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Logging In Your System (Though I Don’t Belong)

Summary:

“Für einen Augenblick gab es nichts als Skinny und ihn. Zwei Jungs, die sich liebten, aber nie zusammen sein könnten. Dann riss Skinny sich weg, Entsetzung in seinen wirren, grauen Augen. […] Kein Wahn. Nur Schmerz. 
Echter, blanker Schmerz.”

Was eigentlich nur ein weiterer schneller Deal mit einem Bekannten für Skinny werden sollte, wurde binnen Sekunden zu einem unerwarteten Wiedersehen mit einem alten Bekannten aus seiner Jugend.
Mit der Rückkehr Bob Andrews’ in sein Leben kamen aber auch alte Gefühle zurück, die Skinny am liebsten für immer vergessen hätte.

- Titel von “Lazer Stars (Neon Lights)” von SONOROUS

- Leben ist ein bisschen shitty, also muss ich wohl meine zwei Süßis mit zu hohem Angst-Potential mal wieder ein bisschen leiden lassen

- oh my gods ich hab tatsächlich gelernt wie man summaries schreibt

Notes:

Das ich mal wirklich pure Angst schreibe, hätte ich nie gedacht.
Ups.

Anyways, enjoy ;)

(See the end of the work for more notes.)

Work Text:

Skinny lehnte an einem Laternenmast in einer Hinterstraße und spielte mit seinem Feuerzeug. Er wartete auf einen seiner Stammkunden, Evan Grey.
Evan kam eigentlich nie zu spät. Deshalb irritierte es Skinny, dass der große Mann jetzt schon fast zehn Minuten zu spät war.
“Verdammt, Grey, beweg deinen Arsch hierher,” knurrte Skinny zwischen den Zähnen hervor. Er wollte keine Sekunde länger als nötig an einem Ort wie diesem sein. Einem Ort, an dem Patrouillen der Polizei häufiger zu finden waren als Sandkörner am Strand.
Dann hörte er endlich das ihm bekannte Klackern von Skateboard-Rädern auf brüchigem Asphalt.

Skinny sah auf. Doch anstatt der schwarzen Braids erblickte er honigblonde Locken, gut zehn Zentimeter tiefer als erwartet.
Verdutzt senkte er seinen Blick ein wenig. Das war definitiv nicht Evan.
“Wo ist Grey?” fragte Skinny den kleineren Mann unwirsch.

Der Mann stieg von seinem Skateboard, schrumpfte dadurch noch mal ein bisschen, und strich sich die Haare aus den Augen. Er grinste breit, sehr zu Skinnys Irritation.
“Evan ist verhindert,” erklärte er lässig. “Ich soll die Ware überliefern.”
Skinny schnaubte. “Mit Fremden mach ich keine Geschäfte.”
Der Mann lachte nur. “Meine Güte, Skinny, sag nicht, du erkennst mich nicht. Hab ich mich wirklich so sehr verändert?”

Das Lachen irritierte Skinny nur noch mehr. “Alter, jetzt sag wer du bist oder verpiss dich, ich hab keine Zeit für so ne Kleinkinderscheiße,” schnauzt er.
Der Kleinere schüttelte lächelnd den Kopf. “Immer noch so ungeduldig. Ich bin’s, Bob. Bob Andrews. Wir waren auf der Highschool in einer Klasse. Naja, bevor du rausgeworfen wurdest. Klingelt’s jetzt?”

Skinny fiel aus allen Wolken. Bob Andrews?? Der Streber vom Dienst? Er nahm den Mann vor sich jetzt genauer unter die Lupe.
Bobs blonde Haare waren länger als noch vor vier Jahren, anscheinend war er aus der Warrior Cut Phase jetzt rausgewachsen, und sie wirkten dunkler, als wären sie mal gefärbt worden.
Er war kaum gewachsen, aber er hielt sich aufrechter, was ihm zumindest einige Zentimeter gutschrieb.

