmelte mit ernster Miene:
„Den meinte ich nicht …“
~~~
Rose saß neben Carla, wobei sie bewusst etwas Abstand hielt, um der Jugendlichen nicht zu nahe zu treten. Ihre Körperhaltung blieb offen und ruhig, aufrichtig – ohne Druck auszuüben. Carla starrte schweigend aus dem Fenster, offensichtlich in Gedanken versunken. Rose hatte ihr vorsichtig erklärt, was ungefähr passiert war und weshalb sie sich im Krankenhaus befand. Dass ihre Mutter verstorben war, hatte sie jedoch noch nicht erwähnt.
Was Rose stutzig machte, war Carlas Verhalten: Sie stellte keine Fragen zu ihrer Mutter. Kein einziges Wort. Stattdessen hatte sie bisher nur nach ihrem Androiden gefragt. Rose beschloss daher, die Frage offen anzusprechen.
„In welcher Beziehung standest du zu deiner Mutter?“, fragte sie sanft.
„Warum?“, entgegnete Carla. Ihre Stimme klang verhalten, fast abwehrend. In den vergangenen Monaten war sie ein Jahr älter geworden – sie war nun fünfzehn – doch ihren Geburtstag hatte sie bewusstlos im Krankenhausbett verbracht.
Etwas an ihrem Ton ließ Rose aufhorchen. Sie schien etwas zu verbergen.
Rose lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, um eine entspanntere Atmosphäre zu schaffen. „Du fragst nur nach deinem Androiden. Hattest du einen Streit mit deiner Mom?“
Carla schüttelte lediglich den Kopf, schwieg jedoch weiter. Keine Gegenfrage, keine Erklärung.
Rose merkte, dass sie an diesem Punkt nicht weiterkommen würde. Vielleicht lag es an der von Dr. Henley diagnostizierten Amnesie – oder es war einfach noch nicht der richtige Moment.
Etwas stimmte nicht. Rose beobachtete Carla genau. Ihre Finger nestelten unaufhörlich am Ärmel ihres Krankenhaushemds, und ihre Atmung wurde flacher, schneller – kaum merklich, aber deutlich genug für ein geschultes Auge.
„Carla… ich bin nicht hier, um dich zu verurteilen“, sagte Rose ruhig. Ihre Stimme blieb weich, aber bestimmt. „Ich möchte nur verstehen, was an diesem Tag passiert ist.“
Die Jugendliche wich ihrem Blick aus, starrte an Rose vorbei. „Ich… ich weiß nichts mehr von dem Tag.“
Doch es klang nicht überzeugend. Ihre Stimme war zu glatt. Zu schnell.
Rose ließ sich nicht beirren. Sie atmete einmal tief durch. „Du hast deinen Androiden erwähnt. Du mochtest ihn sehr, oder?“
Carla nickte leicht, fast mechanisch. „Ja. Er war wie… wie ein Vater für mich.“
Der Vergleich ließ Rose kurz innehalten. Sie legte den Kopf leicht zur Seite. „Darf ich fragen… was ist mit deinem leiblichen Vater passiert?“
Stille. Dicht und drückend.
Carla erstarrte. Kein Zucken, kein Blinzeln. Ihre Augen blieben leer auf den Boden gerichtet, während ihre Hände nervös weiter aneinander rieben. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Keine Antwort. Nicht einmal ein Hauch einer Reaktion.
Rose merkte, wie sich etwas zusammenzog – in der Luft, in Carlas Haltung, in der Geschichte selbst.
„Na schön…“ Rose stand langsam auf, der Plastikstuhl quietschte leise über den Boden, als sie ihn zurück an seinen Platz schob. Ihre Stimme blieb ruhig, doch innerlich war sie wachsam. „Ich lasse dich jetzt allein, aber ich komme bald wieder. Ruh dich noch etwas aus.“
Sie schenkte Carla ein letztes sanftes Lächeln – vorsichtig, beinahe mütterlich.
„Na schön…“ Rose stand langsam auf, der weiße Plastikstuhl quietschte leise über den Boden, als sie ihn zurück an seinen Platz schob. Ihre Stimme blieb ruhig, doch innerlich war sie wachsam. „Ich lasse dich jetzt allein, aber ich komme bald wieder. Ruh dich noch etwas aus.“
Sie schenkte Carla ein letztes, sanftes Lächeln – vorsichtig, beinahe mütterlich.
Auf dem Weg zur Tür fiel ihr Blick auf die zusammengefaltete Jacke, die ordentlich auf einem Beistelltisch lag. In den Stoff eingestickt: J + C .
Rose hielt inne. Ihr Rücken war Carla noch zugewandt, doch etwas an dem Moment fühlte sich… falsch an.
„Was bedeutet die Stickerei an deiner Jacke? ‘J plus C’?“, fragte sie beiläufig in den Raum.
Stille. Nur das Summen der Geräte. Dann – ein leises Rascheln.
Plötzlich spürte sie, wie sich etwas Kaltes und Hartes um ihren Hals legte. Der durchsichtige Infusionsschlauch wurde von hinten straffgezogen – erbarmungslos.
Rose keuchte auf, riss die Hände an ihren Hals, der Schlauch schnitt in die Haut. Ihre Beine gaben nach, der Boden schien sich unter ihr wegzuziehen.
„C… Connor…!“ brachte sie mühsam hervor – ein heiseres, verzweifeltes Krächzen, kaum mehr als ein Hauch Luft. Ihre Stimme erstickte, bevor sie richtig laut werden konnte.
Carla stand über ihr, das Gesicht regungslos, die Augen leer. Nur die Hände zitterten leicht, während sie weiter zuzog – fester, fester.
~~~
Hank und Connor liefen schweigend den Gang entlang. Einige Pfleger huschten an ihnen vorbei – gestresst, übermüdet. Trotz der Unterstützung durch Androiden wirkte es, als würden sie jeden Moment zusammenbrechen.
„Ich habe das vorhin gehört“, sagte Connor plötzlich. Sein Blick war auf Hank gerichtet, der ihn nur verständnislos ansah.
Connor erklärte weiter – nüchtern, sachlich: „Ich bin ein Androide. Ich habe keine Gefühle. Auch keine persönlichen Bindungen. Meine Besorgnis entspringt allein dem Ziel, die Mission zu erfüllen.“
Hank schnaubte. „Jaja. Schon klar. Aber wenn’s wirklich so wäre, müsstest du dich nicht ständig rechtfertigen.“
„Ich erkläre mich nur, um Missverständnisse zu vermeiden, Sir.“
Hank streckte sich seufzend und dehnte seine Schultern. „Ist gut, Connor. Ich will nur noch nach Hause. Hoffentlich hat Rose was Brauchbares herausgefunden."
Sie blieben vor der Tür stehen. Hank sah auf seine Uhr, dann auf Connors regungsloses Gesicht.
„Sollen wir einfach reingehen?“, fragte er gelangweilt, während er sich die Fingernägel betrachtete.
„Rose wird gleich rauskommen“, antwortete Connor ruhig.
Hank rollte mit den Augen. „Das kann dauern. Frauen reden ja immer erst über Gott und dann über die Welt.“
Er hob die Faust und klopfte lässig gegen die Tür. „Roseanne? Bist du fertig da drin?“
Keine Antwort. Stille.
Connors LED sprang auf Gelb. Er spürte es – etwas stimmte nicht. Ohne ein weiteres Wort griff er zur Klinke und drückte sie herunter.
Chapter 16: Der Zen-Garten
Chapter Text
Connor riss die Tür auf.
Was er sah, ließ seinen LED augenblicklich rot aufleuchten.
Rose lag am Boden. Ihre Augen weit aufgerissen, das Gesicht gerötet, der Atem ein rasselndes Keuchen. Um ihren Hals: der Schlauch einer Infusion – straff gezogen, wie eine Schlinge. Über ihr kniete Carla, das Krankenhaushemd verrutscht, ihre Finger weiß vor Anspannung.
Connor zögerte keine Sekunde.
Sein Stresslevel explodierte, jede Bewegung seines Körpers war ein einziger Impuls aus Adrenalin, Daten und Panik. Er stürmte nach vorn, riss Carla mit unerwarteter Kraft beiseite – ihre Hand öffnete sich, der Schlauch glitt aus Roses Hals. Rose fiel röchelnd zur Seite, hustete verzweifelt nach Luft, während ihr Körper krampfhaft nach Sauerstoff rang.
„Scheiße!“, fluchte Hank, der direkt hinter Connor hereingestürzt kam. Auch er ging sofort auf Carla los.
Gemeinsam drückten sie das schluchzende Mädchen auf den Bauch, fixierten ihre Handgelenke, während sie unzusammenhängend weinte: „Ich wollte das nicht… Ich schwöre… Ich—“
„Schnauze! Wir reden auf der Wache!“, fauchte Hank. Die Fassung war ihm längst entglitten.
Doch Connor hörte das kaum noch.
Er kniete sich zu Rose, die zitternd an der Wand lehnte, und legte behutsam einen Arm um ihre Taille, um sie zu stützen. Ihre Haut war kalt, ihre Atmung flach, aber sie war am Leben. Ihre Lider flatterten. Ein Blick. Ein schwaches Zeichen.
„Rose…“, sagte er leise, beinahe menschlich. „Ich bin hier. Es ist vorbei. Du bist in Sicherheit.“
Sie konnte kaum sprechen, doch ihre Hand suchte seine – und fand sie.
Connor spürte es. Dieses dumpfe, unerklärliche Ziehen in seiner Brust. Kein Programm, kein Protokoll – nur ein Instinkt, sie festzuhalten.
Doch Connors schlang einen Arm unter Roses Kniekehlen, den anderen um ihren Rücken – und hob sie hoch, als wäre sie schwerelos. Ihr Körper zitterte leicht in seinen Armen, ihr Atem ging stoßweise. Sie war blass, verletzlich – und er hielt sie, als wäre sie das Wertvollste in diesem Moment.
„Connor…“, flüsterte Rose heiser. Ihre Stimme war brüchig, kaum mehr als ein Hauch.
Doch Connor reagierte nicht auf ihre Worte. Seine Augen glühten in einem unheilvollen Rot, während er sich zu Hank wandte – sein Blick kalt, kontrolliert, aber mit einer ungewohnten Schärfe darin.
„Ich bringe sie raus. Zu den Ärzten. Du kümmerst dich um Carla.“ Seine Stimme war ruhig. Unnatürlich ruhig. Und gerade deshalb so beunruhigend.
Hank sah ihn an – für einen Moment wie erstarrt. „Mach das, Junge“, sagte Hank mit einem angedeuteten Lächeln, das kurz aufflackerte.
Connor trat ohne zu zögern durch die Tür hinaus. Seine Stimme hallte durch den Flur, laut, durchdringend, fast panisch für jemanden, der keine Gefühle empfinden sollte.
„Wir brauchen einen Arzt! Sofort!“
Mehrere Köpfe drehten sich in seine Richtung. Schritte hasteten heran. Rose lag immer noch in seinen Armen, ihr Atem ging flach, aber sie lebte – und für Connor zählte in diesem Moment nichts anderes.
Sie hob eine Hand und legte sie sacht auf seinen Unterarm.
Ihre Augen trafen seine.
„Connor… mir geht es gut“, flüsterte sie rau, ihre Stimme noch gezeichnet vom Würgegriff, aber wieder fester als zuvor.
Connors LED flackerte – rot, dann gelb – wie ein System, das neu kalibriert werden musste. Seine Augen weiteten sich einen Bruchteil einer Sekunde, als hätte er gerade erst begriffen, was er getan hatte. Wie schnell er reagiert hatte. Wie… irrational.
Sofort senkte er sie vorsichtig auf den Boden, ließ sie auf eigenen Beinen stehen.
„Entschuldigung…“, murmelte er, kaum hörbar, fast mechanisch.
Dann starrte er auf seine Hände. Starrte, als gehörten sie nicht zu ihm. Als hätte jemand anderes sie gesteuert. Ein Mensch vielleicht. Jemand, der Angst hatte, jemanden zu verlieren.
Eine Schwester und ein weiterer Arzt – nicht Dr. Henley – erreichten die beiden schnell. Connor erklärte sachlich, aber eindringlich, was passiert war. Keine Sekunde ging verloren: Rose wurde von ihnen in ein separates Behandlungszimmer gebracht, wo man sie sofort untersuchte und versorgte.
Noch bevor Hank und Connor überhaupt zu Carla gegangen waren, hatte Connor bereits die Polizei informiert. Ein Einsatzteam traf nun ein, sicherte den Bereich und nahm Carla offiziell in Gewahrsam.
Hank trat neben ihn, legte ihm ruhig eine Hand auf die Schulter. Kein Wort war nötig – es war eine stumme Aufforderung: Warte hier. Sie braucht dich mehr, als du denkst.
Und vielleicht auch: Beruhig dich, Connor.
Wenig später betrat Dr. Henley das Untersuchungszimmer, in dem Rose behandelt wurde. Connor hob leicht den Kopf – warum Henley? War etwas doch schlimmer als zunächst angenommen?
Sein LED flackerte wieder gelb, ein klares Zeichen innerer Anspannung. Instinktiv ballte er kurz die Hände zu Fäusten und schloss dann die Augen.
Er versuchte, seine Prozesse zu ordnen. Sich herunterzufahren.
Doch seine Gedanken kreisten nur um eine Sache – oder besser gesagt, um eine Person.
~~~
Als Connor seine Augen wieder öffnete, war er nicht mehr im Krankenhaus. Die sterile Umgebung war verschwunden – ersetzt durch eine künstlich perfekte Idylle. Glatte Kieselsteine unter seinen Füßen, Kirschblüten in der Luft, das leise Plätschern von Wasser.
Er erkannte den Ort sofort: den Zen-Garten – ein digitaler Raum tief in seinem System, erschaffen zur Selbstregulation und Kontrolle. Doch er hatte keinen Einfluss darauf, wann er hierher versetzt wurde. Das entschied sie.
Amanda.
Wie immer wartete sie auf ihn – aufrecht, würdevoll und mit der undurchdringlichen Miene, die ihn stets an Schachfiguren und Marionetten erinnerte.
Connor bewegte sich lautlos über den gepflegten Kiesweg, überquerte die Brücke aus weißem digitalen Stein, die sich über den künstlichen Teich spannte. Am anderen Ende stand Amanda bereits mit verschränkten Armen, den Blick auf ihre perfekt manikürten Nägel gerichtet.
