Chapter Text
Der Morgen begann wie jeder andere auch an der Napola Allenstein, mit dem Klang einer Trillerpfeife und hektischen Bewegungen von übermüdeten Schülern. Albrecht erwachte in dem wuseligen Schlafraum, er war noch müde von gestern Abend, denn er hatte wie so oft noch gelesen.
Neben ihm, zwei Betten weiter war Christoph energisch seine Bettdecke am glatt streichen. Er wirkte tatsächlich ziemlich erholt, sogar so erholt, dass seine braunen Haare etwas abstanden, wobei sie bei weitem nicht so schlimm waren wie bei Friedrich.
Der Blondkopf hatte morgens ein regelrechtes Vogelnest auf dem Kopf hängen und seine extrovertierte Persönlichkeit war schon zu dieser frühen Stunde zu hören, dass lag daran das er sich lautstark mit Tjaden über Waffenkunde unterhielt.
Albrecht konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen, aber machte sich dann auch fertig. Immerhin ging es auch schon morgens in der Napola um Disziplin, Perfektion und Routine. Es waren schlicht und ergreifend die Grundbausteine, beim heranziehen der Elite, auch wenn sie in diesem Fall aus Betten machen, Haare richten und Stiefel polieren bestand.
Beim Frühstück saßen die drei wie üblich nebeneinander: Friedrich links, Albrecht in der Mitte und Christoph rechts.
Es gab die üblichen Gespräche und in der Gerüchteküche war auch nichts Neues, also sprachen die drei so über was ihnen in den Sinn kam. Friedrich, der sozialste under den drei, begann das Gespräch recht locker,“Habt ihr schon gehört, dass sie vorhaben, in der nächsten Zeit die Trainingseinheiten zu intensivieren?“
Albrecht und Christoph schauten etwas interessierter auf, jedoch antwortete nur Christoph,“Ja habe ich schon von Herrn Peiner gehört. Die Lehrkräfte erwarten anscheinend, dass sich unsere Ausbildung beschleunigt jetzt, da der unser Abschluss näher rückt… Aber unabhängig davon habt ihr gut geschlafen?“
Und mit weiteren alltäglichen und vergesslichen Gesprächen ging der Morgen langsam in den Tag über.
Der Tag verging mit Unterrichtsstunden, endlosen Vorträgen, über Vaterland, Ehre und Opferbereitschaft. Albrecht glänzte wie immer im Deutsch- und Geschichtsunterricht mit mehr Vorwissen und Verständnis als alle anderen. Christoph meldete sich oft, beantwortete Fragen im Matheunterricht, als ginge es um Leben und Tod. Andere Mitschüler tuschelten darüber, wie sehr die beiden sich hervortaten, es zog eine gewisse Unruhe mit sich wie die beiden sich beteiligten.
Am Nachmittag standen Sportübungen und Drill an. Friedrich schlug sich wie immer am besten beim Sportunterricht, dort ging er auf und war in seinem Element. Die Jungen rannten im Gleichschritt bevor es zum Dehnen und schlussendlich zum Ringkampf überging. Friedrich gewann jeden seiner Kämpfe, während Christoph ungefähr die Hälfte seiner gewann und Albrecht extreme Schwierigkeiten hatte seine nicht zu verlieren, Ringkampf war halt einfach nicht seine Stärke und man sah es seinen blauen Flecken an.
Erst beim Abendessen, als sie in Reihen in der Speisehalle saßen, spürte Albrecht eine seltsame Spannung in der Luft. Es war nichts was man greifen konnte. Auf der Oberfläche war auch nichts falsch Besteck klapperte, Stimmen vermischten sich in Gesprächen und Christoph war wie so häufig von Katharina abgelenkt.
„Ist sie nicht hübsch?“, Christoph stellte die Frage wahrscheinlich rhetorisch, jedoch lies es sich Friedrich nicht nehmen seinen Freund zu piesacken.
„Ja natürlich, aber hör auf zu starren sonst fängst du noch an zu sabbern“, neckte Friedrich den anderen.
Das Gespräch der beiden ging danach ein bisschen weiter hin und her. Albrecht beobachtete die beiden nur, manchmal fragte er sich auch, ob es so sinnvoll war, dass er zwischen den beiden saß, wenn er doch der ruhigste der dreien war.
„Albrecht bis wann müssen wir den Vortrag in Deutsch fertig haben?“, fragte Christoph nach einigen weiteren Minuten, obwohl es eher so wirkte als wolle er das Thema wechseln.