Sein Style hatte sich auch verändert, von ordentlichen Anzughosen und fast zu perfekt sitzenden Sweatern zum typischen Rocky Beach Skater Boy — schwarze Shorts, Band-T-Shirt von irgendeiner unbekannten Band, Converse.

Bei genauerem Hinsehen erkannte Skinny die Regenbogen-Schnürsenkel.
Alles in ihm zog sich zusammen, und seine Hand wanderte unbewusst in seine Jackentasche, seine Finger klammerten sich um das kleine, hölzerne Kreuz.
Er versuchte krampfhaft, sich nichts anmerken zu lassen.

“Okay, nimm das Zeug. Grey hat schon gezahlt,” presste Skinny bemüht cool hervor und holte die weiße Dose aus der Tasche seiner Cargohose, in der kleine, rote Pillen leise klapperten.
Bob nahm sie entgegen und schob sie in seine Hosentasche.
Dabei streiften seine Finger die von Skinny.

Skinny’s Herz setzte einen Schlag aus. Er merkte gar nicht, wie schnell er sich in Bobs Augen verlor.
Diesen unglaublich blauen Augen mit den braunen Sprenkeln am Rand der Iris, die Skinny damals schon so lieb–
Das Silberkreuz um seinen Hals wog auf einmal mehr als die Welt; und wie als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen, zog Skinny seine Hand zurück, schlug sich dabei den Ellbogen am Laternenpfahl an.

Fluchend rieb sich Skinny über den Arm.
“Du fluchst zu viel, weißt du das?” sagte Bob grinsend, sein Ton fast neckend. “Das ist mal so was von 2005.”
“Und du atmest zu viel. Nervt genauso,” fauchte Skinny zurück.
Bob lachte nur. “Man sieht sich, Skinny!”
Er stieg auf sein Skateboard und fuhr davon, die Hände in den Taschen.

Skinny sah ihm hinterher und verfluchte alles, was er war.
“Scheiße,” murmelte er, während Bob hinter einer Ecke verschwand.
Er drehte auf dem Absatz um und eilte davon — auf schnellstem Wege zur örtlichen Kirche.

•-–—???—–-•

Skinny kniete vor dem großen Marmor-Abbild von Jesus am Kreuz, den Kopf gesenkt. Die alte Kirche war, abgesehen von ihm selbst, komplett leer.

In seinen zitternden Händen hielt er seine Kreuzkette, fest umklammert.
Die kupfernen Dornenranken, die um den Körper aus Silber geschlungen war, stachen schmerzhaft in die dünne Haut seiner Finger, doch Skinny merkte es kaum.

Seine Finger waren bereits vor einer Weile taub geworden.
Ob vor Angst oder weil er sie sich absichtlich erst in der Kirchentür und danach zwischen den herumliegenden Bibeln eingeklemmt hatte, das konnte er nicht mehr genau sagen.

Zwischen abgehackten Atemstößen murmelte Skinny verzweifelte Gebete.
Beinahe flüsternd, den Tränen nahe, bettelte er seinen Gott nach Erlösung an, bat ihn um Vergebung für seine Sünde, die diese Liebe war.

Skinny spürte eine große Hand auf seiner Schulter.
Er unterbrach seine hektischen Gebete und blickte auf. Über ihm stand der Pastor.
“Du siehst aus, als hättest du viel auf dem Herzen, junger Skinner,” sprach er mit dröhnender und doch sanfter Stimme. Die Art von Stimme, die man selbst bei einem Flüstern noch kilometerweit hören würde.

Skinny nickte nur.
Der Pastor lächelte ihn an, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht.
“Komm, mir kannst du es doch erzählen.”

Skinny stand auf, das Kreuz drückte sich immer noch in seine Haut. Zusammen mit dem Pastor ging er zu einem der kleinen Holzkammern, in denen sich die Beichtstühle befanden.