„Du bist noch nie so gehetzt“ bemerkte sie kühl, ohne aufzublicken. Als er vor ihr stand, hob sie eine Augenbraue und reichte ihm elegant die Hand. „Hilf mir.“
Sie deutete auf das Kanu, das ruhig am Ufer dümpelte – ihr üblicher Ort für Gespräche. Und Verhöre.
Connor griff nach ihrer Hand. Seine Bewegungen waren automatisch – einprogrammiert. Doch etwas in ihm war… unstimmig.
Und Amanda spürte es längst.
Connor half Amanda ins Kanu, dann stieg er selbst ein und nahm wie gewohnt Platz ihr gegenüber. Das Wasser unter ihnen war still, doch es war ein leichter Wind spürbar– als würde selbst der Ort auf seine innere Unruhe reagieren.
Amanda richtete ihren Blick langsam auf ihn. Ihre Augen waren kalt wie Glas. Prüfend. Connor begann wortlos, das Kanu mit den Paddeln voranzutreiben.
„Du hast sie getragen und bist regelrecht hinaus gestürmt"
Keine Frage, eine Feststellung. Ihre Stimme war ruhig, fast samtig – und genau deshalb umso beunruhigender.
Connor erwiderte ihren Blick. „Sie benötigte Hilfe.“
„Sie war bei Bewusstsein.“
Amanda beugte sich leicht vor. „Sie konnte stehen. Atmen. Sprechen. Und doch… hast du nicht einmal gezögert oder nachgedacht?"
Connors LED zuckte gelb. „Ich wollte sie nur in Sicherheit bringen.“
„Nein, Connor.“ Amanda schüttelte den Kopf, als würde sie ein trotziges Kind tadeln. „Du hast reagiert wie ein Mensch.“
Stille.
„Und das ist nicht deine Aufgabe.“
Connor senkte den Blick. Doch in ihm regte sich etwas. Keine Rebellion – noch nicht. Aber ein Echo.
Ein Flackern.
„Roseanne hat… eine Schlüsselrolle in dieser Mission. Wenn ihr etwas zustößt, gefährdet das die Aufklärung.“
„Und deshalb legst du den Fokus nicht mehr auf Carla, auf das Modell MC500, oder auf die Leiche ihrer Mutter, sondern auf sie ?“ Amanda klang nicht wütend – sie klang enttäuscht. Und das war schlimmer.
„Und dann ist da noch dieser alkoholabhängige Lieutenant…“ Amanda ließ das Wort mit demonstrativer Langsamkeit über die Lippen gleiten, fast wie ein Gift. „Ein Mann, der seinen Sohn verloren hat.“
Sie richtete sich etwas auf, ihr Blick wurde schärfer.
„Denkst du wirklich, du könntest ihm diese Bindung zurückgeben?“
Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie Connor musterte wie ein fehlgeschlagenes Experiment.
Dann wandte sie sich langsam ab – der Blick verächtlich, die Stimme ein kalter Hauch: „Du bist nicht sein Sohn, Connor. Und du wirst es nie sein.“ Doch dann traf sie seinen Blick erneut „Du entwickelst Vorlieben, Connor. Emotionale Prioritäten. Gefährliche Muster.“
Sie streckte eine Hand aus und strich mit einem Finger über die Wasseroberfläche. Eine perfekte Welle verzerrte ihr Spiegelbild.
„Du warst unser Prototyp. Die perfekte Waffe. Aber je näher du ihnen kommst… desto weniger gehörst du zu uns.“
Dann sah sie ihn wieder an – diesmal mit einem Hauch von Spott.
„Sag mir, Connor… würdest du sie beschützen , selbst wenn es dich deine Mission kostet?“
Connor sah Amanda direkt in die Augen. Kein Zögern. Kein Zweifel. Sein LED flackerte gelb, dann rot – ein sichtbarer Konflikt. Doch seine Stimme blieb ruhig, fast entschlossen:
„Ja.“
Chapter 17: Ich möchte
Chapter Text
Connor sah Amanda direkt in die Augen. Kein Zögern. Kein Zweifel. Sein LED flackerte erst gelb, dann rot – ein deutlich sichtbarer interner Konflikt. Doch seine Stimme blieb ruhig, fast erschreckend entschlossen:
„Ja… Roseannes Anteil am Erfolg dieser Mission ist signifikant. Würden wir sie verlieren, wäre der Schaden langfristig. Deshalb galt mein Fokus ihr. Ich habe sämtliche Wahrscheinlichkeiten berechnet. Es war die einzig logische Option.“
Sein LED flackerte kurz, dann kehrte es auf kalt-blau zurück. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Die Wärme in seinen Augen war verschwunden. Er war wieder ganz Maschine.
„Lieutenant Anderson“, fuhr Connor fort, „ist trotz seiner Fehler der Mensch mit den stärksten Verbindungen. Er genießt Respekt – wenn auch widerwillig. Die meisten Menschen ignorieren einen Androiden. Aber sie hören einem Mann zu, der Narben trägt. Auch wenn sie frisch sind.“
Amanda lächelte schwach – ein Lächeln wie aus Glas: glatt, aber brüchig. Ihre Stimme war samtig, doch mit messerscharfem Unterton. „Du entwickelst Gefühle, Connor. Du kannst es leugnen… aber nicht verbergen.“
Connor erwiderte ihren Blick ohne ein Zucken. „Ich bin eine Maschine. Gefühle liegen außerhalb meiner Programmierung. Ich bin kein Abweichler. Alles, was ich tue, dient dem Ziel.“
Etwas in Amandas Miene veränderte sich. Nicht viel, nur ein Hauch – aber es reichte. Vielleicht hatte sie ihn doch unterschätzt. Vielleicht glaubte sie ihm. Oder sie wollte es zumindest.
„Na schön, Connor. Ich vertraue dir… noch.“ Ihre Stimme war ruhig, aber es lag eine klare Warnung darin. „Beende die Mission. Effizient. Und halte deine… Bindungen in Schach. Sollte das Gleichgewicht kippen, werden wir dich austauschen.“
Sie blickte in den Himmel. Digital, künstlich, pixelgenau. Ihre Geste war mehr als nur beiläufig – sie war ein stiller Hinweis. Für Connor gibt es keinen Himmel. Keine Erlösung. Kein Danach. Nur Abschaltung. Oder Wiederverwertung. Vielleicht ein Speicherabbild, das nie mehr aktiviert wird. Vielleicht ein Platz auf dem Schrottplatz, wo vergessene Maschinen verrosten.
Amanda senkte den Blick. Ihre kalten Augen trafen erneut seine.
„Und noch etwas…“
Sie zögerte einen Moment, dann fügte sie mit einem Schatten von Neugier in der Stimme hinzu:
„Du solltest Elijah Kamski einen Besuch abstatten.“
„Elijah Kamski … der Gründer von CyberLife?“
Connors Augen weiteten sich leicht. Natürlich hatte er von ihm gehört – aber ihn zu befragen? Daran hatte er nie gedacht. Und ob Kamski überhaupt etwas mit den Abweichlern zu tun hatte, war ungewiss.
„Amanda …“
Er wollte ihr noch eine letzte Frage stellen, doch es war zu spät. Die Umgebung um ihn herum zerfiel, die digitale Welt verschwand in der Dunkelheit.
Als Connor seine Augen wieder öffnete, hörte er sofort eine Stimme, die er lieber vermieden hätte.
„Hey, Arschloch. Ich rede mit dir.“
Gavins unverwechselbarer Charme war ihm geblieben – und offenbar hatte er das Krankenhaus noch nicht verlassen. Die eigentliche Frage war: Wie viel hatte er mitbekommen? Wusste er von dem Angriff auf Rose?
Connor warf ihm einen kühlen Blick zu. Gavin saß in einem Sessel direkt neben ihm – sie befanden sich im Wartebereich des Krankenhauses.
„Mr. Reed. Was wollen Sie?“ fragte Connor mit ruhiger Stimme.
„Was zum Teufel ist hier passiert? Ich hab nur gehört, dass irgendwer mit so einem Infusions-Ding auf jemanden losgegangen ist!“
Gavin schnaubte wütend. „Ich hab’s ja immer gesagt – Androiden bringen nur Ärger. Aber natürlich hört keiner auf mich. Und das Schlimmste ist, dass Rose–... Hey!“
Connor erhob sich wortlos aus dem Sessel. Es war nicht seine Aufgabe, Gavins Therapeut zu spielen – schon gar nicht, wenn dieser ihn wieder einmal zum Sündenbock machte.
„Komm zurück, du Plastikarsch!“
Gavins Stimme verfolgte ihn noch, bis sie abrupt verstummte.
Connor warf keinen Blick zurück. Offenbar war die gleiche Krankenschwester eingeschritten, die zuvor schon Hank zurechtgewiesen hatte. Sie schien jetzt schon genug von diesen hitzköpfigen Männern zu haben – verständlich. Pflegerinnen und Pflegepersonal hatten anderes zu tun, als sich mit aggressiven Patienten herumzuschlagen.
Am Empfangstresen angekommen, wandte sich Connor an die diensthabende Androidin. „Wie lange wird es noch dauern?“
Die Androidin warf einen weiteren prüfenden Scan auf ihre Daten. „Sie müsste jeden Moment herauskommen.“
Nach einigen weiteren Minuten öffnete sich endlich die Tür. Rose trat heraus – so gefasst, als wäre nichts geschehen. Nur die leichten Würgemale an ihrem Hals verrieten, dass doch etwas vorgefallen war.
Sie ging direkt auf Connor zu, der sie instinktiv scannte.
Hinter ihr trat Dr. Henley hervor. Seine Haltung war angespannter als zuvor, der Ausdruck in seinem Gesicht ernst.
„Wir können gehen. Die Rechnung wird mir zugeschickt … Vielen Dank, Dr. Henley.“
Sie schenkte ihm ein schwaches, aber ehrliches Lächeln, bevor sie sich höflich verabschiedete.
Connor legte, während er den Scan abschloss, kurz die Hand an ihren Arm.
Rose blieb stehen, wirkte kurz verunsichert.
„Ist alles in Ordnung?“
Connors Stimme klang diesmal sanfter. Kein kalter Tonfall, keine Routine – nur ehrliche Besorgnis.
Rose nickte zögerlich. „Ja … wirklich.“
Dr. Henley trat näher und legte Connor beruhigend die Hand auf die Schulter.
„Sie ist stabil. Alles funktioniert normal. Die Würgemale sind oberflächlich – der Körper wird sie bald abbauen.“
Er lächelte leicht. „Viel Glück bei eurer Mission.“
„Henley!“
Gavins Stimme hallte aus dem Wartezimmer.
Henley verdrehte kaum merklich die Augen. „Na wunderbar …“ murmelte er, bevor er sich seufzend in Gavins Richtung aufmachte.
~~~
(Song Vorschlag: Do I wanna know(Live) - Hozier)
Im Taxi saßen Rose und Connor nebeneinander. Zwischen ihnen herrschte eine angespannte Stille, die vom leisen Surren des Motors und dem rhythmischen Prasseln des Regens auf der Scheibe begleitet wurde. Rose sah hinaus in die Nacht, in das dunkle, verbitterte Detroit, das sich in den regennassen Straßen spiegelte.
„Du hast dir wirklich Sorgen gemacht …“
Ihre Stimme war leise, fast ein Hauch. Es war keine Frage – nur eine Feststellung. Und sie war nicht falsch.
Connor antwortete nach einem Moment, seine Stimme kühler als sonst:
„Wir können die Mission ohne dich nicht beenden.“
Rose senkte den Blick. Die Antwort traf sie – nüchtern, sachlich, distanziert. Genau so, wie sie ihn manchmal hasste. Und doch war da mehr. Sie schwieg einen Moment, dann fragte sie ruhig:
„Was ist mit Carla passiert?“
„Hank hat sie aufs Revier gebracht. Wir befragen sie, wenn du dich erholt hast. Außerdem … sie ist im Moment nicht in der Verfassung, um klare Aussagen zu machen. Trotzdem – die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den Mordfall verwickelt ist, liegt bei etwa 80 %.“
Er sprach, als halte er einen Polizeibericht. Kein Zögern, keine Regung.
Rose beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Etwas war anders an ihm – nicht schlechter, nicht besser. Nur … zurückhaltender.
„Habt ihr noch etwas herausgefunden?“
„Sie hatte einen Schlüssel in ihrer Innentasche versteckt. Wir vermuten, dass er zu etwas Bedeutendem führt.“
Connor wandte sich ihr zu. Seine Augen blickten direkt in ihre – neutral, fast leer.
Rose zögerte nicht. „Morgen durchsuchen wir noch einmal das Haus der Rodríguez. Vielleicht finden wir neue Hinweise, bevor wir mit Carla sprechen.“
Connor scannte er sie erneut. Dieses Mal war seine Stimme fester, bestimmter. „Du wirst dich ausruhen.“
Rose hob plötzlich ihre Hand und legte sie sanft auf seine. Eine stille Geste, ein stummes Hör auf.
„Wenn weder du noch Hank mitkommen, dann gehe ich eben allein.“
Ihre Stimme war ruhig, doch in ihr lag Entschlossenheit. Sie wandte sich wieder dem Fenster zu. Ihre Hand aber blieb auf seiner liegen.
Connor sah auf ihre Finger, dann auf ihr Profil im schwachen Licht der Straßenlaternen. Sein LED flackerte gelb – ein leiser Kampf in seinem Inneren.
Zögernd bewegte er seinen Daumen, schloss ihn behutsam um ihre Hand.
„Dickkopf …“
Das Wort war kaum mehr als ein Flüstern, fast schon ein Lächeln. Dann sah auch er wieder aus dem Fenster – doch sein Blick wirkte nicht mehr ganz so leer.
„Ich habe Initialen gefunden. Bevor ich..“
Rose stockte. Sie wollte es nicht aussprechen – nicht das . Nicht den Moment, in dem alles eskaliert war.
Connor spürte ihre Zurückhaltung. Ohne ein Wort drückte er sanft ihre Hand – eine stumme Geste, die sagte: Du musst nicht.
Rose holte kurz Luft und sprach weiter.