„Am fünfzehnten Oktober ist Abgabe, also hast du noch zwei Tage Zeit“, antwortete er dem anderen ruhig.
Friedrich schaute auf, Christophs Ablenkungsmanöver schien also geklappt zu haben,“Echt? Ich dachte wir haben mehr Zeit…“
„Naja wir haben ja schon den dreizehnten, was hast du denn gedacht?“, entgegnete Albrecht mit gerunzelter Stirn.
Dann, ohne Vorwarnung, flackerten die Lampen und erloschen. Komplette Dunkelheit. Ein Raunen ging durch den Raum, Besteck und Porzellan klirrten.
Erschrockenes einatmen und ein vereinzeltes „Was ist los?“ brachen die Stille. Irgendwo fiel auch noch ein Stuhl um.
„Zurück auf die Plätze! Ruhe bewahren!“, die Stimme des Schulleiters Herrn Dr. Klein hallte durch den Raum, der ältere Mann wirkte erbost über die Unruhe,“der Hausmeister Herr Köhler wird sich um den Stromausfall kümmern.“
Die Aufseher versuchten sofort Ordnung herzustellen, doch das Murmeln breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Albrecht spürte wie Friedrichs Schulter sich leicht anspannte.
„Nur ein technisches Problem…“, sagte der Blondkopf eher zu sich selbst, als zu seinen Freunden.
Doch die Minuten zogen sich und als das Licht einfach nicht wiederkam, wurde das Abendessen beendet und die Jungen in ihre Schlafsäle geschickt. Disziplin sollte auch im Dunkeln ablaufen.
Die einzelnen Schüler liefen in kleinen Grüppchen zu ihren Räumen, dabei passierte es jedoch mehr als einmal, dass sich einige Schüler verliefen, in falschen Schlafsälen landeten oder sogar kleinere Unfälle passierten.
Christoph, Friedrich und Albrecht waren die letzten die in ihrem Schlafsaal ankamen. Nur das fahle Mondlicht fiel durch die hohen Fenster. Tjaden hielt sich ein Taschentuch an die Nase und Wilhelm, der von allen nur Hefe genannt wurde, rieb sich sein Knie.
„Was ist denn mit euch passiert?“, die Worte rutschten Friedrich so schnell raus, dass er wohl selber nicht wusste ob lachen oder Mitleid haben sollte. Christoph und Albrecht waren auch milde interessiert an der Situation und dem ungewöhnlichen Anblick ihrer Stubengenossen.
Tjaden rollte seine Augen so stark, dass Albrecht es sogar in der Dunkelheit erkennen konnte,“Hefe ist die Treppe hochgefahren und hat mich umgerissen. Naja was habe ich auch sonst erwartet, du bist ja auch gebaut wie eine Heuballen.“
„Ach halt die Klappe, du hast sowieso die falsche Richtung vorgegeben Tajden“, protestierte Wilhelm etwas lauter und ab dem Punkt hörte Albrecht nicht mehr zu. Das Zanken seiner beiden Mitschüler interessierte ihn kein bisschen, stattdessen tastete er sich durch die Dunkelheit um sein Bett zu finden und einfach schlafen aufzuholen, der ihm fehlte.
Mit der Zeit wurden die Gespräche der anderen auch leiser, weil die Aufseher wieder ihre üblichen Patrouillen liefen. Das Flüstern zwischen den Betten wurde trotzdem nicht sofort unterbunden, vielleicht waren die Lehrer selbst noch zu beschäftigt mit den Ursachen des Stromausfalls und Wiederherstellung der Elektrizität.
„Eigentlich ist es doch merkwürdig, oder?“ Christophs Stimme hallte durch den Raum, obwohl sie leise war,“Ich habe sowas noch nie erlebt..“
Friedrichs Stimme war ruhig, fast verschwörerisch,“Vielleicht ist es eine Sabotage, in Waffenkunde haben wir doch gehört, dass die Briten und Sowjets solche Strategien benutzen“, murmelte er, doch ohne wirklich Überzeugung.
Albrecht lag still da, hörte zu und spürte die Unruhe unter der Oberfläche. Das ungute Gefühl von vorhin hatte sich nur weiter intensiviert in der Zwischenzeit. Es war nichts weiter als ein Stromausfall, dass redete er sich zumindest selber ein und doch lag eine Spannung in der Luft.
Da war etwas in der Dunkelheit und was auch immer es war, es würde kommen.