Die Kirche war außer ihm und dem Pastor komplett leer.
So hörte niemand Skinnys schmerzerfüllten Laute, die in dem großen steinernen Raum umherhallten.

•-–—???—–-•

Zwei Tage später entschloss sich Skinny spontan, nach einem Deal in den Park zu gehen. Er setzte sich auf eine Bank in der Nähe des Skateparks und zündete eine Zigarette an.
Es dauerte ein bisschen, bis er das Feuerzeug anbekam.
Seine rechte Hand schmerzte zu sehr, wenn er den Daumen bewegte, und er war nun mal Rechtshänder.
Eigentlich war er sogar mal Linkshänder, aber er hatte sich das abtrainiert.
Linkshänder sein sprach schließlich von einer Affinität zum Teufel, und Skinny war kein Teufelskind.

Es war schon spät. Die Lichter der Stadt warfen lange Schatten auf das graue Betonlabyrinth des Skateparks.
Nur wenige Menschen waren noch da, die sich über die Rampen bewegten, als wäre die Schwerkraft nur ein Konzept.

Skinny war nicht an diesen Ort gekommen, um irgendwen zu sehen. Er war lediglich wegen eines Deals in der Nähe.
Aber das Schicksal meinte es wie immer nicht gut mit ihm.
Denn unter den Gestalten befand sich Bob.
Bob Andrews.

Die anderen Skater zogen langsam weg umso näher der Stundenzeiger der Kirchenuhr an die 12 rückte. Doch Bob blieb auf den Gerätschaften, als ob Zeit für ihn nicht existierte.
Die Kapuze halb über den Kopf gezogen, in einem zu weiten Hoodie mit Nirvana-Logo, der bei jedem Trick wie Flügel flatterte.

Und natürlich entdeckte er Skinny.
Bob sprang von seinem Board und lief locker zu Skinny hinüber.
“Stalkst du mich jetzt, Skinny?” fragte er spitzbübisch.

Bobs Grinsen war zum Kotzen schön. Skinny musste ernsthaft einen Würgereiz unterdrücken.
“Träum weiter,” knurrte er, bemüht verächtlich, und trat die Kippe auf dem Boden aus. “Bin nur zufällig hier.”
Bob lachte – und das war das Schlimmste in dieser Situation.
Er lachte nicht höhnisch, nicht sarkastisch.
Sondern ehrlich.

“Evan geht’s übrigens wieder besser,” sagte Bob nach einem kurzen, beiderseitigen Schweigen. “Danke für den Vertrauensvorschuss. War… hilfreich.”
“Kein Ding,” murmelte Skinny, die Hände in den Taschen vergraben. Er wollte was sagen. Irgendwas Abweisendes, Scharfes, wie immer. Aber sein Hirn war leer, wie ausgebrannt.

Schließlich zog Skinny eine neue Kippe aus der Jacke.
Er bot sie Bob an, aus welchem Grund auch immer.
Der nahm sie an, ohne zu zögern, und ließ sich Feuer geben.
Er erwähnte nicht den blutbefleckten, dreckigen Verband über Skinnys rechter Hand.

“Du bist irgendwie anders, weißt du das?” meinte Bob leise.
“Was zum Fick meinst du damit, Andrews?” fragte Skinny argwöhnisch. Sein Herz schlug ein wenig schneller.
Bob schob sich die Kapuze hinunter. “Ich mein... keine Ahnung. Du wirkst einfach anders als noch vor ein paar Jahren.”

Die Zigarette war fast runtergebrannt.
Bob saß jetzt auf dem Beton, sein Board neben sich, während Skinny stehen geblieben war, die Arme verschränkt. Die Luft war still. Zu still.