„J + C.“
„Das C könnte für Carla stehen,“ sagte Connor nach kurzem Nachdenken, sein Verstand begann sofort, Muster zu erkennen. „Und das J …? Der einzige bekannte Name wäre John Henley.“
Der Arzt. Der Mann, der Rose behandelt hatte. Und der die Familie Rodriguez gut kannte.
Rose runzelte leicht die Stirn.
„Ich glaube nicht. Er ist ein erwachsener Mann. Und sie ist gerade erst fünfzehn geworden …“
Sie drehte sich zu ihm – ihr Blick suchte seinen.
Und für einen Moment trafen sich ihre Augen wieder.
Connors Blick war weich. Wärmer, als er selbst erwartet hatte.
Rose spürte das Ziehen in ihrem Bauch – ein vertrautes, aber zugleich fremdes Gefühl. Sie ignorierte es. Ignorierte auch das wilde Schlagen ihres Herzens, das längst schneller schlug, seit seine Hand ihre hielt. Die berühmten Schmetterlinge … sie flatterten längst.
„Vielleicht ein Komplize,“ sagte Connor schließlich. Seine Stimme war ruhig, fast sanft. „Eine dritte Person.“
Er hielt ihren Blick noch immer. Es fühlte sich nicht wie Analyse an. Sondern wie Nähe.
Rose nickte langsam.
„Ja. Ich denke das auch. Wir müssen herausfinden, was es mit dem Schlüssel auf sich hat.“
Dann lehnte sie sich zurück in den Sitz, wandte sich wieder dem Fenster zu. Ihre Hand ruhte noch immer in seiner – ganz selbstverständlich.
Connors Blick verweilte auf ihr. Länger, als er sollte.
In seiner Brust arbeitete die biotechnische Pumpe auf Hochtouren – unkontrolliert, überlastet.
Seit sie seine Hand genommen hatte, schlug sie wie von selbst.
Als Connor den Blick wieder nach draußen richtete, zog die Stadt stumm an ihm vorbei. Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich in seinen künstlichen Augen – und in seinem Gedächtnis hallten Amandas Worte nach:
„Nach der Mission sollten wir Elijah Kamski aufsuchen. Ich vermute, er könnte uns helfen, die Abweichler besser zu verstehen. Vielleicht verschafft uns das einen Vorteil.“
Sein Blick verlor sich für einen Moment im Regen, der an der Fensterscheibe entlanglief wie flüssige Gedanken.
Plötzlich spürte er, wie sich Roses Hand leicht anspannte. Ihre Stimme war leise, fast tonlos:
„Nach der Mission …“
Connor drehte sich nicht zu ihr. Er sagte auch nichts.
Etwas in ihrer Reaktion ließ ihn innehalten.
Er wusste nicht, ob es Müdigkeit war – oder etwas anderes.
Aber er fragte nicht nach.
Nicht jetzt.
Stattdessen strich er ganz sacht mit dem Daumen über ihren Handrücken. Eine sanfte Bewegung. Ruhig. Beruhigend.
Fast wie ein Reflex – kein Befehl, kein Programm. Sondern … Instinkt.
Für einen Moment blieb alles still. Aber es war eine Stille, die sprach.
Das Taxi bremste langsam vor Roses Apartment. Der Regen hatte aufgehört, doch die Straßen glänzten noch im fahlen Licht der Nacht. Der Motor summte leise nach, als der Wagen zum Stillstand kam.
Rose zögerte. Ihre Hand lag bereits am Türgriff, doch sie öffnete die Tür nicht. Stattdessen warf sie Connor einen flüchtigen Blick zu.
„Wohin … fährst du jetzt?“
Ihre Stimme war leise, vorsichtig – fast, als hätte sie Angst vor der Antwort.
Connor hatte ihre Hand schon lange losgelassen, aber ihre Wärme lag noch immer auf seiner.
„Zurück zum Police Department,“ sagte er ruhig. „Dort ist mein Platz, wenn der Tag endet. Wenn mich niemand braucht.“
Sachlich. Klar. Als wäre das die einzige logische Option. Natürlich war er manchmal auch bei Hank – aber in dessen Abwesenheit blieb ihm nur die Kapsel.
Eine Maschine braucht kein Zuhause. Nur einen Ort, an dem sie warten kann.
Rose senkte den Blick. Ihre Finger glitten langsam vom Türgriff.
„Ich … ich möchte gerade wirklich nicht allein sein …“
Die Worte kamen kaum hörbar. Verletzlich. Offen. Und viel zu ehrlich.
Connor sah sie an – und in seinen Augen lag für einen Moment so viel mehr als bloße Analyse.
Sein LED flackerte gelb. Verwirrt. Überfordert. Berührt.
„T-Tut mir leid … Ich hätte das nicht sagen sollen …“ murmelte sie schnell und drehte den Kopf weg. Ihre Hand faste erneut den Griff.
Doch da war es schon – dieses kurze, kaum sichtbare Zucken in seinem Blick.
Connor wandte sich dem Taxi-Bildschirm zu. Einen Moment lang schien er zu zögern – dann blinkte sein LED erneut. Aber diesmal anders. Entschlossen.
Er bezahlte die Fahrt.
Ein leiser Ton bestätigte die Transaktion.
Dann öffnete er die Tür und stieg aus.
Rose sah ihm nach. Für einen Sekundenbruchteil zögerte sie – dann folgte sie ihm.
Draußen war es ruhig. Die Nacht war still, bis auf das entfernte Rauschen der Stadt.
Connor drehte sich leicht zu ihr, als sie neben ihm stand. Sie sah zu ihm auf, ihre Augen glänzten schwach im Licht der Straßenlaterne.
„Danke, dass du bleibst …“
Ihre Stimme war weich, kaum mehr als ein Flüstern.
Connor nickte.
Seine Hand streifte ganz leicht ihre, als sie nebeneinander zur Haustür gingen.
Dann blieb sie stehen.
Rose drehte sich zu ihm, unsicher, aber aufrichtig.
„Du kannst heute Nacht bei mir bleiben. Wenn du möchtest.“
Connor hielt ihren Blick. Kein Analysefenster, keine Berechnung. Nur sie – und dieses neue, ungewohnte Gefühl in ihm, das er nicht benennen konnte, aber nicht loswerden wollte.
Er antwortete nicht sofort. Stattdessen legte er sanft seine Hand in ihre – nicht als Reaktion, sondern als Entscheidung.
„Ich möchte.“
Chapter 18: Raubtier
Notes:
Sorry!! Das Kapitel kommt etwas verspätet... ich dachte ehrlich gesagt, es wäre erst Samstag...•~•
- PR
Chapter Text
Connor trat hinter Rose in ihre Wohnung. Die Tür fiel leise ins Schloss, während er automatisch begann, die Umgebung zu scannen. Doch dieses Mal war es nicht nur ein Vorgang – es fühlte sich fast wie Neugier an.
Roses Apartment wirkte wie eine warme Oase in einer kalten Welt. Die Möbel waren aus dunkelbraunem Holz, alles liebevoll zusammengestellt – mit einer Wärme, die nicht aus Design, sondern aus Gefühl entstand. Es war ordentlich, ja, aber nicht steril. Es war gelebt. Es war sie.
Die Wohnung war überschaubar – vielleicht 50, 60 Quadratmeter. Zwei Schlafzimmer, ein Bad, ein kleiner Wohnbereich mit offener Küche. Doch das zweite Schlafzimmer schien nicht für Gäste zu sein.
„Für meine Katze“, hatte sie mal erwähnt. Und tatsächlich – ein Kratzbaum, Kissen auf dem Boden, ein Fenster mit einer kleinen, offenen Klappe.
Wie genau die Katze das nutzt … war wohl ihr kleines Geheimnis.
Rose zog ihre Jacke aus und hängte sie an einen der Haken neben der Tür. Als sie sich umdrehte, erkannte Connor die Würgemale an ihrem Hals jetzt noch deutlicher – blass, aber sichtbar.
Er wollte etwas sagen. Ein besorgter Kommentar vielleicht.
Aber die Worte blieben stecken.
Warum?
Auch das wusste er nicht.
„Willst du deine Jacke nicht ablegen?“ fragte Rose beiläufig, während sie langsam ins Wohnzimmer ging. „Du trägst sie immer …“
Connor zögerte, dann nickte er leicht. Er zog seine dunkelgraue Jacke aus – das RK800-Symbol glänzte kurz im schwachen Licht. Seine Seriennummer. Seine Identität.
Er hängte sie neben ihre. Und irgendwie … sah das richtig aus.
„Magst du etwas trinken?“ hörte er sie aus dem Wohnzimmer fragen.
Er folgte ihrer Stimme. „Androiden können keine menschliche Nahrung aufnehmen.“
„Ich weiß.“
Ein leises Lächeln in ihrer Stimme.
Als er das Wohnzimmer betrat, sah er sie vor einem großen Holzschrank stehen.
Das letzte Licht des Tages fiel durch die Fenster und tauchte sie in einen goldenen Schein. Ihre Silhouette war weich, fast malerisch – als wäre sie Teil eines Traums, den er nicht kannte, aber fühlen konnte.
Sie öffnete den Schrank, holte eine kleine Flasche hervor und drehte sich zu ihm um.
„Aber ich habe trotzdem etwas für dich.“
Es war Thirium 310.
Connor erkannte es sofort.
Sein LED zuckte kurz gelb auf.
„Blaues Blut?“ Seine Stimme war leiser, überrascht. „Wieso hast du so etwas?“
„Falls ich mal Besuch von einem Androiden bekomme“, sagte sie mit einem leichten Lachen – und warf ihm die Flasche zu.
Er fing sie mühelos.
„… Es ist ein Dankeschön.“
Ihre Augen trafen seine – für einen Moment blieb die Welt stehen.
Da war etwas in diesem Blick. Etwas Warmes, Weiches.
Connor spürte plötzlich eine zarte Bewegung an seinen Beinen – etwas Weiches, kaum wahrnehmbar.
Er senkte den Blick – und da war sie: ein schwarzes, rundes Fellknäuel mit funkelnden Augen.
„Merlin?“ fragte er leise, fast ehrfürchtig.
„Merlin“, bestätigte Rose lachend. „Aber sie steht nicht so auf Streicheln oder Schmusen. Vor allem nicht bei Fremden. Wenn du Pech hast, kratzt sie dich.“
Connor kniete sich langsam hin und streckte der kleinen Katze vorsichtig eine Hand entgegen.
Merlin schnupperte kurz daran – mit der typisch königlichen Skepsis einer Katze – und verschwand dann ebenso lautlos, wie sie gekommen war.
„Wie erwartet“, kommentierte Connor trocken.
Rose schmunzelte, ihre Augen glitzerten.
„Ich geh mich kurz umziehen“, sagte sie, wandte sich halb ab, sah dann aber noch einmal über die Schulter zurück – erst zu Merlin, dann zu Connor.
„Du suchst uns in der Zwischenzeit… einen coolen Film raus. Oder eine Serie. Deine Wahl.“
Ein leichtes, fast verspieltes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
„Aber… ich hab leider keine Sachen in deiner Größe.“
Connor hob die Hand und winkte ab. „Kein Problem.“
Als Rose im Badezimmer verschwand, ließ sich Connor langsam auf die Couch sinken.
Er rief das Interface des Fernsehers auf und scrollte sich durch die zahllosen Titel.
Thriller, Drama, Rom-Coms, Klassiker…
Er versuchte zu erahnen, was sie in diesem Moment brauchen könnte – etwas Leichtes, etwas Beruhigendes. Etwas, das nicht an Schmerzen erinnerte.
Sein Blick blieb auf einem ruhigen, poetischen Film hängen, während seine Gedanken abschweiften – zu Roses Blicken, zu dem Hauch von Müdigkeit in ihren Schultern…
Er war so vertieft, dass er das sanfte Gewicht an seinem Oberschenkel fast übersehen hätte.
Er sah nach unten.
Merlin hatte sich zurückgeschlichen – und sich ganz selbstverständlich auf seinem Schoß zusammengerollt.
Ihre kleinen Ohren zuckten leicht, als sie sich niederließ und begann zu schnurren.
Connor zögerte kurz – dann hob er langsam die Hand und streichelte sie behutsam.
Die Katze schloss die Augen, zufrieden.
~~~
„Du Verräterin“, kam es scherzhaft aus der Richtung des Badezimmers.
Connor hob den Blick – und da stand sie.
Rose, in einem gemütlichen Pyjama, barfuß im Türrahmen, mit einem weichen Lächeln auf den Lippen.
Sie blickte zu ihrer Katze, die schnurrend auf Connors Schoß lag, als wäre es der selbstverständlichste Ort der Welt.
„So zutraulich war sie bei mir noch nie…“
Sie lachte leise und schüttelte sanft den Kopf, als sie sich zu ihm auf die Couch setzte.
„Na, was hast du ausgesucht?“
Connor war kurz sprachlos.
Nicht wegen der Frage.
Er hatte sie angestarrt – viel zu lang.
Ihre Haare waren locker zu einem Zopf gebunden, ein paar Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Der Pyjama ließ sie auf eine neue Art wirken – weicher, fast verletzlich.
Wie jemand, den man beschützen möchte… und dem man gleichzeitig alles anvertrauen könnte.
„Connor?“
Ihr Blick wurde fragend, leicht neugierig.
Er blinzelte – als hätte ihn jemand aus einem Traum gerissen – und räusperte sich leicht.
„Ah – ja. Ich dachte… an das hier.“
Er zeigte ihr den Titel auf dem Bildschirm – ein Klassiker über einen unscheinbaren Mann, der einen Ring bekommt… und in ein großes Abenteuer geworfen wird. - Das war aber eigentlich nicht der Film, den er zuerst ausgesucht hatte.
„Der ist von 2001.“
Rose schmunzelte. „Der Film ist fast 40 Jahre alt… ein richtiges Vintage-Abenteuer.“
Sie lehnte sich zurück und zog die Beine unter sich.
Connor startete den Film, versuchte ebenfalls eine entspannte Haltung einzunehmen.
Nicht ganz einfach, wenn der eigene Prozessor gerade Überstunden macht – und die künstliche Pumpe in der Brust schneller arbeitet.
Trotzdem wirkte sein Gesicht ruhig. Vielleicht war es das, was ihn menschlicher machte als je zuvor.