“Du wirkst heute... ruhig“, sagte Bob, die Augen halb geschlossen. “Fast wie als würdest du mal nachdenken.”
Skinny verzog das Gesicht. “Ich denke dauernd nach, Langweiler. Meistens darüber, wem ich als Nächstes aufs Maul hauen werde.“
Bob lachte wieder – dieses Lachen, das Skinny nur noch mehr aus dem Takt brachte.
“Du versuchst echt, mich wegzustoßen, hm?”
“Vielleicht, weil’s sonst funktioniert.“
“Tut’s nicht. Bei mir zumindest.“

Skinny sah ihn an. Länger als er es normalerweise ertrug, Schwule anzusehen. “Aha.”
Und wieder dieses verdammte Grinsen von Bob. Dieses sündhafte, viel zu echte Grinsen, das sich direkt in Skinnys Knochen fraß.
Bob stand langsam auf, trat näher. Er war jetzt direkt vor Skinny, fast schon zu nah.

Und dann ein einziger Moment.
Bob hob die Hand, ganz vorsichtig, als würde er Skinny berühren wollen. Vielleicht an der Wange. Vielleicht nur kurz.
Aber das war der Punkt.

“Fass mich nicht an!“ fuhr Skinny auf einmal los, als hätte er sich verbrannt.
Er trat zwei Schritte nach hinten, beinahe hektisch.
“Fuck! Du... denkst du, das hier ist ein scheiß Past-Highschool-Romanze-Moment oder was?!“

Bob sah ihn verwirrt und verletzt zugleich an.
“Hör auf, mich so anzusehen,” knurrte Skinny. „Ich schwör’s dir, ich... ich brech dir deine scheißverdammten Knochen!“

Für einen Moment war Skinny alles zu laut. Der Wind, Bobs Atmen, das Blut in seinen eigenen Ohren.
Er drehte sich abrupt um, ging ein paar Schritte, fluchte vor sich hin.
„Scheiße... scheiße... verdammte Scheiße.“

Dann blieb Skinny stehen.
Wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
Nur ganz kurz schaute er zurück.
Und er rannte.
Weg von Bob, aber vor allem, weg von seinen Gefühlen.

•-–—???—–-•

Skinny saß mit dem Rücken an eine Wand gelehnt, in irgendeiner Gasse, die vor lauter Dreck kaum Asphalt durchschimmern ließ. Seine Beine waren angewinkelt, die Finger fahrig.
In seiner Hand hielt er eine halb leere Pillendose. Zeug, das eigentlich nicht für ihn gedacht war.
Das Flackern einer einzigen Straßenlaterne war das Letzte, was noch gegen die Dunkelheit der Nacht kämpfte.

Skinny stöhnte leise. Der Vodka hatte ihn ausbrennen sollen.
Hat er auch – aber nicht genug.
Also kamen die Pillen.
Zwei, drei, vier.
Irgendwann hatte er aufgehört zu zählen.

Jetzt rauschte es in seinen Ohren, dumpf, wie unter Wasser.
Skinnys Kopf fiel zurück gegen die Wand. Die Kälte der Steine tat gut, erinnerte ihn an was die Wirklichkeit war.

Skinnys Lippen fühlten sich trocken an. Er wünschte, er könnte Bob vergessen
Bob.
 Mit diesem verfluchten Grinsen.
 Mit diesen viel zu tiefen Augen, die ihn an das Meer nach dem Sturm erinnerten.

“Ich bin nicht so“, keuchte Skinny, als müsste er es jetzt gerade irgendwem erklären. “Ich bin nicht so. Ich bin nicht so, scheiße, ich...“
Er schlug mit der Faust gegen die Wand. Den folgenden Schmerz konnte er beinahe nicht wahrnehmen, so weit weg war er schon. Dann rutschte seine Hand in den Dreck.
Skinny lachte bitter.

Was wäre, wenn Bob recht gehabt hatte? Wenn er so war?
Wenn er ihn wirklich wollte?

Ein Zittern durchfuhr Skinnys Körper. Ob es das erste Mal war, konnte er nicht sagen.
Die Welt begann zu schwanken. Erst langsam, dann schneller.
Die Lichter tanzten vor seinen Augen, der Boden vibrierte unter ihm. Oder war es sein Herz?
Er wusste es nicht mehr.