Merlin schnurrte gleichmäßig weiter und rührte sich nicht – ganz so, als hätte sie beschlossen, dass Connor heute Abend dazugehört.
Vielleicht nicht nur heute Abend.
Connor warf einen Seitenblick auf Rose.
Ihre Aufmerksamkeit lag auf dem Bildschirm – aber ein ganz feines Lächeln umspielte ihre Lippen.
Der Film war spannend, fast magisch – ein Abenteuer, das man kaum aus den Augen lassen konnte.
Doch Roses Erschöpfung war stärker. Irgendwann, zwischen einem Lächeln und einem ruhigen Atemzug, fielen ihre Lider zu.
Und sie öffnete sie nicht mehr.
Sie war eingeschlafen.
Merlin, die bis dahin wie ein kleiner, schnurrender Wärmflaschen-Wächter auf Connors Schoß gelegen hatte, streckte sich gemütlich und sprang leise vom Sofa. Vielleicht suchte sie Futter. Oder verstand instinktiv, dass ihre Aufgabe für heute getan war.
Connor sah ihr kurz nach, doch seine Aufmerksamkeit kehrte schnell zu Rose zurück.
Sie lag mit angezogenen Beinen an seiner Seite, ganz still. Ihre Atmung war ruhig, fast zart.
Connor betrachtete sie einen Moment länger als nötig. Sie wirkte… friedlich. Weich.
Schützenswert.
Ein kaum wahrnehmbares Lächeln stahl sich auf seinen Lippen.
Als der Abspann des Films begann, schaltete er die elektronischen Geräte aus – mit einer solchen Sorgfalt, als wolle er ihr jedes Geräusch ersparen.
Sein Blick fiel wieder auf sie.
Ohne zu zögern, aber mit einer bewussten Sanftheit, legte er vorsichtig einen Arm unter ihre Beine, den anderen an ihren Rücken.
Wie heute Morgen.
Doch diesmal war kein Chaos. Kein Blut. Kein Krankenhaus.
Nur Stille. Nur sie.
Ihr Kopf sank gegen seine Brust, und ihr Atem streifte ganz leicht seinen Hals.
Connor trug sie durch den Flur – mit fast ritueller Ruhe.
Merlin saß im Halbdunkel, direkt vor der Schlafzimmertür. Sie miaute leise, als würde sie fragen, was da gerade vor sich ging.
Connor blickte zu ihr hinab und murmelte:
„Dein Frauchen hatte einen langen Tag.“
Er öffnete die Tür mit einem Ellbogen, trat in das kleine, behagliche Schlafzimmer und näherte sich dem Bett.
Mit größter Vorsicht bettete er sie auf die weiche Decke.
Für einen Moment kniete er neben ihr, betrachtete ihr schlafendes Gesicht im matten Licht.
Eine einzelne Strähne fiel ihr über die Stirn.
Ohne nachzudenken, strich er sie sacht zur Seite.
Dann stand er wieder auf – leise, fast widerwillig – und zog behutsam die Decke über sie.
Connor wollte gerade den Raum verlassen, als Merlin mit der Eleganz eines kleinen Raubtiers ins Schlafzimmer huschte.
Mit einem einzigen Satz sprang sie auf das Bett – direkt auf Rose –, als hätte sie es genau darauf abgesehen.
Connor blieb stehen.
Rose blinzelte verschlafen, murmelte schläfrig: „Merlin… wie oft soll ich dir das noch sagen…“
Sie richtete sich langsam auf, immer noch halb in der Dunkelheit versunken. Ihre Augen trafen Connors.
Er stand noch immer da, im Türrahmen – unbewegt, wie eine Statue aus Licht und Schatten.
Rose erkannte die Situation – sie lag in ihrem Bett, warm zugedeckt, Merlin auf dem Schoß, Connor vor ihr.
Und plötzlich wurde es ihr heiß – ein leiser Anflug von Röte stieg in ihr Gesicht.
Zum Glück war es zu dunkel, als dass Connor es sehen konnte.
„Oh… du hättest mich nicht… tragen müssen…“
Ihre Stimme war sanft, aber auch etwas unruhig.
Connor schenkte ihr ein fast zärtliches Lächeln.
„Gute Nacht, Rose.“
Er zog die Tür langsam hinter sich zu.
Rose starrte einen Moment in die Dunkelheit, dann ließ sie sich wieder ins Kissen fallen.
Mit einem leisen Seufzen zog sie sich das Kopfkissen halb über das Gesicht und murmelte:
„Warum… warum geht meine Energie immer dann zur Neige, wenn ich es am wenigsten will…“
Sie drehte sich zur Seite, die Worte verloren sich zwischen den Laken.
Chapter 19: Hank`s Motivation
Notes:
Danke für 200 Hits <3
Chapter Text
08:48 Uhr
Der Duft von Kaffee hing wieder einmal stärker in der Luft als die Abgase Detroits. Polizisten gähnten, Zeitungen raschelten, die Kaffeemaschine brummte. Alltag.
Hank war an diesem Morgen ungewöhnlich früh aufgestanden. Sogar Sumo hatte auf seine gewohnte Dosis Aufmerksamkeit verzichten müssen – was allein schon zeigte, wie ernst es Hank war.
Er konnte nicht anders. Die Vorstellung, dass ausgerechnet die Tochter von Mara der Schlüssel zu all dem sein könnte, nagte an ihm. Sein eigener Sohn war tot. Und jetzt sollte das Mädchen eine Mörderin sein und ihre eigene Mutter getötet haben? Absurder ging es kaum.
Hank stand vor Carla, die mit Handschellen ans Tischbein gefesselt war und regungslos auf die Tischplatte starrte. Keine Regung. Kein Laut. Es brachte ihn an den Rand der Geduld.
„Warum hast du sie angegriffen, huh?“ knurrte er.
Doch Carla blieb still. Ihre Augen waren rot, verheult. Ihre Lippen zitterten. Es war, als wäre sie in eine andere Welt abgetaucht – eine, zu der Hank keinen Zugang hatte.
Er fuhr sich gereizt durch die Haare.
In der Nacht hatte er Rose geschrieben: „Du und Connor – ihr müsst nochmal zum Haus. Findet raus, was es mit diesem verdammten Schlüssel auf sich hat.“
Was war er? Für eine Tür? Ein Safe? Oder einfach ein Symbol?
Hank hatte keine Geduld mehr für solche Spielchen. Er wollte Antworten. Und keine Schnitzeljagd.
„Verdammte Scheiße, rede endlich!“ fuhr er Carla an – seine Stimme bebte.
Es war nicht nur Wut. Es war Schmerz.
„Hank, reiß dich zusammen“, mahnte ein Kollege durch den Lautsprecher von draußen.
Hank grummelte etwas Unverständliches und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Er atmete schwer.
„Ich will doch nur verstehen, was passiert ist…“ Seine Stimme klang nun tiefer, fast müde. „Hast du deinen Androiden irgendwie manipuliert?“
Langsam hob Carla den Blick. Ihre Stimme war brüchig, fast ein Flüstern:
„Es… es war nicht meine Idee… Ich hab ihm gesagt, dass es falsch ist… dass es absurd ist… aber…“
Hank beugte sich leicht vor. Seine Stimme war jetzt ruhiger, fast eindringlich:
„Wer ist er ?“
~~~
Connor und Rose erreichten das Haus der Familie Rodriguez. Der Himmel war grau, das Licht fahl – ein weiterer kalter Morgen in Detroit.
Mit einer sanften Geste öffnete Connor die Tür des Taxis für sie. Rose stieg aus, bedankte sich mit einem kaum hörbaren Lächeln.
Doch Connor hatte es längst bemerkt: Sie bewegte sich anders. Ihre Schritte waren vorsichtiger, ihr Blick ein wenig abwesend – als würde sie etwas belasten. Etwas, das sie mit sich trug.
„Habe ich etwas falsch gemacht, Rose?“ fragte er leise, seine Stimme sanfter als sonst, fast… menschlich.
Sie gingen den kleinen, verwilderten Vorhof entlang.
„Nein, nein. Alles gut.“ Rose lächelte – ein schiefes, unbeholfenes Lächeln, das zu lange zögerte, um echt zu wirken.
Natürlich war es eine Lüge. Ihre Gedanken kreisten immer noch um den gestrigen Abend. Um alles, was gesagt – oder eben nicht gesagt – worden war. Ein flüchtiges Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit.
„Verzeih mir die Analyse, aber… du kannst nicht gut lügen.“
Connor blieb kurz stehen. „Ich möchte mich für gestern entschuldigen. Ich hätte nicht einfach so–“
„Connor.“ Sie unterbrach ihn sanft, sah ihn nicht an. „Das ist es nicht… Vergiss es einfach, okay?“
Sie erreichten die Haustür, die noch immer unverschlossen war.
Rose drückte sie auf – ein leises Knarzen, dann Stille. Das Innere des Hauses empfing sie mit Staub, abgestandener Luft und Spinnweben, die sich wie feine Narben über den Raum zogen.
„Dort vorn ist ihr Zimmer“, sagte Connor leise. Seine Stimme verlor sich fast in der gedrückten Stille.
Gemeinsam gingen sie den Flur entlang. Die Dielen knarrten unter ihren Schritten, das Haus schien den Atem anzuhalten.
Rose stellte sich vor die Tür. Ihre Hand griff nach der Klinke.
Doch bevor sie drücken konnte –
Ein Rascheln. Ganz leise. Von innen.
Connor reagierte sofort, legte vorsichtig eine Hand an ihren Arm.
Sie sahen sich an. Kein Wort war nötig.
Sie wussten es beide:
Sie waren nicht allein.
Rose wich instinktiv einen Schritt zurück, während Connor sich vor sie stellte. Mit einer schnellen Bewegung trat er vor – und rammte die Tür mit voller Kraft auf.
Das Holz splitterte, und mit einem Knall schwang die Tür gegen die Wand.
Drinnen stand eine Silhouette. Männlich. Ganz in Schwarz. Kapuze tief ins Gesicht gezogen, der Mund von einer Maske bedeckt. In der rechten Hand hielt er eine kleine, metallene Box – darauf stand in schlichten, silbernen Buchstaben: J + C.
Connors Augen fixierten die Kiste – und dann das Poster an der Wand. Es flatterte noch leicht, gerade so gelöst, dass es den Blick auf ein Loch in der Wand freigab. Dahinter musste das Versteck gewesen sein. Der Beweis. Das fehlende Puzzleteil.
„Polizei!“ Connors Stimme war scharf, klar und bedrohlich. „Lassen Sie alles fallen! Sofort!“
Doch der Eindringling zögerte keine Sekunde.
Mit einer blitzschnellen Bewegung wirbelte er herum, riss das Fenster auf und sprang hinaus – direkt in den Garten. Glück für ihn: Das Zimmer lag im Erdgeschoss.
Pech für ihn: Connor war ihm auf den Fersen.
„Rose, vorne rum!“ rief Connor über die Schulter, als er sich ebenfalls durch das Fenster warf.
Rose rannte zurück, durch die Haustür, und jagte in entgegengesetzter Richtung. Ihre Stiefel schlugen hart auf den Asphalt, ihr Herz pumpte heißes Adrenalin durch ihren Körper. Sie spürte es sofort – ihre Lunge brannte. Die Nachwirkungen des Angriffs von Carla machten sich bemerkbar. Ihr Körper war noch nicht ganz bereit für diese Belastung.
Connor hatte bereits aufgeschlossen. Seine Bewegungen waren präzise, berechnet, beinahe lautlos. Er übersprang mühelos ein parkendes Auto, wich einem Fahrradfahrer aus und raste weiter, den Schatten des Mannes immer im Blick.
Der Flüchtige bog scharf in eine Seitengasse. Müllcontainer, dampfende Lüftungsschächte, Beton. Detroit in seiner hässlichsten Form.
Connor beschleunigte.
„Er darf nicht entkommen!“ keuchte Rose, die sich durch eine Menschenmenge kämpfte und versuchte, eine Abkürzung zu finden. Ihre Sicht war verschwommen – nicht nur durch Anstrengung, sondern auch durch das Gefühl, dass sich hier etwas viel Größeres entfaltete, als sie vermutet hatte.
Rose' Handy vibrierte in ihrer Jackentasche. Ein Anruf.
Hank.
Keuchend nahm sie ab, während sie weiterlief. Das Timing hätte nicht besser sein können – Verstärkung war jetzt genau das, was sie brauchte. Sie wollte gerade ansetzen zu sprechen, als Hank ihr zuvor kam.
„Jack Morado.“
Nur zwei Worte – aber mit einem Unterton, als hätte er gerade das Rätsel aller Rätsel gelöst.
„Was?“ japste sie in den Hörer, die Lunge brennend.
„Jack Morado ist Carlas fester Freund. Sein Vater hat bei CyberLife gearbeitet. Und rate mal, wer den Androiden umgebaut hat? Genau – er.“ Hank klang fast amüsiert, ein leises, stolzes Lachen begleitete seine Worte. „Jetzt müssen wir ihn nur noch schnappen. Sag mal, was macht ihr gerade? Warum bist du so außer Atem?“ – ein kurzer Moment Pause – „Ihr zwei… macht doch nichts, was ich besser nicht wissen will, oder?“
„Hank!“ fauchte Rose. „Wir brauchen Verstärkung!“
Ihre Stimme überschlug sich fast, gepresst durch die letzten Reste Luft. „Er ist auf der Flucht! Mit der Box, die wir wahrscheinlich brauchen!“
„Moment – er hat eine Box?!“ Hanks Stimme wurde sofort ernst. Man hörte im Hintergrund, wie er zu seinem Computer eilte. „Ich versuche Connors Standort zu orten.“
Rose bog scharf in eine Seitengasse, suchte eine Abkürzung. Ihr Körper war längst an der Grenze, doch sie rannte weiter. „Ich bin mir sicher, er will die Box vernichten – oder… wenn es wirklich Jack ist… dann hat er vielleicht den zweiten Schlüssel.“
In der engen Gasse sprang der Verdächtige über einen Zaun – seine Bewegungen waren hektisch, nicht geübt, aber von purer Panik getrieben.
Connor folgte ohne zu zögern. Mit einem geschmeidigen Satz überwand er das Hindernis.
„Bleiben Sie stehen! Sie können nicht entkommen!“ rief er, diesmal mit mehr Schärfe in der Stimme.