Skinny versuchte aufzustehen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Er hustete. Übergab sich. Ein dunkler Fleck landete neben ihm, nicht ganz Blut, aber auch nicht nur Galle.
“Scheiße...,” krächzte er.
Aber sein Körper hörte nicht mehr auf ihn.
Alles wurde taub.
 Wie wenn man in kaltes Wasser sinkt.
 Er konnte nichts mehr spüren. Nicht einmal die Angst.

Skinnys letzter klarer Gedanke bevor er zusammenbrach war:
 “Wenn mich jetzt jemand findet... ist alles vorbei.”

Dann wurde es schwarz.

•-–—???—–-•

Evan Grey war eigentlich nur zufällig in der Nähe der Gasse.
Er war auf dem Weg zu Bob, ein bisschen zocken, ein paar Bier…
Doch dann stolperte er über ein Bein.

Fluchend fing Evan sich ab und wollte gerade zu einer Schimpftirade ansetzen, da sah er das Gesicht, zu dem das Bein gehörte.
Skinny.
Das Gesicht bleich, der Atem flach, Pillen auf dem Boden verstreut wie Konfetti nach einem Konzert.
“Scheiße... Skinny?“
Keine Reaktion.
Evan kniete sich neben ihn, tastete nach dem Puls – schnell, flatternd.

“Fuck!” Evan wurde panisch.
Er hatte noch nie jemanden sterben sehen, und wollte es auch nicht.
Und dann ein klarer Gedanke inmitten von all dem Chaos: Bob.

Mühsam zog Evan Skinny hoch und nahm ihn auf den Arm. So schnell er eben konnte mit dem zusätzlichen Gewicht bewegte sich Evan die wenigen Straßen zu Bobs Haus.
Als er das Haus erreichte, trat er gegen die Tür — seine Hände waren schließlich voll — und murmelte vor sich hin. “Mach hinne, Mann…”

Bob öffnete schließlich die Tür. Als sein Blick auf Skinny fiel, über die schlaffen Glieder wanderte, wechselte sein Gesichtsausdruck von Genervtheit über Schock zu kühler Ruhe.
Er trat beiseite um Evan reinzulassen. “Leg ihn auf die Couch. Was ist passiert?”

Evan ließ Skinny auf die Couch sinken, und Bob kniete sich davor, hob vorsichtig Skinnys Lider, prüfte die Atmung.
“Was hat er genommen?” fragte Bob ruhig.
Evan zuckte mit den Schultern. “Irgendwelche Pillen. Und er hat getrunken, denk ich. Keine Ahnung, was oder wie viel.”

Bob nickte nur.
Dann holte er einen Eimer kaltes Wasser und ein nasses Tuch.
Seine Hände bewegten sich, als hätte er das schon öfter getan.

Evan beobachtete ihn schweigend.
“Du weißt genau, was du tust“, sagte er schließlich. Leise, die Stimme still in Erkenntnis.
Bob antwortete nicht sofort. Er wrang das Tuch aus, tupfte Skinnys Gesicht damit ab, flüsterte in beruhigendem Tonfall auf ihn ein, obwohl Skinny nicht reagierte.

Evan schwieg, weil Bob schwieg. Er wusste besser als jeder andere, dass er nichts aus Bob rausbekommen würde, wenn dieser schon so schwieg.
“Wird er’s schaffen?“ fragte er irgendwann.
Bob nickte. “Wahrscheinlich.“

“Warum hilfst du ihm? Nach allem?” fragte Evan. Natürlich wusste er, was zuvor passiert war.
Bob sah Evan jetzt direkt an.
“Wenn du lang genug neben so jemandem stehst, siehst du, was er sich jeden Tag antut.“
“Und du... willst das reparieren?“
“Nein.“ Bob lächelte bitter. “Ich will nur, dass er nicht stirbt, bevor er merkt, dass er auch geliebt werden könnte.“

Evan schaute wieder auf Skinny. Wie der da lag.
“Shit, Bob... du bist viel zu gut für diese Stadt.”
“Vielleicht,” sagte Kylo. „Oder ich bin einfach der Einzige, der ihn noch nicht ganz aufgegeben hat.”