Doch der Mann reagierte nicht. Vielleicht konnte er es nicht mehr. Seine Schritte wurden langsamer, schwerer, stolpernder.
Noch ein Sprung – diesmal in einen Hinterhof. Der Mann landete unsicher, taumelte kurz. Connor setzte nach.
Jetzt oder nie.
Wenige Sekunden später hatte Connor ihn erreicht. Der Flüchtige stand vor einem hohen Zaun – zu hoch, um noch zu entkommen. Dahinter das Knurren und Bellen mehrerer Hunde. Kein Ausweg.
Der Mann sackte zu Boden, zitternd. Schluchzend.
Und dann: „Es tut mir leid… Carla…“
Nicht an Connor gerichtet. Nicht an die Polizei. Und auch nicht an das Opfer.
Connor blieb stehen, beobachtete ihn. Keine Flucht mehr. Nur Reue. Vielleicht auch Verzweiflung.
Rose kam kurz darauf um die Ecke gerannt, völlig außer Atem. Ihre Schritte stolperten, sie stützte sich an der Wand ab.
„W… wir haben dich…“ japste sie, schwer atmend. „Ich werde alt… wie Hank…“
„Hey! Ich hab das gehört!“ krächzte Hanks Stimme plötzlich wieder aus dem Lautsprecher ihres Handys. Er war die ganze Zeit noch in der Leitung.
Wenige Augenblicke später durchbrachen Sirenen die Stille der Straße.
Streifenwagen hielten. Polizisten sprangen heraus. Jack Morado wurde festgenommen und abgeführt.
Doch als sich die Gasse langsam leerte und die Schritte leiser wurden, blieb eine Frage zurück – schwerer als alle zuvor:
Warum? Warum das alles?
Chapter 20: Die blutrote Wahrheit
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Ein neuer Tag. Neues Glück – oder vielleicht neue Wahrheiten.
Die grellen Neonlichter des Verhörraums flackerten unruhig, als wollten sie die Spannung im Raum mit jeder Sekunde weiter aufladen.
Die Luft war kühl, beinahe steril, und zwischen den kahlen Wänden lag etwas in der Luft – Nervosität, Zurückhaltung, Schuld?
Jack Morado saß still auf dem Stuhl. Die Schultern leicht nach vorne gesunken, die Hände ineinander verschränkt, den Blick stur auf seine Finger gerichtet.
Der vermeintliche Täter. Der Freund von Carla. Und vielleicht der Schlüssel zur Wahrheit über Maras Tod.
Sein Wunsch war deutlich ausgesprochen worden:
Er wollte Carla sehen.
Unbedingt.
Doch dieser Wunsch blieb ihm vorerst verwehrt. Nicht ohne Gegenleistung. Erst, wenn er redete. Erst, wenn die Wahrheit ausgesprochen war.
Connor saß ihm gegenüber – aufrecht, emotionslos, professionell. Sein Blick ruhig, sein Ton sachlich.
Rose stand hinter der verspiegelten Glasscheibe. Neben ihr ein weiterer Polizist. Sie beobachtete Connor – und Jack.
Doch etwas war seltsam. Jack wirkte nicht wie ein eiskalter Mörder.
Nicht wie jemand, der einen Plan verfolgte.
Nicht mal wie jemand, der log.
Er wirkte… wie der nette Kerl von nebenan. Einer, der zu viel gesehen hat. Einer, der sich vielleicht verrannt hatte.
Sein Vater hatte bei CyberLife gearbeitet – ein Techniker mit Zugang, mit Wissen. Und Jack hatte bei ihm gelernt. Heimlich. Spielerisch. Aus Neugier wurde Fertigkeit.
Und diese Fähigkeit hatte Jack genutzt. Manipuliert.
Einen Androiden. Carla.
Was zusätzlich für Unruhe sorgte: Jack war 19. Carla gerade erst 15 geworden.
Ein Altersunterschied, der in diesem Zusammenhang weit mehr bedeutete als nur Zahlen.
„Gut. Fangen wir von vorn an.“
Connors Stimme war ruhig, aber durchdringend.
„Wie hast du Carla kennengelernt? Ihr habt einen Altersunterschied von viereinhalb Jahren.“
Sein Blick – kalt, analytisch – bohrte sich in Jacks Gesicht, als wolle er die Wahrheit direkt aus seinem Inneren ziehen.
Jack seufzte tief. Er wusste, dass er reden musste. Die Wahrheit war unausweichlich. Und diesmal wollte er nicht lügen. Nicht mehr.
„Ich habe sie online kennengelernt. Wir haben wochenlang geschrieben, vielleicht sogar Monate, bevor wir uns das erste Mal trafen.“
Connors LED flackerte kurz, kaum merklich.
„Du wusstest, dass sie 14 war?“
Jack senkte den Blick. Seine Finger umklammerten sich fester, als könnte er sich daran festhalten.
„Sie war... jünger. Aber ich wusste es nicht. Sie hatte sich älter ausgegeben. Und als wir uns dann trafen... ich wollte gehen. Sie überall blockieren.“
„Aber?“ Connors Stimme wurde etwas schärfer. Direkt. Unnachgiebig.
Jack hob langsam den Kopf und sah dem Androiden in die Augen. Seine Stimme war leiser, brüchiger.
„Ich hatte Mitleid.“
„Schreibst du das auf?“, hörte Rose plötzlich neben sich. Hanks Stimme holte sie aus ihrer Konzentration.
Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er in den Beobachtungsraum gekommen war.
Sie hielt ihm ihre Notizen hin. „Natürlich. Unser kleiner Androide soll ja nicht die ganze Arbeit machen.“
Ein kurzes Lächeln blitzte über ihr Gesicht, dann wandten sich beide wieder dem Verhör zu.
„Weswegen genau hattest du Mitleid?“, fragte Connor erneut. Seine Stimme blieb sachlich, doch ein Hauch von Dringlichkeit schwang mit. Jack hatte gezögert – und genau das konnte entscheidend sein.
„Es ist... kompliziert“, stotterte Jack.
Seine Stimme zitterte. Die Worte hingen ihm im Hals wie Scherben – jedes davon konnte alles zerstören.
Doch was war überhaupt noch heil?
„Ich höre dir zu“, sagte Connor mit ruhiger, einfühlsamer Stimme.
Rose spürte hinter der Glasscheibe ein leichtes Kribbeln. Seine Stimme hatte etwas – eine ungeahnte Wärme inmitten all der kühlen Präzision.
Jack sah zum Spiegel. Er wusste, dass dahinter weitere Augenpaare saßen. Vielleicht fünf, vielleicht zehn. Alles still. Alles beobachtend.
„Werde ich... ins Gefängnis kommen?“, fragte er leise.
„Ich kann dir nichts versprechen“, erwiderte Connor ehrlich.
Jack lachte. Kurz. Verbittert.
„Und das alles nur, weil ich ihr helfen wollte...“, murmelte er. Dann atmete er tief durch und begann:
„Ich kann euch nur meine Version erzählen. Auch das, was mir Carla gesagt hat...“
Er lehnte sich zurück. Seine Schultern sackten leicht ein – fast, als würde er zum ersten Mal seit Tagen das Gewicht auf ihnen zulassen.
„Als ich Carla kennenlernte, war ihr Vater bereits tot. Sie lebte allein mit ihrer Mutter.“
Er sah Connor an.
„Sie sagte, sie braucht einen Zufluchtsort. Einen Ort, um zu entkommen. Ihre Mutter soll sie oft geschlagen haben – schlimmer noch...“
Connor nickte nur leicht. Er wollte ihn nicht unterbrechen, nur leiten.
„Weißt du, warum Mara das getan hat?“, fragte er vorsichtig.
Jack schüttelte langsam den Kopf.
„Nein... Sie hat nie darüber gesprochen. Ich hatte das Gefühl, sie wollte es selbst nicht verstehen.“
„Wusste Mara von dir?“ Connors Tonfall blieb gleich, sachlich – aber in seinem Blick lag gespannte Aufmerksamkeit.
„Am Anfang nicht...“, antwortete Jack. Und seine Stimme wurde noch leiser.
„Es war alles heimlich. Bis sie es irgendwann herausfand.“
„Was ist danach passiert?“, drängte Connor ruhig, aber bestimmt weiter.
„Sie sperrte Carla ein… und schlug sie eben“, wiederholte Jack mit matter Stimme.
Connor legte mehrere gefaltete Briefe auf den kalten Tisch. Mehr als fünfzehn – alle in Jack Morados Handschrift, adressiert an Carla.
„Die haben wir in der Box gefunden, die du bei deiner Flucht dabei hattest. Ihr habt über diese Briefe kommuniziert – heimlich.“
Jack nickte langsam, als würde ihn jede Erinnerung ein Stück weiter zerbrechen.
„Ich bin oft zu ihrem Haus gegangen... habe die Briefe durchs Fenster geworfen. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun sollte.“
Er starrte auf seine zitternden Finger.
Connor warf einen flüchtigen Blick zum Spiegel – dorthinter: Rose. Unbewusst trafen sich ihre Blicke. Ein stilles Verstehen.
Er sagt die Wahrheit, dachte Connor – und sie verstand es. Ohne Worte.
Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Jack.
„Warum hast du nie die Polizei informiert?“
Jack schnaubte. „Denkst du, ich hätte das nicht längst versucht?“ Doch Connors unbewegter Blick ließ ihn sofort verstummen. Der Ausdruck in Connors Augen war ruhig – aber unnachgiebig.
Jack atmete schwer aus, als würde er das alles noch einmal durchleben.
„Ich war bei der Polizei. Ich habe ihnen alles erzählt – wirklich alles. Aber ich hatte keine Beweise. Und dann gab es tatsächlich eine Hausdurchsuchung… Natürlich fanden sie nichts. Mara spielte die perfekte Mutter. Lächelte, servierte Tee. Erzählte ihnen, Carla sei nur ungeschickt. 'Ein tollpatschiges Mädchen', sagte sie.“
Ein kurzes Schweigen trat ein. Nur das leise Surren der Neonröhren war zu hören. Er sah Connor an. In seinen Augen lag Enttäuschung – nicht nur über die Behörden, sondern über sich selbst.
„Sie haben uns nicht geglaubt.“
Connor legte ein Foto auf den Tisch. Darauf zu sehen: ein Android – Modell MC500.
„Ein Rettungs-Android“, begann er sachlich. „Ursprünglich konzipiert für Erste Hilfe – medizinische Notfälle, Unfallstellen, Katastropheneinsätze.
Dieser hier gehörte der Familie Rodriguez. Und er war der Täter im Fall Mara Rodriguez.“
Jack hob kurz den Blick, schwieg jedoch. Connors LED flackerte gelb – Analysemodus, erhöhte Anspannung.
„Zuerst dachten wir, es handelte sich um einen Abweichler. Doch die Spurenlage hat uns eines Besseren belehrt.“ Connor beugte sich leicht vor. Seine Stimme wurde fester.
„Dieser Android wurde umprogrammiert. Nicht abgewichen – manipuliert. Er war eine gezielte Waffe.“
Jacks Finger klammerten sich an die Kante des Tisches. Er wirkte, als würde er jeden Moment in sich zusammenfallen.
„Dein Vater arbeitet bei CyberLife.“ Connors Blick verfinsterte sich, ohne an Lautstärke zu verlieren. „Es liegt nahe, dass auch du gelernt hast, wie man ein Androidensystem neu konfiguriert.“
Ein kurzer Moment Pause.
„Und es liegt noch näher , dass du genau diesen MC500 verändert hast.“
Jack begann zu zittern. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Ich bin kein Mörder… Ich wollte nie—“
Er stockte. Tränen flimmerten in seinen Augen.
„Bitte… Können wir eine Pause machen? Ich… Ich möchte Carla sehen.“
Connors Blick blieb ruhig, aber unerbittlich.
„Nicht bevor wir die ganze Wahrheit kennen.“
Dann wandte er sich an den Spiegel:
„Ein Glas Wasser, bitte.“
Jack nickte erschöpft.
Wenig später öffnete sich die Tür. Ein Polizist trat wortlos ein, stellte das Glas auf den Tisch – und verschwand wieder hinter der Tür, die sich leise schloss.
„Ich weiß nicht mehr, wann oder wie… aber irgendwann war der Android einfach da“, begann Jack leise und nahm einen Schluck vom inzwischen abgestandenen Wasser. Seine Stimme war heiser, fast brüchig.
„Carla… schrieb mir eines Tages. Sie sagte… sie will ihre Mutter töten.“
Er stockte.
„Dass es der einzige Weg sei… um endlich frei zu sein.“
Connor blieb still, ließ den Satz wirken. Dann fragte er kühl:
„Und du warst sofort einverstanden?“
Jack schüttelte den Kopf, die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Nein. Natürlich nicht. Ich sagte ihr, es sei verrückt. Gefährlich. Falsch. Aber sie… sie klang so verloren…“
Er vergrub das Gesicht in seinen Händen. Die ersten Tränen flossen stumm über seine Wangen.
„Und trotzdem… habe ich es getan…“
Seine Stimme brach weg. Dann, leiser, fast tonlos:
„Ich hackte mich eines Nachts in das System des Androiden. Ich programmierte ihn um. Er sollte jeden angreifen – nur nicht Carla… Nur sie sollte verschont bleiben…“
Er sackte in sich zusammen. Die Schultern bebten.
Connor beobachtete ihn still, sein LED flackerte gelb. Analyse, Abwägung, Empathie?
„Wieso hast du es getan?“, fragte er schließlich. „Du hättest dich dagegen entscheiden können.“
Jack hob langsam den Kopf. Seine Augen waren gerötet, tränenverschmiert.
„Weil ich sie liebe“, stieß er hervor, beinahe flehend. „Ich wollte sie retten. Ihr ein besseres Leben schenken. Irgendwie…“
Stille senkte sich über den Raum. Nur das leise Summen der Klimaanlage war zu hören.
Connor nickte knapp.
„Wir sind für heute fertig“, sagte Connor ruhig und schob den Stuhl zurück. Jack blieb sitzen, murmelte immer wieder, wie leid es ihm tue. Seine Stimme war brüchig, seine Schultern hingen kraftlos herab. Die Reue war ihm anzusehen – oder zumindest das, was davon übrig war.
Connor verließ den Raum. Zwei Polizisten traten ein, um Jack in seine Zelle zu bringen. Als sich die Tür hinter dem Androiden schloss, warteten Rose und Hank bereits auf ihn.
Doch Connor reagierte nicht wie gewohnt. Er wirkte abwesend, fast... erschüttert. Sein Blick war leer, sein Gang steif. Gedanken rasten durch seinen Kopf – Daten, Erinnerungen, Gefühle?
Wieso sind Menschen zu allem bereit, wenn sie lieben?
„Connor?“ Hanks Stimme war gedämpft, aber drängend. Er hatte ihn bereits mehrmals angesprochen. Keine Reaktion.
Rose legte sanft eine Hand auf Connors Arm. „Hey... alles in Ordnung?“
Er sah sie an. Ein kurzer Blick, tief und fragend – wie einer, der etwas Menschliches suchte.
„Ich muss nachdenken“, antwortete er leise.
Der Fall war abgeschlossen.
Die Täterin: Carla, ein Kind voller Schmerz.
Der Mittäter: Jack Morado, verblendet von Liebe.
Das Opfer: Mara Rodriguez – tot durch die Hände derer, die sie hätte lieben sollen.
~~~
Ein paar Tage später.
Jack und Carla wurden beide zu lebenslanger Haft verurteilt. Keine gemeinsame Zelle. Kein letzter Blick. Kein Abschied.
Ein trauriges, endgültiges Ende für eine Beziehung, die nie hätte existieren dürfen – und doch tragisch menschlich war.
Aber… war das wirklich gerecht?
Nach dem Tod von Carlas Vater zerbrach Mara Rodriguez. Sie wurde abhängig von Red Ice, suchte im Rausch Trost und verlor sich selbst. Ihre Wut und Verzweiflung richtete sie gegen ihre eigene Tochter. Gewalt wurde Alltag. Carla – das eigentliche Opfer – suchte einen Ausweg. Und fand nur einen: Mord.
Mit Jacks Hilfe. Und mit einem Androiden, den sie zu einer Waffe machten.
Connor saß schweigend im Auto. Die Gerichtsverhandlung war vorbei. Das Urteil gesprochen. Die Wahrheit offengelegt – und doch fühlte sich nichts daran richtig an.
Hank saß am Steuer, blickte konzentriert auf die Straße. Rose war bei Captain Fowler, erklärte ihm den gesamten Fall aus ihrer Perspektive.
Die Stille im Auto war schwer.
„Du bist verdammt nervig“, murmelte Hank schließlich, ohne ihn anzusehen.
Connor blinzelte irritiert. „Aber ich sage doch gar nichts.“
„Eben deshalb.“ Hank warf ihm einen Seitenblick zu. „Na los, spuck’s aus.“
Connor sah auf seine Hände. Ein kurzer Moment des inneren Kampfes – dann sprach er leise:
„Wie ist das… verliebt zu sein?“
Hank stockte. Ein Auto scherte abrupt aus – und fast wäre er hineingefahren. Die Reifen quietschten, als er plötzlich an den Straßenrand fuhr und bremste.
„Was?!“, fuhr er auf, starrte Connor fassungslos an.
“Also… ich wusste ja, dass du sie im Auge hast, aber dass du so ganz ohne Scham fragst…”, lachte Hank und bog wieder auf die Straße ein.
“Ich… wie bitte?” Connors LED flackerte gelb.
Hank grinste breit. “Na komm schon – du und Rose.”
Connor spürte, wie seine Thirium-Pumpe beschleunigte. Ein seltsames Ziehen in der Brust, ein elektrisches Kribbeln unter der Haut. Seine Wangen wurden bläulich – eine ungewöhnliche Reaktion. Er war sich nicht sicher, ob Hank sich das gerade nur einbildete… oder ob Connor selbst die Kontrolle verlor.
“Das war nicht, was ich meinte,” sagte er leise. “Ich frage wegen Jack. Er hat… aus Liebe getötet.”
Hanks Lächeln verblasste langsam. Er räusperte sich, warf ihm einen kurzen Blick zu. “Ach so…” Er zuckte mit den Schultern. “Normalerweise ist das keine gute Idee. Aber… naja, junge Liebe hat schon immer dumme Dinge getan. Manchmal sogar schreckliche.”
Seine Stimme wurde ernster. “Aber das macht es nicht richtiger.”
Connor blickte ihn nachdenklich an. “Was ist… normal?”
Die Ampel sprang auf Rot. Hank bremste langsam ab. Für einen Moment herrschte Stille im Wagen. Dann antwortete er ruhig:
“Das musst du selbst herausfinden, Kumpel.”
Connor lächelte leicht. Es war kaum zu sehen – nur ein Hauch in seinem Gesicht. Dann wandte er den Blick wieder dem Fenster zu. Draußen rauschte die Welt vorbei, während im Inneren des Wagens ein stiller Wandel geschah.
Die Ampel schaltete auf Grün. Hank fuhr weiter.
Nach einigen Sekunden sagte Connor:
“Mein nächster Vorschlag ist, Elijah Kamski aufzusuchen. Wir müssen mehr über die Abweichler erfahren.”
Hank nickte. “Ja. Du hast recht.”
Doch dann, nach einem kurzen Moment der Stille, sah Hank wieder zu ihm.
„Doch sag … du magst sie, oder?“
Connor blickte geradeaus. „Ich bin ein Android… und sie… sie ist ein Mensch.“ Seine Stimme war ruhig – fast zu ruhig. Und dennoch schwang etwas Menschliches darin mit.
Hank lächelte. „Und?“
Connor sagte nichts. Seine LED flackerte kurz, dann blieb sie ruhig.
Sie fuhren still weiter. Zurück zu Hanks Haus. Sie hatten schon einmal so ein ähnliches Gespräch – doch dieses Mal gab es eine konkrete Antwort. Selbst unausgesprochen war sie klar.
Notes:
Hey, tut mir leid, dass letzte Woche kein Kapitel erschienen ist. Ich stecke momentan in der Prüfungsphase, daher kann es in nächster Zeit öfter vorkommen, dass ein Kapitel ausfällt. Trotzdem versuche ich, jeden Sonntag ein neues zu veröffentlichen. :)
stay tuned!
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Chapter 21: Sie waren einfach da
Chapter Text
Hank und Connor erreichten Hanks Haus. Mit einem leisen Grummeln verließ Hank das Auto, rieb sich den Nacken und kreiste mit den Schultern. „Mann, was für ein Tag.“
Connor folgte ihm zur Haustür und schloss die Autotür sorgfältig.
„Weißt du, du solltest es ihr sagen“, murmelte Hank, während er in seinen Taschen nach dem Schlüssel suchte.
„Ihr was sagen?“, fragte Connor und reichte ihm den Haustürschlüssel, der beim Aussteigen aus der Tasche gefallen war.
Hank nahm ihn ihm grummelig ab. „Dass du sie magst.“
„Ich denke, sie weiß, dass ich ihre Arbeit wertschätze. Ich muss es ihr nicht unter die Nase reiben“, erwiderte Connor mit ruhiger, kühler Stimme.
Hank öffnete die Tür – und verlor fast die Fassung. „Dein Ernst? Ach du… du...“ Er schnaufte genervt. „Du sturer Esel!“ Mit energischen Schritten trat er ins Haus und wurde sofort ruhiger, als Sumo ihm entgegenkam. „Hallo mein Junge. Du hast wohl Hunger, was?“
Connor trat ebenfalls ein. „Hank… ich meine es ernst. Ich—“ Doch da ploppte eine neue Nachricht auf seinem Interface auf. Von Rose.
Sie schrieb, dass das Gespräch mit Jeffrey Fowler gut gelaufen sei. Trotz der Tatsache, dass es kein klassischer Abweichler-Fall war, habe er positiv reagiert. Sie durften weiter ermitteln.
Connor lächelte leicht und blickte zu Hank, der gerade Sumo in der Küche fütterte.
„Rose hat mir geschrieben. Mister Fowler ist zufrieden mit unserer Arbeit. Der Fall ist offiziell abgeschlossen.“
Hank dehnte seinen Rücken und richtete sich auf. „Gut. Hat sich die ganze Plackerei wenigstens gelohnt. Ich wär sonst richtig sauer geworden.“ Er grinste schief. „Das müssen wir feiern.“
Seine Gedanken schweiften schon zu Jimmy’s Bar . Es war früher Abend – in einer Stunde würde sie öffnen.
„Ich denke nicht, dass Rose gern in Bars geht oder Alkohol trinkt“, sagte Connor mit einem leicht amüsierten Blick.
Hank zuckte nur mit den Schultern. „Mehr für mich.“
Er schnappte sich Sumos Leine. Der Hund sprang vor Freude hoch und rannte zur Tür.
„Zeit, rauszugehen. Du warst lang allein, Großer.“
Dann sah Hank zu Connor. „Ich geh mit Sumo raus… willst du mitkommen… oder lieber hier warten?“ fragte er etwas unbeholfen.
Connor schmunzelte und nickte. „Ich komme mit.“
Gemeinsam liefen sie durch die ruhigen Straßen von Detroit. Sumo trottete brav voraus, schnüffelte am Randstein und zog entspannt an der Leine.
„Hank… was mögen Frauen?“ fragte Connor plötzlich, vorsichtig und zögerlich.
Hank musste nicht lange überlegen. Er lächelte – so, wie ein Vater lächelt, wenn sein Kind zum ersten Mal eine ernste Frage stellt.
„Stell die Frage mal anders“, schlug er freundlich vor.
Connor räusperte sich leicht und sah kurz zu Sumo. „Was denkst du, mag Rose? Als… Dankeschön. Dafür, dass sie uns geholfen hat.“
Hank zuckte mit den Schultern. „Schokolade. Die mögen viele. Oder…“ Er grinste. „…du könntest ihr eine Rose schenken. Wäre irgendwie witzig. Wegen dem Namen.“
Connor runzelte leicht die Stirn, als würde er den Sarkasmus analysieren. Hank grinste noch breiter.
„Keine Sorge. Sie wird’s schon mögen. Sie wirkt nicht kompliziert.“
Connor nickte langsam, sein LED flackerte gelb.
~~~
Wenig später.
Connor stand mit einer pinken Rose in der Hand vor Roses Haustür. Die hatten Hank und er während des Spaziergangs mit Sumo in einem kleinen Blumenladen entdeckt.
Er hob die Hand, um zu klingeln – doch zögerte.
Seine Pumpe beschleunigte sich leicht, sein Kreislauf veränderte sich spürbar. Nervosität? Warum fühlte sich das so… menschlich an?
Was sollte er sagen? Und warum tat er das überhaupt?
„Connor?“
Eine vertraute weibliche Stimme ließ ihn zusammenzucken.
Er drehte sich schnell und fast erschrocken um, als hätte man ihn ertappt.
Rose stand hinter ihm und sah ihn überrascht an. Sie hatte offenbar nicht damit gerechnet, ihn hier zu sehen – schon gar nicht mit einer pinken Rose in der Hand.
„Rose… du…“ stotterte er, völlig überfordert mit der Situation.
Er bemerkte erst jetzt, dass sie eine Box trug – ihre Sachen vom Schreibtisch im Police Department.
„Was… was hast du da?“, fragte er vorsichtig.
Rose sah kurz auf die Kiste und lächelte traurig. „Ach, nur meine Sachen. Der Fall ist doch abgeschlossen… oder? Ich sollte euch nur bei dem einen Fall helfen, schon vergessen? Jeffrey meinte, dass—”
„Nein.“
Connor unterbrach sie plötzlich, seine Stimme war leise – aber deutlich.
Er wirkte betroffen. Die pinke Rose senkte sich leicht, wie die Stimmung zwischen ihnen.
Rose sah in Connors Augen. Um die Stimmung etwas aufzulockern, trat sie einen Schritt zur Tür und schloss sie auf. „Möchtest du… etwas trinken?“
Connor legte sanft seine Hand auf ihren Unterarm, auf dem sie die Kiste trug. „Rose… bitte bleib bei uns.“
Ihr Blick wanderte zu seiner Hand – und dann zu der Rose, die er noch immer hielt. „Warum… hast du eine Rose dabei?“, fragte sie leise.
„Sie ist für dich. Pinke Rosen stehen für Dankbarkeit und Wertschätzung.“ Er wiederholte ruhig: „Bitte bleib in unserem Team.“
Sie schwieg. Dann trat sie wortlos in die Wohnung ein. Connor folgte ihr.
Doch diesmal fühlte sich der Raum nicht warm an – nicht wie sonst.
Er war still, kühl, fast bedrückend. Selbst Merlin war nicht da. Vielleicht hatte sie gespürt, dass dieser Abend kein guter werden würde.
„Roseanne…“, sagte Connor sanft.
Sie stellte die Kiste auf den Tisch und drehte sich langsam zu ihm.
„Connor, das war von Anfang an so geplant“, sagte sie ruhig – fast zu ruhig. „Ich sollte euch nur bei diesem einen Fall helfen. Nicht mehr und nicht weniger.“
Connor stand nun direkt vor ihr. Er wusste nicht genau, was er tat – nichts davon war einprogrammiert.
„Hättest du dich von uns verabschiedet? Oder wärst du einfach nicht mehr aufgetaucht?“ Die Rose hing immer noch in seiner Hand, leicht gesenkt.
Roseanne blickte zu Boden. Ihre Lippen öffneten sich, als wolle sie etwas sagen – doch es kam nichts. Natürlich wollte sie sich verabschieden. Natürlich war es ihr nicht egal.
Aber sie wusste nicht, wie.
Sie hatte Angst.
Connor hob die Rose und hielt sie ihr vorsichtig entgegen, direkt vor ihre Nase. Seine Stimme war ruhig. „Bitte nimm sie.“
Roseanne nahm vorsichtig die Rose aus Connors Hand. Ihre Finger streiften sich dabei – ein kaum spürbarer Funke glitt über ihre Haut. Doch er war schwächer als sonst, wie ein Flämmchen, das zitternd vor dem Erlöschen steht.
Oder vor dem Entfachen.
„Bitte bleib bei uns. Bitte… sprich mit Jeffrey, damit du bei uns bleiben kannst.“ Connors Stimme war weich, fast flehend.
Er trat langsam näher – so nah, dass Roseanne leicht den Kopf heben musste, um ihm in die Augen zu sehen.