•-–—???—–-•

Die Nacht zog sich langsam dahin.
Evan war längst nach Hause gegangen.
Doch Bob wachte weiterhin neben Skinny, wischte ihm die Stirn trocken, sorgte dafür, dass er am Leben blieb.
Er erneuerte sogar einmal den Verband um Skinnys Hand — der konnte doch nicht steril sein, so dreckig und blutbefleckt, wie der war — und versuchte, nicht zu sehr über die kreuzförmige Brandwunde nachzudenken, die von zahlreichen Narben in derselben Form umgeben war.

Skinny schlief unruhig.
Er schwankte zwischen Realität und Delirium, seine Haut wurde immer heißer als sein Fieber stieg.
Manchmal murmelte er von Gestalten; Schatten, die ihn nicht in Ruhe ließen.
Manchmal keuchte er einfach nur, sein Atem viel zu schnell um ihn ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.
Ein, zwei Mal schlug er sogar nach Bob, sprach davon, dass Bob ein Dämon sei, den der Teufel gesandt hatte, um ihn zur Sünde zu verführen.

Ihn so reden zu hören, brach Bob das Herz.
Er hatte immer etwas für den Älteren übergehabt, aber er wusste, er war einer von vielen Christen, die für queere Menschen nicht viel übrig hatten.

Es war irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr morgens, als Skinny wieder murmelte.
“Zu warm... alles brennt… ich… ich seh sie…,” krächzte er, die Augen unfokussiert und die Wangen fieberrot.
Bob beugte sich näher. “Was siehst du?“
“Meine Mutter.“ Ein zitterndes Lächeln huschte über Skinnys Gesicht, seltsam entrückt. “Die… die schreit. Sie sagt, ich soll nicht so sein. Dass ich... falsch bin. Dass das nicht… dass das nicht geht.“

Bob antwortete nicht sofort.
Er hatte das Gefühl, die Schmerzen in seinem Herz würden ihn ersticken.
Ein paar Minuten Stille.

Skinny drehte sich zur Seite, riss die Augen auf, gehetzt. Doch sein Blick war scharf auf Bob gerichtet, fast uncharakteristisch klar für jemanden, der sich eigentlich gerade aus einer Überdosis kämpfte.

Seine bandagierte Hand schnellte vor, krallte sich in Bobs blonde Locken.
Skinny zog den jüngeren Mann zu sich und küsste ihn – ungestüm, ein bisschen unkoordiniert, beinahe verzweifelt.

Bob war schockstarr.
Ein Moment verging, in dem sein Kopf versuchte, sich einen Reim daraus zu machen.
Dann erwiderte er den Kuss. Kontrollierter, aber nicht weniger verzweifelt.

Für einen Augenblick gab es nichts als Skinny und ihn.
Zwei Jungs, die sich liebten, aber nie zusammen sein könnten.

Dann riss Skinny sich weg, Entsetzung in seinen wirren, grauen Augen.
Seine Stimme war rau, aber klar. Kein Wahn. Nur Schmerz.
 Echter, blanker Schmerz.

“Bob fucking Andrews...“, murmelte er, seine Augen begannen zu tränen, “warum hast du mich nicht einfach verrecken lassen... bevor ich so sündigen konnte?“

Notes:

Part 2 ist schon in the works.

Es wird nicht besser werden. Oder gesünder. Oder weniger angsty.

Aber dafür erfährt man, was danach passiert ist, also.. yay?

Schreibt gerne in die Kommentare wie ihr die short story fandet :)