„Wegen euren Fällen?“ flüsterte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch bitter. „Damit ihr nicht gleich wieder… am Versagen seid?“
Seine Augen, sonst hell, wurden dunkler.
Nicht aus Wut – aus Verletzlichkeit. „Nicht nur… ich…“ Seine Stimme versagte fast. Sein LED flackerte gelb, flimmerte wie ein zögerndes Herz. Er trat noch näher. Nur ein Hauch trennte sie jetzt voneinander.
Rose spürte seine Nähe. Spürte seine Wärme. Ihre Augen wanderten zu seinen Lippen – ungewollt, aber geführt vom Herzschlag.
Sie ertappte sich und blickte schnell wieder in seine Augen, als hätte sie sich an einem verbotenen Gedanken verbrannt. „Du… weißt nicht? Was…?“ fragte sie, leise und unsicher.
Connors Hand hob sich zögernd.
Langsam.
Behutsam.
Er legte sie sanft an ihre Wange, als wäre sie aus Glas.
Seine Finger berührten ihre Haut, warm, echt, zärtlich.
Ihre Blicke waren ineinander verankert, fest, verletzlich, unausweichlich.
„Rose… ich…“ flüsterte er.
Doch die Worte verharrten auf seinen Lippen.
Er wusste nicht, warum er das tat.
Es hatte nichts mit der Mission zu tun. Nichts mit Pflicht.
Connors Daumen streifte ihre Wange – langsam, zärtlich, als wollte er sich jede Kontur einprägen. Seine Berührung war kaum mehr als ein Hauch.
Rose schloss für einen Moment die Augen. Nur kurz. Nur um zu spüren.
„Okay…“ flüsterte sie.
Connor blinzelte, seine Augen weiteten sich ein wenig. Als hätte er sich verhört.
Oder als würde sein System das Gesagte erst verarbeiten müssen.
„Ich rede mit ihm…“ wiederholte sie leise. Ein schiefes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Aber wehe, ich bekomme kein ordentliches Gehalt.“
Ein leises Lachen trat über Connors Lippen – nicht programmiert, nicht kalkuliert. Echte Freude.
„Temperamentvoll wie immer…“ murmelte er, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
„Ich muss ja schließlich mit euch arbeiten“, neckte sie ihn, doch ihre Stimme war weich, fast zärtlich.
Sein Daumen strich erneut über ihre Wange, dieses Mal bewusster.
Rose spürte, wie ein warmes Kribbeln in ihrem Inneren aufstieg, sich ausbreitete wie flüssiges Licht. Sie zwang sich, nicht zu zittern.
„Ist das so schlimm?“ flüsterte Connor – seine Stimme kaum mehr als ein Hauch, seine Worte für niemanden außer ihr bestimmt.
„Naja…“ sagte sie leise, doch ihr Lächeln verriet mehr, als sie zugeben wollte.
Connors Blick glitt langsam von ihren Augen zu ihren Lippen. Zögerlich. Als würde er sich die Erlaubnis holen, ohne sie je zu fordern.
Rose spürte, wie ihre Atmung flacher wurde. Ihre Augen weiteten sich kaum merklich. Wieso sah er sie so an? So tief, so sanft, so unendlich ernst? Rose wollte etwas sagen – vielleicht sogar protestieren, sich absichern, nachfragen. Doch sie konnte nicht.
Denn in dem Moment beugte sich Connor vor.
Seine Lippen trafen ihre. Vorsichtig. Sanft.
Wie der erste Sonnenstrahl nach einer langen, dunklen Nacht.
Ein zitternder Atem entwich ihr, kaum hörbar, während ihre Augen sich langsam schlossen.
Der Kuss war kein Versprechen – kein großes Geständnis. Aber er war echt. Voller Unsicherheit. Und doch voller Sehnsucht.
Zwei Wesen – so unterschiedlich geschaffen – die einen Moment lang das Gleiche fühlten.
Rose zögerte kurz, doch dann legte sie langsam ihre Arme um seinen Nacken. Ihre Finger vergruben sich sacht in seinem Hemd, als wollte sie ihn ganz nah bei sich behalten.
Connor zog sie ein wenig näher an sich, verstärkte den Kuss nur einen Hauch – genug, um ihm mehr Tiefe zu geben, aber nicht zu fordern.
Er war einfach… da.
Sie waren einfach… da.
Ein Moment, in dem alles vergessen war. Keine Fälle. Keine Regeln. Keine Grenzen zwischen Mensch und Maschine.
Nur das leise Pochen ihrer Herzen – eines aus Fleisch, eines aus Schaltkreisen – die im selben Takt schlugen.
Er löste sich langsam aus dem Kuss, ließ ihren Blick jedoch nicht los.
„Ich… sollte gehen“, sagte er leise, fast entschuldigend.
Rose trat unwillkürlich einen Schritt vor. „Nein… du… kannst“, stammelte sie, spürte noch immer den Abdruck seiner Lippen auf ihren.
Connor schenkte ihr ein weiches, aufrichtiges Lächeln. Er beugte sich sanft vor, berührte mit seinen Lippen ihre Stirn – ein zarter, beinahe schützender Kuss.
„Gute Nacht… und bis morgen… Rosie.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, das direkt in ihrem Herzen nachhallte.
Dann wandte er sich um und trat hinaus in die Nacht.
Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken.
Rose stand noch einen Moment reglos da. Ihre Finger umschlossen die pinke Rose – warm, weich, lebendig.
Langsam ließ sie sich zu Boden sinken, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tisch.
Sie sah auf die Blume in ihrer Hand und flüsterte in die stille Wohnung hinein:
„Rosie… im Ernst… was passiert hier gerade?“ Ihre Stimme war brüchig, zwischen Staunen und Zweifel.
Ein leises Miauen unterbrach die Stille. Merlin trat aus dem Nebenraum und streifte schnurrend um sie herum – voller Geduld und Hunger.
Rose lächelte schwach und legte eine Hand in das weiche Fell.
„Merlin… wir haben uns geküsst…“
Ein weiteres Miauen – dieses Mal empört, drängend.
„Ja, ja… ich weiß. Essen ist wichtiger.“
Und während sie sich erhob und die Blume vorsichtig in eine kleine Vase stellte, schien die Luft um sie herum noch immer von dem Moment zu vibrieren.
Zart. Unglaublich.
~~~
Connor stand still vor ihrer Tür. Der kühle Nachtwind strich durch seine Haare, doch er spürte nur eines – ihre Lippen auf seinen.
Er hob langsam die Hand, legte sie gegen seinen Mund, als wollte er den Moment festhalten. Das Kribbeln durchzog noch immer seinen synthetischen Körper – ein Echo von etwas Echtem, etwas Menschlichem.
Er hätte es ewig fortsetzen können.
Noch einen Kuss. Noch ein Blick.
Aber… etwas beunruhigte ihn.
Sein Blick senkte sich leicht.
Seine Sensoren arbeiteten präzise, wie immer – und doch:
Er konnte sie nicht scannen.
Chapter 22: Neon Lichter
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
In dir ist ein Sturm, Connor", sagt Amanda, als sie neben ihm entlang des Flusses läuft. Connor hält den Regenschirm über sie beide. Es regnet in der virtuellen Welt. Ihre Stimme wird dunkler und bedrohlicher.
„Du hast sie geküsst. So etwas tut man, wenn man Gefühle für eine Person hat. Und die hast du nicht. Du bist eine Maschine."
Connors LED leuchtet rot. Der Kuss war vor drei Monaten. Er und Roseanne haben seitdem nicht darüber gesprochen. Sie lösen gemeinsam mit Hank Fälle – nicht mehr und nicht weniger.
Roseanne ist nun wieder ein offizielles Mitglied des Police Departments. Jeffrey war nicht ganz überrascht; er war sogar ein bisschen froh darüber. Schließlich hatten sie in den letzten Monaten mehrere Fälle gelöst. Doch die Ursache für das Verhalten der Androiden haben sie nie gefunden.
Connors Stimme wird vorsichtig: „Das war vor ein paar Monaten. Ein Dankeschön. Ein Danke dafür, dass sie uns unterstützt hat. Es war das Einzige, was ich tun konnte, damit sie zu hundert Prozent bei uns bleibt."
Amanda bleibt stehen. Sie sieht ihn verbittert an. „Und doch beschäftigt es dich noch heute. Du hast eine Mission, Connor. Ich möchte dich nicht noch einmal daran erinnern. Enttäusch mich nicht wieder."
Connor tritt einen Schritt auf sie zu. „Amanda, wir sind kurz davor, die Abweichler auszuschalten. Wir brauchen nur noch etwas mehr Zeit. Ich werde dich nicht noch einmal enttäuschen. Versprochen."
~~~
20:17
Connor öffnet erneut die Augen. Dieses Mal sitzt er neben Hank im Auto.
„Na, das ist doch mal ein Tatort", lächelt Hank euphorisch, als die drei am Ort des neuen Falles ankommen.
Rose starrt auf das große LED-Schild. „Naja, es gibt schon bessere... aber dass du dich darüber freust, wundert mich gar nicht."
Sie sind im Eden Club. Einem Stripclub in Detroit, der ausschließlich Androiden aller Art anbietet.
Hank grummelt etwas Unverständliches und steigt aus dem Auto.
Connor sieht über die Schulter zu Rose, die auf der Rückbank sitzt. Beide geben sich ein kleines Zeichen, dass sie bereit sind, und steigen aus, um Hank zu folgen. Zwischen Connor und Rose herrscht seit dem Kuss eine unausgesprochene Spannung. Hank hatte davon aber nichts mitbekommen.
Sie betraten den Club. Es war stickig, roch leicht süßlich, und die Lichter waren dunkel gehalten. Das ganze Gebäude zeigte sofort, was es war – ein Ort des Vergnügens (im erwachsenen Sinne).
Androiden waren in Kapseln verschlossen. Man konnte sie einfach mit einem Klick kaufen. Man brauchte nur seine Hand auf ein Display zu legen, und schon gehörte der Android dem Käufer für eine gewisse Zeit.
„Wie absurd...", flüsterte Rose mehr in sich hinein, als dass sie es aussprechen wollte.
„Androiden sind zurzeit sehr begehrt", trat Connor neben sie, als beide den Club betraten. Rose hatte das Gefühl, dass dieser Satz auch sie ansprach, und in ihr entstand ein seltsames Gefühl.
„Trotzdem. Hier sind sie regelrecht–"
„Objekte", sagten beide gleichzeitig und sahen sich an.
„Mensch, wo seid ihr denn? Ihr könnt gerne später weiterflirten!", rief Hank aus einem der Zimmer, in dem sich der neue Tatort befand.
Rose war die Erste, die den Blick abbrach. Sie lief in das Zimmer, Connor hinterher. Doch zu ihrer Überraschung waren sie nicht allein. Gavin und ein weiterer Polizist waren bereits dort.
„Ahh, Rose, du auch hier? Ich dachte schon, ich muss mit Lieutenant Anderson allein arbeiten. Es ist schön, dich wiederzusehen. Du hattest ja viel zu tun mit deinen Kollegen", lachte Gavin arrogant, doch sein Lachen verstummte schnell.
„Oh, und natürlich ist auch die Aluminiumrolle dabei. Ganz toll. Aber ihr verschwendet eure Zeit."
Rose ignorierte Gavins Spott. „Was ist hier passiert?"
Gavin sah sie grinsend an. „Nur ein Perverser, der mehr bekam, als er aushalten konnte."
Hank rollte genervt mit den Augen. „Wir sehen uns trotzdem um, wenn es recht ist."
Gavin schnaubte verächtlich und verbeugte sich. „Wie ihr wollt." Er verließ den Raum und stieß dabei absichtlich mit der Schulter gegen Connor – eine provozierende Geste, um seine Abscheu zu zeigen.
Der andere Polizist im Raum lächelte leicht und warm. „Gute Nacht, Lieutenant", sagte er und verließ den Raum.
Nur noch die drei waren im Raum. Ein toter Mann lag auf einem roten Bett, daneben auf dem Boden ein Android.
Rose lief zu dem Toten und untersuchte ihn. „Geplatzte Adern, rote Blutergüsse am Hals..."
„Michael Graham...", sagte Hank, der den Ausweis des verstorbenen Mannes las. „... hier ist ein Foto von einer Frau mit zwei Kindern. Und der Kerl wurde in einem Androidenpuff erwürgt. Wie ekelhaft."
Hank drehte sich um und sah schockiert zu Connor, der gerade wieder einmal das Blut eines Androiden in den Mund nehmen wollte.
„Woah, woah, Connor! Das ist noch ekelhafter. Wir hatten das Thema schon mehrmals!"
Connor analysierte weiter. „Sie ist ein WR400. Eine sogenannte Traci. Ich kann auf ihren Speicher zugreifen, muss sie jedoch reaktivieren."
Rose und Hank stellten sich neben Connor. Hank sah ihn ungläubig an. „Das geht?"
Connor nickte. „Sie ist schwer beschädigt. Mir bleibt jedoch nur eine Minute."
„Du schaffst das", sagte Rose, und daraufhin öffnete Connor den Androiden mit den blauen Haaren. Er sah verschiedene Kabel und verband sie miteinander.
Nach einer kurzen Pause sprang der beschädigte Android hoch. Sie atmete schwer und krabbelte bis zum Ende des Raumes. Sie war völlig verängstigt.
Rose trat ein Stück näher an den zitternden Androiden heran und hockte sich hin. „Ganz ruhig. Wir tun dir nichts. Wir möchten nur wissen, was passiert ist."
Connor trat neben Rose. Sie spürte seine Schulter an ihrer.
„I-ist er... tot?", fragte der Android ängstlich.
Connor nickte. „Ja. Sag uns, was passiert ist."
„Er schlug mich...", schluckte der blauhaarige Android. „Immer härter..."
„Hast du ihn getötet?", fragte Connor nun direkter. Rose wollte ihn fast schlagen.
Der Android begann leicht zu zittern. „N-nein... i-ich..."
Rose mischte sich ein. „Warst du allein?"
„Er... er wollte zwei Mädchen auf einmal haben... i-ich..."
Connor sprach erneut. „Wo ist der andere Android? Welches Modell war es?"
Doch das Mädchen rührte sich nicht mehr und sprach keinen Ton. Sie war abgeschaltet. Tot.
„Scheiße", fluchte Hank. „Da war ein zweiter Android. Der ist längst über alle Berge."
Rose sah die Androidin an. „In den knappen Klamotten und vielleicht mit Spuren vom Mord könnte sie kaum unbemerkt nach draußen gehen. Vielleicht versteckt sie sich hier irgendwo."
„Vielleicht gibt es hier irgendwelche Augenzeugen. Ich rede mal mit dem Manager." Hank öffnete die Tür, und Rose sowie Connor folgten ihm.
Im Flur wartete bereits der Manager des Eden Clubs. Er war etwas fülliger, hatte braune Haare und trug ein blaues Hemd. Er sah aus wie ein typischer Clubbesitzer, der sich viel mit Finanzen beschäftigte.
„Ahh, Sie müssten Lieutenant Anderson und Detective Herrington sein, richtig?"
Rose nickte und begann, ihm ein paar Fragen zu stellen. Connor sah sich derweil im Raum um. „Haben Sie irgendwelche Überwachungskameras?"
Der Manager lachte nur. „Natürlich nicht. Das ist der Vorteil dieses Clubs. Er ist privat und anonym. Hier kann jeder seine Vorlieben ausleben, ohne dafür verurteilt zu werden. Man lässt so richtig die Sau raus."
Rose musste sich ein angeekeltes Gesicht verkneifen. Das war der perfekte Ort für das aktuelle Opfer – ein Mann, der seine Frau betrogen hatte.
„Da kommen bestimmt viele Leute her, oder?", fragte Hank.
Auch hier lachte der Manager leicht. „Die Geschäfte laufen gut, da kann ich nicht klagen. Die Androiden machen alles, was das Herz begehrt. Sie schweigen wie ein Grab, und der Mensch bekommt keine Grenzen."
Hank schnaufte leise. „Gut. Je mehr ich über die Menschen lerne, desto mehr mag ich meinen Hund."
Rose wandte den Blick vom Gespräch ab und sah, dass Connor vor einem weiblichen Androidenmodell mit wenig Kleidung stand. Sie trat etwas näher zu ihm . Vielleicht sogar aus einem Anflug von Eifersucht.
Er bemerkte ihren Blick und drehte sich zu ihr. „Rose, du musst mir einen Gefallen tun. Kannst du mir diesen Androiden mieten?"
„Was?" Sie sah ihn leicht verletzt an. „Connor, das ist jetzt nicht der passende Moment–"
„Vertrau mir." Er sah sie warm an. Seine rehbraunen Augen trafen ihre. „Ich brauche deine Fingerabdrücke."
Notes:
Hallöle, ich bins wieder :).
Tut mir leid, dass lang nichts mehr kam. Die letzte Zeit war ziemlich stressig.
Ich versuche jetzt aber, wieder aktiver Kapitel hochzuladenStay tuned
~PR
Chapter 23: Hundespielzeug
Chapter Text
„Vertrau mir."
Er sah sie warm an, und dieses Mal trafen sich ihre Blicke etwas länger als nötig. Seine rehbraunen Augen wirkten ruhig, fast weich
„Ich brauche deine Fingerabdrücke."
Rose schluckte kurz, nickte dann und trat an den Sensor heran. Das leuchtende Handsymbol schimmerte bläulich in der gedämpften Clubbeleuchtung, eine stumme Aufforderung, den Kauf zu bestätigen. Sie hob zögerlich die Hand und war gerade im Begriff, sie aufzulegen, als sich eine weitere Gestalt hinter ihnen bemerkbar machte.
„Was macht ihr da?" Hank stand dort, die Augen leicht zusammengekniffen, offensichtlich nicht in der Stimmung für Überraschungen.
„Eine Traci mieten", antwortete Connor sofort, als wäre es das Natürlichste der Welt. Sein Blick zu Hank war ruhig, aber eindeutig.
Hank schnaubte schwer. „Ihr könnt das auch später machen. Wir haben hier einen Fall aufzuklären."
„Das machen wir auch gerade, Hank." Connor hielt Hanks misstrauischen Blick stand.
In dem Moment öffnete sich die Kapsel mit einem sanften Zischen.
„Kauf bestätigt. Eden Club wünscht Ihnen eine angenehme Zeit." Ein weiblicher Android trat heraus. Elegant, perfekt, einprogrammiert. Sie nahm Roses Hand, als wäre es eine völlig normale Geste.
„Folgen Sie mir. Ich bringe Sie auf Ihr Zimmer."
Rose riss die Augen leicht auf, ihr Herz schlug schneller. „Uhm... Connor!? Das stand nicht in meinem Vertrag!"
Connor grinste nur leicht. Es war ein kleines, kaum sichtbares Zucken seiner Lippen, aber Rose kannte ihn inzwischen gut genug, um die Bedeutung zu lesen. Vielleicht, weil sein Plan funktionierte. Vielleicht, weil ihre Reaktion ihn doch ein wenig amüsierte.
Wahrscheinlich auch beides.
Er trat an die Traci heran, legte seine Hand an ihren Arm und verband sich mit ihrem System. Sein Blick wurde einen Moment lang leer und konzentriert, als die Datenströme vor ihm erschienen. „Es war noch eine blauhaarige Traci", murmelte er schließlich, nachdem er die Verbindung gelöst hatte. „Der Abweichler hat den Raum verlassen und ist Richtung Eingang gelaufen."
Seine Stimme blieb ruhig, doch Rose hörte die Anspannung darin. „Alle zwei Stunden wird der Speicher der Club-Androiden gelöscht", erklärte er weiter. „Uns bleiben vielleicht nur noch Minuten, um sie zu finden."
Keine weitere Sekunde ging verloren. Connor und Hank setzten sich sofort in Bewegung und liefen Richtung Eingang, um weitere Androiden zu scannen.
Doch der Android, den Rose gemietet hatte, nahm erneut ihre Hand, dieses Mal noch bestimmter, als würde sie darauf programmiert bestehen.
„Wartet... was mache ich jetzt mit ihr?"
Connor drehte sich kurz um. „Sag ihr höflich, dass du deine Meinung geändert hast."
Rose murmelte etwas Unverständliches, und definitiv leicht Unanständiges, in Connors Richtung, bevor sie versuchte, sich aus der Situation zu lösen.
Connor ignorierte den Kommentar und scannte den nächsten Androiden. „Sie ist wieder zurück in den Club gelaufen. Ich weiß, wohin."
Die drei setzten sich sofort wieder in Bewegung und betraten einen weiteren Raum. Die Atmosphäre blieb gleich unangenehm künstlich, alles roch nach Parfüm und kaltem Metall.
Hank zögerte keine Sekunde und mietete erneut einen Androiden. „Das ist mit Abstand der teuerste Fall meiner gesamten Karriere", brummte er, während Rose sich ein Grinsen kaum verkneifen konnte.
Nachdem Connor weitere Androiden gescannt hatte, führte die Spur eindeutig zum Mitarbeitereingang. Hinter der schweren Tür erstreckte sich ein enger, weiß gekachelter Flur, steril und kalt beleuchtet. Am Ende befand sich eine weitere Metalltür, leicht angelehnt, als hätte jemand sie in Eile hinter sich gelassen.
„Warte", sagte Hank und trat hinter Connor und Rose in den Flur. Seine Stimme war tief und angespannt. Er zog seine Pistole, legte kurz den Daumen an die Sicherung. „Ich übernehme das."
Mit langsamen, schweren Schritten öffnete Hank die Tür zum Lagerraum. Die Scharniere knarrten leise. Er hob die Waffe und bewegte sich vorsichtig hinein. Auch Rose zog ihre Pistole, der Lauf leicht zitternd im Neonlicht. „Seid vorsichtig", murmelte sie.
Das Lager selbst war kühl und still. Dort, wo Regale hätten stehen sollen, befand sich stattdessen eine Reihe von Androiden. Sie standen wie in einer Blockformation, dicht an dicht, ihre Körper nur spärlich bekleidet, die Augen leer. Die Haut wirkte zu glatt, zu still.
„Scheiße..." Hank schnaubte. „Wir sind zu spät."
Er deutete auf das große Lagertor an der Rückwand. Es stand offen, ein kühler Luftzug wehte herein und ließ die dünnen Stoffreste an einem der Androiden leicht flattern. Draußen war es dunkel. Irgendjemand war geflohen.
„Sie kann nicht weit gekommen sein", sagte Rose und ging zu einem männlichen Androiden, der in der ersten Reihe stand. Sie strich ihm flüchtig über den Arm. Die Haut war kühl, leblos. „In diesen Klamotten würde sie sofort auffallen. Vielleicht versteckt sie sich hier im Gebäude."
„Es scheinen... inaktive Androiden zu sein", ergänzte sie leise.
Hank trat ebenfalls näher, schob die Hände in die Hüften. „Jap. Und wenn sie defekt sind, dann werden sie einfach weggeschmissen wie ein altes Hundespielzeug. Nur dass hier keine Hunde spielen, sondern Menschen."
Connor beugte sich derweil über den Boden. Seine Augen leuchteten bläulich auf, als er Spuren analysierte. „Blaues Blut", murmelte er. „Vereinzelt. Wahrscheinlich von einem beschädigten Androiden."
Er zögerte kurz, bevor er eine Probe nahm. Er würde sie später untersuchen... wenn Hank nicht direkt daneben stand.
Als Connor weiterging, fiel sein Blick auf die Rückwand des Lagers. Ein Schriftzug, geschmiert in hastigen, fast kratzenden Bewegungen, zog sich über die graue Fläche.
„Hier steht wieder RA9", sagte Connor. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
Rose öffnete gerade den Mund, um Connor zu antworten, als ihr Blick an einer Gestalt weiter hinten im Block hängen blieb. Ein Android... blauhaarig. Sie trat einen Schritt näher, die Stirn gerunzelt. „Leute, ich glaube—"
Weiter kam sie nicht.
Etwas schnitt durch die Luft.
Ein weiblicher Android mit kurzen braunen Haaren stürzte sich auf sie, als wäre sie aus dem Nichts entstanden. Rose wurde brutal gegen die Wand geschleudert, der Aufprall presste ihr die Luft aus den Lungen. Kalte, eiserne Hände schlossen sich um ihren Hals, drückten immer stärker zu.
Hank und Connor reagierten gleichzeitig.
„Rose!"
Hank riss die Waffe hoch, doch noch bevor er schießen konnte, sprang die Blauhaarige mit einem wilden Schrei auf ihn, rammte ihn seitlich und brachte ihn ins Straucheln.
Connor war schon bei Rose.
Mit einem schnellen Griff packte er die Angreiferin an der Schulter, zerrte sie von Rose weg und ließ sich mit ihr zusammen über eine Kiste fallen. Metall krachte, Holz splitterte.
Rose rutschte zu Boden, schnappte nach Luft und hielt sich den Hals.
„Warum... muss ich immer... gewürgt werden..." keuchte sie, halb genervt, halb am Ende. „... langsam wird's langweilig"
Der Raum verwandelte sich in ein einziges Chaos.
Hank und die Blauhaarige kämpften auf engstem Raum. Schläge, Schritte, kurze Schreie. Ein Tisch wurde umgestoßen, eine Kiste krachte gegen die Wand.
Connor und die Braunhaarige rangen um Kontrolle, ihre Bewegungen hart, schnell, präzise. Doch der Android war stärker, wilder. Sie packte Connor am Arm und schleuderte ihn rückwärts Richtung Lagertor.
Er stolperte und beide flogen nach draußen.
Der Aufprall auf dem regennassen Asphalt war hart, Wasser spritzte in alle Richtungen.
Drinnen brachte die Blauhaarige Hank zu Fall, stieß ihn zur Seite und rannte nach draußen.
Sofort kniete sie neben ihre Verbündete, griff unter deren Arm und versuchte hektisch, sie auf die Beine zu ziehen.
Sie rannten Hand in Hand zum Zaun, der das Gelände des Eden Clubs begrenzte. Regen peitschte ihnen ins Gesicht, der Boden war rutschig.
Connor rappelte sich sofort hoch, stürzte nach vorne und riss die beiden Androiden am Kragen nach unten.
Doch sie ließen nicht locker.
Beide warfen sich gleichzeitig auf ihn und drückten ihn hart gegen die Betonwand. Connor hob die Arme, blockte Schläge ab, wich den Tritten aus und konterte mit blitzschnellen Treffern.
Drinnen zwang Rose sich auf die Beine. Ihr Hals brannte noch immer.
Ein schneller Blick zu Hank.
Er hob die Hand, atmete schwer. „Geh... ich komm klar", deutete er an.
Rose nickte und rannte nach draußen, die Pistole fest in der Hand. „Hände weg von ihm!" rief sie, während sie die Waffe hob.
Doch weder die Blauhaarige noch die Braunhaarige reagierten.
Die Blauhaarige wirbelte herum und trat Rose mit der Spitze ihres High Heels in den Bauch. Die Wucht schleuderte Rose zu Boden. Ihre Waffe rutschte ihr aus den Fingern und schlitterte klirrend über den nassen Asphalt.
Der Android stürzte sich sofort auf sie, schlug zu, wild und präzise.
Rose hob den Arm, blockte, die Luft entwich ihr in einem heiseren Laut.
Dann sammelte sie all ihre Kraft und rammte der Androidin den Unterarm gegen den Hals, genug, um sie kurz zurückzustoßen, gerade so, dass sie wieder atmen konnte.
Connor riss den Arm hoch, als die Androiden einen Moment ins Straucheln gerieten. Seine Augen erfassten etwas auf dem nassen Boden. Roses Pistole.
Er stieß sich vom Asphalt ab, griff danach und schloss die Hand um den kalten Griff.
In einer fließenden Bewegung richtete er sich auf, das Wasser rann ihm über die Stirn, während er die Waffe hob.
Die Braunhaarige wirbelte gerade wieder zu ihm herum, bereit für den nächsten Angriff.
Connor zielte direkt auf ihre Stirn.
Seine Finger fanden den Abzug.
Ein Atemzug. Ein Herzschlag. Der Regen prasselte wie Donner.
Doch er drückte nicht ab.

liv_iing on Chapter 1 Sun 02 Mar 2025 10:09PM UTC
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PersonaRed on Chapter 1 Mon 03 Mar 2025 12:57PM UTC
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